ADB:Albrecht (Erzherzog von Österreich)

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Artikel „Albrecht, Erzherzog von Oesterreich“ von Oscar Criste in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 733–741, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Albrecht_(Erzherzog_von_%C3%96sterreich)&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 14:47 Uhr UTC)
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Albrecht, Erzherzog von Oesterreich, k. und k. Feldmarschall, geboren am 3. August 1817 zu Wien als zweites Kind des Erzherzogs Carl, des Siegers von Aspern, und seiner Gemahlin, der Prinzessin Henriette zu Nassau-Weilburg. Nach einer überaus sorgfältigen Erziehung im väterlichen Hause trat Erzherzog A. im Mai 1837 als Oberst zur praktischen Dienstleistung in das Infanterieregiment Nr. 13, dessen Commando er ein Jahr später übernahm und bis zum 3. März 1839 führte. „Seine kaiserliche Hoheit der Erzherzog Albrecht“, so lautete ein Bericht aus dieser Zeit über den Prinzen, „hat einen festen Körper, viel Eifer, militärischen Sinn, Thätigkeit, sehr gründliche Vorkenntnisse und ist im Dienste ernst und unverdrossen. Mit diesen Eigenschaften mußten seine Fortschritte bei seiner hiesigen Bestimmung schnell und erfolgreich sein. Wirklich ist er schon jetzt einer der vorzüglichsten Infanteriestabsofficiere. Dieselben Eigenschaften bürgen auch für sein ferneres Fortschreiten und lassen Alles von dem Erzherzoge erwarten. Er hat zwar ein kurzes Gesicht, aber dennoch wegen seiner Fassungskraft und Geistesgegenwart einen guten Ueberblick und viel Beholfenheit vor der Front.“ Um den praktischen Dienst auch in der Cavallerie zu erlernen, für welchen der Erzherzog sich schon früher vorbereitet hatte, trat er im Mai 1839, nachdem er vorher den Höfen von Dresden, Berlin und Petersburg Besuche abgestattet, in das Cürassierregiment Nr. 4, in dessen Reihen er bis zu seiner Ernennung zum Generalmajor und Brigadecommandanten, 11. September 1840, diente. Die Zwischenzeit bis zur Uebernahme des neuen Commandos benützte Erzherzog A., um in Italien den Manövern beizuwohnen, die damals unter Radetzky’s genialer Leitung in ganz Europa als hohe Schule des Krieges bekannt und gerühmt waren. Wie fruchtbar schon diese Reise auf den empfänglichen Geist des jungen Prinzen gewirkt haben muß, geht aus dem folgenden Schreiben hervor, das Erzherzog Carl an FM. Radetzky richtete. „Mein Sohn“, so schrieb er, „rühmt in allen seinen Briefen die besondere Aufmerksamkeit, mit welcher Sie bedacht waren, ihm seinen Aufenthalt nicht allein angenehm, sondern auch belehrend zu machen. Ich sehe mit großem Vergnügen in der Art, wie er sich darüber ausdrückt, daß er den Geist, den Sie in Ihre Ihnen unterstehenden Truppen zu verbreiten gewußt haben, aufgefaßt und den reellen Kriegsdienst von den militärischen Friedensspielen zu unterscheiden gelernt hat.“ Von der, nicht nur in militärischer Beziehung anregenden und lehrreichen Reise zurückgekehrt, übernahm Erzherzog A. Mitte December 1840 das Commando über eine aus 2 Bataillonen Infanterie, einem Chevaulegersregimente und einer [734] Batteriebespannungsdivision zusammengesetzte Brigade in Graz. In diesen Zeitraum seiner militärischen Thätigkeit fiel auch das beglückendste Ereigniß in des Erzherzogs Leben, seine Verlobung mit Prinzessin Hildegarde, der Tochter König Ludwig’s I. von Baiern. Die feierliche Vermählung fand am 1. Mai 1844 in München statt, nachdem der Erzherzog im vorhergegangenen Jahre die Uebungen der deutschen Bundestruppen im Lüneburger Lager mitgemacht hatte und zum Feldmarschalllieutenant und ad latus des commandirenden Generals in Mähren und Schlesien ernannt worden war. Die bisherigen Erfahrungen des Erzherzogs im activen Dienste hatten ihm manche bedenkliche Schwächen der damaligen Truppenausbildung und Truppenführung vor Augen gebracht. „Erfüllt von den Lehren der Franzosenkriege, welche ihm die geistvollen Schriften des Erzherzogs Carl in ihrem Einflusse auf Heerwesen und Kriegskunst erschlossen, stets im regsten Gedankenaustausch über das Wesen des großen Krieges mit dem Vater, mußten ihm die Verhältnisse in der Armee, wie sie zu Anfang der vierten Decade unseres Jahrhunderts bestanden, die Erkenntniß nahe legen, daß ein mitunter ungeheuerlicher Formalismus das geistige Element allenthalben lahmlege. Ein überaus strenger Garnison- und Wachdienst, pedantisch geschlossenes Exercieren in den Lagern, Paraden und auf den Effect berechnete Manöver waren meistens der Inhalt der gesammten Friedensarbeit.“ Schon in dem jetzt erweiterten Wirkungskreis bot sich dem Erzherzog die Möglichkeit, die Summe der bisher gemachten Erfahrungen zum besten des Heeres zu verwerthen; noch mehr wurde dies der Fall nach seiner am 15. December 1844 erfolgten Ernennung zum commandirenden General in Oesterreich ob und unter der Enns, dann Salzburg mit dem Sitze in Wien. Die Lehren, die er empfänglichen Geistes im Lager Radetzky’s empfangen, suchte er jetzt mit zielbewußter Beharrlichkeit in fruchtbringende Thaten umzusetzen, obwol er von Seite des Hofkriegsrathes nicht immer die gewünschte Förderung fand. Wie sein erlauchter Vater griff er dabei auch zur Feder, um auch in dieser Weise zum Wohle des Heeres zu wirken. Seine „Anweisung über den Betrieb des Felddienstes“, knapp und klar in der Form, gewandt im Ausdruck, ist eine heute noch lesenswerthe Arbeit. Die unermüdliche dienstliche Thätigkeit des Erzherzogs half auch über manche trübe Stunde im Familienleben hinweg. Am 30. April 1847 verlor der Erzherzog seinen abgöttisch verehrten Vater und wenige Monate später, am 5. October, starb auch des Erzherzogs geliebter Bruder Friedrich, der Held von Saida. Neben diesen Unglücksfällen trafen ihn als Haupt der Familie auch andere Sorgen. Der Stand der schlesisch-galizischen Herrschaften war ein unerfreulicher. Einige Jahre nacheinander schon herrschten dort, infolge von Mißernten, Krankheiten und Hungersnoth, in jeder Beziehung ungünstige und traurige Verhältnisse. Die Administration war auch nicht mehr auf der Höhe der Zeit, so daß der Erzherzog seine Geschäfte, soviel als möglich, selbst in die Hand nahm und die Hoffnung hegte, mit der Zeit durch sorgsames und haushälterisches Vorgehen sowie energische Führung der Verwaltung die Angelegenheiten in Ordnung und in besseren Stand zu bringen. Die Wiener Ereignisse des Jahres 1848 unterbrachen für einige Zeit die militärische Thätigkeit des Erzherzogs. Die allgemeine damals in Wien herrschende Mißstimmung richtete sich auch gegen Erzherzog A., und während die Einen ihn der Volksfeindlichkeit ziehen und ihn beschuldigten, die allerschärfsten Maßregeln ergriffen zu haben, warfen Andere ihm Mangel an der erforderlichen Energie zur Bewältigung des Aufstandes vor, so daß sich der Erzherzog bewogen fühlte, um Enthebung von dem Posten als commandirender General zu bitten und sich auf seine Güter begab. Doch nicht lange duldete es ihn in dieser Unthätigkeit; die in Italien sich vorbereitenden Ereignisse übten eine mächtige Anziehungskraft. Aber vergeblich suchte er, nachdem [735] der Krieg unvermeidlich geworden war, ein Commando vor dem Feinde zu erhalten, um, wie er an den Generaladjutanten Radetzky’s, FML. Schönhals, schrieb, „den seit den letzten Wiener Ereignissen gegen meine militärische Reputation aufgetauchten böswilligen Gerüchten den einzig möglichen, nämlich den praktischen Beweis des Gegentheils entgegenzusetzen“. Erst nach der Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph wurde ihm, nachdem er als Volontär Pastrengo, S. Lucia und Custoza mitgemacht hatte, eine Division im 2. Corps FZM. d’Aspre verliehen und ihm dadurch Gelegenheit geboten, zum ersten Mal seinen Namen mit goldenen Lettern in die ruhmreiche Geschichte jenes glänzenden Feldzuges einzuzeichnen. FM. Graf Radetzky hatte beschlossen, unmittelbar mit dem Ende der Waffenruhe der feindlichen Armee in der geplanten Offensive zuvorzukommen, den Ticino bei Pavia zu überschreiten, das piemontesische Heer zu durchbrechen und das Gros derselben, von Süden umfassend, in der Richtung auf Vercelli oder Novara zum taktischen Schlage zu zwingen. Am 20. März 1849 überschritt die österreichische Armee bei Pavia den Ticino und eine Stunde später den Gravellone, nachdem die Vorhutdivision Erzherzog A. den Gegner nach kurzem Gefecht zurückgeworfen. Am folgenden Tage gelingt es dem Erzherzog, den weitaus überlegenen Gegner zu schlagen und zwei Divisionen zum Rückzuge in getrennte Richtungen zu zwingen; am 23. März aber, in der Schlacht von Novara, in welcher er sich von 11 Uhr Vorm. bis 6 Uhr Nachm. gegen sechsfache Uebermacht hält, ohne einen Fuß breit zu weichen, bis das von Vercelli anrückende 4. Corps entlastend in den Kampf eingreift, bereitet er die siegreiche Entscheidung vor. „Die Verdienste des FZM. d’Aspre“, so berichtet Radetzky hierüber, „des FML. Grafen Thurn, deren Corps in erster Linie fochten, verdienen die höchste Anerkennung; FZM. Baron d’Aspre besonders hat seinen früheren Lorbeeren nun auch diese neuen hinzugefügt. Gleich nach ihm kommt das Verdienst Sr. k. k. Hoheit des Erzherzogs A., dieses erlauchten Herrn, der, um seine Leistungen vor dem Feinde erst zu prüfen, sich freiwillig von Sr. Majestät das Commando einer Division erbeten hatte, obwol Höchstderselbe schon früher Commandirender gewesen. Derselbe bewies an diesem heißen Tage eine bewunderungswürdige Standhaftigkeit und wich nicht einen Schritt aus seiner sehr gefährdeten Stellung zurück. Nur Gerechtigkeit wäre es, diesen Prinzen des Hauses mit dem Theresienorden zu schmücken.“ Und in dem Zeugnisse, welches der Feldmarschall dem Erzherzoge über dessen Verhalten gab, kommen folgende dasselbe klar und scharf charakterisirende Sätze vor: „Zweimal im Laufe des letzten Feldzuges haben S. kais. Hoheit sich die gerechtesten Ansprüche auf den Maria-Theresien-Orden erworben, und zwar in dem sehr rühmlichen Treffen bei Mortara, sowie in der Schlacht von Novara. Der Herzog hat an beiden Tagen die Talente eines einsichtsvollen Generals und den Muth eines tapferen Soldaten entwickelt. Ich unterfertige dieses Zeugniß mit der Zuversicht, daß er eine Zierde des Maria-Theresien-Ordens sein wird“. Der Kaiser verlieh dem Erzherzoge zuerst das neugestiftete Militär-Verdienst-Kreuz und dann auf Grund des angeführten Zeugnisses Radetzky’s und der Ordensstatuten das Commandeurkreuz des höchsten militärischen Ordens. Nach einer kurzen Verwendung als Gouverneur der Bundesfestung Mainz wurde Erzherzog A. im J. 1850 zum General der Cavallerie und commandirenden General in Böhmen, am 12. September 1851 zum Militär- und Civilgouverneur von Ungarn ernannt. Neun Jahre lang blieb Erzherzog A. auf diesem ebenso schwierigen als wichtigen Posten, und was er während dieser Zeit für dieses Land gethan, das erkannten selbst jene Ungarn dankbar an, welche eine Aenderung des Regierungssystems aus staatlichen Gründen für wünschenswerth hielten. „Von den wohlwollendsten Grundsätzen für alle ohne Unterschied beseelt“, so sagt Duncker, „erstrebte der Erzherzog den [736] Aufschwung und die Beruhigung des Landes. In einer der schwierigsten Epochen auf sein hohes Amt berufen, hat er in treuer Pflichterfüllung und väterlicher Fürsorge die Entwicklung und die Wohlfahrt des ihm anvertrauten Landes in jeder Beziehung angebahnt und zu fördern gewußt. Unvergessen soll dabei die hohe Frau bleiben, welche an des Gatten Seite wirkte, seine Gemahlin Erzherzogin Hildegard. Unermüdlich in den anstrengenden Pflichten der Repräsentation eines fürstlichen Hofhaltes, war sie es ebenso im Wohlthun und in dem humanen Wirken echtester Weiblichkeit. Zahlreiche Beweise wahrer Anhänglichkeit und treuer Hingebung der Bevölkerung kamen dem Erzherzoge bei seinem Scheiden aus Ungarn aus allen Gesellschaftsschichten zu und mußten in seinem Innern das Bewußtsein kräftigen, während seiner Thätigkeit als Generalgouverneur nur das Wohl des Königreichs ins Auge gefaßt und manches gesäet zu haben, dessen Ernte einer späteren Generation zugute kommen sollte.“ Noch bevor der Erzherzog aus dieser Stellung abberufen wurde, war er, 1859, nach Berlin gesandt worden, um bei dem bevorstehenden Kriege Preußen für eine Action des deutschen Bundes gegen Frankreich zu gewinnen, doch scheiterten seine Bemühungen. Am 19. April 1860 auf eigene Bitte von seinem Gouverneurposten in Ungarn enthoben, wurde Erzherzog A. im Sommer desselben Jahres mit der Inspicirung der Truppen in verschiedenen Gebieten der Monarchie betreut und am 20. October zum Commandanten des 8. Armeecorps in Vicenza ernannt. Er sollte, als bei der fortschreitenden Annectirung der italienischen Staaten durch Piemont abermals der Ausbruch eines Krieges drohte, als Nachfolger Radetzky’s an die Spitze der Armee in Italien treten. Am 4. April 1863 erfolgte seine Ernennung zum Feldmarschall, zum Inspector der Armee und zum Vorsitzenden der Commission für die Reorganisation des Heeres. Der am 2. April 1864 erfolgte Tod seiner Gemahlin wirkte erschütternd auf den Erzherzog, dessen Familienkreis noch enger wurde, nachdem einige Monate später seine Tochter, Erzherzogin Maria Theresia, den Herzog Philipp von Württemberg geheirathet hatte, und ihm nur noch eine Tochter, Erzherzogin Mathilde, geblieben war. Den einzigen Sohn hatte er schon am 19. Juli 1848 in zartem Kindesalter verloren. Als im Frühjahr 1866 der Ausbruch des Doppelkrieges gegen Preußen und Italien unvermeidlich erschien, wurde Erzherzog A. zum Commandanten der Südarmee bestimmt. Deren Aufgabe konnte einem dreimal überlegenen Gegner gegenüber wol nur darin erkannt werden, den Besitz von Venetien, gestützt auf das Festungsviereck, mit Vermeidung eines ernsten Echecs so lange als irgend möglich sicherzustellen. Die Art, wie der Erzherzog diese Aufgabe auffaßte und durchführte, gehört wol zu den lehrreichsten und bewunderungswürdigsten der Kriegsgeschichte. Schon in seinem Mémoire vom 3. Juni legte der Erzherzog seine Lage mit durchsichtiger Klarheit dar und „spricht mit voller Bestimmtheit die Absicht aus, im Falle, als die Trennung der feindlichen Armeegruppen fortdauert, aus einer zwischen Lonigo und Montagnana, an der mittleren Etsch zu nehmenden Centralstellung, den ihm zunächst eine Blöße bietenden Gegner anzugreifen. Ja die Erkenntniß der Gefahren, die im Gegenfalle durch ein Einkeilen zwischen beide feindlichen Kräftegruppen für die Operationsfreiheit und die Verbindungen der Armee entstehen mußten, war eine so klare, und die Absicht, unter allen Umständen sich die Initiative zu wahren eine so bestimmte, daß der Erzherzog, wie heute unzweifelhaft feststeht, entschlossen war, die unter dem speciellen Befehl des Königs stehende Armeegruppe selbst dann anzufallen, wenn er zu diesem Zwecke den Mincio überschreiten mußte.“ So kühn und kraftvoll dieser Plan entworfen war, so consequent und energisch wurde er durchgeführt. Am 13. und 14. Juni war die Versammlung der mobilen Armee an der mittleren Etsch derart vollzogen, daß sie mittels zweier forcirter Märsche nach [737] jeder Richtung an den Gegner gebracht werden konnte, und die hierdurch herbeigeführte Täuschung war eine vollkommene, denn Cialdini hielt sich für bedroht und forderte La Marmora auf, statt, wie vereinbart gewesen, gleichzeitig, um drei Tage vor ihm die Grenze zu überschreiten. Noch nach der am 20. Juni erfolgten Kriegserklärung beließ der Erzherzog, um die Täuschung zu vollenden, die Armee noch einen vollen Tag bei Lonigo hinter der Etsch, rückte dann in zwei starken Märschen auf Verona und stand am 23. Juni mit derselben um mehr als 50 km weiter nördlich als der Gegner annahm. Für den nunmehr bevorstehenden tactischen Schlag hatte der Erzherzog Alles herangezogen, was er an anderer Stelle entbehren konnte; aber eine Willenskraft, wie der Erzherzog sie hier bethätigte, indem er einer Armee von 90000 Mann am Po ein Jägerbataillon und ein Cavallerieregiment gegenüber beläßt, steht, wie ein deutscher Schriftsteller hervorhebt, in der Kriegsgeschichte überhaupt einzig da. Der Gegner hatte inzwischen am Morgen des 23. den Mincio in breiter Front zwischen Goito und Monzambano überschritten. Noch am Abende dieses Tages wird durch Vorschiebung der Reservedivision und des 5. Corps nach Sandra und Sona im Hügellande fester Fuß gefaßt und jene Staffelformation angenommen, die es am 24. gestattet, den überflügelnden Vormarsch an den Mincio ebensowohl fortzusetzen, als in jedem Momente dieser Bewegung eine Frontveränderung nach links auszuführen und mit der tactisch vereinigten Armee den linken feindlichen Flügel anzufallen. Für die Sicherheit der Operation war durch die Befestigung von Pastrengo und den Bau von drei Brücken bei Pescantina und Ponton vorgesorgt. Für die nunmehr unmittelbar bevorstehende Schlacht werden sowohl mündlich wie schriftlich die Anordnungen mit aller Sorgfalt getroffen, der Aufmarsch und die ersten Aufgaben der Corps fest umgrenzt. Das Schwergewicht wird anfangs auf die Erreichung und Festhaltung von Sommacampagna und des Plateau von Berettara gelegt, das den Pivot der Linksschwenkung bilden soll; hier sollen anfangs das 7. und 9. Corps bereitstehen, nach Maßgabe aber als der Druck des 5. Corps und der Reservedivision in der Richtung auf den Monte Vento und Monzambano zu einer Entlastung des linken Flügels führt, soll die Hauptkraft, die beiden Reservebrigaden des 7. Corps, dem rechten Flügel genähert und durch deren Eingreifen und die Einwirkung gegen die Verbindungen des Gegners der Erfolg zu einem entscheidenden gestaltet werden. Dieser Grundgedanke der Schlacht – so sagte der verstorbene österreichische General v. Mathes, dessen geistvollen Auseinandersetzungen in seiner am 29. November 1895 gehaltenen „Gedenkrede“ wir hier folgen – tritt aus allen Dispositionen und speciell aus dem Auftrage an die Reservedivision, auf Monzambano zu wirken, so scharf hervor, daß er über jedem Zweifel steht. Man kann eben eine Thür nicht schließen, bevor sie fest in den Angeln liegt. Der Angelpunkt war aber vorerst in der Gegend von Sommacampagna und auf dem Plateau von Berettara. In der Durchführung der Schlacht wurde der Erzherzog allerdings veranlaßt, über die Armeereserve in anderer Richtung zu verfügen; aber darin liegt ja der Hauptvorzug dieser Schlachtenführung, daß sie die Elasticität besaß, das Nothwendige und Zweckmäßige mit sicherem Blicke zu erkennen und zeitgerecht anzuordnen. Denn so mühelos und leicht wurde dem überlegenen, tapferen Gegner gegenüber der Erfolg auch hier nicht errungen. Es gab auch in dieser Schlacht eine Schlachtenkrisis. Als um die Mittagstunde der von der Cavallerie und durch ihre denkwürdigen Angriffe erzielte tactische und ungleich größere operative Erfolg noch nicht voll ermessen werden konnte, die Gefechtskraft des 9. Corps und einer Brigade des 7. Corps, sowie eines beträchtlichen Theiles der Reservedivision wesentliche Einbuße erlitten hatte und [738] auch die Fortschritte des 5. Corps vorübergehend ins Stocken geriethen, da wurde die Standhaftigkeit, Ausdauer und Siegeszuversicht des Armeecommandanten auf eine harte Probe gestellt. Sie hatte indessen ebenso schwere und härtere Proben bereits bestanden. Mit dem Feingefühle des Feldherrn wählt und erkennt der Erzherzog den Moment und den Ort, um, nachdem der Monte Vento durch die Brigade Piret erstürmt worden war, unter Vereinigung aller bisher noch intacten Truppen die Entscheidung zu suchen, welche durch das Zusammenwirken der Brigade Möring des 5. Corps, dann der beiden Brigaden Töply und Welsersheimb des 7. Corps unter FML. Maroicic gegen Custoza nach 5 Uhr Nachmittags erzielt wird und zu einem vollen Erfolge führt. Die Bedeutung der Schlacht von Custoza in ihren weitreichenden Folgen ist anfangs nicht durchaus erkannt worden. Der Jubel, den die erste Nachricht in der Monarchie hervorrief, verstummte bald, als die Kunde von der Niederlage der Nordarmee eintraf und Neid und Mißgunst, die auch der edle Marschall oft genug erfahren, wichtigthuerische Ignoranz und sensationslüsterner Unverstand haben seinen hart errungenen Lorbeerkranz zu zerpflücken gesucht. Erst als die Zeit Licht brachte in das Wirrsal der aufgeregten Meinungen, als man unbefangeneren Blickes die Geschichte jenes Zeitraums prüfen konnte, trat das Verdienst des Erzherzogs leuchtender hervor und wie heute, trotz einzelner entgegengesetzter dilettantischer Versuche, das Urtheil aller Berufenen dahin geht, daß die Kriegsgeschichte nur wenige Beispiele zählt, die „im Hinblicke auf das beiderseitige Kraftverhältniß an Kühnheit der Conception, an Consequenz und Energie der Durchführung an den Feldzug von Custoza heranreichen“, so erkennt man jetzt auch die welthistorische Bedeutung dieses Sieges.

„Am Abend des 24. Juni“, so schreibt ein hervorragender General und Militärschriftsteller (FZM. Freih. v. Waldstätten, Strategische Grundsätze in ihrer Anwendung auf den Feldzug in Italien 1866. Wien 1895) „schien im Hauptquartier der Süd-Armee der Erfolg der Schlacht nicht weit über die erzwungeue Räumung des Kampfplatzes hinauszugehen. Die Höhe der Verluste der im Kampfe gestandenen italienischen Truppen war immerhin beträchtlich, doch erreichte sie nicht jene Ziffern, welche Katastrophen bezeichnen. Die Streitfähigkeit der Mincio-Armee war also zwar erschüttert, aber keineswegs vollständig gebrochen. Den empfindlicheren Stoß hatten vielmehr die moralischen Kräfte erlitten, welche sich dem Auge des Gegners entzogen. Durch den Verlust der Schlacht wurde die italienische Heeresleitung zu dem Entschlusse gedrängt, die Mincio-Armee hinter den Oglio und dann hinter den Po zurückzuführen. Der Rückzug vollzog sich zwar nicht in diesem Umfange, aber die Absicht dazu bestand. Die Süd-Armee hatte also durch den Sieg in der Schlacht die Mincio-Armee vollständig abgestoßen und war dadurch in der Lage, jetzt unbeirrt ein anderes Ziel zu verfolgen. Der zweite größere Erfolg der Schlacht bestand darin, daß auch die Po-Armee, welche ja am Kampfe nicht theilgenommen hatte, durch die Niederlage der Mincio-Armee mitgerissen wurde. Das, was der Erzherzog-Feldmarschall nur durch einen neuen gewagten Kampf zu erringen hoffte, war ohne ein solches Opfer gewonnen. Den italienischen Heerführern leuchtete es nun ein, daß die große strategische Umfassung, welche sie – nicht ungerechtfertigt – geplant hatten, um die entscheidendsten Erfolge zu erzielen, durch die Schlacht von Custoza gescheitert sei, also doch ein Fehler war, daß also jetzt der sichere Weg, der in der Vereinigung der Kräfte lag, betreten werden müsse. Wenn ein Feldherr in der schlimmsten Lage das Aeußerste wagt und nicht durchdringt, so wird vielleicht seine Kühnheit bewundert, aber sein Mißgeschick erklärlich gefunden. Wird jedoch wie hier eine numerisch bedeutend stärkere Armee, welche also die Vorbedingung des Erfolges in sich trägt, von der numerisch [739] schwächeren Armee aus dem Felde geschlagen, dann wird das Mißgeschick wohl doppelt empfunden, weil nur die Unterlegenheit der Führung und die Tapferkeit der braven Truppen den Unterschied der Zahl ausgleichen konnten. Die Schlacht brachte als weiteren Erfolg einen Aufschub der Operationen von vollen vierzehn Tagen. Erst am 8. Juli nahm die italienische Armee ihre Operationen wieder auf. Jene vierzehn Tage waren für die österreichische Armee ein Zeitgewinn von höchster Bedeutung, denn hierdurch wurde es möglich, 50000 Mann aus Venetien nach Wien zu versetzen. Und diese zwei Corps gaben den vollen Ersatz für alle Verluste, welche die Nord-Armee bis dahin erlitten hatte, und sie fielen dann auch gewiß in die Wagschale bei den Unterhandlungen, welche nun schon in Nicolsburg geführt wurden. Jene vierzehn Tage kamen auch der österreichischen Flotte zu gute, denn wäre Triest von der italienischen Armee früher genommen worden, dann war auch kein Grund mehr, den Kampf zur See zu suchen und der Sieg bei Lissa wäre nicht erkämpft worden. Ganz anders erscheint der Werth des Sieges von Custoza, wenn man sich zu vergegenwärtigen suchte, von welchen traurigen Folgen der Verlust dieser Schlacht für Oesterreich gewesen wäre. Waren die Italiener bei Custoza siegreich, so hätte aller Wahrscheinlichkeit nach am 3. Juli – dem Schlachttage von Königgrätz – eine italienische Armee den Tagliamento überschritten und zur Zeit des Waffenstillstandes hätte sich ganz Süd-Tirol, Görz, Triest und Istrien möglicherweise in italienischem Besitze befunden. Wie hätten unter solchen Umständen die Friedensbedingungen gelautet? Venetien wäre den Italienern auch ohne Krieg zugefallen, das ist jetzt bekannt; sie trachteten also durch den Krieg mehr zu erlangen. „Die Alpengrenze in Tirol, die Besitznahme der ganzen Küste mit Istrien, vielleicht sogar Dalmatien – die Verdrängung Oesterreichs vom Meer, die Vernichtung oder Auslieferung der Flotte, das waren etwa die hohen Ziele, welche Italien sich gesteckt. Als der Erzherzog-Feldmarschall am 24. Juni um 3 Uhr nachmittags seine letzten Reserven nicht etwa dazu verwendete, um den Rückzug zu decken, sondern ihnen befahl, ihre äußerste Kraft daran zu setzen, um den Sieg zu erringen, hat er mit diesem Befehl auch die österreichische Großmachtstellung gerettet und sich selbst das Großkreuz des Maria-Theresienordens erworben. Das ist der welthistorische Erfolg dieser Schlacht!“ ....

Die Absicht, nach dem Siege bei Custoza die italienische Armee unter Cialdini am Po anzugreifen, mußte der Erzherzog nach der Niederlage der Nord-Armee aufgeben und den größten Theil seiner Truppen an die Donau dirigiren, um einen Uebergang der feindlichen Armee über den Strom zu verhindern. Am 10. Juli wurde er zum Obercommandanten der gesammten operirenden Armee ernannt, doch trat diese infolge des am 26. Juli zu Nicolsburg abgeschlossenen Friedens nicht mehr in Action. Nach dem Kriege wirkte der Erzherzog als Armee-Obercommandant, 15. September 1866, dann seit 15. Januar 1868 als Armee-Commandant, endlich als General-Inspector des k. und k. Heeres (seit 24. März 1869) und was er hinsichtlich des Ausbaues der Organisation und für die Ausbildung des Heeres gethan hat, übertrifft fast seine Leistungen als Heerführer und Armee-Commandant. Er knüpfte zwar an die Vergangenheit an, aber er vergaß nie die Forderungen der Gegenwart und Zukunft und wenn ihm seine Gegner dennoch zuschrieben, daß er, den Neuerungen abhold, sich manchen Aenderungen entgegengestellt habe, so ist dies auf die Periode nach 1866 zurückzuführen, wo nach Eintritt der „Intelligenz-Aera“ eine reine Umsturzmanie im Heere waltete und Neuerungen zeitigte, die man heute als grobe Fehlgriffe erkennt. Erzherzog A. ließ der Tradition in klarer Erkenntniß ihres Werthes, ihr Recht, aber nicht minder Recht dem drängenden Fortschrittsgeiste und war jeder Reform zugänglich, wenn er sie nur als zielförderlich und [740] praktisch anwendbar zu erachten vermochte. Das Ziel, dem er beharrlich und unter allen Frictionen zustrebte, war die Kriegstüchtigkeit des Heeres, und die von ihm wahrhaft genial geleiteten Manöver sind stets eine wahre Schule für den Krieg gewesen. In diese Periode fallen auch verschiedene schriftstellerische Arbeiten des Erzherzogs, von welchen nachstehende erwähnt werden mögen: „Wie soll Oesterreichs Heer organisirt sein?“ (1868), „Gedanken über den militärischen Geist“ (1869 erschienen und wiederholt in das Französische übersetzt). „Ueber die höhere Leitung im Kriege“, „Ueber die Verantwortlichkeit im Kriege“ (1870 erschienen und in das Französische und Englische übersetzt), „Das Jahr 1870 und die Wehrkraft der Monarchie“, „Kritische Betrachtungen über den Feldzug 1866 in Italien“; dann an dienstlichen Schriften: „Instruction für die Generalität und höheren Officiere der k. k. Armee in Italien“ und die 1870 erschienene „Instruction für die praktischen Uebungen der Truppen“. Die Fürsorge des Erzherzogs für die Armee verdoppelte sich förmlich, je einsamer es nach und nach um ihn her wurde, je häufiger der Tod Lücken riß in sein ehemals so glückliches Heim. Schon im J. 1867 war seine Tochter, Erzherzogin Mathilde, furchtbaren Brandwunden erlegen, im J. 1874 starb auch sein Bruder, Erzherzog Karl Ferdinand. A. suchte und fand Trost in rastloser Arbeit, aber auch in wahrhaft fürstlichem Wohlthun; eine Menge von Stiftungen für Officiere, Officierstöchter und Regimenter tragen seinen Namen und unzählbar sind die Acte der Wohlthätigkeit, welche er übte, welche sich auf alle Schichten der Bevölkerung vertheilten und von denen selten genug die Oeffentlichkeit erfuhr. Auch auf volkswirthschaftlichem Gebiete nahm der Erzherzog als einer der ersten Großgrundbesitzer und Großindustriellen der Monarchie eine hervorragende Stellung ein und neben seiner militärischen Thätigkeit widmete er der Bewirthschaftung seines ausgedehnten Grundbesitzes und dem Betriebe seiner großen Industriewerke die vollste Aufmerksamkeit. Weit berühmt ist auch seine unter dem Namen „Albertina“ bekannte Sammlung von Stichen und Handzeichnungen, die er unausgesetzt durch neue Erwerbungen vermehren ließ und die er Kunstforschern und Kunstsammlern in liberalster Weise zugänglich machte. Das letzte Lebensjahr des Erzherzogs war durch tiefen Kummer getrübt. Am 29. Juli 1894 fand sein Bruder, Erzherzog Wilhelm, durch einen Sturz mit dem Pferde einen plötzlichen Tod. Seit dieser Katastrophe hat Erzherzog A. sich seelisch und körperlich nicht mehr zu erholen vermocht. Zwar schien es, als sollte seine kräftige Constitution während seines Aufenthaltes in Arco, Herbst und Winter 1895, wieder siegen, da bereitete der Tod seines Neffen, des Königs Franz von Neapel, 27. December 1894, neue Aufregung und eine Erkältung, die sich der Erzherzog bei der Uebertragung der Leiche des Königs zugezogen, warf ihn auf das Krankenlager, von dem er sich nicht mehr erheben sollte. Am 18. Februar 1895 entschlief er. Seiner Leiche wurden königliche Ehren erwiesen, sein Kaiser und des deutschen Reichs Kaiser, nebst Vertretern aller Mächte begleiteten sie in die Gruft seiner Väter, die Theilnahme Aller, die Sinn und Verständniß für Menschengröße haben, folgte ihr. „Es geht ein großer Zug durch die ganze Lebensführung des Erzherzogs; sie zeigt Idealität bei realer Ausreifung, Einheit in Willen und That, vollen Einklang der leitenden Grundsätze und der aus ihnen hervortretenden Handlungesweise. Seinem Kaiser und Herrn ein treuer und freimüthiger Berather, dem Vaterlande innig ergeben, dem Heere ein leuchtendes Vorbild, gehoben durch wohlverdienten Erfolg, dabei einfach und anspruchslos in fürstlicher Hoheit, mannhaft schon in keimender Jugendreife und mannhaft noch an der Neige seines Lebens, hinterläßt Erzherzog Albrecht einen Namen wahrhaft geschichtlicher Bedeutsamkeit, und mächtiger als die Inschrift auf dem Standbilde, das man ihm gesetzt, mögen wohl seine Thaten und Werke [741] für ihn zeugen: die Siegesstätten auf Hesperiens blutgedüngtem Boden, die Armee, die er so lange nach des Kaisers Willen leitete und zurückließ erstarkten Leibes und gehobenen Hauptes.“

Die einschlägige Litteratur über die Feldzüge 1848/9 und 1866. – Duncker, Feldmarschall Erzherzog Albrecht. Wien und Prag 1897. – Mathes v. Bilabruck, Gedenkrede auf weil. S. k. u. k. Hoheit den durchlauchtigsten Herrn Feldmarschall Erzherzog Albrecht. (Organ der milit.-wissensch. Vereine in Wien, 1895, 51. Band.) – Teuber, Feldmarschall Erzherzog Albrecht, Ein Lebensbild (Wien 1895). – Neue Freie Presse vom 18., 19., 26. und 27. Februar 1895.