Zum Inhalt springen

ADB:König, Johann Ulrich von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „König, Johann Ulrich (von)“ von Erich Schmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 516–518, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%B6nig,_Johann_Ulrich_von&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 18:44 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
König, Johann Georg
Nächster>>>
König, Johann Karl
Band 16 (1882), S. 516–518 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Ulrich von König in der Wikipedia
Johann Ulrich von König in Wikidata
GND-Nummer 118777661
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|16|516|518|König, Johann Ulrich (von)|Erich Schmidt|ADB:König, Johann Ulrich von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118777661}}    

König: Johann Ulrich (v.) K., Hofpoet, geb. zu Eßlingen in Schwaben den 8. October 1688 als Sohn eines Seniors Ministerii, im zwölften Lebensjahre verwaist, besuchte das Stuttgarter Gymnasium, studirte erst Theologie in Tübingen, dann die Rechte in Heidelberg, hier Hofmeister eines Grafen, dessen Vater er als Secretär nach Brabant begleitete, ließ sich in Hamburg nieder, stiftete mit Brockes und Richey die „teutschübende Gesellschaft“, versah 1715 Brockes’ Bearbeitung des „Bethlemitischen Kindermords“ mit einem Vorbericht über das „Leben des Ritters Marino“, diente selbst dem italienischen Geschmack durch eine rege, gewandte, wenngleich schablonenhafte Thätigkeit für die in Hamburg herrschende Oper, historische, heroische, romantische, schäferliche Stoffe, nicht immer ohne die üblichen, zum Theil dialectischen Derbheiten einer komischen Person behandelnd. Unter den Componisten seiner Pastoralen, Singespiele, Serenaten, musikalischen Schauspiele und Lustspiele erscheinen Keiser und Telemann. „Diana“, „Carolus V.“, „Heraclius“, „Fredegunda“, „Calpurnia“, „Zoroaster“, „Die getreue Alceste“ (sehr frei und ernster nach Quinault, 1719 in Braunschweig aufgeführt, von Wieland T. Merkur 4, 66 ff. achtungsvoll besprochen), „Heinrich der Vogler“, musikalisches Lustspiel „Der gedultige Sokrates“, „Cadmus“, „Sancio“ etc., alles von 1712–1727 erschienen; 1724 auch seine Oratorien „David“. K. war ein Kenner der Musik und förderte Hasse, später Graun. Bostel und andere angesehene Hamburger standen ihm nahe. Im März 1715 wäre er beinahe einem Mörder erlegen. Er verließ 1717 Hamburg – wo er erst 1730 zu längerem Besuch wieder erschien; Mitglied der „patriotischen Gesellschaft“ – verweilte in Leipzig und am Weißenfelser Hof, bis er 1719 zu Dresden mit dem Titel eines Geheimsecretärs Hofpoet wurde, nicht mehr im Pritschmeistergewand, sondern in römischer Heroldstracht bei Festivitäten thätig. Er lernte von J. v. Besser (Bd. II S. 570) die „Ceremonialwissenschaft“, wurde dem gealterten [517] Gönner und Meister 1727 zu „Ceremonialgeschäften adjungirt“ und hatte schon im Herbst das prinzliche Beilager zu verherrlichen. Den einflußreichen Mann strebte Gottsched für seine persönlichen Interessen zu gewinnen; König’s Brief vom 26. September 1729 ist eine Anleitung zum hofirenden Streberthum. 1727 nennt er gegen Bodmer den Magister Gottsched einen jungen Mann, der sein ganzes Glück durch ihn zu machen suche. Er verschaffte ihm die außerordentliche Professur, förderte Neubers, ließ Gottscheden aber im Frühjahr 1730, unter Anderem auch durch dessen Ausfälle gegen die Oper gereizt, in gröbster Weise die Freundschaft aufsagen, blieb sein Feind und begünstigte nachmals Rost. Den früheren Hamburger Freunden mißgünstig, war er 1725 bereit mit Bodmer – die Verbindung datirt von 1723 – einen Feldzug gegen den „Hamburger Patrioten“, d. h. gegen die Seele desselben, Brockes, zu eröffnen und an einem Journal „Boberfeldische Gesellschaft“ theilzunehmen, das nicht zu Stande kam. Er stellte zahlreiche Beiträge in Aussicht: Dichtungen, Aufsätze, Uebersetzungen. Seine Bearbeitung von Pradon’s „Regulus“ (nach Bressand) erschien 1727; seine schätzbare Prachtausgabe des Canitz mit einer guten Lebensbeschreibung und einer, Boileau’sche Correctheit vertretenden Abhandlung über den Geschmack, 1727, die des Besser unvollständig, gleichfalls mit biographischer Einleitung, 1732. Er überschätzt beide als ihr Nachtreter.

Das théâtre italien und den Le Grand studirend, nahm er an der Belebung des deutschen Lustspiels erfolgreichen Antheil. Zur Aufführung kleinerer Werke, auch des „Sokrates“, las er aus den „elenden, unwissenden und gemeinen Leuthen“ der „teutschen Bande Comedianten“ die besten heraus. „Der Dreßdener Schlendrian“, 1725, mit einem lustigen Harlekin, schildert mit flüchtiger Liebesintrigue und in flottem natürlichen Ton das gewöhnliche Treiben (Schlendrian, Bookesbeutel) der mittleren Kreise. „Die verkehrte Welt“, 1725, frei nach der Operette Le monde renversé vom théâtre de la foire, führt zwei sächsische Comödianten, Harlekin und Scaramutz zur Fastnachtzeit in ein wunderbares Land, wo sie hübsche Weiber kriegen. Dort geht die deutsche Sprache der französischen vor, die Wahrheit gilt alles, ein kluger Greis ist begehrter als ein junger Schnauzhahn etc. Satire gegen den Lohenstein’schen oder nach König’s Worten „den verdorbenen Brockesischen und seiner Anhänger üblen Geschmack“ läuft mit unter. Verse unterbrechen die Prosa. Er betont brieflich das Wagniß gegen den Hof, „sonderlich wegen der Liebe zu auswärtigen Sprachen und Lustspielen“. Das bei durchgeführter Ironie etwas ermüdende Stück blieb gleich dem „Schlendrian“ lange auf dem Repertoire; Schuch gab es noch 1760.

Seine höfischen Dichtungen sind hohle Ausgeburten des besoldeten Byzantinismus. Canitz’s Vornehmheit, die frühere üppige prickelnde Sinnlichkeit Besser’s fehlt. Metrisch ist das meiste gefällig, so die kurzzeiligen Oden. Er war Gegner des Marinismus und dem Reim nicht unbedingt hold. Auf polirte Form bedacht schrieb er u. A. die Abhandlung über die einsilbigen Wörter. Er dichtete für „Wirthschaften“, ließ bei der Geburt eines Prinzen Schäfer und den „befriedigten Elbstrohm“ lange Reden halten, besang die Genesung des Monarchen von einer kleinen Fußwunde wie eine Welterlösung, verfaßte einen maßlosen Panegyricus auf den verschiedenen Friedrich August und begann als Hauptwerk das Pseudoepos auf ein Manoeuvre „August im Lager“, 1. Gesang 1731: Die Einholung des preußischen Königs in Radewitz, 1730. Umarmung der Fürsten; Beschreibung der Zelte, Waffenröcke, Orden, der langen Tafel, des Festmahls; dazwischen Allegorisches. Während Hamann rief: „König unser Ruhm“, von der „Wahrheit“ (!) gekrönt, Richey: „Nur ein August, nur ein Augustenwürdiger König“, Brockes: „So bildet ein Virgil auch itzo den mehr’ als römischen August“ und Gottsched anhob: „Du sächsischer Horaz, der deutschen Musen [518] Lust“ (ein Pindar in Oden, in Eclogen ein Virgil), untersuchte Breitinger „Critische Dichtkunst“ (1740 Kap. X) ernstlich, ob „August im Lager“ ein Gedicht sei? –: nein, er ist prosaisch, unpindarisch.

Ein Pindar im Sachsen August’s und Brühl’s! Der Vorwurf würdeloser Liebedienerei trifft nicht K. allein, sondern fast die ganze Zeit. Canitz war ein höfischer Dichter, K. ein bezahlter Hofpoet; Canitz ein Hofmann, K. ein Höfling; Canitz ein Aristokrat, K. ein Emporkömmling, ehrgeizig, eitel, ruhmredig, empfindlich, servil nach oben, gönnerhaft nach unten. Am Schluß auch seiner Thätigkeit stehen geistliche Gedichte. Nach Besser’s Tod 1729 rückte er zum Ceremonienmeister und Hofrath auf, wurde Mitglied der Berliner Akademie und vom König von Polen (1740 Reichsverweser) geadelt. Ein Fleckfieber endete sein Leben am 14. März 1744.

Seine Gedichte gab Rost 1745 mit einer Biographie heraus. Jördens 3, 55 ff. Schröder, Hamburg. Schriftstellerlexikon 4, 12l ff. – Briefe an Bodmer: Litterar. Pamphlete, 1781; Brandl, B. H. Brockes, 1878, S. 135 ff. An Gottsched: Danzel, Gottsched und seine Zeit, 1848, S. 70 ff. – W. Creizenach, Zur Entstehungsgeschichte des neueren deutschen Lustspiels, 1879, S. 3 f., 9.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 518. Z. 18 v. o.: Vgl. Distel in der Vierteljahrsschrift f. Litteraturgesch. IV, 578. [Bd. 45, S. 668]