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ADB:Blumauer, Alois

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Artikel „Blumauer, Alois“ von Karl Weiß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 741–744, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Blumauer,_Alois&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:38 Uhr UTC)
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Blumauer: Alois B., Dichter und Schriftsteller, geb zu Steyer (Oberösterreich) 21. Dec. 1755, † in Wien 16. März 1798. Nach Vollendung der Gymnasialstudien wollte B. sich dem geistlichen Stande widmen und trat 1772 als Novize in das Wiener Jesuiten-Collegium ein. Aber schon ein Jahr darauf wurde der Orden der Gesellschaft Jesu in Oesterreich aufgehoben, was B. bestimmte, der von ihm betretenen Laufbahn gänzlich zu entsagen. Anstatt in einen andern Mönchsorden zu treten, suchte er in den zunächst folgenden Jahren durch Unterrichtertheilen seinen Lebensunterhalt zu fristen Erst 1781 nach Reorganisation der Bücher-Censur-Commission gelang es ihm, durch van Swieten in eine gesichertere Stellung einzutreten, indem er das Amt eines Censors erhielt, welches er bis 1793 bekleidete. Durch seine litterarische Thätigkeit mit dem Buchhändler R. Gräffer, seinem Verleger, in langjährigem Verkehre stehend, gab er die Stelle eines Büchercensors auf und übernahm die Leitung der Buchhandlung seines Freundes und Verlegers. Es zeigte sich indeß, daß ihm der kaufmännische Geist [742] zur erfolgreichen Führung eines solchen Unternehmens fehlte. Kurz vor seinem Tode mußte er das Geschäft wieder aufgeben. – Unter den Wiener Dichtern der Aufklärungsepoche errang B. nebst Alxinger den größten Erfolg. Zuerst trat B. mit dem Ritterschauspiele „Erwine von Steinheim“ (1780) in die Oeffentlichkeit, wie andere junge Wiener Schriftsteller der Anregung folgend, welche Sonnenfels zur Hebung der deutschen Nationalbühne gegeben hatte. Ernst und sentimental gehalten, verrieth er damit noch nicht die Stärke seines Talentes. Auch einzelne Gedichte, welche in litterarischen Kreisen durch natürlichen Ausdruck der Empfindung, durch die leichte und gewandte, wenn auch nicht immer correcte und edle Sprache Aufmerksamkeit erregten, bewegten sich in dieser Richtung und verriethen einen Einfluß der Bürger’schen Dichtungen. Erst in den Gedichten, welche 1781 im Wiener Musenalmanach zu erscheinen begannen, zeigte sich ein Schwanken. Neben einer ernsten Lebensauffassung gab er in dem „Lob des Ochsen“ eine Probe seiner Hinneigung zur Satire und der Beifall, den diese Richtung fand, ermunterte ihn zu neuen Schöpfungen. Er ließ 1782 eine Sammlung seiner Gedichte erscheinen, worin die Satire und Burleske ein starkes Gegengewicht zu seinen ernsten Gedichten abgaben. Ein Anhänger der josephinischen Ideen über Staat und Kirche, voll Begeisterung für seine Reformen und einer der Ersten, welche in den Freimaurer-Orden eingetreten waren, suchte er auch der Befreiung des Staates von der Kirche in seiner Weise Boden zu gewinnen. Aus diesem Bestreben ging das bedeutendste Werk Blumauer’s, die Travestie von Virgil’s Aeneis hervor, von welcher unter dem Titel „Virgil’s Aeneis oder Abenteuer des frommen Helden Aeneas“ in den Jahren 1784–1788 in drei Theilen die ersten neun Bücher bearbeitet erschienen. Die Idee zu dem Werke, welches übrigens nur Bruchstück blieb, entnahm er nach seinem eigenen Geständnisse dem Dichter J. C. Michaelis, der 1771 Proben zu einer Parodie von Virgil’s Aeneis erscheinen ließ, eine Idee, welcher sich schon die französischen Dichter des 17. Jahrhunderts Guillaume de Brébeuf und Scarron bemächtigt hatten. Auch der Gedanke, antike Motive in travestirender Form auf moderne Verhältnisse seiner Zeit anzuwenden, hatte schon vor B. auf andere deutsche Dichter, wie Jacobi, Gleim, Bürger etc., einen großen Reiz ausgeübt und auch ein dankbares Publicum gefunden. Nur übertraf B. seine Vorgänger in der Travestie durch die bewußte Absicht, damit ein bestimmtes höheres Ziel zu erreichen, nämlich seinen Kaiser in dem Kampfe zur Befreiung der Geister von dem überwuchernden Einflusse der römischen Geistlichkeit, zur Beseitigung der gemeinschädlichen Auswüchse des Mönchthums zu unterstützen. Daher schrieb auch Wieland am 25. Sept. 1783 unmittelbar nach dem Erscheinen der ersten Exemplare des ersten Theiles an B.: „Sie konnten mir wohl nichts schmeichelhafteres sagen, als daß Sie mir Ihre ganze Lust zum Dichten zu danken hätten. Der Gedanke, die Aeneis auf eine solche Art und nach einem solchen Plane zu travestiren, daß Sie dadurch eine der größten und gemeinnützigsten Absichten Ihres großen Monarchen befördern – dieser Gedanke ist Ihnen von Gott eingegeben und Sie sind, nach den ersten Büchern zu urtheilen, so reichlich mit allen Gaben ausgerüstet, ihn auszuführen, daß ich Ihnen meinen Beifall und mein Vergnügen nicht genug ausdrücken kann.“ (Weimarer Jahrbuch 1856, S. 185.) Wie er diesen Gedanken ausgeführt, darin bekundete der Dichter seine glänzende Begabung für die komische Dichtung, den Besitz eines Arsenals von Spott und Witz. Mit Recht blieb ihm aber von edleren Geistern der Tadel nicht erspart, daß er die Grenzen des Geschmackes und der sittlichen Würde weit überschritt und sich durch den epicureischen Zug seines Charakters zuweilen in gemeinen unfläthigen Späßen erging. Nicht zu leugnen ist jedoch, daß B. mit seinem Gedichte in Oesterreich und selbst in Deutschland eine außerordentliche und nachhaltige Wirkung hervorrief. Als längst die josephinischen [743] Ideen sich im österreichischen Staatswesen verflüchtigt hatten, wurde seine Aeneide in den weitesten Kreisen verschlungen, fort und fort erschienen neue Ausgaben und noch im J. 1872 ließ Brockhaus einen Abdruck der ersten Ausgabe durch Eduard Grisebach veranstalten. Außer der Aeneide hinterließ B. kein größeres episches Werk. Lyrische Gedichte ernsteren und heiteren Inhalts, Epigramme und Sonette ließ er bis 1793 in dem von ihm herausgegebenen Wiener Musenalmanche, worin er theilweise seiner anti-kirchlichen Gesinnung, seinem Ringen nach Aufklärung unverändert Ausdruck gab und die Thorheiten seiner Zeit und seiner Landsleute scharf geißelte, erscheinen. Große Verbreitung fanden darunter seine „Freimaurer-Lieder“ (1786), eine Reihe ernster religiöser Gedichte, welche heute nur noch culturhistorischen Werth haben. Kleinere prosaische Arbeiten erschienen theils in Form von Broschüren, theils in verschiedenen Journalen in und außerhalb Oesterreichs. In der Broschüre: „Beobachtungen über Oesterreichs Aufklärung und Litteratur“ (1782) gibt er ein sehr treffendes Bild des Wiener Schriftstellerthums seiner Zeit, der litterarischen Bewegung bei Beginn der josephinischen Preßfreiheit. Nach dem Jahre 1793 verstummte seine Muse, wozu nicht blos die übernommenen Buchhändlergeschäfte, sondern auch der veränderte Geist des Regierungssystems beigetragen haben mag, in welchem sich B., gewöhnt an eine ungezwungene, durch keine Rücksichten gehemmte Spache, befangen durch die ängstliche Ueberwachung freiheitsfreundlicher Ideen in Wort und Schrift, die ihn auch zur Niederlegung seines Censoramtes bestimmte, nicht zurecht finden mochte. Er beschäftigte sich mit bibliographischen Arbeiten und entwickelte darin eine außerordentliche Kenntniß der Litteratur. Zeugniß hiervon gaben seine im Druck erschienenen Kataloge, unter denen der „Catalogue raisonné des livres rares et prétieux, qui se trouvent chez Blumauer“ (Wien 1797), ein heute sehr seltenes Werk, unter den Bibliographen Aufsehen erregte. – Während der Periode seiner dichterischen Thätigkeit hat sich B. an zwei litterarischen Unternehmungen betheiligt. Von 1781–1792 gab er gemeinschaftlich mit Ratschky und 1793-1794 allein den 1778 von M. Prandstetter begründeten „Wiener Musenalmanach“ heraus, als den geistigen Sammelpunkt der hervorragendsten Wiener Dichter, und 1782–1784 redigirte er die 1771 begründete „Wiener Realzeitung“, ein Wochenblatt, worin die litterarischen Erscheinungen kritisch gewürdigt wurden. In diesem Journale findet sich auch eine sehr ausführliche Kritik von Nicolai’s bekannter Reisebeschreibung, worin diesem eine Menge unrichtige Angaben in Bezug auf Oesterreich nachgewiesen werden. Gegen Nicolai hatte B. unter den Namen Obermeyer (einige Arbeiten erschienen auch unter dem Pseudonym: Auer) einen satirischen Prolog (im zweiten Bande seiner Gedichte) verfaßt, worin Nicolai’s gehässige Auffassung der Wiener Zustände gegeißelt wird. Eine zweite Flugschrift gegen Nicolai erschien von ihm 1783 in Leipzig unter dem Titel „Prozeß zwischen Nicolai und den 797 Pränumeranten auf seine Reise“. – Die erste Gesammtausgabe der Werke von B. erschien in Leipzig 1801–1803 bei Linke in 8 Bänden, herausgegeben von C. L. Müller und gleichzeitig in Königsberg bei Bornträger in 7 Bänden. Hierauf folgte eine Auswahl seiner Werke in Gesammtausgaben 1806 in Leipzig, 1827 in Königsberg in 4 Bänden und in München in 3 Bänden, 1839–1840 in Stuttgart bei Scheible in 5 Theilen und eine Miniatur-Ausgabe, gleichfalls 1840 bei Scheible. Von der Aeneide erschienen Separat-Ausgaben nach seinem Tode 1803 in Leipzig, 1841 mit lithographirten Skizzen von F. Seitz in Leipzig bei Köhler, 1844 in Schwäbisch-Hall bei Haspel und 1872 bei Brockhaus. – Chodowiecki lieferte im „Königl. großbrittanischen, historisch-genealogischen Kalender für 1790“ (Lauenburg 1789) meisterhaft ausgeführte Kupfer, welche mehrmals nachgebildet wurden. – Von den Gedichten erschienen 1782–1787 [744] zwei Theile (Wien bei Gräffer, die einzige rechtmäßige Ausgabe). – Ein Porträt des Dichters ist dem 27. Bande der „Neuen allgemeinen deutschen Bibliiothek“ vorgedruckt.

Wurzbach, Biograph. Lexikon mit einer Zusammenstellung aller über B. erschienen biographischen Mittheilungen, der Nachahmungen der Aeneide und der für und gegen B. erschienenen Aufsätze und Schriften. – Einige nicht unwesentliche Ergänzungen bringt: E. Grisebach, Die deutsche Litteratur 1770–1870, Wien 1876.