Zwergsagen aus Schwaben

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Textdaten
Autor: Anton Birlinger
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Titel: Zwergsagen aus Schwaben
Untertitel:
aus: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde. Band IV, S. 167–172
Herausgeber: Wilhelm Mannhardt
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Dieterichsche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Göttingen
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Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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ZWERGSAGEN AUS SCHWABEN.


1. GRAUMÄNNLEIN AUF ZEIL.

     In dem schlosse Waldburg-Zeil erscheint jedesmal so oft ein glied der fürstlichen familie stirbt das graumännlein, es ist ganz klein von gestalt, hat graue uralte haare, und ein aschgraues mäntelchen. aus den großen unterirdischen [168] kellern und gewölben kommt das graumännlein herauf ins schloß, geht durch alle gemächer und durchstöbert alles. hat es die runde gemacht, so kehrt es wieder zurück von wannen es gekommen. man hat’s schon oft gesehen. als der alte fürst starb, kam es auch wieder, seither aber nicht mehr. –


2. ERDMÄNNLEIN PROPHEZEIT.

     Als man die straße von Gmünd nach dem Rechberg baute, kam auf dem wege nach Stuttgart dem Gmünder feldschützen ein kleines erdmännlein entgegen und redete ihn folgendermaßen an: ’er werde es vielleicht noch erleben, daß auf der neuerbauten straße ganz wenig leute einstens gehen werden.’ nach diesen worten verschwand das männlein und der feldschütz wußte weder woher noch wohin es so plötzlich gekommen sei.


3. EINFÜSZLE IM NONNENKLOSTER.

     In einem dem sogenannten nonnenkloster zu Tübingen gehörenden nebengebäude weiß man seit alten zeiten her viel vom einfüßle zu erzählen. es ist ein kleines winziges kohlrabenschwarzes männlein mit nur einem fuß und einem der kaputze ähnlichen käppchen. in der scheuer besonders zur adventszeit ließ er sich oft sehen und hören, ergötzte sich oft tage und nächte lang mit fruchtmessen, geld zählen und hatte seine besondere freude daran, die leute recht zu necken und zu erschrecken. so warf einfüßchen oft wenn die leute in der scheuer arbeiteten, vom obersten kräch herunter das heuseil, trippelte die stiegen auf und ab besonders gegen abend. mal riefen kinder unter dem scheuerthor zum spaß, einfüßle einfüßle komm! auf einmal trippelte einfüßchen heran, so schnell als wie einer mit zwei füßen. die kinder sprangen erschrocken davon, nur ein bube fiel und das freute einfüßchen so, daß es laut auflachte und wieder in die scheuer zurückkehrte.


4. ROTHMÄNTELE AUF DEM SPITZBERG.

     Auf dem Spitzberg bei Tübingen hauste vor alters ein [169] zwerg in den kellern und verließen der Oedenburg. man hieß ihn unter dem volke nur ’das Rothmäntele’ von seinem rothen mäntelchen, in dem er sich den leuten zeigte. rothmäntele kam oft ja fast alle tage herunter an den Neckar der unten vorbeiläuft um sich zu baden, ging allemal zur nämlichen stunde um mittagszeit herunter und wieder hinauf auf demselben wege in derselben furche eines weinbergs. Hirschauer wenn sie in ihren wiesen oder weinbergen arbeiteten sahen rothmäntelchen sehr oft, manchmal konnte man es sehen auf dem fahrwege den leuten die in den halden herum schafften zusehend, bei dessen anblick sie sich aber allemal versteckten. in Tübingen lebte ein mann, der kam öfters auf den Spitzberg vor sonnenaufgang. rothmäntelchen erschien ihm dann aus einem loch heraufsteigend und unterhielt sich einigemal mit ihm wegen eines schatzes, den es ihm unter gewissen bedingungen zu zeigen versprach. der schatz liege mitten im felde der Tübinger markung und sei schwerer als der Österberg. der mann solle das geheimniß des schatzes niemand verrathen. habe er aber den schatz gehoben so dürfe er ihn nicht in der heimath genießen, sondern er solle in apfelgrünem gefährt, gezogen von apfelgrünen pferden gen Wien fahren und ihn dort verbrauchen.


5. DAS HOJĀMÄNNLEIN.

     In der umgegend von Westhausen und Lauchheim ist das ’Hojāmändle’ allbekannt. wenn’s eine steig hinaufgeht und die zugthiere besonders ochsen und kühe herb thun, kommt hie und da das ’hojāmändle’ und bietet mitleidig sein gutes vorspann an und hilft dann glücklich hinauf. es ist ein ganz kleines untersetztes männlein in gewöhnlicher kleidung. für seinen dienst läßt es sich aber nachher gut bezahlen. dem bauer wird sein vieh schrecklich geplagt und schauerlich zugerichtet und zuletzt fällt es im stalle nur um und ist todt. darum hat man das Hojāmändle nicht gern und leute die ihm schon gerufen mußten ihren muthwillen theuer büßen. um sich aber vor ihm zu verwahren soll man so oft das vieh ausgetrieben oder angespannt wird sagen:

[170]
hoi, hoi in gottes namā!

dann kann das hojāmändle nichts mehr anhaben und darum sagt man dieses bei dem landvolke immer.


6. DAS HÄFTĀMÄNNLEIN.

     In der umgegend von Absgmünd weiß man auch von einem ’Häftāmändle.’ es haust blos im walde und ist der größte schrecken für holzdiebe. es hängt sich nämlich ihnen so an den beladenen wagen, daß er vor schwere nicht mehr einen schritt weiter geht, bis man den diebstahl abladet, dann kommt man wieder weiter.


7. DER ZWERG IM GRANEKLE.

     An einem herbstabend war noch ein weib spät auf dem Granekle, einem sagenreichen berge bei Wißgoldingen, sammelte kräuter und attichbeer. wie sie der heimath zu will schaut sie noch mal hinauf und sieht oben auf dem Granekle einen buben herumspazieren von gar seltsamem aussehen und ganz sonderbarer kleidung. sie dachte bei sich, was doch der knabe noch so spät da oben zu schaffen habe und meinte er hätte sich verirrt. sie ging vollends hinauf. da sah sie, daß er ein graues mäntelchen anhatte und eine mit roßhaaren besezte soldatenmütze auf dem kopf. er hatte blecherne stiefel und auf der brust einen dreieckigen stern. sein angesicht konnte das weib nicht recht sehen, scheute sich auch ihn recht anzuschauen. endlich faßte sie muth ihn zu fragen, woher er komme. statt der antwort deutete der knabe mit dem finger auf eine öffnung des berges. aus angst eilte das weib herunter, sah aber den zwerg auf einmal wieder vor sich er reichte ihr etwas hin, das sie nicht kannte, es war ein ding wie eine kaffeeschale. endlich läuft sie wieder davon und am fuße des Granekle gukt sie noch mal hinauf, da kommt’s ihr vor wie ein himmels- oder johannisfeuer das oben auf dem berge brannte, nach wenigen augenblicken aber wie weggeblasen war. seither sah man den zwerg nie mehr.

[171]
8. DIE GUTEN ERDLUITLE.
1.

     In der nähe von Marbach in einem dorfe, der erzähler konnte mir’s nicht mehr genau sagen, war ein schuhmacher ein gar christlicher und allgemein beliebter mann. zu dem kamen jede nacht erdluitle. er hatte immer viel arbeit und machte sie so gut und schön wie kein anderer schuhmacher im orte. nachts vor er ins bett ging warf er schuhe und stiefel und alles was man ihm tagsüber zum machen brachte unter sein schuhmacher-bänkle, sagte jedesmal dazu: ’so besorgt mein sach pünktlich und gut!’ sowie er im bett und alles ruhig war gings an ein trippeln und trappeln, an ein hämmern und klopfen und morgens wenn man aufstand lag alles schön und prächtig und gut gemacht da. der schuhmacher hatte viele kunden überall her auch von auswärts; wurde bald ein reicher mann. wäre er nicht so rechtschaffen gewesen, so wären die erdluitchen nie bei ihm geblieben.


2.

     Bei Murhardt ist eine mühle in der lange zeit erdluitle waren. diese arbeiteten dem müller alles und niemand durfte hand anlegen, aber nur bei nacht wenn es ruhig war. der müller wußte es wohl und stellte die gefüllten fruchtsäcke abends nur in die mühle hinein. morgens war alles gemahlen. um mitternacht gings dann an ein rennen und geschäftiges hin- und herlaufen. eine unzählbare menge von kleinen männlein tummelten herum, der eine holte den sack, einer leerte ihn aus, wieder einer hatte eine wanne auf dem kopf, andere fegten, stäupten, schütteten auf, kehrten zusammen, readeten, alles ging so flink, daß morgens nichts mehr zu thun war. dabei war es ganz ruhig. der müller war auch mal wieder neugierig und wollte sie bei ihrem geschäfte sehen. da bemerkte er wie alle so lumpig angezogen und alles an ihnen zerrissen war. mitleidig ließ ihnen der müller eine große zahl kleiner mäntelchen und röcklein machen und legte sie in die mühle. allein die [172] kleider lagen des morgens noch unberührt da und von dort an kamen die erdluitle nimmer mehr. sie hatten gemerkt, daß sie beobachtet werden, und das wollten sie nicht, sondern mögen ihr geschäft unbeschrien verrichten.


9. KLOPFER.
1.

     In der Mühlwöhrgasse in Mergentheim steht ein ansehnliches aber verrufenes haus; giebts ein gutes weinjahr, so hört man im keller und im obern hause das klopferle.


2.

     Im spitalkeller in Mergentheim läßt sich an weihnachten ebenfalls das klöpferle hören wenn’s ein gutes weinjahr giebt.


3.

     In Kirchheim unter d. Tek ist ein großer keller, der heißt der wittumskeller. wenn’s ein gutes weinjahr giebt, so hört man nachts den klopferle.


4.

     Alte leute wissen von zwei klopfern die im spitalkeller in Mergentheim existiren sollen, von einem grauen und einem schwarzen.

     Tübingen.

ANTON BIRLINGER.