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ADB:Brzoska, Heinrich Gustav

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Artikel „Brzoska, Heinrich Gustav“ von Karl Bernhard Stark in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 458–459, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brzoska,_Heinrich_Gustav&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 01:36 Uhr UTC)
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Brzoska: Dr. Heinrich Gustav B., Professor der Pädagogik an der Universität Jena, geb. 5. Juni 1807, † 12. Sept. 1839. Aus einer polnischen, theilweise evangelischen Kaufmannsfamilie in Königsberg[WS 1] in Preußen stammend, ward B. auf dem Kneiphöfischen Gymnasium seiner Vaterstadt erzogen, an dem der treffliche Hellenist Struve als Director damals stand, studirte dann daselbst unter Lobeck, Drumann, Voigt und Herbart Philologie, Geschichte und Philosophie, schloß sich mit Begeisterung an Herbart an und ward Senior und erster Assistent an dessen pädagogischem Seminar. Als Herbart einem Rufe nach Göttingen folgte, verließ auch B. Königsberg, studirte noch kurz in Berlin und Leipzig, habilitirte sich hier 1831 mit der Schrift: „De geographia mythica specimen I. commentationem de Homerica mundi imagine J. H. Vossii potissimum sententia examinata continens“. Er siedelte aber nach einem halben Jahre an die Universität Jena über, nachdem der junge, lebensfrische, schöne und geistvolle Mann mit den dunkelglänzenden Locken und den leuchtenden Augen noch sich mit der in stattlicher Schönheit prangenden Tochter des Hotelbesitzer Plutzer verheirathet, die ihn in schwerer Krankheit liebevoll gepflegt hatte. Sie hat in wechselvollen, oft schweren Tagen treu zu ihm gestanden, fest in dem Glauben an die Ideale, die ihn beseelten. Zwei Töchter sind dieser Ehe entsprossen. Mit Frühjahr 1832 trat er in Jena als Privatdocent auf, wo bis dahin Pädagogik von dem bejahrten Theologen Danz zumeist gelesen ward und übernahm zugleich das bis dahin von dem Director der Bürgerschule Dr. Heinrich Gräfe geleitete Knabeninstitut. Mit fast stürmischer Begeisterung organisirte er auf Grundlage der Principien Herbart’s, Dissen’s, von Fr. Aug. Wolf und zugleich in specifisch preußisch staatlicher Gesinnung, wie sie ein Minister v. Altenstein in den Gymnasien pflegte, den Unterricht und gewann auf Studirende, wie auf begabte Schüler einen großen Einfluß, nicht ohne erbitterten, ja leidenschaftlichen Kampf mit dem Schulschlendrian altsächsischer Tradition wie andererseits den Idealen eines eifrig germanischen Philanthropinismus, wie er in Schnepfenthal und in Fröbel’s Anstalten auf thüringischem Boden sich besonders praktisch bethätigt. Mit dem Griechischen ward womöglich begonnen und das Griechische zum Mittelpunkt des Sprachunterrichts gemacht. Homer bildete den Ausgangspunkt, in ihn und die ganze homerische Welt lebten sich die Knaben förmlich [459] ein. An ihn schloß sich dann die Lectüre von Herodot, dann neben Xenophon ganz besonders Plato an. Im Lateinischen war Livius der Träger des erzählenden Stiles und zugleich in seinen Reden ein Muster der rednerischen Künste. Den classischen Sprachen trat mit ebenso großem Gewicht die Mathematik gegenüber und B. selbst besaß eine treffliche Gabe für die Belebung der geometrischen Anschauung, wie für die Entwicklung des rechnenden Verstandes indem hier die Algebra sofort auf die Elemente des Rechnens angewendet ward. Die Heimathskunde ging der Geographie voraus und in der interessanten Umgebung von Jena ward das Auge auf mannigfachen Excursionen für Orts- und Naturkunde geöffnet. Der Verfasser bekennt mit Freude und Dank noch heute den tiefgreifenden und fördernden Einfluß, den auf ihn die wenigen Jahre, wo das Institut von B. bestand, seine Persönlichkeit und seine Lehre geübt hat. Noch in den Jahren, wo die Erziehungsanstalt Brzoska’s Hauptzeit in Anspruch nahm, hatte er daneben aus Vossens Papieren, die ihm Abraham Voß übergeben hatte, als einem eifrigen Homeriker und Schüler Lobeck’s, den vierten Theil von dessen Mythologischen Briefen (1834), als Mythologische Forschungen bezeichnet zur Geschichte des Dionysosmythus herausgegeben. Mehr und mehr concentrirte er sich dann auf das akademische Lehramt und die litterarische Thätigkeit. Mit dem Buche: „Die Nothwendigkeit pädagogischer Seminare auf der Universität und ihre zweckmäßige Einrichtung“, Leipzig 1836, erwarb er sich durch die Wärme für die Sache der Erziehung, für ihre allseitige und ernste Förderung, durch die Entfernung von jedem oberflächlichen Denken und Reden, durch die außerordentlich ausgebreitete und gut auswählende Belesenheit in weitesten Kreisen Anerkennung (vgl. Recension in Darmstädter Allg. Schulzeitung 1837, S. 188 u. 189, Diesterweg, Rhein. Blätter XIX. Heft 3, Krüger’s Reise nach Sachsen, 1840, I. S. 156 ff.). Er trat alsbald, unterstützt durch Gräfe, Mayer, Krüger und durch den Verleger Ambrosius Barth, an die Spitze eines großartig angelegten Unternehmens, „Die Centralbibliothek der Litteratur, Statistik und Geschichte der Pädagogik und des Schulunterrichtes im In- und Ausland“, in monatlichen Heften, wovon 10 Bde. erschienen sind. Mit einem seine Gesundheit nur zu rasch aufzehrenden Eifer warf sich B. in diese Thätigkeit; immer mehr trat ihm vor allem die Aufgabe einer wahren Geschichte der Pädagogik in den Vordergrund und er selbst hatte bereits wie er ein genauer Kenner des Plato und Aristoteles war, so schon umfassende Vorstudien in den mittelalterlichen Autoren wie Rhabanus Maurus und besonders in Melanchthon und Sturm gemacht. Ebenso war sein Blick England, Frankreich, Italien zugewandt und die Locke, Arnold, Necker de Saussure, Cousin beschäftigten ihn eingehend. Da überfiel ihn im J. 1839 die rasch hinzehrende Krankheit, die ihn dem eben sich Geltung erringenden Unternehmen und mitten aus nun freudigeren mehr gesicherten äußeren Verhältnissen im 32. Lebensjahr abrief. Es ist eine Ehrenpflicht der heutigen Pädagogik, den Mann, der für ihre wissenschaftliche Stellung auf der Universität zuerst kühn und vollen Herzens eingetreten, getragen vom Geiste eines Plato wie der Reformation, zugleich von dem Glauben an die Culturaufgabe des modernen Staates, an die ihm gebührende Stelle in der Geschichte der Pädagogik einzusetzen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Konigsberg