Über das Gravitationsfeld eines Massenpunktes nach der Einsteinschen Theorie

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Textdaten
Autor: Karl Schwarzschild
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Titel: Über das Gravitationsfeld eines Massenpunktes nach der Einsteinschen Theorie
Untertitel:
aus: Sitzungsberichte der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften, Sitzung vom 3. Februar 1916; S. 189–196
Herausgeber: Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin
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Entstehungsdatum: 1916
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: www.scribd.com, Pdf auf Commons.
Kurzbeschreibung: Die erste bekannte exakte Lösung der Einstein'schen Feldgleichungen.
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[189]
Über das Gravitationsfeld eines Massenpunktes nach der Einsteinschen Theorie.


Von K. Schwarzschild.


(Vorgelegt am 13. Januar 1916 [s. oben S. 42].)


§1. Hr. Einstein hat in seiner Arbeit über die Perihelbewegung des Merkur (s. Sitzungsberichte vom 18. November 1915) folgendes Problem gestellt:

Ein Punkt bewege sich gemäß der Forderung

wobei

ist, Funktionen der Variabeln bedeuten und bei der Variation am Anfang und Ende des Integrationswegs die Variablen festzuhalten sind. Der Punkt bewege sich also, kurz gesagt, auf einer geodätischen Linie in der durch das Linienelement charakterisierten Mannigfaltigkeit.

Die Ausführung der Variation ergibt die Bewegungsgleichungen des Punktes

wobei

ist und die zu koordinierte und normierte Subdeterminante in der Determinante bedeutet.

Dies ist nun nach der Einsteinschen Theorie dann die Bewegung eines masselosen Punktes in dem Gravitationsfeld einer im Punkt befindlichen Masse, wenn die »Komponenten des Gravitationsfeldes«  überall, mit Ausnahme des Punktes , den »Feldgleichungen« [190]

genügen und wenn zugleich die »Determinantengleichung«

erfüllt ist.

Die Feldgleichungen in Verbindung mit der Determinantengleichung haben die fundamentale Eigenschaft, daß sie ihre Gestalt behalten bei der Substitution beliebiger andrer Variablen an Stelle von , falls nur die Substitutionsdeterminante gleich 1 ist.

Sollen rechtwinklige Koordinaten, die Zeit bedeuten, soll ferner die Masse im Nullpunkt zeitlich unveränderlich sein, und soll die Bewegung im Unendlichen gleichförmig gradlinig sein, so sind gemäß Hrn. Einsteins Aufzählung a. a. O. S. 833 noch folgende Forderungen zu erfüllen:

  1. Alle Komponenten sind von der Zeit unabhängig.
  2. Die Gleichungen gelten exakt für
  3. Die Lösung ist räumlich symmetrisch um den Anfangspunkt des Koordinatensystems in dem Sinne, daß man wieder auf dieselbe Lösung stößt, wenn man einer orthogonalen Transformation (Drehung) unterwirft.
  4. Die verschwinden im Unendlichen, mit Ausnahme folgender vier von null verschiedener Grenzwerte:

Das Problem ist, ein Linienelement mit solchen Koeffizienten ausfindig zu machen, daß die Feldgleichungen, die Determinantengleichung und diese vier Forderungen erfüllt werden.

§ 2. Hr. Einstein hat gezeigt, daß dies Problem in erster Näherung auf das Newtonsche Gesetz führt und daß die zweite Näherung die bekannte Anomalie in der Bewegung des Merkurperihels richtig wiedergibt. Die folgende Rechnung liefert die strenge Lösung des Problems. Es ist immer angenehm, über strenge Lösungen einfacher Form zu verfügen. Wichtiger ist, daß die Rechnung zugleich die eindeutige Bestimmtheit der Lösung ergibt, über die Hrn. Einsteins Behandlung noch Zweifel ließ, und die nach der Art, wie sie sich unten einstellt, wohl auch nur schwer durch ein solches Annäherungsverfahren erwiesen werden könnte. Die folgenden Zeilen führen also dazu, Hrn. Einsteins Resultat in vermehrter Reinheit erstrahlen zu lassen

§ 3. Nennt man die Zeit die rechtwinkligen Koordinaten so ist das allgemeinste Linienelement, welches die Forderungen 1-3 erfüllt, offenbar das folgende

[191]

wobei Funktionen von sind.

Die Forderung (4) verlangt: Für .

Wenn man zu Polarkoordinaten gemäß übergeht, lautet dasselbe Linienelement:

Indessen ist das Volumenelement in Polarkoordinaten gleich , die Funktionaldeterminante der alten noch den neuen Koordinaten ist von 1 verschieden; es würden also die Feldgleichungen nicht in unveränderter Form bestehen, wenn man mit diesen Polarkoordinaten rechnete, und man würde eine umständliche Transformation ausführen müssen. Ein einfacher Kunstgriff gestattet jedoch, diese Schwierigkeit zu umgehen. Man setze

Dann gilt für das Volumenelement: . Die neuen Variablen sind also Polarkoordinaten von der Determinante 1. Sie haben die offenbaren Vorzüge von Polarkoordinaten für die Behandlung des Problems, und zugleich bleiben für sie, wenn man noch hinzunimmt, die Feldgleichungen und die Determinantengleichung in unveränderter Form erhalten.

In den neuen Polarkoordinaten lautet das Linienelement

wofür wir schreiben wollen

Dann sind drei Funktionen von , welche folgende Bedingungen zu erfüllen haben

  1. Für
  2. Die Determinantengleichung:
  3. Die Feldgleichungen.
  4. Die stetig, außer für

§ 4. Um die Feldgleichungen aufstellen zu können, muß man zunächst die dem Linienelement (9) entsprechenden Komponenten des Gravitationsfeldes bilden. Es geschieht dies am einfachsten, indem [192] man durch direkte Ausführung der Variation die Differentialgleichungen der geodätischen Linie bildet und aus diesen die Komponenten abliest. Die Differentialgleichungen der geodätischen Linie für das Linienelement (9) ergeben sich durch die Variation unmittelbar in der Form:

Der Vergleich mit (2) gibt die Komponenten des Gravitationsfeldes

(die übrigen null).

Bei der Rotationssymmetrie um den Nullpunkt genügt es, die Feldgleichungen nur für den Äquator zu bilden, so daß man, da nur einmal differenziert wird, in den vorstehenden Ausdrücken überall von vorneweg gleich 1 setzen darf. Damit liefert dann die Ausrechnung der Feldgleichungen

a)
b)
c)

[193] Außer diesen drei Gleichungen haben die Funktionen noch die Determinantengleichung zu erfüllen

d) oder:

Ich lasse zunächst (b) weg und bestimme die drei Funktionen aus (a), (c) und (d). (c) läßt sich umstellen in die Form

c')

Das läßt sich unmittelbar integrieren und gibt

c") (α Integrationskonstante)

(a) und (c') addiert geben

Verbunden mit (d) folgt

Integriert

(ρ Integrationskonstante)

oder

Nochmals integriert

(λ Integrationskonstante)

Die Bedingung im Unendlichen fordert: . Also

(10)

Damit ergibt sich weiter aus (c") und (d)

Integriert in Rücksicht auf die Bedingung im Unendlichen

(11)

Nunmehr aus (d)

(12)

[194] Die Gleichung (b) ist, wie man leicht nachrechnet, mit den gefundenen Ausdrücken von und von selbst erfüllt.

Damit sind alle Forderungen befriedigt bis auf die Stetigkeitsbedingung. Es wird unstetig, wenn

ist. Damit diese Unstetigkeit mit dem Nullpunkt zusammenfällt, muß

(13)

sein. Die Stetigkeitsbedingung verknüpft also in dieser Weise die beiden Integrationskonstanten ρ und α.

Die vollständige Lösung unsrer Aufgabe lautet jetzt so:

wobei die Hilfsgröße

eingeführt ist.

Setzt man diese Werte der Funktionen f im Ausdruck (9) des Linienelements ein und kehrt zugleich zu gewöhnlichen Polarkoordinaten zurück, so ergibt sich das Linienelement, welches die strenge Lösung des Einsteinschen Problems bildet:

(14)

Dasselbe enthält die eine Konstante α, welche von der Größe der im Nullpunkt befindlichen Masse abhängt.

§ 5. Die Eindeutigkeit der Lösung hat sich durch die vorstehende Rechnung von selbst ergeben. Daß es schwer wäre, aus einem Annäherungsverfahren nach Hrn. Einsteins Art die Eindeutigkeit zu erkennen, sieht man an folgendem: Es hatte sich oben, bevor noch die Stetigkeitsbedingung herangezogen war, ergeben:

Wenn α und ρ klein sind, so liefert die Reihenentwicklung bis auf Größen zweiter Ordnung:

Dieser Ausdruck, zusammen mit den entsprechend entwickelten von befriedigt innerhalb derselben Genauigkeit alle Forderungen des Problems. Die Stetigkeitsforderung liefert innerhalb dieser Annäherung [195] nichts Neues hinzu, da von selbst nur im Nullpunkt Unstetigkeiten auftreten. Es scheinen also die beiden Konstanten α und ρ willkürlich zu bleiben, womit das Problem physikalisch unbestimmt wäre. Die strenge Lösung lehrt, daß in Wirklichkeit bei der Fortsetzung der Näherungen die Unstetigkeit nicht im Nullpunkt, sondern an der Stelle eintritt, und daß man gerade setzen muß, damit die Unstetigkeit in den Nullpunkt rückt. Man müßte bei der Annäherung nach Potenzen von α und ρ das Gesetz der Koeffizienten schon sehr gut überblicken, um die Notwendigkeit dieser Bindung zwischen α und ρ zu erkennen.

§ 6. Es ist schließlich noch die Bewegung eines Punktes im Gravitationsfelde, die zu dem Linienelement (14) gehörige geodätische Linie, abzuleiten. Aus den drei Umständen, daß das Linienelement homogen in den Differentialen ist und seine Koeffizienten unabhängig von t und von ρ sind, ergeben sich bei der Variation sofort drei intermediäre Integrale. Beschränkt man sich gleich auf die Bewegung in der Äquatorebene () so lauten diese intermediären Integrale:

(15)
(16)
(Festlegung der Zeiteinheit). (17)

Daraus folgt

oder für

(18)

Führt man die Bezeichnungen: ein, so ist dies identisch mit Hrn. Einsteins Gleichung (11) a. a. 0. und gibt die beobachtete Anomalie des Merkurperihels.

Überhaupt geht hiernach Hrn. Einsteins Annäherung für die Bahnkurve in die strenge Lösung über, wenn man nur statt r die Größe

[196] einführt. Da nahe gleich dem doppelten Quadrat der Planetengeschwindigkeit (Einheit die Lichtgeschwindigkeit) ist, so ist die Klammer selbst für Merkur nur um Größen der Ordnung von 1 verschieden. Es ist also praktisch mit identisch und Hrn. Einsteins Annäherung für die entferntesten Bedürfnisse der Praxis ausreichend.

Zum Schluß soll noch die strenge Form des dritten Keplerschen Gesetzes für Kreisbahnen abgeleitet werden. Für die Winkelgeschwindigkeit gilt nach (16) und (17), wenn man einführt,

Für Kreisbahnen muß sowohl als null sein. Das gibt nach (18)

Die Elimination von aus diesen beiden Gleichungen liefert

Damit folgt

Bis zur Sonnenoberfläche hin ist die Abweichung dieser Formel vom dritten Keplerschen Gesetz völlig unmerklich. Für einen idealen Massenpunkt folgt aber, daß die Winkelgeschwindigkeit nicht, wie beim Newtonschen Gesetz, unbegrenzt wächst bei Verkleinerung des Bahnradius, sondern sich einer bestimmten Grenze

nähert. (Für einen Punkt von Sonnenmasse wird die Grenzfrequenz rund in der Sekunde.) Wenn für die Molekularkräfte ähnliche Gesetze herrschen, könnte dort dieser Umstand von Interesse sein.