Gedanken eines Layen, über den in des 4ten Bandes 2ten Hefte des Journals v. u. f. Franken eingerückten Aufsatz

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Autor: Anonym
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Titel: Gedanken eines Layen, über den in des 4ten Bandes 2ten Hefte des Journals v. u. f. Franken eingerückten Aufsatz
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 6, S. 197–217
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
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Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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V.
Gedanken eines Layen, über den in des 4ten Bandes 1ten Hefte des Journals v. u. f. Franken eingerückten Aufsatz.


Erklärung der Herausgeber zu diesem Aufsatze.
 Wir haben lange Anstand genommen, von dieser Einsendung eines von uns geschätzten Herrn Correspondenten Gebrauch zu machen; weil wir von unserer Seite die Acten längst für geschlossen erklärten. Seinem dringenden Nachsuchen aber, daß wir den P. P. Capuzinern auch eine Vertheidigung zulassen müßten, wenn wir nicht parteyisch scheinen wollten; daß er, erforderlichen Falls, alles mit Nennung seines Namens vertreten wolle; und seinem unbedingten Glauben an seine Vertheidigung, durch welche er im Geist schon eine friedliche Annäherung beyder Theile, nach dem Sinne| Pauli Röm. 15. voraussehen will; was allerdings sehr heilsam und auch uns recht erfreulich seyn sollte, haben wir nicht länger widerstehen können. Wir geben also alles, ohne die geringste Änderung weder in Materie und Form, noch Ausdruck, wie wir es erhalten haben; nehmen an den Gesetzen dafür und dawider keinen Theil, und wünschen nur: daß es die gehoffte Wirkung nicht verfehle. Wir erklären aber zum Voraus, daß es künftig über Eingangs genannte Personen schlechterdings sein Bewenden haben soll, weil es den geduldigsten Lesern sonst zu viel werden möchte, immer davon zu hören. d. H.


Ich bin ein Leser des Journals, und glaube daher das Recht zu haben, meine Gedanken über diejenigen Gegenstände sagen zu dürfen, welche demselben einverleibet sind. Da mich nun die Bestättigung der Geschichte des P. Anians oder vielmehr die dabey auf alle Mönche angebrachten zum Theile gut gerathenen Seitenhiebe auf eine Betrachtung geführt haben, deren Mittheilung vielleicht einem Theile der Herren Leser gegenwärtigen Journals nicht unangenehm seyn dürfte, so wird mir als einem Layen vergönnet seyn, diese meine Betrachtung um so mehr öffentlich zu sagen, als zeither, wie mit Grunde zu vermuthen ist, im gegenwärtigen Journale| einer vom schwarzen – und in der Augspurger Kritik einer vom braunen – (Geistlichen) Corps hierüber gestritten haben, wobey immer eine gegenseitigen Parteylichkeit mit unter geloffen seyn mag.
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 Die Geschichte des unglücklichen P. Anians will ich in der Hauptsache gar nicht bezweifeln: denn man würde noch schauderhaftere Thatsachen aus den finstern Zeiten aller Ordensstände hervorsuchen können, wenn diese heiligen Ungerechtigkeiten nicht unter die Sekreta Ordinis gehörten. Daß man aber auf den Geist der Zeiten und auf die damahlige fanatische Einfalt der Capuziner keine Rücksicht nimmt, das ist, glaube ich, doch höchst unbillig. Ich kenne einen alten Layenbruder, welcher zur Zeit, wo Anian im Kerker saß, zu Wirzburg wohnte, und bey dessen Begräbnisse gegenwärtig war; dieser behauptet, (und er würde über die lächerliche Behauptung den Martertod leiden) daß Anian einen Bund mit dem Teufel gehabt habe; daß er ein Hexenmeister gewesen sey u. s. w. Auf die Frage, woher und aus weichem Grund er (der alte Layenbruder) dieses wisse, gab er zur Antwort: der Kerl, Anian, hat kein Rindfleisch gefressen, weil er vom Gott sey bey uns schon| mit bessern Bissen vernäschet und gesättiget worden, und was dergleichen albernes Zeug mehr ist: er sagt, der ganze Orden habe es gewußt, jedoch sehr geheim gehalten, damit die geist- und weltliche Obrigkeit nicht zugegriffen, und einen Capuziner als Hexenmeister zur Schande des Ordens öffentlich hätte verbrennen lassen.

 Ist es nun Wunder, wenn der Orden nach der Sitte damahliger Zeiten den bedauerungswürdiqen Anian als ein räudiges Schaaf ansah, von aller Gemeinschaft absonderte, und bey allen Grausamkeiten an demselben noch Wohlthat zu verschwenden glaubte, daß man ihn statt des vermeintlich verdienten schimpflichen Todes ein elendes Leben fortschleppen ließ? Man verbrannte ja 20 Jahre vorher zu Wirzburg noch eine Hexe, und 30 Jahre braucht es immer, bis nur ein Strahl des allgemein scheinenden Lichtes durch das dicke Gemäuer eines Mönchen-Klosters eindringen kann.

 Im letzteren Jahrzehende ließ erst noch eine Hauptstadt eines Schweizer Kantons eine Hexe verbrennen; manche Kleriker und Mönche predigen und katechiziren noch den Glauben an Hexen, und den Capuzinern, die sich in den fünfzig- und sechziger Jahren| noch eine Sünde daraus machten, ein gescheides, Aufklärung verbreitendes Buch zu lesen, den Capuzinern, sage ich, will mans verdenken, und itzt noch die That rügen, daß sie zu jener Zeit einen ihrer Mitbrüder, der etwa verbotene Bücher laß, und sich auf eine den übrigen unbegreifliche Weise im wissenschaftlichen Fache hervorgethan hatte, für einen Haereticum formalem, oder gar für einen Hexemeister hielten.
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 Wie viele unglücklichen Opfer eines herrschenden Vorurtheils hat die Geschichte aufzuweisen, deren Verbrechen heutiges Tages gar nicht geahndet werden würde! Läßt sich wohl denken, daß der in diesem Journale angeführte P. Marianus Gordon eine solche Behandlung zu gewärtigen hätte, wenn er die dermahligen geistlichen Regierungs-Räthe zu Wirzburg zu Richtern haben sollte? Ich wenigsten denke es nicht, und kann nicht anderst vermuthen, als daß der Geist der Zeiten einen Gordon und Anian unglücklich gemacht habe, wenn schon eben der in der Anianischen Geschichts-Bestättigung angeführte P. Mansuet Oehninger zum Beweise dienen kann, daß die Obern der Capuziner nicht so ungerecht verfahren, als mancher unruhige, bösartige und über die beschwehrlichen| Gelübde misvergnügte Ordensmann in die Welt hinein schreit.

 Ich will den Verfolg der Geschichte des gedachten Oehningers, so, wie ich solche von gleichzeitigen, glaubwürdigen und unparteyischen Zeugen (es sind keine Capuziner) weiß, mittheilen.

 Pater Mansuet wurde von dem abgelebten Herrn Fürstbischoffe Adam Friderich seines engen Arrestes, jedoch mit der Einschränkung, nicht aus dem Kloster zu gehen, befreyet, und die Untersuchung aller seiner Beschwerden durch eine besonders niedergesetzte Commission vorgenommen, welche aber zu dessen Nachtheile ausfiel, und die bischöffliche Bestättigung des wider ihn verhängten engen Arrestes verursachte; P. Mansuet fand jedoch nicht für gut, die Exekuzion der Bischöfflichen Resoluzion abzuwarten: er ergrif also die Flucht, und trat in den Königlich Preußischen Landen zur protestantischen Religion über, wo er mit einer geringen Dienststelle ein Weib und Nahrung erhielt.

 Ich könnte noch einen Fall von einem Layenbruder, Namens Karl, anführen, welcher wegen einiger Vergehungen im Kerker saß, über Ungerechtigkeiten und unverdiente| Behandlung[1] klagte, und nach geschehener Untersuchung von höchsten Orten noch sträflicher gefunden wurde, als seine Oberen ihn gehalten hatten: allein es würde zu viel Zeit und Platz rauben, und am Ende dabey nichts erwiesen, als daß es widerspenstige und ihren Stand schändende Mönche gibt, gleichwie jeder andrer Stand unwürdige Mitglieder aufweisen kann.
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 Eben deßwegen sollte man gegen die Capuziner, wie überhaupt gegen alle Mönche, billiger sein, und sie nicht alle Fingerslang herabsetzen. Die Capuziner haben kein beständiges, kein gewisses Einkommen zu ihrem Unterhalte, und müssen von der Gutherzigkeit und (ich will auch einräumen) von dem Fanatismus anderer Leute leben, es ist ihnen also nicht so sehr übel zu nehmen,| wenn sie hie und da ihre Zuflucht zu den herrschenden Vorurtheilen[WS 1] des gemeinen Mannes nehmen, und dabey einen kleinen geistlichen Schleichhandel treiben; aber! aber weit mehr fällt es auf, wenn ein Kleriker bey einer einträglichen Pfarre sich noch mit mönchischem Commerze abgeben mag.

 1. Wenn man da in einer Wallfahrts-Kapelle einen künstlich versteckten Hühnerstall unter der Stiege erblickt, in welchem der geopferte Hahn manchmahl sein Krikrigi zur Störung der Betenden daher singet. –

 2. Wenn dort in einer Wallfahrts-Kirche die Geistlichen einer Abtey von dem dieser Abtey zugehörigen Wallfahrtsorte ganz verdrängt worden sind, um die Rubrik der Akzidenzien der Pfarre einzuverleiben. –

 3. Wenn man anderstwo in einer vom Pfarrer eigenhändig geschriebenen Einladung zum vollkommenen Ablasse auf das heil. Johannes Fest, noch die Anpreisung einer in dasiger Kirche aufbewahrten Hirnschale des heiligen (wenn ich nicht irre) Humbertus ließt, welche denen, die daraus trinken, Heilung von Fiebern und wütenden Hundebisse bringen soll. –

|  4. Wenn man einen Kaplan den alten Spitälern ihre verheimlichten Sparpfennige für Messen abschmusen hört. –

 5. Wenn bey der Leiche eines Armen gleich das erste Frage-Wort ist: wer bezahlet die Gebühren? und die gewöhnlichen Seelenmessen unterlassen werden, weil solche niemand bezahlen will oder kann. –

 6. Wenn Kapläne, seit der Aufklärung, an Mirakelbilder, Geld, Butterballen, Eyer, Leinsamen, Flachsklösse u. s. w. hängen oder legen, um den einfältig Frommen Appetit zur Nachahmung und Opfern zu machen, und so quasi einen Lockvogel zum Fangen aufstellen. –

 7. Wenn der Termin, welcher den Mönchen, vorzüglich aber den Capuzinern zugedacht ist, von Pfarrern und Caplänen mit Flachs- und Eyer-Terminiren vorm Maule weggeterminiret wird.

 8. Wenn der Herr Pfarrer Sch – – zu W – – mit Segnen Beschriener, Bezauberter und Besessener sich abgiebet.

 9. Wenn sie aus Interesse[2] Eheverlöbnisse| schlichten und entschlichten.[3] –
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|  10. Wenn sie endlich (quis singula fando explicet?) Stipendien für Messen von fanatischen Leuten annehmen, deren Grund handgreiflich abergläubisch ist, welche Stipendien der P. Guardian des dürftigen Capuziner-Klosters mit Belehrung der irre geführten ausschlug; so steht man an, ob man lachen oder sich ärgern soll, daß ein Theil des Klerus immer über den Eigennutz der Mönche schreit, diese als das alleinige Hinderniß der Aufklärung einer von allem Tande freyen – auf wahre Gottesverehrung abzielenden Religion mit Stumpf und Stiel ausgerottet wissen will; oder wie man sich immer mit alten Histörchen über die Capuziner amusiren mag. Absonderlich aber muß ich hiebey einen Herrn Pfarrer gütlich erinnern, von seinen skoptischen Spassen vor geist- und weltlichen über die Capuziner – über die Provinzcasse und die Provinzlaus abzustehen: denn er ärgert doch mehr, als er| das Zwerchfell erschüttert, sonst soll ihn diese Laus beisen: die Provinzlaus kriechet bey allen Wahltägen herum, nur unter andern Titeln: sie ist eine gar gescheide Laus, manchmahl weiß sie so gar, wie des Melchisedechs Vater und Groß-Vater geheissen: die Genealogie versteht sie von Grunde aus; sie probirt Stammbäume.

 Die Herren Kleriker scheinen bey ihrem Lärmen über die Mönche gar nicht zu überlegen, daß eben diese Mönche lediglich auf Kosten des Publicums (welches ihrer aller entbehren kann) leben, um nur der Gemächlichkeit des Klerus zu frohnen.

 Mancher Pfarrer befindet sich schon lange Zeit in kränklichen Umständen, und hat einen Kooperator äusserst nothwendig: weil aber dieser zu viel kosten würde, so wird ein Mönch genommen, welcher die Ehre hat, an Sonn- und Festtägen Amt und Predigt zu halten, und des anderen Tages wieder nach Hause zu gehen; der Pfarrer oder Kaplan ist nicht gut gestellt, oder er will eine Plaisir-Reise (Spieltäge) machen; es wird also am Samstage der Mönch beschickt, welcher ohne Vorbereitung am darauf folgenden Tage predigen und alsdann seiner in der Eilfertigkeit verhunzten Arbeit wegen die schärfste| Kritik passiren muß. Ich kenne Klöster, wo die Mönche eben so, wie die Postpferde, beständig im Geschirre stehen müssen, um nur die Kleriker auf den ersten Wink bedienen zu können: und wirklich sind mir Falle bekannt, wo alle, selbst Studenten, die nicht einmahl ihre Studien absolvirt hatten, bis auf 2 oder 3 alte oder sonst unbrauchbare Männer auf der Aushülfe waren. Es ist gewiß viel, wenn ein Edelmann, der ausser seinem Orte Messe hören muß, bey schlechten Wetter sagt: „die Pferde dauern mich, wir wollen einen Mönch kommen lassen:“ es versteht sich, zu Fuße.
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 Dafür wird auch der Mönch gut bezahlet, und besonders wohl distinguirt: denn er hat die Ehre am Tische des Herrn Pfarrers zu speisen, und mit einem zu dem Ende besonders eingekauften Glase Extrawein bewirthet zu werden, wovon das Fuder gemeiniglich die Hälfte weniger kostet, als jener, den der Herr Pfarrer am Tische für sich trinket. Dabey muß der Mönch den orakelmäßig sprechenden, alles reformirenwollenden Herrn Pfarrer mit aller Demuth anhören, und darf sich bey Leibe nicht gelüsten lassen, einer anderen Meinung zu seyn,| wenn er schon weiß, daß der gelehrte Mann bey seiner Defension pro Licentiatu Theologiae nicht eine einzige Frage gelöset, und seinem Herrn Präses die Sätze allein zu vertheidigen überlassen hat.

 Das gerügte Geschichtchen vom Beichtstuhle will ich mit Stillschweigen umgehen: ich will nichts davon sagen, daß ein gewisser Pfarrer ohnweit W. im O. G. ein großer Liebhaber vom andächtigen weiblichen Geschlechte gewesen, und daher alle frommen Seelen in der ganzen Gegend zu Beichtkindern gehabt habe, die er in drey Klassen eingetheilet: die von der ersten Klasse, welche unter die vollkommensten im Geiste gerechnet wurden, hatten die Erlaubniß öfters die Woche hindurch, (denn alltäglich scheint mir gar zu arg) zu Gottes Tische zu gehen: denen von der zweyten Klasse, welche hie und da noch in geringe menschliche Schwachheiten fielen, wurde der Zutritt alle 14 Tage gestattet: diejenigen aber, so noch mit Todsünden in der Beicht angestochen kamen, mußten sich vier Wochen lang des heil. Abendmahls enthalten.

 Diese Einrichtung war so auffallend, so allgemein bekannt, daß Jedermann auf den Seelenzustand sothaner Beichtkinder schließen| konnte; das dadurch entstandene Ärgerniß bewog endlich einen Mönch, sich mit allen Kräften zu verwenden, daß der Seelenmusterung des Herrn Pfarrers ein Ende gemacht wurde.

 Ich will auch nichts melden, daß ein für den Nutzen seiner armen Filialkirche ganz eingenommener Caplan zu B. so gar die fleischlichen Begierlichkeiten seiner Beichtkinder in Kontribuzion setzte: Küsse, Antastungen u. d. gl. müssen mit 12-24 Kr. verhältnißmäßig gebüßet werden, um Stühle auf der Emporkirche fertigen zu lassen.

 Ich will schweigen, sage ich, aus Achtung für die Religion und mehrere würdige Männer des Klerus, weil, wenn Mißbräuche eines Standes oder der Religion gerüget werden, gemeiniglich auf das Ganze geschlossen wird.

 Wenn doch gewisse Männer aus dem Klerus auch so dächten, und nicht solche Antworten mir Gewalt herauspresseten, so würde das Resultat nicht folgen: Clodius accusat moechos, Catilina Cethegum: das Nosce te ipsum würde sie, in ihren Busen zu sehen, anweisen, anstatt daß sie mit ihrem Priesterkleide schon einen unversöhnlichen Haß gegen alle Mönche angezogen zu haben| scheinen, welcher bey jeder Gelegenheit sichtbar wird.

 Hält sich der Mönch an seine, auf die dermahligen Zeiten meistens nicht passenden, Ordens-Satzungen und Gewohnheiten, so wird er als ein Idiot und Schwachkopf verschrien; schickt er sich in die Welt, ist er ein guter Gesellschafter, und setzet sich über die alten Vorurtheile seines Ordens hinaus, so ist er, wie der verlebte Gualbert und Heinrich (nicht Friderich) jetzt zu Kitzingen, wieder nicht vom Tadel frey. War solcher wenig in seinem Kloster und bey Herrschaften wohl gelitten, so ist es ehender zu verzeihen, als wenn ein Pfarrer die ganze Woche auf Besuchen abwesend ist, und mit einem zur Gesellschaft mitgenommenen Caplane am Sonntage, erst nach gegebenem dritten Zeichen zum Gottesdienste, zu seiner Pfarrgemeinde zurückkehrt, daß der Schulmeister duzendmahl den Thurm hinauf rennet, und die ganze Gegend ausglotzt, daß er blind werden möchte: nicht wahr?

 Wenn man bey Ablaßfesten zugegen ist, wo auf Kosten der Gemeinde oder der Stiftung geschmauset wird, so thuts einem recht wehe, wenn man sieht, wie sich die jungen Kleriker brüsten, auf die anwesenden Mönche,| wie auf Halbgeschöpfe herabschauen, und sie entweder gar keiner, oder einer hönischen Ansprache würdigen; gemeiniglich wird den Mönchen auf einem Nebentische gedecket, und sie müssen mit dem vorlieb nehmen, was von dem Herrntische hinüber kommt: wenn schon sie die Ablaß-Arbeit alleine verrichtet, und 5-6 Stunden die Beichtenden gehöret haben, die meisten Herren Kleriker aber nur zum Traktamente sich eingefunden haben.

 Wenn man die Ursache dieser augenfälligen Abneigung untersuchen will, so geräth man auf den Gedanken, daß die Mönche bey allen ihren guten Dienstleistungen nur darum nicht wohl gelitten seyen, weil (interesse mit eingeschlossen) so lange es Mönche gibt, aus der Aufhebung des Zölibats nichts werden kann.

 Allein so lange unser Gottesdienst bleibt, wie er dermahl ist (ob solches ohne Abbruch unserer Religion geschehen kann, weiß ich nicht, weil ich nur Lay bin) so lange ist die Aufhebung der Mönche nicht thunlich, oder es müsten im Lande mehrere Priesterhäuser errichtet werden, aus welchen man im Falle der Noth sogleich Aushülfe haben könnte.

 Weit leichter würde es seyn, den Mönchen eine zweckmäßigere Verfassung zu geben:| man dürfte nur ihren Termin abstellen, mit welchem der dritte Theil eines jeden Klosters beschäfftiget ist, und bey dem meistens das Ehrgefühl in der angewöhnten pöbelhaften Herabsetzung gar verlohren geht; ließ man deren Anzahl auf 2/3 abgehen, und ihnen das Fasten ausser der 40 tägigen – welche dem Staate noch Geld genug für die Stockfische etc. entziehet – so wie die Annahme der Layenbrüder[4] ganz verbieten, man schaffe den| Capuzinern eine zahme Montur, so würde der Unterhalt weniger kosten, den die mit überflüssigen Einkünften versehenen Prälaturen, Stifter u. d. gl. bey einer nach dem Geiste des Evangeliums getroffen werdenden Einrichtung sehr leicht bestreiten könnten, ohne daß man etwa nothwendig hätte, die beym Termine heimgesuchten Unterthanen mit einem verhältnißmäßigen Beytrage anzulegen. Würden nach aufgehobenen Termine die jungen Zöglinge auf öffentlichen Universitäten unterrichtet (damit die alten Schnackentänze aufhörten) und in ihren Klöstern zum fleißigen Studiren angehalten, so würde der Staat und die Religion viel gewinnen, sie möchten übrigens schwarze, braune, weiße oder buntscheckigte Röcke tragen; sie würden nicht mehr der Stein des Anstosses seyn, und ihrem Stande vielmehr Ehre machen. Liessen sich alsdann die Herren Kleriker gefallen, in den, von unserm für das Wohl des Landes und der Menschheit so sehr| eifernden Herrn Fürstbischoffe Franz Ludwig erlassenen heilsamen Verordnungen in Armen- Polizey- und Schul-Sachen, (anstatt über die vielen Arbeiten zu murren, oder gar zu kritisiren, wie man genug gehöret hat) thätig mitzuwirken, so würden Aufklärung und Duldung, absonderlich wenn diese lieben Herren mit gutem Beyspiele vorangingen, nach und nach verbreitet, und unser gesegnetes Franken eben durch die Geistlichkeit glücklich werden, welche demselben dermahl in verschiedener Rücksicht lästig ist.


Nachschreiben.

 Zu Anfange des Christmonats 1792 war abermahl der Fall, daß nur vier Priester in einem Capuziner-Kloster zu Hause waren; und obendrein mußte der vierte, um halb acht Uhr am Sonntage Vormittag bestellt auf ein Filial gehen, weil der Kaplan krank wurde: daß folglich nur der Guardian, der Senior und ein kranker Capuziner für das Städtchen blieben: sind die Capuziner, sind die Mönche unnütze?

 Vor dem völligen Friedensschlusse aber will ich einstweilen als einen Präliminar-Artikel hersetzen, was Paulus zu den Röm. 15ten geschrieben hat:

|  Deus autem patientiae et solatii det vobis (Clericis saecularibus et regularibus) id ipsum sapere in alterutrum secundum Iesum Christum, ut unanimes uno ore honorificetis Deum et Patrem Domini nostri Iesu Christi: Propter quod suscipite invicem, sicut et Christus suscepit vos in honorem Dei.



  1. Er gab vor, die Oberen seines Konvents haben ihm Gift beygebracht; seine mörderischen Mitbrüder haben ihm mit Prügeln eine Ribbe entzwey geschlagen. Ein pfuscherischer Bader, ein Erzignorant etc. bejahete dem Karl diese beyde Dinge, hetzte und befleiste ihn, statt daß er mit aller Wahrheit zwischen dem Bruder und seinem Konvent einen Verein hätte machen sollen; und so ist der boshafte Bruder mittelst seines weit boshafteren Patrons tiefer gesunken. Der Bader soll sich verantworten, wenn er Muth hat; Gott tröst ihn! er lebt noch.
  2. Mir fällt immer dabey das vor mehreren Jahren gesehene Gemählde ein, auf welchem der Künstler den Karakter der Geistlichkeit von allen Religionen, die auf Gottes Boden sind, «erstellen wollte. [206]
     Der Prospect zeigte eine Ebene, in deren Mitte eine große Zielscheibe aufgestellet war: im Centro war das Wort INTERESSE zu lesen: in einer Entfernung standen die Geistlichen von allen Theilen der Welt in ihrer gewöhnlich- und kenntlichen Tracht mit Gewehren versehen und allgemein beschäfftiget nach der Scheibe zu schießen.
     Der Jesuit hatte eine Kanone (diese mag er von Pampelona mitgebracht haben) aufgepflanzet, der Superintendent hatte ein Feuerrohr, der Bonze schleuderte einen Wurfspies ab, der Bramine spannte seinen Bogen und Pfeil, der Pope machte sich mit einem Doppelhaken zum Schusse fertig, der Rabiner, der Dechant, der Pfarrer, Kaplan, Prediger der drey Reichs-Religionen, die Canonici, Beneficiaten und Mönche aus allen Ordensständen und Stiftskirchen waren mit Birschbüchsen, Standröhren, Flinten, Pistolen u. d. gl[.] versehen, die Nonne hatte nur eine Schlüsselbüchse, denn diese kommen überall zu kurz: ganz am Ende stand ein Capuziner auf einer kleinen Anhöhe, welcher einen sogenannten Sackpuffer oder Terzerol unter seinem Barte versteckt hatte, so, daß nur die Mündung davon sichtbar und doch auf das Zentrum zum Abdrucken gerichtet war.
     Mich deucht, der Gedanke des Künstlers sey recht passend, und alle Diener des Altars und Gottesworts-Handlanger von allen Ständen und Religionen hatten gar nicht Ursache, einander Vorwürfe über Eigennutz zu machen.
  3. Weit vernünftiger verhielt sich der Capuziner P. Han – –: zu diesem ging seine Base, und sagte ihm, wie sie eine schöne Gelegenheit habe zu heirathen, ihr Liebster sey ein gar ewig braver Mensch, sie wolle um Rath fragen, was sie thun soll? So nimm ihn halt, antwortete er. Sie ging [207] fort, kam aber des andern Tages wieder, und klagte ihm: das und das hab ich von ihm gehört, er soll ein garstiger Kerl seyn u. s. f. Der Pater erwiederte: so nimm ihn halt nicht. Ja, fing sie an, gestern sagten sie: ich soll ihn nehmen, und heute, ich soll ihn nicht nehmen: was soll ich denn jetzt thun? sein letztes Wort war: thu was du willst! und ging fort.
  4. Die Zahl der Layenbrüder wächst, besonders bey den Capuzinern, jährlich mehr an: in einem nahe gelegenen Kloster, wohin ich öfter zum Gottesdienst komme, sah ich vor 20 Jahren nur 3 oder 4 zur Communion gehen, dermahlen marschiren solche 6 bis 7 Mann hoch auf; daß sich immer viele Candidaten für den Bruderstand melden, ist eben nicht zu wundern; denn es sind gemeiniglich nur solche Leute, welche das Schicksal zu einer mühseligen Handarbeit verdammet hat, der sie durch Eintretung in einen Orden aus Liebe zum Müssiggange zu entkommen suchen. Ein Layenbrüder hat als Koch, Gärtner, Pförtner u. s. f. hundert Gelegenheiten über die Priester zu despotisiren, wenn er gleich ausser seiner erheuchelten Kutte nichts, als einen gelben Fourierschützen oder schmächtigen Leinenweber vorstellen würde; besonders sind die Pförtner, unter welchen die Transito-Güter stehen eine Gattung von Kapern; denn wie was gutes passiren will, so heißt es: vidi aliquid nitens a longe, Herr Bruder halb Part! Es verdiente wirklich die Aufmerksamkeit der Landesherren, daß den Obern der Capuziner ein Temperir-Mittel [215] gegen die Aufnahmsucht der Brüder (welche dem Staate zur Last, und der Religion öfters zur Schande sind) vorgeschrieben würde, damit solche nicht, wie bey einem Paulus mit den Kardinälen geschah, gar noch auf 70 anwachsen möchten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vourtheilen