Zum Inhalt springen

ADB:Telemann, Georg Philipp

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Telemann, Georg Philipp“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 552–555, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Telemann,_Georg_Philipp&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 19:59 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Teirich, Valentin
Nächster>>>
Telgte, Heinrich
Band 37 (1894), S. 552–555 (Quelle).
Georg Philipp Telemann bei Wikisource
Georg Philipp Telemann in der Wikipedia
Georg Philipp Telemann in Wikidata
GND-Nummer 11862119X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|37|552|555|Telemann, Georg Philipp|Robert Eitner|ADB:Telemann, Georg Philipp}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11862119X}}    

Telemann: Georg Philipp T. Nach seiner Selbstbiographie geboren am 14. Mai 1681 in Magdeburg und gestorben am 25. Juni 1767 zu Hamburg. Seine erste Schulbildung erhielt er unter Ben. Christiani. Zu seiner Zeit bildete die Musik noch einen wesentlichen Bestandtheil der Lehrgegenstände in den Lateinschulen und wir ersehen aus den noch vorhandenen zahlreichen Compendia musicae, wie gründlich damals die Musik betrieben wurde. T. gesteht selbst ein, daß er nie einen anderen Musikunterricht genossen habe als diesen und seine Lehrmeister der Umgang mit bedeutenden Künstlern und die vielfachen Musikaufführungen, die er auf seinem Wanderleben in den großen Städten Deutschlands und Paris gehört habe, einzig und allein gewesen sind. Schon als Knabe componirte er die Oper „Sigismundus“. Musik war eben sein Element, worin er völlig aufging. Im J. 1694 gab ihn die Mutter (der Vater, ein Prediger, war bereits 1684 gestorben) nach Zellerfeld im Harz, um die Schule zu besuchen und er erhielt die strenge Weisung auf den Weg, der Musik zu entsagen. Doch vergeblich waren alle Ermahnungen, wo Musik erklang, da war Philipp, und bei einem Besuche in Hannover und Braunschweig schwelgte er in Musik, denn damals wurde in Hannover besonders die französische Instrumentalmusik gepflegt und in Braunschweig resp. Wolfenbüttel die Opernmusik. 1701 siedelte er nach Leipzig über um Jura zu studiren. Hier kam er erst recht in eine lustige Musikmacherei hinein und sein Talent zu componiren brachte ihn bald mitten hinein in die besten Musikkreise. Händel, der viel Umgang mit T., zur Zeit als er noch in Deutschland lebte, pflegte, äußerte gelegentlich seine Verwunderung über die Leichtigkeit mit der T. die Gedanken zuflossen, und Händel verstand doch auch schnell zu componiren, aber bei T., sagte er, ist es gerade so, als wenn Unsereiner einen Brief schreibt. – Durch Vermittelung erhielt T. nun den Auftrag, alle 14 Tage eine Cantate für die Thomaskirche zu schreiben, wofür er (wie er sich ausdrückt) ein erkleckliches Legat erhielt. Auch vom weißenfelsischen Hofe erhielt er den Auftrag einige Opern zu schreiben, und in kurzer Zeit hatte er zu vier Opern den Text und die Musik fertig. 1704 errichtete er das „stehende Musik-Collegium“ in Leipzig, dessen Mitglieder zum größten Theile aus Studenten bestanden und die privatim wie öffentlich Concerte gaben. Auch zum Organisten und Musikdirector an der Neuen Kirche ernannte man ihn. Endlich wurde er auch an die Oper in Leipzig herangezogen; er selbst schreibt: Bald darauf gewann ich die Direction über die Oper, dies kann indeß nur so gemeint sein, daß er den Auftrag erhielt, einige Opern zu schreiben, doch erwähnt er nicht die Titel derselben, sondern sagt nur, daß er im ganzen 20 Opern in Text und Musik geschrieben habe. In seiner Selbstbiographie erwähnt er hier seines Umganges mit Händel, den er in Halle hatte kennen gelernt und mit dem er von da ab im brieflichen Verkehr stand, wobei besonders die Untersuchung: wie man melodische Sätze zu behandeln habe, ein oft wiederkehrendes Thema bildete. Trotzdem er in Leipzig alles fand was er nur verlangen konnte, ließ er sich doch [553] 1704 vom Grafen von Erdmann in Sorau zum Capellmeister machen und ging an dessen Hof, wo er in der Manier von Lully und Campra an 200 Ouverturen für kleines Orchester schrieb. Von hier aus kam er an den Hof des Fürsten von Pleß und 1708 als Concertmeister und Secretär nach Eisenach, wo Hebenstreit, der bekannte Erfinder des Pantaleons, beauftragt war, eine Capelle einzurichten. Hier pflegte er in Gemeinschaft mit Hebenstreit fleißig das Violinspiel und schrieb Sonaten für 2, 3, 8 bis 9 Instrumente, die er aber, wie er selbst eingesteht, später verwarf. Nebenbei componirte er zu fürstlichen Geburts- und Namensfesten Kirchenmusiken und Serenaden. Im J. 1712 finden wir ihn in Frankfurt a. M. als Capellmeister an der Barfüßerkirche. Der Dienstbrief datirt vom 9. Februar. Sein Gehalt betrug 350 Gulden und 12 Achtel Korn. Er hatte 6–8 Knaben aus der Lateinschule zu unterrichten und außerdem den Gesangunterricht in der Quarta und Tertia des Gymnasiums zu leiten (Israel, Neujahrsblatt des Vereins für Gesch. zu Frkft. a. M. 1876. S. 10 ff.). Nebenbei wurde er noch von der hochadeligen Gesellschaft Frauenstein, einem Vereine theils zu Vergnügungen, theils zur Pflege der Musik, in Dienste genommen und erhielt den Posten eines „Keller“, d. h. eines Hausverwalters und Rechnungsführers (nicht eines Kapellmeisters, wie es in manchen Biographieen heißt, siehe Israel l. c.). Von Eisenach erhielt er den Titel eines „Kapellmeisters von Haus aus“, d. h. er hatte die Verpflichtung, die Musik zu allen Festlichkeiten zu liefern. Man sieht, daß es ihm an Beschäftigung in Frankfurt nicht fehlte und doch fand er noch Zeit genug zu großen umfangreichen Compositionen. Hier verheirathete er sich zum zweiten Male mit der Tochter des Andrea Textor, Rathskornschreibers zu Frankfurt a. M., Jungfer Maria Katharina und wurde somit verwandt mit Goethe (merkwürdig ist es, daß T. über seine erste Verheirathung auch nicht ein Wort erwähnt). Doch immer mehr der Arbeit häufte er auf sich, denn er übernahm nun noch an der zweiten lutherischen Hauptkirche zu S. Katharinen den Musikdirectorposten. 1713 wurde in Frankfurt das „wöchentliche große Concert im Frauenstein“ gegründet, und er übernahm nicht nur die Orchesterdirection, sondern versorgte dasselbe noch reichlich mit eigenen Compositionen. Unter anderem entstanden hier auch die 5 Davidischen Oratorien, gedichtet von Johann Ulrich König. 1718 erfolgte die erste Aufführung und T. verfaßte als Vorwort zu den Textbüchern eine Vorrede, gez. 7. Februar 1718 (Abdruck im Israel l. c. p. 12). T. verblieb nun hier bis zum Jahre 1721. Durch Gerstenbüttel’s Tod am 10. April 1721 wurden in Hamburg der städtische Musikdirectorposten und das Cantorat am Johanneum frei. Trotzdem T. in Frankfurt sich recht fest und sicher eingenistet hatte, trieb ihn doch die Neigung zur Veränderung sich in Hamburg für die erledigte Stelle zu melden. Man wählte ihn und am 15. Octbr. 1721 fand die feierliche Einführung statt (Sittard, Gesch. des Musik- und Concertwesens in Hbg. 1890. S. 35). Er entfaltete hier dieselbe Rührigkeit wie in Frankfurt und nach kurzer Zeit stand er an der Spitze aller Musikmacherei, gründete auch außerdem noch öffentliche Concerte, die im Winter regelmäßig stattfanden. Es sind die ersten, deren sich Hamburg zu erfreuen hatte. Doch wurde ihm von gewissen Seiten wenig dafür gedankt und man suchte nach Ursachen, die Concerte zu hintertreiben. T. führte nämlich anfänglich seine Kirchencompositionen in den Concerten auf, die im Drillhause, wo sonst die Bürgerwehr ihre Exercitien ausführte, stattfanden. Mattheson, der sonst ein Freigeist war, trat ihm im „Musikalischen Patrioten“ zuerst entgegen (S. 127) und fand es unschicklich, an so einem Orte geistliche Compositionen aufzuführen „um Geld zu machen, oder um sich hervorzuthun“. Auch das Collegium der Oberalten lehnte sich gegen die Concerte auf und rieth dem Rath, T. in Strafe zu nehmen (Sittard l. c. 61). Der Senat nahm allerdings keine Notiz von den Anklagen, [554] dennoch wurde es T. unbehaglich in Hamburg. Als daher durch den Tod Joh. Kuhnau’s das Cantorat an der Thomasschule in Leipzig frei wurde, meldete sich T. Er wurde vom Rath zur Probe eingeladen und gewählt. Am 3. September 1722 richtete er an den Hamburger Senat sein Entlassungsgesuch (Abdruck bei Sittard S. 37). Er spielt in demselben sehr zurückhaltend auf die ihm feindliche Gegenpartei an und schreibt: „wie auch in Entgegenhaltung der hiesigen für mich anitzo nicht favorable scheinenden Conjuncturen.“ Der Senat aber war anderer Meinung, er unterhandelte mit T., erhöhte seinen Gehalt um 400 Mark und versprach ihm jede Unterstützung und Freiheit in seinen Handlungen, die Musik betreffend. T. blieb und schrieb den Leipzigern ab. Man wählte bekanntlich Joh. Seb. Bach als Nachfolger Kuhnau’s. T. entfaltete nun in Hamburg ein thätiges Musikleben. Die Operndirection wandte sich auch an ihn und bat um seinen Beistand, und er übernahm 1722 auch noch die Aufsicht über die Oper und die Verpflichtung Opern zu liefern, wofür er jährlich 300 Thaler empfing. Chrysander schreibt hierüber im Hamb. Correspondenten am 22. 12. 1889: T. beging die Thorheit, sich auf die Oper einzulassen; dadurch zerrüttete sich sein Hauswesen (seine Frau lief zeitweilig mit einem schwedischen Officier davon) und seine amtliche musikalische Wirksamkeit wurde mit in den Verfall der Oper hineingezogen. Ueberdies war er gerade auf der Bühne am wenigsten zu Hause und trotz der vielen Singspiele, die er schrieb, doch niemals ein richtiger „Operiste“ geworden. T. saß aber in seinem Amte so sicher und fest, daß ihm keine Anfeindungen, mochten sie herkommen woher sie wollten, schadeten und unbekümmert um einige Schreier, ging er seinen eigenen Weg. Auch mit Mattheson hatte er sich ausgesöhnt und seit etwa 1728 waren sie die besten Freunde und dies verfehlte auf die Hamburger Gesellschaft nicht einen gewissen Eindruck. Selbst im hohen Alter, in dem sich die Gebrechlichkeiten aller Art einstellen, verließen ihn weder die Fähigkeit zu componiren noch sein Humor. So besitzt die Königliche Bibliothek zu Berlin ein Autograph „Geänderte Arien in der Passion 1762“ (er stand also im Alter von 81 Jahren), welches ganz abscheulich klexig geschrieben ist, wenn auch im übrigen noch mit sicherer Hand. Zur Entschuldigung dieser bösen Schrift setzte er auf das Titelblatt folgende Strophe:

Mit Dinte, deren Fluß zu stark,
Mit Federn, die nur vappicht Quark,
Bey blöden Augen, finsterm Wetter,
Bei einer Lampe, schwach von Licht,
Verfaßt’ ich diese saubern Blätter;
Man schelte mich deswegen nicht!

T. ist von seinen Zeitgenossen außerordentlich geschätzt worden und seine Musik repräsentirt so recht den zeitgemäßen Geschmack, der alles Ernste, Tiefe, Kunstmäßige in der Arbeit verschmähte und nur ein leichtes oberflächliches Tändeln mit Tönen liebte. Schubart, der Dichter, Aesthetiker und kunstgebildete Musiker, schreibt in seinem Werke: Ideen zu einer Aesthetik der Tonkunst S. 175: „Telemann ist unser größter Meister, besonders im Kirchenstile hat er seines Gleichen nicht: Tiefsinn, Psalmenflug (?), Höhe, Würde und Majestät sind bei ihm mit einem Herzen vereinbart, das ganz von der Religion durchdrungen ist.“ In diesen Ausrufungen der Begeisterung geht es noch eine Weile weiter. Anders urtheilte die Nachwelt, nicht nur daß sie seine Werke vernachlässigte sobald er die Augen zumachte, das passirt auch besseren Geistern, sondern man erkannte auch nach und nach die Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit, mit der er seine Ideen zu Papier brachte. Spitta im Bach und Chrysander im Händel nehmen mehrfach Gelegenheit, mit scharfer Kritik seine Schreibweise zu charakterisiren, und doch haben sich einzelne Sätze in seinen Werken gefunden, welche die Neuzeit für [555] werth hielt, durch einen Neudruck erhalten zu werden, so Winterfeld in seinem evangelischen Kirchengesange, Rochlitz in seinem Sammelwerke und mancher andere (siehe mein Verz. neuer Ausg. alter Musikwerke nebst dem Nachtrage im 9. Jahrg. der Monatshefte f. Musikgesch.). Nur andeutungsweise will ich eine Uebersicht von dem geben, was sich von seinen Werken noch erhalten hat. Im Druck ist nur Einiges erschienen: 3 Bände „Harmonischer Gottes Dienst oder geistliche Cantaten“. Eine Sammlung geistlicher Arien für das Jahr 1727; „Musikalisches Lob Gottes“; „Beytrag zur Kirchenmusik“, bestehend in geistlichen Chören, Chorälen und Fugen; „Ein evangelisch musicalisches Liederbuch“ (1730); „24 Oden“ (1741) u. a. Auch Einiges aus seinen Opern ist im Druck erschienen, so 1727 „Lustige Arien aus der Oper Adelheid“; „Pimpinone oder die ungleiche Heirath“. An Instrumentalwerken sind 1716 kleine „Kammer-Music“ erschienen, bestehend in 6 Partieen „vor die Violine“, Flöte, Clavier und Oboe; 1728 „Sieben mal Sieben und ein Menuet“; 1734 „12 Solos à Violon ou Travers avec la Basse chiffrée. Sonates methodiques à Flûte trav.“ 1765 „Symphonie zur Serenate auf die erste hundertjährige Jubelfeyer der Hamburger löblichen Handlungs-Deputation“; „6 Quatuors ou Trios à 2 Flûtes ou 2 Violons et à 2 Violoncelles … Paris, Le Clerc u. s. f.“ Vieles befindet sich im Besitze der kgl. Bibliothek zu Berlin, sowol im Druck als Manuscript, anderes in der kgl. Privatbibliothek Sr. Maj. des Königs von Sachsen (Musikaliensammlung). In der öffentlichen Bibliothek in Karlsruhe. In der Bibliothek des Joachimsthalschen Gymnasiums zu Berlin. In Sondershausen, in der Stadtbibliothek Hamburgs, Marienkirche in Elbing, Staatsbibliothek in München. Die großherzogl. Bibliothek in Darmstadt besitzt Vieles im Autograph.

Außer den oben bereits angeführten Quellenwerken ist auch die Autobiographie in Mattheson’s Ehrenpforte S. 354 anzuführen, ferner Winterfeld’s evangel. Kirchengesang III, 69. 185. 508. – Chrysander’s Händel I, 436. – La Mara, Briefe, S. 148. – Monatsh. f. Musikgesch. 16, 46.