Zum Inhalt springen

ADB:Brinckmann, Karl Gustav Freiherr von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Brinckmann, Karl Gustav von“ von Ernst Ferdinand Kossmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 236–238, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brinckmann,_Karl_Gustav_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Brinckmeier, Eduard
Band 47 (1903), S. 236–238 (Quelle).
Karl Gustav Brinckmann bei Wikisource
Karl Gustav Brinckmann in der Wikipedia
Karl Gustav Brinckmann in Wikidata
GND-Nummer 116519770
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|47|236|238|Brinckmann, Karl Gustav von|Ernst Ferdinand Kossmann|ADB:Brinckmann, Karl Gustav Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116519770}}    

Brinckmann: Karl Gustav von B. (auch Brinckman, schwedisch Brinkman). Das ostfriesische Geschlecht der von Brinckmann wanderte unter Karl XII. in Schweden ein. Brinckmann’s Vater war in seiner Jugend Officier gewesen, hatte sich aber frühzeitig verheirathet und auf sein Gut Nacka bei Stockholm zurückgezogen. Hier wurde am 24. Februar 1764 Karl Gustav v. B. geboren, der in strenger kirchlicher Privaterziehung erst zu Hause dann von seinem achten Jahre in Upsala aufwachsend, wenig Kinderglück genoß. Es war eine Erlösung für das Kind, als die pietistisch gesinnten Eltern ihn nach vollendetem zehnten Jahre in das Herrnhuter Gymnasium zu Niesky (damals sächsisch) schickten. Die sieben hier verlebten Jahre (1775–1782) waren hauptsächlich der humanistischen Ausbildung geweiht, während die Studien, die sich in Barby, der Hochschule der Brüdergemeinde, anschlossen (1782–85), speciell theologische waren. An beiden Orten, sowie auch später in Halle, war Schleiermacher sein Schulkamerad und nächster Freund, ja aus ihrem Zusammenleben ist Schleiermacher’s populärstes Jugendwerk, die „Reden über Religion“ entstanden, das er auch in zweiter und dritter Ausgabe (1806, 1821) B. als Denkmal jener gemeinschaftlichen Entwicklungszeit widmete. Während aber Schleiermacher sich bald ganz in sich selbst vergrub um sich neu zu gestalten, zeigte B. schon damals seine so ganz andere Natur. Leicht empfangend, schnell assimilirend, reinlich reproducirend, suchte er in reichlicher Beeinflussung von außen die Erweiterung seines Ichs. Wiederholt machte er Reisen durch Deutschland, um mit berühmten Gelehrten Bekanntschaft zu machen. Mündig geworden bezog er, nach einem kurzen Aufenthalt in Schweden, die Universität Halle und entfernte sich hier immer mehr von der Theologie, um zu juristischen und allgemein schöngeistigen Studien überzugehen. In dieser Zeit veröffentlichte er unter dem Pseudonym Selmar seine erste Sammlung Gedichte, die durch ihre sorgfältige Form die Aufmerksamkeit Klopstock’s und Adelung’s erregte. Ehe B. nach Schweden zurückkehrte (1791) um dort im Staatsdienst Anstellung zu suchen, verweilte er in Berlin und ließ sich daselbst in die große Gesellschaft einführen, die recht eigentlich sein nächstes Wirkungsgebiet werden sollte. In der Staatscarrière hatte B. sowol unter Gustav III. als unter dessen Nachfolger entschiedenes [237] Glück, denn schon 1792 wurde er der Gesandtschaft zu Berlin als Legationssecretär attachirt (1792–97). Hiermit beginnt Brinckmann’s glänzendste Zeit. Adliger Diplomat, Ausländer, deutscher Schöngeist, lebhafter Gesellschafter: so kam viel zusammen ihn interessant zu machen. In den Salons Rahel’s und der Herz, bei Humboldt’s, später auch im Schlegel’schen Kreise war er zu Hause; auch bei Goethe und Schiller fand er, als er 1798 Weimar besuchte, aufmerksamen und freundlichen Empfang. Bei seinen eignen Productionen war es stets die reine Form, in welche er die anempfundenen Lebensauffassungen goß, die ihm Achtung verschaffte; Goethe wollte ihn und Humboldt um einen prosodischen Congreß über Hermann und Dorothea ersuchen und ihnen „noch mehr dergleichen Fragen im allgemeinen vorlegen“ (an Schiller 28. April 1798), und auch Schiller schätzte Brinckmann’s Almanachbeiträge (Musenalmanach 1798; vgl. an W. v. Humboldt 2. Juni 1798), wenngleich gerade er Brinckmann’s Bedeutung als anderswo liegend scharf definirt hat: er gehöre zu denen „die sich aus dem was von andern geleistet ist, eine gewisse Existenz bilden, und ohne das Reich der Kunst oder Wissenschaft selbst zu bereichern oder zu erweitern, doch zum Vertrieb dessen dienen was da ist, Ideen aus Büchern ins Leben bringen, und wie der Wind oder gewisse Vögel den Samen dahin oder dorthin streuen“.

Nach Paris versetzt war B. (1798–1800) erst unter Staël als Legationssecretär, dann nach dessen Abberufung bis zu seiner eigenen als Geschäftsträger, nicht ohne Verdienst in schwerer Zeit thätig, auch hier schöngeistiger Gesellschafter par excellence mehr als je „enragirter Germane“, nur die einzige Staël versöhnte ihn mit der französischen Art. Auf der Heimreise erkrankte er in Hamburg und diese Muße trug ihm längeren persönlichen Umgang mit Klopstock und J. H. Jacobi ein. Letzterer hat wol neben Schleiermacher, der sich ja mit Jacobi vielfach berührte, am meisten sein Philosophiren bestimmt; ihm sind daher auch Brinckmann’s „Philosophische Ansichten“ (Berlin 1806) gewidmet. Brinckmann’s letzte deutsche Periode sind die Jahre 1801–1807. Er lebte in den alten Kreisen in Berlin erst als Legationssecretär, nach Engeström’s Abberufung (1803) als Geschäftsträger, und trat nun auch unter eigenem Namen als Dichter auf („Gedichte“. Erstes Bändchen Berlin 1804. Goethe gewidmet). Während der Mißhelligkeiten zwischen Schweden und Preußen verblieb B. auf den Wunsch des Königs in Preußen, nach deren Beilegung nahm er als Gesandter im Hauptquartier Friedrich Wilhelm’s III. theil an der Flucht des Hofes nach Königsberg. Hier trat er der königlichen Familie, besonders dem Kronprinzen und Prinzeß Charlotte persönlich nahe. Ueber Brinckmann’s politische Thätigkeit während dieser ganzen Zeit ist das Urtheil der Historiker noch schwankend, in die Schwierigkeiten einiger Monate gibt jetzt die ausführliche Publication der Correspondenz Brinckmann’s mit Stägemann und dem Grafen v. d. Golz, Februar bis Mai 1808, einen Einblick (Fr. Rühl, Briefe und Actenstücke u. s. w. I, S. 24–97). Als nach dem Tilsiter Frieden jede Verbindung Schwedens mit den festländischen Mächten aufhörte, war es ein Beweis von Vertrauen, daß B. mit der einzigen übriggebliebenen Gesandtschaft Schwedens, derjenigen am großbritannischen Hofe betraut wurde (1808–10), ein Posten, der freilich um so heikler wurde als mit der Thronumwälzung in Schweden sich die Schwenkung der schwedischen Politik nach französischer Seite hin vollzog. Das Jahr 1810 brachte einen Umschwung in Brinckmann’s Leben. Er hatte bei seiner Regierung um die Erlaubniß nachgesucht und dieselbe erhalten, als Gesandter nach Berlin zurückkehren zu dürfen; aber Friedrich Wilhelm III. ließ sich seine Ernennung verbitten, weil B. durch seine Heftigkeit [238] die politischen Schwierigkeiten unnütz vergrößert habe. So mußte er amtlos nach Schweden zurückkehren. Und während er bei den nächstfolgenden dynastischen Evolutionen Schwedens noch ehrenvolle Verwendung im höheren Hofdienst fand, traf ihn kurz darauf der zweite Schlag, der ihn für immer aus seiner Bahn schlug: der unermüdliche Unterhalter fiel infolge unvorsichtiger Aeußerungen im Freundeskreis, die Bernadotte übelwollend hinterbracht wurden, bei diesem in Ungnade (Sommer 1811). Wenn dieser Bruch auch bald darauf äußerlich überbrückt wurde, so hat B. doch seitdem Schweden nicht wieder verlassen und ist auch dort auf keinen wirklich verantwortlichen Posten mehr berufen worden. Den Augen seiner deutschen Freunde entschwindet er von nun an immer mehr, auch derer, die ihm zeitlebens die Jugendfreundschaft erhielten wie Schleiermacher und Rahel. Er lebte als heiterer, red- und schreibefroher Junggesell seinen ästhetischen Bedürfnissen, wobei er nicht ohne Einfluß auf die wissenschaftlichen Bestrebungen seines Vaterlandes blieb, und trat selbst wiederholt mit Glück als Dichter in schwedischer Sprache auf. Ein freundlicher Tod ereilte den Vierundachtzigjährigen, er wurde am Weihnachtsmorgen 1847 todt inmitten seiner Papiere gefunden. – B. hat einmal (Oct. 1822) an Schleiermacher geschrieben: „Ich bin recht stolz auf die Zueignung dieser merkwürdigen Schrift (Reden über die Religion), denn wo zufällig einmal mein verwitterter Name in irgend einem Todtenregister der deutschen Litteratur wieder aufgefrischt wird, kann wenigstens angemerkt werden, daß der Verfasser als Mensch doch wohl mehr werth gewesen sein mag, weil er sonst einem Mann wie Schleiermacher keine so aufrichtige, auf Gleichheit der Grundsätze beruhende Zuneigung hätte einflößen können.“

B. v. Beskow, Biografi öfver C. G. v. Brinkman. Vetenskaps-Akademiens Handlingar för år 1847. – Börjessons inträdestal i Svenska Akademien. Sv. Ak. Handl. XXXIII. – H. G. Wachtmeister, Bidrag til C. G. v. Brinkmans biografi och karakteristik. Lund 1871. – G. Andersson, Handlingar ur v. Brinkmanska Arkivet på Trolle-Ljungby. Örebro 1859–1865. Weitere Veröffentlichungen aus demselben gab A. Leitzmann im Goethejahrbuch und im Euphorion. – Briefe und Aktenstücke zur Geschichte Preußens unter Friedrich Wilhelm III. vorzugsweise aus dem Nachlaß von F. A. Stägemann, hsg. v. F. Rühl. Erster Band. Leipzig 1899 (S. XXXIII–ILVIII und 24–97). – Varnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften, Bd. VIII. – Aus Schleiermachers Leben. In Briefen, Bd. IV, Berlin 1863. – Aus F. H. Jacobi’s Nachlaß, hsg. v. R. Zoeppritz. Leipzig 1869. – Rahel, Ein Buch des Andenkens. 1834. – Schlesier, Briefe und vertraute Blätter von Fr. v. Gentz, Bd. IV. – K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. 2. Aufl. Bd. VI. 1898.