Der Wildprethändler (Gemälde der Dresdener Gallerie)

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Autor: Adolph Görling
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Titel: Der Wildprethändler
Untertitel: Von Gabriel Metzu
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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The Game Dealer.     Der Wildprethändler.

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Der Wildprethändler.
Von Gabriel Metzu.

Tom Bosch war im Jahre 1632 das schönste Edelgut in der Umgegend des alten Lugdunum Batavorum, Leydens. Wenige Bewohner dieser Stadt mochte es damals geben, welche von keiner Wallfahrt nach dem Gute des „stillen Edeljonkers“ zu erzählen wußten. Tom Bosch lag etwa drei Stunden von Leyden, den alten Rhein hinaufwärts. Das Schloß selbst war in der niedrigen, breiten, niederländischen Manier gebaut und zeigte vorn ein ziemlich festes Thor mit einer alten Zugbrücke, die über den sehr breiten und tiefen Schloßgraben ins Innere der Besitzung führte. Vom Schloßhofe aus sah man die sämmtlichen Gebäude, das Herrenhaus, die prachtvollen Viehställe und Scheuren in einem unregelmäßigen Viereck um sich. Hier war noch das Altholland, wie es etwa im Jahre 1432 war. Die Pietät gegen die alten Herren hatten dem jungen Besitzer nicht erlaubt, an diesen ehrwürdigen, malerischen Gebäuden mit den weit überstehenden Dächern und endlosen Gallerien ringsum etwas zu verändern.

Ein damals modisches Paradies that sich aber auf, so wie man den mit bemalten Thonstücken gepflasterten Flur des Herrenhauses durchschritten hatte. Hier öffnete sich ein reich vergoldetes künstliches Gitter von Eisen, und ein Blumengarten nahm den Besucher auf, welcher selbst den Apathischsten der apathischen Holländer in lebendiges Entzücken versetzte. Beet reihte sich an Beet, rechts und links vor der Sonne blitzten die venetianischen Spiegelscheiben von zwei ungeheuren Treibhäusern, und wohin das Auge blickte, begegnete ihm eine hundertfarbige Pracht von Blumen, wovon die meisten ihre hundert und tausend Goldgulden kosteten. Dieser übrigens nicht große Blumengarten hieß das Rad. Seine mit schneeweißem Sande bestreuten Wege waren so kunstvoll und verschlungen angelegt, daß man, wollte man nicht unverrückt entlang der Gewächshäuser spazieren, genau eine halbe Stunde gehen mußte, um durch die, dem Schloßgitter gegenüberliegende Pforte in einen kleinen Wald zu gelangen. Man kann sich kaum das behagliche unendliche Vergnügen denken, mit welchem die Mynheers und ihre „Frouwen“ und Kinder die Windungen dieses bizarren Weges langsam durchmarschirten, um regelrecht in den Wald zu gelangen, der keinen Steinwurf weit entfernt war. Das Talent des Mynheers tom Bosch hatte in diesem blumengeschmückten Irrgarten das Geheimniß gefunden, durch die Nationaltugend, die unsägliche Geduld seiner Landsleute, ihnen einen unvergleichlichen Genuß zu verschaffen.

Den Eingang in den kleinen Wald bewachte eine Gruppe von sandsteinernen Wassergöttern, welche eine grünliche Fluth aus ihren Muscheltrompeten in ein steinernes Becken bliesen, in welchem eine große Anzahl von Goldfischen erschrocken schwamm. Dann kamen einzelne Gruppen großer und einige Alleen kleinere Bäume, nach dem Lineal und Winkelmaaß von acht [168] Fuß hohen, mauerähnlichen grünen Hecken durchkreuzt. Hier waren Sitze, Eremitenklausen, Miniatur-Schäfereien, auch einige Statuen, ein Teich mit einem kleinen Kriegsschiffe, und um die Wunder voll zu machen, so sangen Canarienvögel und Dompfäffchen, Staare, Amseln und Papageien in den vergoldeten Käfigen, die zwischen den Zweigen der Bäume aufgehangen waren. Die Eremitage war die zarte Maske für eine Niederlage des vortrefflichsten Bieres, welches ein als Türke gekleideter, alter Holländer für wenige Stüber ausschenkte; in der Schäferei konnten die Damen Milch und Thee und Kaffee von einer Schweizerin erhalten und das schöne Kriegsschiff war im Innern ein kleines Magazin, wo sich die Mynheers umsonst ihre thönernen „Pipje’s“ stopfen und anbrennen konnten. Kurz, es war dies hier wahrhaft der holländische Garten Eden, nach welchem man, namentlich von Leyden aus, wirkliche Wallfahrten anstellte.

Der Besitzer dieser Herrlichkeiten ließ sich sehr selten vor den Gästen sehen, die Sonntags sehr zahlreich zu kommen pflegten. Reginald tom Bosch war etwa dreißig Jahre alt, unverheirathet und lebte so eingezogen, daß er überall, wie wir schon sagten: „Der stille Edeljonker“ genannt wurde. Man erzählte sich von ihm allerlei Seltsamkeiten. Sicherlich waren die meisten dieser seltsamen Eigenheiten dem Schloßherrn angedichtet. Durch diesen Umstand jedoch wurde das Vergnügen der Gäste, welche sich von dem sonderbaren Edeljonker erzählten, durchaus nicht vermindert und das heiße Verlangen, ihn irgendwo im Garten schlau zu erwischen, oder ihn am Fenster im Schlosse zu sehen, um nichts herabgestimmt. Da indeß diese letzten Wünsche regelmäßig nicht in Erfüllung gingen: so setzten sich die Mynheers in die Eremitage, tranken Bier, sprachen von Tulpen und Canarienvögeln, von Statuen und Fontainen, von Constantinopel und der Türkei, bis sie am Ende den alten türkischen Mundschenken doppelt erblickten und ihre Gedanken rundum gehen fühlten, als wären dieselben in dem Irrgarten des stillen Junkers eingesperrt.

Was diesen betraf, so war so viel außer Zweifel, daß er vor etwa zehn Jahren sich heftig in eine junge Bäuerin verliebte. Seine alte Mutter hatte vergebens Alles versucht, um ihn von diesem Mädchen zu trennen. Statt der Antwort schwur Reginald, daß die schlanke Jantje-Doortje sicherlich seine Frau werden würde. Die alte Dame tom Bosch aber ward todtkrank und kurz vor ihrem Ende vermochte sie ihren Sohn zu dem feierlichen Versprechen, die verhaßte Doortje aufzugeben. Sobald Reginald sich von der Betäubung, in welche der Tod seiner Mutter ihn versetzte, erholt hatte, fiel ihm sein Versprechen mit drückender Schwere aufs Herz. Er wagte nicht, sein der Todten gegebenes Wort zu brechen, ward sehr tiefsinnig, ging zur See, fand, als er zurückkehrte, seine geliebte Doortje vor Gram ebenfalls gestorben und fing nun an, förmlich das Leben eines Einsiedlers zu führen. Einige Verwandte im Haag suchten ihn diesem Hinbrüten zu entreißen, indem sie ihn nach vieler Mühe bewogen, für die Regierung der Niederlande eine Reise nach dem Morgenlande zu machen. Reginald tom Bosch reiste wirklich mit seinem Diener, dem späteren Mundschenken in der Eremitage seines Parkes, ab nach Constantinopel und Ispahan, und kam erst nach acht Jahren wieder zurück. Er legte den Irrgarten, ein Bild seines Innern vielleicht, an, öffnete tom Bosch den frohen Gästen, war selbst aber einsilbiger und zurückgezogener als je. Namentlich durfte in seine Gemächer kein Frauenzimmer dringen und begegnete er einer seiner Dienerinnen, so konnte sie sicher sein, daß Reginald ihr finster den Befehl zuwinkte, sich zu entfernen, damit er seinen Weg fortsetzen konnte.

[169] Reginald war ein sehr hübscher Mann. Die Sonne des Morgenlandes hatte ihn dunkler gefärbt, als selbst die Matrosen in Rotterdam es waren; sein Haar war, ganz gegen die niederländische Mode damaliger Zeit, kurz vom Kopfe geschoren, dagegen hatte er einen vollen Bart, wie ihn sicherlich der Schah von Persien nicht schwärzer und länger besaß. Die Bauern hatten von diesem Barte Anlaß genommen, den Junker den „schwarzen Ruprecht“ zu taufen. Sein Diener, eben der alte „türkische“ Jan, halte sich veranlaßt gesehen, seinem Herrn diese Neuigkeit getreulich zu überbringen. Sonst hatte Reginald die über ihn umlaufenden Gerüchte mit unerschütterlicher Seelenruhe vernommen. Als ihm dieser neue Ehrentitel aber insinuirt wurde, stand er heftig auf, setzte seinen persischen Turban ab, ergriff seine seit lange in Ruhestand versetzt gewesene Karbatsche und prügelte den alten Türken-Jan erbarmungslos durch.

Sonderbarerweise hatten diese Karbatschenhiebe bei weitem auffallendere Folgen für den, der sie verabreichte, als für den, der sie empfangen hatte. War dem stillen Junker diese ungewöhnliche Bewegung in Hinsicht auf sein körperliches Befinden so ungemein heilsam gewesen, oder war er dadurch, daß er den Alten bearbeitete, seines Ingrimmes, den er so lange mit sich herum trug, ledig geworden, so daß er im Innern Luft bekommen hatte, oder hatte dieser Zorn, der Reginald ergriff, vermöge der bewirkten körperlichen und geistigen Erschütterung bei ihm eine Art von Krisis in seiner Gemüthsverstimmung vertreten – gleichviel: der Junker war seit dem Karbatschentage ein Anderer geworden.

Er ging in seinem Garten und Parke spazieren, statt sich zu verstecken, und zwar Sonntags, wenn die meisten Gäste anwesend waren, am liebsten. Er unterhielt sich zwar mit Niemand; doch grüßte er die Damen mit ritterlichem Anstande und großer Freundlichkeit, statt wie sonst finstere Grimassen zu machen. Seine halborientalische Tracht hatte er abgelegt. Die Fremden konnten ihn nur an seinem großen Barte und daran erkennen, daß er, wenn er in dem Irrgarten war, immer über die Beete von einem Wege zum andern sprang, was keiner der Gäste sich je erlaubt haben würde.

Diese Periode in dem Benehmen des Junkers tom Bosch war gewiß eine sehr liebenswürdige. Kaum aber hatte seine Dienerschaft sich zu dieser Veränderung Glück wünschen können, da trat ein neuer Umschwung bei ihm ein, unausstehlicher, als sein ganzes vorheriges Treiben. Er hatte an keinem Flecke Ruhe mehr, quälte seine Umgebung mit den widersprechendsten Befehlen, reiste häufig nach Leyden und kam jedesmal unglücklicher, als er gewesen war, wieder zurück. In gleicher Zeit fing Reginald an, türkische Verse zu machen; denn in den acht Jahren seiner Abwesenheit hatte er es ziemlich verlernt, sich im Holländischen mit Geläufigkeit auszudrücken. Der Türke Jan machte es ausfindig, was Mynheer Reginald fehlte: er hatte sich verliebt und zwar mit einer Heftigkeit, die in Anbetracht selbst seiner Liebe zu der schönen Jantje-Doortje unerhört war.

Unter den Damen, welche von Leyden kommend, sein Paradies zu besuchen kamen, hatte Mynheer Reginald eine gefunden, deren Schönheit ihm die so schwer wiedererlangte Besinnung fast vollständig geraubt hatte. Zweimal war diese Schöne in tom Bosch gewesen und jedes Mal hatte sie eine ehrwürdige alte Dame zur Begleiterin gehabt. Statt sich in die andere Gesellschaft zu mischen, hatten sich diese Unbekannten an eine heimliche Stelle des Parks gesetzt und [170] waren nicht müde geworden, einen dicht neben ihnen im Käfig hüpfenden Gimpel zu bewundern, welcher ungemein sanft die Melodie des lebensfrohen Freiheitsliedes: „Rasch siebenzehn Provinzen“ ohne Anstoß sang. Reginald hatte sich ihnen zu nähern gesucht; er wollte den Damen die ganze Vortrefflichkeit des kleinen Sängers anschaulich machen, um wenigstens ein Wort, ein Lächeln, einen Dank vielleicht von der Schönen zu ernten; noch mehr, er wollte ihnen seinen Liebling auf zarte Weise schenken – vergebens; er konnte nicht den Muth finden, hinter seiner Taxushecke hervorzutreten. Weinend fast sah er die Fremden sich erheben, durch den Irrgarten wandeln und im Schloßhofe ihr geschmackvoll gebautes und noch schöner bemaltes kleines Fuhrwerk besteigen. Augenblicklich ließ auch er sein Pferd satteln und, von dem Türken-Jan gefolgt, zog er fast gleichzeitig mit ihnen in Leyden ein. Gewiß hätte er die Wohnung seiner unbekannten Göttin erkundet, wenn ihn sein unglückliches Pferd, durch einen Trupp muthwilliger Studenten erschreckt, nicht am Thore höchst unsanft abgesetzt hätte. Mynheer Reginald sah sich genöthigt, sich in einen Wagen packen und sofort wieder nach seinem Schlosse zurück führen zu lassen. War sein Sturz wirklich so bedenklich gewesen, oder hatte sein Aerger über den Unfall die Folgen desselben verschlimmert, – genug, der Junker blieb für längere Zeit an sein Zimmer gefesselt.

Er sah sich also genöthigt, sich wegen der Auffindung seiner Herzenskönigin auf seine Abgesandten zu verlassen. Der Türken-Jan hatte durch zwei seiner Entdeckungsreisen, von denen er nichts als die langen Gastrechnungen aufzuweisen hatte, seine totale Unfähigkeit bewiesen. Der Alte war indeß nicht ganz so einfältig, um nicht periodisch einen oder den andern guten Gedanken zu haben. Eines schönen Morgens brachte er einen Mann in einer großen Blouse, mit einer Pelzmütze und nackten Knieen in das Zimmer des Verliebten und stellte ihn Reginald als Mynheer Matthies vor. Matthies war fast eben so alt, als der Türken-Jan; seine kluge Miene, durch sein weißes Haar und einen schönen Bart von derselben Farbe noch gehoben flößte dem Junker sogleich ein großes Vertrauen ein.

– Mynheer tom Bosch, sagte Jan, hier habe ich endlich den Mann, den Sie gebrauchen; Matthies kennt alle vornehmen Herren und Damen in ganz Leyden.

– Wie kommst denn Du zu solchen Bekanntschaften? fragte Reginald halb ungläubig, den Alten musternd.

– Mynheer; ich gehe jede Woche zwei Mal nach Leyden und sitze unter dem trockenen Baume dicht hinter dem Rathhause, wisset Ihr . . .

– Den Teufel weiß ich! rief der Junker.

– Und da kommen die schönen Frauen und Mädchen zu mir . . .

– Zu Dir?

– Ja, und holen mir meine Hasen und Rebhühner, meine Rehe und Schnepfen und Krammetsvögel und dann die lieben wilden Enten ab.

– Was bist Du denn?

– Ein Wildprethändler, Mynheer.

– Ah so; Du bist der Schurke, welcher den Wilddieben Alles abkauft, was sie in meinem Jagdrevier gestohlen haben! Aber gleichviel; machst Du mir die Dame ausfindig, die ich [171] meine, so will ich Dir auf ein ganzes Jahr und umsonst die Benutzung meiner großen und kleinen Jagd abtreten.

Matthies’ Augen fingen an zu leuchten.

Reginald fing jetzt an, dem Wildprethändler die Unbekannte zu beschreiben.

– Sie ist von mittlerer Größe und hat das zarteste Gesicht, welches ich je sah. Ihr Haar ist braun, die Augen blau, und wenn sie lächelt, was sie sehr oft thut, so, merke drauf, so glänzen die Augen auf eine unbeschreiblich anmuthige Weise . . . Verstehst Du mich?

– Ja so ziemlich; aber ich hörte lieber, wie sie angezogen ist, Mynheer; da hätte man etwas Untrüglicheres.

– Sie hat eine seidene Flügelhaube und eine Jacke mit weißem Pelz besetzt; warte einen Augenblick . . . und eine schwarze Tasche mit silbernem Schloß; auch eine Schürze von Nesseltuch . . .

Matthies fuhr sich höchst unbefriedigt mit der Hand durch sein dichtes Haar.

– Nun? fragte tom Bosch gespannt.

– Mein lieber Herr Junker . . . aber so sind die Damen fast Alle, Alle! erwiderte der Wildprethändler.

– Mynheer, wenn Ihr nicht böse werden wollt, sagte der Türken-Jan, so weiß ich noch ein gewisses Kennzeichen. Die Dame hatte einen weißen, schwarzgefleckten kleinen englischen Wachtelhund bei sich.

Matthies stieß einen freudigen Ausruf aus.

– Ist das der Hund, welcher die Leute beißt, derselbe, welcher mir immer meine Hühner und Enten im Korbe todt machen will? Doch das wißt Ihr ja nicht, Mynheer! Aber ohne mich zu rühmen, will ich fast behaupten, daß dann Eure Dame eine meiner besten Kunden ist.

Und nun fing Matthies seinerseits an, die Fremde zu beschreiben. Reginald erkannte die Geliebte in der Schilderung des Alten so sicher wieder, daß er befahl, sofort anzuspannen, um nach Leyden zu fahren. Matthies hatte die helle klare Stimme der Schönen gerühmt; er hatte darauf geschworen, daß die, welche er meinte, Ohrgehänge von großen glänzenden Perlen in der Form eines Kreuzes trage, und namentlich dieser letzte Umstand ließ Reginald nicht mehr zweifeln, daß er endlich am Ziele stehe.

Mit dieser Gewißheit schien ihn sein bisheriger Muth durchaus zu verlassen. Der Junker hielt mit den beiden Alten einen großen Rath, wie es am geeignetsten anzustellen sei, daß er sich dieser Dame nähere. Matthies ward dazu ausersehen, die Zusammenkunft des Junkers mit der Fremden einzuleiten. Reginald ließ vor allen Dingen seinen Dompfaffen, welcher von den „siebenzehn Provinzen“ sang, holen, den schönsten seiner Puterhähne auf dem Hofe einfangen und fügte noch einen allerliebsten goldweißen Hahn hinzu. Matthies nahm diese Thiere in Empfang, holte seine Körbe, nahm noch einen feisten Rammler und eine gerupfte Gans aus eignen Kräften zu sich und packte Alles auf den eleganten Wagen des Junkers. Matthies und der Türken-Jan setzten sich auf den Bock und der Junker kroch in den Kutschenkasten, mit großer Selbstverleugnung das Zwitschern des Dompfaffen und das scheue Geschrei des Hahnes anhörend und sich mit dem eigensinnigen, kollernden Puterhahn, welcher stete Angriffe auf ihn riskirte, abquälend. Schneller als diesmal war der Wildprethändler sicher nie [172] nach Leyden gekommen. Matthies nahm seinen Platz am Rathhause, unweit eines Kanals ein, Reginald drückte sich in eine Ecke hinter einen Vorsprung des dunklen Gemäuers. Der Wildprethändler war bald von einigen Gruppen von Frauen umgeben, welche entweder den Puter oder den Hahn und den Hasen, alle aber den Gimpel kaufen wollten, dessen Käfig an einem Zweige des verdorrten Baumes hinter dem Rathhausfenster aufgehangen war. Man wurde nicht müde, den singenden Vogel zu bewundern.

– Ist schon Alles verkauft! brummte Matthies höchst gleichmüthig auf die beträchtlichen Summen, welche ihm für seine Herrlichkeiten angeboten wurden. Sehr mißmuthig entfernten sich endlich die Käuferinnen.

Endlich kam über die Kanalbrücke eine jugendliche reizende Gestalt, von einem lautbellenden Hündchen begleitet.

– Mynheer! murmelte Matthies, sich rückwärts wendend.

– Sie ist’s! Sie ist’s! stöhnte Reginald und zitterte wie im Fieber.

Jetzt kam die Dame um die Ecke des Rathhauses und blieb verwundert vor dem Wildprethändler stehen, als das Dompfäffchen mit den zierlichen Verbeugungen, welche diese Thiere während des Singens zu machen pflegen, ihr seine Melodie entgegenschmetterte.

– Da seid Ihr, Myvrouw; rief Matthies freudig, indeß er den schreienden Hahn aus dem Korbe nahm und ihn der Schönen präsentirte. Dies Hänschen und mein Puter und der Gimpel? Wie? Heute werde ich wahrlich eine goldene Tasche lösen!

– O, sagte die Dame, an ihren schönen Fingern zählend, mit nachdenklicher Miene, das wird mir viel, viel zu theuer sein. Ich begreife Euch heute nicht. Dieser unvergleichliche Vogel – ist er nicht aus dem Bosch, aus dem Garten? Wie kommt er in Eure Hände? Und ich müßte mich sehr irren, wenn ich den Calecuter nicht auch auf dem Schloßhofe dort gesehen hätte.

– Ihr habt Recht, schöne Jungfrau. Aber laßt Euch sagen: ich bin blos hier, um Euch diese Thierchen anzubieten; handeln aber müßt Ihr mit dem da, mit dem Edeljunker tom Bosch selbst! He, Mynheer, wo seid Ihr denn?

Reginald hatte keine Wahl, so gern er sich in diesem Augenblicke in das innerste Kämmerlein seines Schlosses gewünscht hätte. Sehr ungraziös und verlegen stand er seiner Angebeteten gegenüber und bemühte sich, einen erträglichen Grund zu finden, um der Dame seine Geschenke anzubieten.

Eben jetzt kam ein schön gekleideter Mann über den Platz daher geschritten, das lange Haar im Winde wallend, den mächtigen Federhut weit aus der geistreich geformten Stirn gerückt. Er sah die Grupe vor sich mit breitem, offenem Lächeln an.

– Ach, Mynheer, sagte er zu Reginald, indeß er die Dame mit leichtem Kopfnicken grüßte, würdet Ihr hier wohl einen Augenblick zu mir treten, damit ich mein Bildchen, welches ich vorhin begann, vollenden kann. Ich bin der Maler Gabriel Metzu.

Reginald trat zur Seite und sah jetzt, daß der Maler ein Kärtchen und einen Bleistift in der Hand hielt und mit großer Schnelligkeit die Umrisse der Scene vollendete, wie Matthies der Dame den Hahn vorhält.

[173] – So, jetzt geh und steh immerhin wie Du willst, Anna! sagte Metzu, seine Skizze einsteckend.

Tom Bosch ward bleich wie der Tod.

– Ihr, Ihr, stammelte er, den Maler fest am Mantel fassend, Ihr kennt diese Dame so genau?

– Wie sollte ich nicht? Es ist die Schwester meiner Hausfrau, Mynheer.

– Gott sei Dank! Also nicht die Hausfrau selbst.

– Aber, wäre denn das ein solches Unglück, wenn sie es nun wäre? fragte Metzu, hell auflachend.

– Ja, Mynheer, ja! brach Reginald aus. Es wäre mein Tod gewesen, denn ich, ich liebe Eure Schwägerin bis zum Wahnsinn.

– O, o! und wer seid Ihr denn?

– Ich bin der Edeljunker tom Bosch.

Metzu besann sich einen Augenblick. Dann erwiderte er:

– Mynheer, ein solches Capitel läßt sich nicht wohl auf dem Markt am Rathhause besprechen. Ist’s Euch recht: so lade ich Euch in meine Wohnung ein.

– Ich werde aber nicht gehen, ohne diesen Dompfaffen und diese Hähne mitzunehmen . . .

Matthies schleppte den Herren die Käfige und den Puter nach. Anna war tief beschämt entflohen. Sie mußte aber doch Ursache gefunden haben, dem Edeljunker zu verzeihen; denn nach etwa einem halben Jahre zog sie an der Seite ihrer Verwandten als die Edelfrau tom Bosch in das holländische Paradies ein.