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Über einige Landschaften des Malers Friedrich in Dresden

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Christian August Semler
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Titel: Über einige Landschaften des Malers Friedrich in Dresden
Untertitel:
aus: Journal des Luxus und der Moden
Herausgeber: Carl Bertuch
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1809
Verlag: Landes-Industrie-Comptoir
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Erscheinungsort: Weimar
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Enthält eine Beschreibung des Gemäldes Kreuz im Gebirge von Caspar David Friedrich als Antwort auf die Kritik von Basilius von Ramdohr
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[233]
Ueber einige Landschaften des Malers Friedrich in Dresden.
Dresden im Februar 1809.     

Der Landschaftsmaler Hr. Friedrich, hat wiederum in einem Oelgemälde eine Scene dargestellt, die unter einer höchst einfachen Zusammenstellung einen edeln, poetischen Sinn verbirgt. Man sieht das Meer, dessen grünliche, [234] Schaum aufwerfende Wellen vom Winde mäßig bewegt sind, und darüber eine graue, von Dünsten schwere Luft. Den Vorgrund macht ein Streif des weißen sandigen Strandes, um den einige Mewen schweben. Ueber das Verdienstliche der Ausführung mögen Kunstverständige richten; mir schien der graue, ruhige, nirgends durch aufflackerndes Weiß gestörte Ton des Ganzen trefflich gehalten, und die Luft eben so wahr zu seyn, als in Friedrichs Sepiazeichnungen, die auch bei, Ihnen, wie das neueste Programm der Weimarischen Kunstfreunde bezeugt, so viel Beifall gefunden haben. Was mir aber vorzüglich an diesem Bilde gefiel, war die Bedeutsamkeit, welche der Künstler der einfachen Scene durch eine einzige Figur zu geben gewußt hat. Ein kahlköpfiger Alter in einem braunen Gewande steht auf jenem Strande, fast ganz gegen das Meer hingewendet und scheint, wie seine Stellung und besonders die das Kinn unterstützende Hand anzeigen, in tiefes Nachsinnen versunken[1]. Niemand wird wohl zweifeln, daß das Unermeßliche, was sich vor seinen Augen in die weite, düstre Ferne hin ausbreitet, der Gegenstand seines Nachdenkens ist; man fühlt sich angezogen, mit ihm zu sinnen; jeder leiht ihm vielleicht andere Gedanken, weil jeder von dem großen und ernsten Gegenstande eine andere geistige Ansicht zu nehmen, durch seine Individualität bestimmt wird; indessen convergiren doch alle diese Gedankenreihen, und es giebt einen Punkt, wo sie zusammentreffen.

Das nämliche schien mir auch Statt zu finden bei dem vielbesprochenen Gemälde, das Friedrich an den letzten [235] Weihnachtsfeiertagen hier ausgestellt hatte und wovon Sie auch in Weimar eine Zeichnung gesehen haben. Daß dieses Crucifix auf einem rauhen und dunkeln Berggipfel, hinter dem die Sonne in ihrer ganzen Pracht auf- oder untergeht, – denn darüber waren allerdings die Meinungen der Laien getheilt – etwas mehr andeute, als eine gewöhnliche Landschaft, daß diese das Bild des Erlösers umgebende Naturerscheinung religiöse Gedanken über Verhältnisse zwischen Heiland, Erde und Himmel erwecken solle, dies bezweifelte niemand und man hätte es wenigstens geahndet, wenn auch der Rahmen, der die Landschaft als ein Altarbild ankündigte, nicht da gewesen wäre. Natürlich aber fielen diese religiösen Gedanken bei der großen Verschiedenheit des mehr oder weniger mit alter oder neuer Philosophie und Poesie vermischten, positiven Religionsglaubens der Anschauer sehr verschieden aus, und veranlaßten mancherlei Auslegungen des Bildes. Manche verweilten bei dem Gedanken, daß der Erde ein Licht himmlischer Weisheit aufgehe, dessen erster Schimmer in der christlichen Religion leuchte; andere hielten sich an den Gegensatz zwischen der rauhen, düstern Erde und dem schönern, lichten Himmel, zu dem der Heiland und mit ihm unsere Hoffnung hingewandt sey; andere sahen in der sinkenden Sonne ein Symbol der patriarchalischen Religion des Jugendalters der Menschheit, wo Gott den Menschen unverhüllter sich zeigte, als uns, die wir das Bild des Vaters nur im Bilde des Sohnes sehen; andere hielten die Scene für eine Vorstellung unsers Schauens in dieser irdischen Dämmerung, wo unsern Augen, die zu blöde sind, den Schimmer des höhern Lichts zu ertragen, nur einen Abglanz desselben der Mittler zwischen Himmel und Erde zuführe. Die letztere Auslegung hat Hr. von Ramdohr in seiner Kritik dieses Bildes, die Sie in der Zeitung [236] für die elegante Welt werden gelesen haben, aufgestellt, und ist dagegen so wenig, als gegen die andern Auslegungen etwas einzuwenden. Nur über die Beziehung des Bildes auf die Feier des Abendmahls, die Hr. von Ramdohr annimmt, dürfte man schwerlich mit ihm einverstanden seyn. Die Altarwand, welche den Rahmen des Bildes ausmacht, ist nicht bloß mit Aehren und Weinreben, sondern mit allen jenen theologischen Hieroglyphen verziert, womit unsere Vorfahren, Katholiken und Protestanten, Mystiker und Nichtmystiker die Altäre als Orte der Anbetung und mannichfacher gottesdienstlicher Handlungen bezeichneten; Friedrich wollte also unstreitig, indem er sein Bild mit diesem Zeichen alterthümlicher Frömmigkeit umgab, auf gottesdienstliche Verehrung überhaupt, nicht insbesondere und ausschließend auf das Abendmahl oder das Meßopfer – woran man bei diesem katholischen Altare noch eher denken könnte – hindeuten.

Vielleicht erfahren wir bald von Friedrich oder einem seiner Freunde in ihrer Antikritik, die, wie ich höre, nächstens erscheinen wird, welche Auslegung sich der Künstler selbst von seinem Bilde gemacht hat. Welche es aber auch seyn mag, so kann dies in dem Urtheile über sein Bild, als allegorisches Bild betrachtet, nichts ändern. Es giebt unter der zahlreichen Gattung allegorischer Bilder eine Art Bilder – und es ließe sich vielleicht erweisen, daß sie nicht zu den verwerflichsten ihrer Gattung gehören – wo es der Künstler gar nicht darauf anlegt, eine bestimmte Gedankenreihe auszudrücken, wo er nur ein Paar Symbole einiger vielumfassenden Ideen zusammenstellt, und, daß sie auf einander Beziehung haben, nur im Allgemeinen andeutet, übrigens aber jedem Anschauer überläßt, sich diese Beziehung nach der individuellen Richtung und Stimmung [237] seines Gemüths weiter auszudenken. Bei solchen vieldeutigen Allegorien kann sich’s leicht treffen, daß der Künstler sein Bild anders auslegt, als viele Anschauer; aber dies benimmt dem Werthe seines Bildes nichts, wenn es nur wirklich andere, so wie ihn selbst, zum Nachsinnen über seine Symbole aufregt, und wenn nur die Wege, auf die sie dadurch geführt werden, nicht ganz aus einander fahren, sondern in ähnlicher Richtung nach einer Gegend hinstreben. Daß nun Friedrichs Bild, welches zu dieser Classe von Allegorien zu rechnen ist, jene erste Forderung erfüllte, daß es wirklich religiöse, aus seinen Symbolen hervorgehende Gedanken erweckte, darüber waren alle einig, deren Urtheil zu vernehmen ich Gelegenheit gehabt habe; daß aber unter diesen Gedanken weit mehr Verschiedenheit herrschte, als vielleicht bei einer nichttheologischen Allegorie Statt gefunden hätte, darüber darf man sich nicht wundern, da wir in einem Zeitalter leben, wo die religiösen Meinungen so mannichfaltige Gestalten annehmen und wo nicht bloß jener neue Mysticismus, gegen den Herr von Ramdohr mit Recht eifert, manche jugendliche Feuerköpfe ergriffen hat, sondern auch der alte ächte christliche Mysticismus bei manchen Ruhe suchenden, und von dem rastlosen Polemisiren unserer Zeit ermüdeten Menschen wieder Eingang findet, die sich sehr wundern würden, wenn man sie mit jenen Schwärmern auf eine Linie setzte.

Was man aber auch über dieses und andere Bilder Friedrichs urtheilen mag, immer bleibt sein Streben nach dem Höhern und Vollkommenern achtungswerth, und es wäre zu wünschen, daß sein Beispiel unter den Landschaftsmalern, die dazu Beruf haben, viele Nachfolger [238] fände, die uns in ihren Compositionen mehr, als gewöhnlich geschieht, zu denken gäben; brauchten sie auch dazu nicht die Allegorie, erweckten sie auch nicht gerade christlich-religiöse Vorstellungen. Denn der Wege sind viele, die nach jenem höhern Ziele führen; es sind noch viele Kränze zu erobern für die Künstler, die mit Muth und Kraft daran arbeiten wollen, die Landschaftsmalerei über ihre Schwester, die Prospectmalerei, der selbst die berühmtesten Meister auch in ihren erdichteten Landschaften meistens nur zu getreu geblieben sind, zu erheben; es ist noch eine weite Bahn offen für die Künstler, welche auf die Nachahmung der sich selbst widersprechenden Mannichfaltigkeit, die die Naturscenen der wirklichen Welt in der Regel darbieten, sich nicht beschränken, sondern Scenen einer idealischen Welt dichten und darstellen wollen, wo alles[2] , wie in dieser sublunarischen Welt so selten der Fall ist, zur vollkommensten, malerischen und poetischen Einheit zusammenstimmt.

C. A. Semler.     


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[239]
Nachschrift des Redacteurs.

Herr Friedrich giebt, so wie ein Freund mir schreibt, folgende Beschreibung und Deutung des Bildes und des Rahmens:

Beschreibung des Bildes.

Auf dem Gipfel eines Felsens steht, hoch aufgerichtet das Kreuz, umgeben von immer grünen Tannen, und immer grüner Epheu umwindet des Kreuzes Stamm. Strahlend sinkt die Sonne, und im Purpur des Abendrothes leuchtet der Heiland am Kreuz.

Beschreibung des Rahmens.

Der Rahmen ist nach Herrn Friedrichs Angabe vom Bildhauer Kühn gefertigt worden. Zur Seite bildet der Rahmen zwei gothische Säulen. Palmzweige steigen daraus empor, und wölben sich über dem Bilde. In den Palmzweigen sind fünf Engelsköpfe, die alle anbetend niederschauen auf das Kreuz. Ueber dem mittelsten Engel steht im reinsten Silberglanze der Abendstern. Unten ist in länglicher Füllung das allsehende Auge Gottes, vom heiligen Dreizack eingeschlossen, mit Strahlen umgeben. Kornähren und Weinranken neigen sich zu beiden Seiten gegen das allsehende Auge, und deuten auf Leib und Blut dessen, der an das Kreuz geheftet ist.

Deutung des Bildes.

Jesus Christus an das Holz geheftet, ist hier der sinkenden Sonne zugekehrt, als das Bild des ewigen allbelebenden Vaters. Es starb mit Jesu Lehre eine alte Welt, die Zeit, wo Gott der Vater unmittelbar wandelte auf Erden. Diese Sonne sank, und die Erde [240] vermochte nicht mehr zu fassen das scheidende Licht. Da leuchtet, vom reinsten edelsten Metall, der Heiland am Kreuz im Golde des Abendroths, und wiederstrahlet so im gemilderten Glanz auf Erden. Auf einem Felsen steht aufgerichtet das Kreuz, unerschütterlich fest, wie unser Glaube an Jesum Christum. Immer grün durch alle Zeiten während, stehen die Tannen um das Kreuz, wie die Hoffnung der Menschen auf ihn, den Gekreuzigten.



  1. Andere hätten vielleicht, um dem Herkommen getreu zu bleiben, ein Paar Fischer oder eine Poissarde von Schevelingen hingestellt.
  2. Proportionen und Formen, Beleuchtung und Kolorit, Fabriken und Figuren – der Ausdruck und die Bedeutung, wie ich mich in meiner Schrift über Landschaftsmalerei ausgedrückt habe – der Rhythmus in Zeichnung, Farbe und Licht und die associirten Ideen, wie Herr von Ramdohr in der erwähnten Kritik andeutet – der natürliche, der ästhetische und der poetische Charakter, wie Fernow in seiner Abhandlung über die Landschaftsmalerei gezeigt hat.