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ADB:Bernhard, Christoph

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Artikel „Bernhard, Christoph“ von Arrey von Dommer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 456–458, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bernhard,_Christoph&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:40 Uhr UTC)
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Bernhard: Christoph B., berühmter Musiker der 17. Jahrhunderts, geb. zu Danzig, nach den gewöhnlichen Angaben 1612, was jedoch manchen späteren Lebensdaten gegenüber unmöglich ist; also wird das J. 1627 richtig sein. Als Currendeschüler erregte er die Aufmerksamkeit des Dr. Strauch, der ihn auf die lateinische Schule gab und von Capellmeister Balthasar Erbe im Singen unterrichten ließ, worauf B. in die Danziger Capelle aufgenommen wurde. Der Organist Paul Syfert unterwies ihn im Generalbasse, daneben trieb er auch Italienisch, und „man fand ihn so geschickt, daß er mit der Zeit einen Theologum, Juristen und Staatsmann abzugeben im Stande war, Musik ungerechnet“ (Mattheson, Ehrenpf. 17). Seine Neigung zur letzteren behielt jedoch die Oberhand und er kam nach Dresden. Hier nahm der große Heinrich Schütz, dieser „allgemeine Lehrmeister deutscher Musiker“, auch ihn zum Schüler an, und B., der 1648 zugleich Altist in der Capelle wurde und die Capellknaben im Gesange zu unterrichten bekam, arbeitete fleißig im Palestrina-Stile und vernachlässigte [457] auch im Uebrigen die Wissenschaften nicht. Beim Kurfürsten Johann Georg I. kam er ebenfalls in Gunst, und dieser sandte ihn zu Anwerbung von Sängern für die seit dem Kriege noch nicht wieder vollzählige Capelle nach Italien. Die Reise dauerte ein Jahr. In Rom machte B. die Bekanntschaft des Carissimi und anderer hervorragender Tonkünstler, nach deren Vorbilde er eifrig weiter studirte und zwei Messen 10 voc. mit ebensoviel Instrumenten setzte, „darüber sich die Welschen verwunderten“. Bei seiner Rückkehr nach Dresden brachte er zwei der besten römischen Castraten mit; die Capelle war aber noch nicht hinlänglich besetzt, auch ergriffen die Italiener in Dresden jede Gelegenheit sich zu verstärken: B. mußte also zum zweiten Male nach Italien, um neue Capellisten zu holen, und kehrte nach dreiviertel Jahren mit dem Römer Perandi und zwei Sängern, außerdem aber wiederum bereichert an Kenntniß und Erfahrung zurück. Die Daten seiner beiden italienischen Reisen sind nicht festzustellen. Inzwischen hatte schon 1651 der alternde Schütz ihn zum Substituten gewünscht, doch zog Bernhard’s Ernennung zum Vice-Capellmeister bis 1655 sich hin. Allmählich wurden aber die Italiener in der Capelle sehr mächtig, und da Schütz von der öffentlich Musik immer mehr sich zurückzog, stand B. ziemlich allein als Deutscher seinen drei eifersüchtigen italienischen Collegen (Bontempi, Albrici und später Perandi) gegenüber, wobei es ihm, obgleich er Einfluß beim Kurfürsten hatte und Schütz ihm sehr gewogen war, an Verdrießlichkeiten nicht fehlte. Als daher zu Hamburg der Stadtcantor Thomas Selle 1664 starb, konnte es B. nur erwünscht sein, daß der Organist Weckmann von S. Jacobi ihn zu dessen Nachfolger vorschlug. Er besiegte auch alle Mitbewerber, wiewol namhafte Musiker, wie Seb. Knüpffer, Johann Theile und Werner Fabricius, sich darunter befanden. Die Wahl fiel auf ihn und der Hamburger Rath ersuchte den Kurfürsten, ihm B. (der sich übrigens schon ohne Erlaubniß seines Herrn von Dresden entfernt zu haben scheint) zu überlassen. Dies geschah auch, wiewol mit der Bedingung, daß er wieder nach Dresden zurückkehren müsse, sobald der Kurfürst ihn verlangen würde. Einstweilen aber ging es B. sehr wohl in Hamburg, wo damals tüchtige Tonkünstler gern sich aufhielten und viel gute Musik gemacht wurde, und er war bereits zehn Jahre dort, als der Kurfürst ihn wirklich zurückberief, da er ihn zum Informator seiner Enkel auserlesen hatte. Als B. nicht viel Neigung dazu bezeigte, machte ihn der Kurfürst auch zum Vice-Capellmeister, da durch Schütz’ Tod ohnedieß eine Stelle erledigt war. Also kehrte er 1674 nach Dresden zurück und blieb daselbst (neben Bontempi, Albrici und Novelli) noch achtzehn Jahre Capellmeister, wurde 1679 noch zum geheimen Cämmerier ernannt und starb in hohem Ansehen am 14. Nov. 1692. Der Kurfürst ehrte seine Verdienste insbesondere noch dadurch, daß er seine beiden ältesten Söhne, Theodor und Christian, auf der Universität Wittenberg frei studiren ließ. (Vgl. Mattheson, Ehrenpf. 17–22.) Daß B. ein vortrefflicher Musiker und Componist gewesen, würde man schon allein daraus schließen können, daß Schütz ihn als seinen Lieblingsschüler bevorzugte und zwei Jahre vor seinem Tode an ihn schrieb mit der Bitte, ihm seinen Leichentext: „Cantabiles mihi erant“ etc. nach dem pränestinischen Contrapunktstil, mit 2 Cant. A. T. u. B. auszuarbeiten: über welche Motette er ein großes Vergnügen bezeigte. Er rühmte auch das Stück in seinem Antwortschreiben mit diesen Worten: „Mein Sohn, Er hat mir einen großen Gefallen erwiesen durch Uebersendung der verlangten Motette. Ich weiß keine Note darin zu verbessern“ (Mattheson, a. a. O. 322). Sie ist Schütz’ Begräbnißfeier mit drei anderen von ihm selbst componirten Stücken auch gesungen worden. Doch kennt man im Uebrigen von Bernhard’s Tonwerken nur: „Geistliche Harmonien“, 1. Theil, bestehend in Concerten 2–5 voc., Dresden, Seyffert, 1665; „Prudentia Prudentiana“ (lateinische Hymne im dreifachen [458] Cpt.), 1669. Zwei Messen, vielleicht jene römischen, fanden sich als Manuscript in Em. Bach’s Nachlaß. Als Herausgeber betheiligt gewesen ist B. an dem „Geistreichen Gesangbuch“, an Dr. Cornelii Becker’s „Psalmen und Lutherischen Kirchenliedern“ etc. vom J. 1676 (vgl. Winterfeld, Kirchenges. II. 542). Auch als Lehrer mag er sich ausgezeichnet haben (Constantin Dedekind war ein Schüler von ihm), und Mattheson erzählt, daß die Italiener auf ihn eifersüchtig geworden seien, weil er „den Deutschen zu Gefallen seine Compositionsregeln in deutscher Sprache schrieb“. Gedruckt sind diese Schriften nicht, aber sein „Tractatus compositionis augmentatus“ in 63 Capiteln verbreitete sich in zahlreichen Abschriften; das Original besaß um 1720 Stölzel in Gotha, Forkel und Gerber hatten Copien. Ein zweites Manuscript: „Ausführlicher Bericht vom Gebrauch der Con- und Dissonanzen“, nebst einem Anhange von dem doppelten und vierfachen Cpt., 29 Capitel, befand sich ehedem in Forkel’s Händen (Litterat. 489). Wo sie gegenwärtig sind, ist unbekannt.