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ADB:Bach, Philipp Emanuel

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Artikel „Bach, Philip Emanuel“ von Heinrich Bellermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 744–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bach,_Philipp_Emanuel&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 14:17 Uhr UTC)
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Band 1 (1875), S. 744–746 (Quelle).
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Bach: Karl Philip Emanuel B., berühmter Musicus, war der dritte Sohn Johann Sebastian Bach’s mit dessen erster Gattin Maria Barbara geb. Bach. Er ist 14. März 1714 zu Weimar geboren, † zu Hamburg 14. Dec. 1788. Als sein Vater Weimar verließ, war er drei Jahre alt; er siedelte mit demselben zunächst 1717 nach Cöthen und dann 1723 nach Leipzig über, wo er bald als Schüler der Thomasschule aufgenommen wurde. Genau läßt sich der Zeitpunkt nicht bestimmen, eben so wenig wie sein Abgang von der Schule. In der leider sehr knapp gehaltenen biographischen Skizze, die er selbst 1773 aufgezeichnet hat, (Burney’s Tagebuch seiner musikalischen Reisen, aus dem Engl. übersetzt von C. D. Ebeling, 3. Band, 1773, S. 198 f.) sagt er über seine Jugendzeit nur Folgendes: „Nach geendigten Schulstudien auf der Leipziger Thomasschule habe ich die Rechte sowol in Leipzig als nachher in Frankfurt a. O. studirt und dabei am letzteren Orte sowol eine musikalische Akademie als auch alle damals vorfallenden öffentlichen Musiken bei Feierlichkeiten dirigirt und componirt“. Man muß also annehmen, daß B. von 1733–35 in Leipzig und die dann folgenden drei Jahre bis 1738 in Frankfurt a. O. studirt hat. Ueber seine musikalische Ausbildung fährt er dann fort: „in der Composition und im Clavierspielen habe ich nie einen anderen Lehrmeister gehabt als meinen Vater.“ Hiernach scheint es, daß B. anfangs nicht die Absicht hatte, die Musik zum Lebensberuf zu wählen, da er sonst wol noch zu einem anderen Lehrmeister gegangen wäre, so bedeutend auch der Ruf seines Vaters als Lehrer war; jedenfalls hätte er aber auch neben dem Clavier und der Orgel noch andere Instrumente, namentlich Violine oder Violoncello erlernt, wovon er in seiner Lebensskizze nichts erwähnt. Der Entschluß, sich ganz der Musik zu widmen, ist ihm wahrscheinlich in Frankfurt gekommen, wo er neben seinen juristischen Studien ein gesuchter Lehrer auf dem Claviere war und mit den Aufführungen seiner Akademie und seinen Compositionen einen glücklichen Erfolg hatte. C. H. Bitter theilt in seinem Werke „Carl Phil. Em. Bach“ etc. 1868, Bd. 1. S. 325 f. einige Texte von Kirchenmusiken aus den Jahren 1736 und 1737 mit, die in Frankfurt a. O. zur Aufführung gekommen sind und möglicherweise von B. componirt waren. Nach beendigten Universitätsstudien begab sich B. 1738 nach [745] Berlin, wo sich ihm eine sehr vortheilhafte Gelegenheit bot, mit dem ältesten Sohne einer reichen und vornehmen livländischen Familie eine größere Reise durch fremde Länder zu machen. Durch einen unvermutheten Ruf des damaligen Kronprinzen von Preußen, nachherigen Königs Friedrichs II. nach Ruppin sah sich B. indeß veranlaßt, die bevorstehende Reise wieder rückgängig zu machen. Seine förmliche Anstellung als Kammermusicus und Clavicembalist erhielt er jedoch erst 1740 bei dem Regierungsantritt des großen Königs. Von dieser Zeit an bis zum November 1767 ist B. beständig in preußischen Diensten geblieben, obgleich er einige Male Gelegenheit hatte, vortheilhaften Rufen anderswohin zu folgen. Der König schätzte aber seine Geschicklichkeit im Accompagnement auf dem Clavier so sehr, daß er ihn mehrmals durch ansehnliche Gehaltszulage zu fesseln wußte, obgleich sich B. nach Zelter, „C. Fr. Fasch“ namentlich während der Kriegsjahre in Berlin nicht behaglich fühlte. Als nun aber auch nach Beendigung des siebenjährigen Krieges die Musik nicht wieder mit dem früheren Eifer am Hofe betrieben wurde, der König immer seltener musicirte und dann fast ausschließlich nur noch seine eigenen und seines Lehrers Quantz Compositionen spielte, sehnte sich B. nach einem größeren Wirkungskreis und einer unabhängigen Stellung. Eine solche bot sich ihm nach Telemann’s Tod durch seine Berufung zum Musikdirector nach Hamburg. Nach wiederholten Bitten erhielt er seinen Abschied vom Könige, und bei seiner Abreise dorthin ernannte ihn die Schwester des Königs, Prinzessin Amalie, zu ihrem Hof-Capellmeister. – In Hamburg war Bach’s Stellung eine von der früheren am Berliner Hofe wesentlich verschiedene. Er trat dort als Cantor in das Lehrercollegium des Johanneums, an welchem er neben dem Musikunterricht und der Sorge für die bei den öffentlichen Schulfeierlichkeiten zu veranstaltenden Festmusiken, wie es scheint, auch einigen wissenschaftlichen Unterricht in den unteren Classen einschließlich bis Tertia zu geben hatte; zugleich war er Musikdirector an den fünf Hauptkirchen Hamburgs und als solcher hatte er in diesen abwechselnd die Musik bei den Hauptgottesdiensten zu leiten. B. sagte dieser neue Wirkungskreis so sehr zu, daß er die im Laufe der Jahre an ihn gerichteten Berufungen anderswohin, so vortheilhaft sie auch gewesen sein mögen, gern ablehnte und bis an sein Ende in Hamburg verblieb, wo er 14. Dec. 1788 im 74. Lebensjahre starb. B. hatte sich bereits 1744 in Berlin mit Johanna Maria Dannemann, der Tochter eines dortigen Weinhändlers verheirathet. Er hinterließ aus dieser Ehe eine Tochter und zwei Söhne, von denen der eine sich der Jurisprudenz, der andere der Malerei gewidmet hatte. – Bach’s Leben hat hiernach äußerlich einen sehr einfachen Verlauf genommen; er gehörte zu den wenigen Musikern von Bedeutung aus der damaligen Zeit, welche niemals die Grenzen ihres Vaterlandes überschritten und ihre künstlerische Bildung nur auf heimathlichem Boden gewonnen haben. Bemerkenswerth ist, wie er sich in seiner Lebensskizze selbst hierüber ausspricht: „Meine preußischen Dienste haben mir nie so viele Zeit übrig gelassen, in fremde Länder zu reisen. Ich bin also beständig in Deutschland geblieben und habe nur in diesem meinem Vaterlande einige Reisen gethan. Dieser Mangel an auswärtigen Reisen würde mir bei meinem Metier mehr schädlich gewesen sein, wenn ich nicht von Jugend an das besondere Glück gehabt hätte, in der Nähe das Vortrefflichste von aller Art von Musik zu hören und sehr viele Bekanntschaften mit Meistern von erstem Range zu machen und zum Theil ihre Freundschaft zu erhalten. In meiner Jugend hatte ich diesen Vortheil schon in Leipzig, denn es reiste nicht leicht ein Meister in der Musik durch diesen Ort, ohne meinen Vater kennen zu lernen und sich vor ihm hören zu lassen. Die Größe dieses meines Vaters in der Composition, im Orgel- und im Clavierspielen, welche ihm eigen war, war viel zu bekannt, [746] als daß ein Musiker vom Ansehen, die Gelegenheit, wenn es nur möglich war, hätte vorbei lassen sollen, diesen großen Mann näher kennen zu lernen. Von allem dem, was besonders in Berlin und Dresden zu hören war, brauche ich nicht viel Worte zu machen; wer kennt den Zeitpunkt nicht, in welchem mit der Musik sowol überhaupt als besonders mit der akuratesten und feinsten Ausführung derselben eine neue Periode sich gleichsam anfing, wodurch die Tonkunst zu einer solchen Höhe stieg, wovon ich nach meiner Empfindung befürchte, daß sie gewissermaßen schon viel verloren habe.“ Aus diesen Worten erklärt sich auch Bach’s Richtung in der Musik, die hauptsächlich auf ein feines und sauberes Clavierspiel gerichtet war. Auf diesem Gebiete liegt überhaupt seine Stärke und sein theoretisch-praktisches Werk „Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen“ mit sechs beigefügten Sonaten ist in der That eine classische Arbeit, welche zu ihrer Zeit großes Aufsehen erregte, und die noch heutzutage von unschätzbarem Werthe ist, wenn wir uns über die Art und Weise des alten Clavier-Accompagnements unterrichten wollen. Viele seiner Claviercompositionen zeichnen sich durch Ausdruck, Lebendigkeit und Formvollendung aus und werden ihren Werth behalten; einige sind schon vor seinem 20. Jahre in Leipzig componirt und wir finden aus allen Lebensaltern Werke dieser Art von ihm gedruckt, denn das clavierspielende Publikum des vorigen Jahrhunderts schätzte sie sehr. Eine neue und correcte Ausgabe dieser Clavierwerke hat E. F. Baumgart veranstaltet, Breslau (jetzt Leipzig) Verlag von F. E. C. Leuckart, 6 Hefte. Aus Bach’s Vorliebe für das virtuosenmäßige Spiel und die Instrumentalmusik überhaupt entsprangen aber auf der anderen Seite sei[ne] Schwächen. Als Gesangscomponist hat er weniger bedeutendes geleistet. Seine Kirchenstücke, Passionsmusiken, geistliche und weltliche Cantaten stehen nicht allein weit hinter den gewaltigen Arbeiten seines großen Vaters zurück, sondern zeigen auch wenig Sinn für vocale Klangwirkung und Gestaltung, und können sich daher mit den Werken eines C. H. Graun, A. Hasse, J. Gottl. Naumann u. a. Componisten des vorigen Jahrh. in keiner Weise messen. Auch von diesen Vocalwerken sind einige im Druck erschienen, z. B. „Die Israeliten in der Wüste“, Oratorium 1775, „Heilig“ mit zwei Chören und einer vorangehenden Ariette 1779, Klopstock’s „Morgengesang“ 1787, Ramler’s „Auferstehung u. Himmelfahrt“ 1787. – Ein chronologisch geordnetes Verzeichniß sämmtlicher Compositionen Em. Bach’s ist zu finden in Bitter’s „Carl Phil. Em. Bach und Wilhelm Friedemann Bach und deren Brüder“, Berlin 1868, Bd. II. S. 325, auf welches Werk wir den Leser verweisen müssen, wenn wir auch nicht allen darin ausgesprochenen Ansichten beipflichten können. Von Wichtigkeit sind auch die Mittheilungen in Gerber’s Altem und Neuem Tonkünstlerlexikon von 1790 u. 1812.