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ADB:Berdellé, Johann Baptist

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Artikel „Berdellé, Johann Baptist“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 369–370, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Berdell%C3%A9,_Johann_Baptist&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 21:08 Uhr UTC)
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Berdellé: Johann Baptist B., Historienmaler, geboren am 15. Mai 1813 zu Mainz, erhielt die erste Anregung für die Porträt- und Historienmalerei in Düsseldorf bei Schadow, kam 1840 nach München, wo er einen „Nimrod“ zur Ausstellung brachte, welcher, obwohl erblindet, als leidenschaftlicher Jäger von seinem Sohn den Bogen spannen läßt – noch ganz im Sinne seines Meisters, mit einem besonderen Streben nach Farbe. In diesem Sinne setzte B. seine Studien 1841 zu Paris unter dem Vorbilde von Delaroche und Gleyre fort, bereiste Italien, verweilte zu Florenz und Rom längere Zeit, studirte die Werke des Giulio Romano in Mantua und die Venetianer und setzte sich dann zu München fest, wo er durch sein tieferes blühendes Colorit mehr Aufsehen als Theilnahme erwarb. Hier übte der gewaltige Genelli großen, aber nicht förderlichen Einfluß auf B., noch mehr der ganz von hellenischem Wohlkang getragene Bildhauer Fr. Brugger und der mit regeneratorischer Macht bisweilen vorüberstürmende Rahl. Zu diesem Kreise zählten auch Fr. Pecht, der Landschafter Bernhard Fries, der Architekt Gottfried Neureuther und Prof. Dr. Thomas, der ebenbürtige Schüler des großen „Fragmentisten“ Fallmerayer. In diesem so ziemlich der alten eklektischen Schule der Bologneser Caracci entsprechenden Kreise, bei den neuen „Incamminaten“ fand B. frische Anregung und Aufmunterung, aber leider keinen seinen Kräften entsprechenden Auftrag. Um auch Andere auf diesen mühsam gefundenen Weg zu bringen, begründete B. mit seiner dem feinen Agostino Caracci entsprechenden, vorwiegend doctrinären Begabung eine Privatschule für Zeichner und Maler, aus welcher sehr tüchtige Kräfte, wie Jos. Obwexer, R. von Attlmayer (welcher als reicher Grundbesitzer leider der ausübenden Kunst wieder entsagte), der Genremaler A. Deibl und die nachmals im Gebiete der Plastik so gefeierte Elisabeth Ney, die erste nachwirkende Weihe und gründliche Unterweisung empfingen. Wer auf den so gebahnten Wegen weiter ging, hatte es nicht zu bereuen; gar Mancher, der später hochnäsig auf seinen Lehrer herabsah und ihn schnöde vergaß, hatte ihm doch seine ganze Richtung zu danken. Schon damals trug sich B. vielfach mit religiösen Entwürfen, kam aber erst in regen Fluß, als ihm durch die Bekanntschaft mit dem russischen Oberst Andreas Barischnikoff, einem großen Kenner und Freund der Kunst, die malerische Ausschmückung der neuen griechischen Kirche zu Kasan übertragen wurde (1852–55). Dabei kamen ihm wol seine Erinnerungen aus der Marcuskirche zu statten, doch beengte die byzantinisirende Stilistik den schöpferischen Genius. Freier bewegte sich B. in einem Oelbilde „Christus vor Pilatus“ (1853. Vgl. Deutsch. Kunstblatt. 1854. V, 342) und mit einem in der Cholerazeit von 1854 entstandenen Votivbilde, welches auf der Ausstellung des „Vereins für christliche Kunst“ 1861 abermals in die Oeffentlichkeit kam (vgl. L. Lang, Sonntagsblatt 1861, S. 341), wobei das coloristische Element zur Anerkennung gelangte. Auch „Die heil. Frauen auf dem Wege zum Grabe Christi“ (gestochen 1867 von J. H. L. Petersen) datiren in diese Periode. Darauf folgten mehrere von Julius Grosse in der Neuen Münchner Zeitung (vom 22. März und 4. April 1856) freudig begrüßte Bildnisse, darunter das „mit venetianischer Magie, in leuchtenden Tinten und meisterhafter Modellirung behandelte Porträt einer schönen Frau“ und die ganze Figur eines Weibes, welches die Sandalen löst, um ins Bad zu steigen – eine Schöpfung, worüber der mit seinem Lobe sonst so ängstlich geizende Rahl aus Wien an Genelli (Septbr. 1863) meldete: „Die Gestalt ist so schön erfunden und gut gemalt, daß ich glaube, es sei das Beste, was ich von B. sah“. Vorher gingen die „Vier Jahreszeiten“, welche Baron Sina für seinen Salon erwarb; 1867 erschien Berdellé’s „Hagen und die Meerweiber“, 1868 sein „Arion auf dem [370] Delphin, von Tritonen und Nereiden umgeben“, eine „geniale Leistung voll Anmuth, Liebreiz und plastischer Ruhe“. Seine bedeutendste Arbeit aber bleibt der auch coloristisch wichtige Cyclus im Münchener Polytechnikum, wo der Künstler in vierzehn Figurenbildern (welche in den Gewölbekappen unmittelbar unter dem Oberlichte des Treppenhauses eingelassen wurden) das große Reich menschlicher Erfindungen in Kunst und Wissenschaft zur Darstellung brachte. Die Compositionen sind dem Renaissance-Charakter des ganzen Bauwerks gemäß, in das Gewand der griechischen Mythe gekleidet. Das Mittelbild zeigt die Geburt der Athena. Daran reihen sich in mythischen Gruppen die Siege des sinnenden Verstandes und der eindringlichen Herrschaft über rohe Gewalt und hemmende Naturkräfte. Vgl. die Schilderung dieser Bilder von Dr. Thomas (in Beilage Nr. 237 der „Allgemeinen Zeitung“ vom 25. August 1871), welcher wol auch die Idee dazu gegeben hatte. Das Colorit war tief und satt, die Formen streng, die Ausführung sehr sorgfältig, obwohl der Beschauer durch einen 10 Meter hohen Zwischenraum davon getrennt bleibt – ein Umstand, welcher das Verständniß erschwert, da eine Reproduction unterblieb. Ein zweiter, größerer Auftrag dieser Art zerrann als Project. B. malte wieder Porträts und entwarf viele Compositionen (ein Project zum Vorhang für das neue Theater in Dresden, eine Oresteia in 6 Blättern; Amor und Psyche nach Apulejus; Nessus reicht der Dejanira das blutige Gewand), ohne jedoch die verdiente Beachtung zu finden. Er blieb im Bann der Ideenmalerei. Der Mann, welcher in München, ebenso wie Schorn und Andere wesentlich mitgewirkt hatte den Umschwung der neueren Technik herbeizuführen, wurde vergessen. Erst galt er als zu archäologisch im Colorit, man warf ihm vor, daß er die Patina der alten Niederländer nachgeahmt habe. Sein redliches Streben blieb unbegriffen. Als er nach längerer Pause wieder einmal ein Zeichen seiner Thätigkeit geben wollte, wies die damals etwas vorlaute einer jüngeren Generation entstammende Jury eine allerdings etwas glatt behandelte Scene „Aus dem Leben der Psyche“ vornehm von der Ausstellung zurück. Auf das tiefste verletzt und gekränkt suchte B. in den Wellen der Isar den Tod, in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 1876. Einen Theil seines artistischen Nachlasses erwarb später das historische Archiv der Stadt München (für die sog. Maillinger-Sammlung).

Vgl. Beilage 226 der Allgemeinen Zeitung vom 13. August 1876. – Nr. 4336 d. Neuen Freien Presse, Wien, 20. September 1876. –- Lützow’s Zeitschrift, 1876. XI, 801. – Nagler-Meyer, Lexikon, 1885. III, 589. – Fr. v. Boetticher, Malerwerke, 1895. I, 81.