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ADB:Abbt, Thomas

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Artikel „Abbt, Thomas“ von Friedrich von Pressel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 2–4, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Abbt,_Thomas&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 19:09 Uhr UTC)
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Abbt: Thomas A., popularphilosophischer Schriftsteller, geb. 25. Nov. 1738 zu Ulm, † zu Bückeburg 3. Nov. 1766. Als Lessing von den Litteraturbriefen zurücktrat, suchten die Herausgeber einen Ersatz in dem dreiundzwanzigjährigen Verfasser einer Schrift mit dem Titel „Vom Tode für’s Vaterland“, welche ein ungewöhnliches Talent verhieß. Noch heute ist diese Schrift neben der späteren „Vom Verdienste“ das gelesenste oder wenigstens bekannteste unter den Werken Abbt’s, obwol der Schwerpunkt seiner Bedeutung, soweit der frühe Tod eine Würdigung gestattet, in der journalistischen Thätigkeit liegen wird, die er an der Seite Nicolai’s und Mendelssohn’s entfaltete. Aus dem Gymnasium seiner Vaterstadt, das, nach Art einer Akademie eingerichtet, die Erwerbung eines encyclopädischen Wissens begünstigte, siedelte A. 1756 auf die Universität Halle, den gefeierten Sitz der Wolffischen Philosophie, über und wandte sich daselbst bald von der Theologie, die seiner von Hause aus nüchternen Natur im Gewande des Pietismus doppelt entgegen war, zu dem Systeme des gesunden Menschenverstandes und zu den Alten, besonders Sallust und Tacitus, ferner zu den Engländern Shaftesbury und Hume, endlich zu Voltaire, dem Historiker. 1760 Professor der Philosophie zu Frankfurt an der Oder und dadurch Preuße geworden, schrieb er hier, wo das Jahr zuvor Friedrich die schreckliche Kunersdorfer Niederlage erlitten hatte, jene im Eingang erwähnte patriotische Schrift, die den Grund zu seiner Berühmtheit legte und für ihn die Verbindung mit den Herausgebern der Litteraturbriefe zur Folge hatte. Seine zahlreichen Beiträge, ganze Ballen von Manuscripten, wie er sie scherzend nennt, waren theils historisch-politische, theils ästhetische, theils philosophische Aufsätze, Streifzüge, wie es seine Art war, in Einem Athem entworfen und ausgeführt, Schlaglichter der Aufklärung, geworfen jetzt auf dieses, jetzt auf jenes Gebiet, aber weder ziellos noch der Ausfluß „eines Hanges“, wie Gervinus will, „sich mit nichts Bestimmtem zu beschäftigen“. Der Leitstern seines Schaffens war Lessing. „Ihm“, schreibt er einmal, „und wenigen seines Gleichen gefallen zu haben, gibt die wahre Beruhigung des Schriftstellers“, wobei freilich nicht verkannt werden kann, daß die Anlehnung immer nur eine einseitige war. A. dringt auf Prosa, gesunde Prosa, und wird darob geneigt, an Klopstock nur das Schwülstige wahrzunehmen. Er tadelt die Bedächtigkeit des Gellertschen Stils, das Weitläufige unserer Sprache, und wird nun vielfach in seinem Streben nach einer „munteren Prosa“ künstlich. Er zieht schonungslos gegen frömmelndes Wesen zu Felde, aber er bleibt in seiner Polemik gegen Karl Friedrich von Moser an der Schwäche des trefflichen Mannes hängen. Doch wie liebenswürdig ist nun auch andererseits die Bereitwilligkeit, mit der er, das Unfertige seiner Entwicklung erkennend, die Freunde in Berlin an seinen Arbeiten bis auf den einzelnen Ausdruck hinaus, Empfund für Empfindung [3] und Aehnliches, bessern und feilen läßt. „Ihren Anmerkungen über meine Schreibart sehe ich mit Verlangen entgegen. Ich fühle, daß sie eckig ist; aber die Feder fällt mir aus der Hand, wenn ich hier, ohne von jemand aufgemuntert zu werden, arbeiten will, um sie abzuründen. Oft deucht es mir, daß die Ideen nicht ordentlich genug in meinem Kopfe liegen und daß ich mir dann wie ein Schüler helfen muß, der nicht stecken bleiben will.“ Als A. dieses schrieb, war er nicht in Frankfurt, sondern in Rinteln, wohin er im Herbste 1761 nach einem ihm unvergeßlichen längeren Aufenthalte in Berlin als Professor der Philosophie und Mathematik abgegangen war. Die Zeit, die er an dieser Universität, wo niemand „die Namen Ramler, Moses und Lessing kennt“, zubrachte, war seine unglücklichste. Er verwünschte „das Professorleben überhaupt, bei dem, vom Ueberdrusse, immer einerlei Sachen vorzutragen, nichts zu erwähnen, dieses das Schrecklichste ist, mit Pedanten, die noch dazu meistens schlechte Gemüthscharaktere haben, in einem Collegium zu sein“, und sehnte sich mit dem Drange, der an manchen vorzüglichen Köpfen jener Zeit beobachtet worden ist, aus der Theorie in das Leben. Eine neunmonatliche Reise nach Frankreich, auf der er bei Voltaire in Ferney einsprach und zu den Eisseen auf den savoyischen Alpen hinaufkletterte, aber auch auf der Rückkehr seinen Vater, einen Perrückenmacher, nicht vergaß, verstärkte diese Sehnsucht. Seine popularphilosophischen Arbeiten, deren bedeutendste, aber auch breiteste, die oben genannte Schrift „Vom Verdienste“, in die Jahre 1762–64 fällt, genügten ihm nicht mehr. „Wenn es mir nicht gegeben ist“, bezeichnet er selbst seinen Uebergang zur Geschichte, „den Menschen von Innen zu kennen, so will ich sehen, was diese seltsamen Dinger von Außen gethan und wie sie sich durch die Welt fortgeholfen haben.“ Aber ohne Jus an die Geschichte sich machen, scheint ihm höchstens Schulbücher zu geben, und erst dann, wenn das Studiren im Cabinet sich mit dem thätigen Leben verbinde, lasse sich das Ziel der Geschichtschreibung erreichen, die wichtigsten Motive derjenigen Handlungen an den Tag zu legen, welche zur Verbesserung oder zum Verfall einer Gesellschaft beitragen. Während er mit Entwürfen dieser Art, die jedoch nicht über erste Versuche hinausgelangen sollten, beschäftigt war, erhielt er gegen Ende des Jahres 1765, kurz nachdem „die groben Kerle der Litteraturbriefe vom Publikum Abschied genommen“, gleichzeitig einen Ruf nach Marburg als Professor der Mathematik, nach Halle als Professor der Philosophie und nach Bückeburg als gräflich Schaumburg-Lippischer Hof-, Regierungs- und Consistorialrath, auch patronus scholarum. Er entschied sich für die letztere Stelle. Eine Kutsche mit sechs Pferden holte ihn zu dem regierenden Grafen Wilhelm ab. Das Gefallen war ein gegenseitiges. Der Graf, eine Persönlichkeit, welcher Varnhagen ein biographisches Denkmal gesetzt hat, interessirte sich aufs lebhafteste für Abbt’s im Verkehr mit Möser reifenden Plan einer Geschichte Maximilians und für seine begonnene originelle Sallust-Uebersetzung, aus der eine Reihe von Wörtern, wie Wandelbarkeit, Aechten, Landeseingeborener, Wohlhabenheit u. a., in die allgemeine Sprache übergegangen sind. Aber ein Hämorrhoidalleiden machte dem Leben des kaum Neunundzwanzigjährigen plötzlich ein Ende. Groß war die Trauer um den so früh Geschiedenen. Möser, Herder, Nicolai feierten sein Andenken. „Abbt“, schrieb Möser an Nicolai, „ist in der Jugend gestorben und sein Leben war nicht reich genug an Stoff zu einem größeren Werke. Ich habe immer eine ganz außerordentliche Idee von demjenigen gehabt, was er geleistet haben würde, wenn ihm der Himmel das Leben gegönnt hätte; bei einem Menschen von seinen Jahren habe ich nie das reife und scharfe Urtheil gefunden, das er besaß.“ Seine vermischten Werke (vgl. Meusel Lex.) wurden von Nicolai [4] herausgegeben (6 Bde., Berl. 1768–81, 2. Aufl. 1790), wobei leider seine Beiträge zu den Litteraturbriefen ausgeschlossen blieben.

J. G. Herder, Ueber Th. Abbt’s Schriften; ein Torso von einem Denkmahl an seinem Grabe errichtet. Riga 1768. Prutz, Literarhistor. Taschenbuch 4,371 ff. Geisler, Breslauer Gymnasialprogramm 1852.