Zum Inhalt springen

ADB:Claus Narr

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Claus Narr“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 282–284, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Claus_Narr&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 13:34 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Clauren, Heinrich
Nächster>>>
Claus, Karl
Band 4 (1876), S. 282–284 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Claus Narr in der Wikipedia
Claus Narr in Wikidata
GND-Nummer 124346006
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|4|282|284|Claus Narr|Jakob Franck|ADB:Claus Narr}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=124346006}}    

Claus Narr, ein im Jahrhundert der Reformation in unzähligen Schriften vielfach genannter Name. Geb. zu Ranstädt („Ranstatt“ Ayrer’s Dramen V, 3131. Keller) kam der Träger desselben (sein Familienname so wie sein Geburts- und Sterbejahr sind durchaus unbekannt) schon als Knabe 1486 als Hofnarr an den kurfürstlichen Hof (die Veranlassung erzählt Flögel in s. Gesch. der Hofnarren S. 284) und versah nach und nach bei vier Kurfürsten und einem Erzbischofe dieses Amt, nämlich bei Kurfürst Ernst, † 1486, und Albrecht, † 1500, wie Agricola in seinen Sprichwörtern 1591. 58 bestätigt, ferner bei dem Erzbischof Ernst zu Magdeburg, † 1513, was gleichfalls Agricola bezeugt, und endlich bei dem Kurfürst Friedrich dem Weisen, † 1525, und seinem Bruder Johann, † 1532. Er soll endlich zu Weyda gestorben und auch daselbst begraben sein. Nach einer, jedoch unverbürgten Sage, stelle der sogen. Schnapp-Hans zu Jena (Vulpius, Curiositäten VII. S. 324 ff.) den Kopf des Claus vor und auf dem Stadtkirchhofe in Torgau wird ein aus Sandstein gehauenes Denkmal gezeigt, unter dem er begraben liege, und auf dem Schlosse Hartenfels am Fuße der zum Schneckenthurme aufführenden Freitreppe, unter einem steinernen Gange, eine in Stein gehauene Figur, welche gleichfalls den Claus Narr vorstellen soll; Leipz. Gartenlaube 1864. S. 743. Ebenso unverbürgt ist die Überlieferung, daß er in der Erbtheilung der sächsischen Fürsten, weil jeder ihn gern haben wollte, zu 3000 Gulden, nach Anderen sogar um 80000 Reichsthaler angeschlagen worden sei; Zwinger, Theatr. Vit. hum. V. p. 670; Misander, Delic. bibl. 1695. p. 1387; Dieterich, Concion. in Eccles. II p. 867. Eines anderen (Flögel unbekannten) Claus erwähnt J. Erh. Michaëlis in s. Apophthegmata. Jena 1702. S. 128, der „ein gebohrner Hoff-Narr beim Graffen von Nassau“ gewesen sei.

Der Verfasser und Sammler der Historien des Claus ist nachweislich der Magister Wolff (oder Wolfgang) Büttner, Pfarrer zu Wolferstedt in der Grafschaft Mansfeld, und die älteste Ausgabe ist die von 1572. Eisleben; angebliche Ausgaben von 1551 oder 1552 existiren nicht. Daß der genannte Geistliche aber unzweifelhaft der Verfasser sei, bezeugt daß Schluß-Akrostichon „Oratio Autoris Wolf. Bvttner, Pf(a)rrer zu Volfferstet“. Dieses Akrostichon haben (nach Lappenberg’s Ulenspiegel. S. 382 zufolge einer Mittheilung Maßmann’s, vergl. auch Gervinus II4. 303) die späteren Ausgaben durch vier Reimzeilen zerstört, auch lassen sie unter der Vorrede die Zeile weg, welche wieder ergibt: M. v. B. (parocha vollfertestensis). Die übrigen Ausgaben (10 an der Zahl) verzeichnet Goedeke, Grundr. I. 421, wozu noch verschiedene Jahrmarktsdrucke kommen (Görres, Teutsche Volksbücher. Heidelberg 1807. S. 187–88), so wie das Bildnis Claus’ in: Warhaffte Contrafactur deß einfältigen frommen in Teutschenlanden berümbten … Clauss Narren … Straßburg 1620. Folioblatt mit deutschen und lat. Versen; Serapeum 1868, 252–53. In der Vorrede der Ausgabe: Frankf. a. M. Nicolaus Basseus. MDLXXIX. (12 unbez. S. Vorrede und 500 bez. S. Text. 8. 627 Historien) läßt sich der Herausgeber u. a. also vernehmen: „Clausen, den man durch Deutschland also nennet, haben die Durchlauchtigsten … Fürsten vnd Herren, Herr Friderich und Herr Johann, gebrüdern, und Hertzoge zu Sachsen … an jren Chur- vnd Fürstlichen Häusern zu Wittenberg, Torgaw, Weimar, vnnd Altenburg … gehalten und genehret, vnd offt deß einfaltigen Menschen wort und werck in Betrachtung genommen | vnd sich sehr daran verwundert, Auch den guten Menschen lieb gehabt und [283] thewr geachtet. Welchs ich ansehnlichen, Adlichen, Wirdigen, Ersamen … Herren die Clausen wol gekennet, zu seiner Zeit gelebet | vnd sonst in den Chur- vnd Fürstl. Heusern zu Sachsen abe vnd zugengen, auch zu Kirchenämtern vnd Hoferähten sind gebrauchet, also, wie ichs von jnen zu Bericht genommen … habe nachgeschrieben vnd zu liecht tretten lassen …“ Die beigefügten aus der ersten Ausgabe herübergenommenen moralisirenden Reime, worüber sich schon Fischart mit Recht lustig machte, hat der Verfasser „vornembst nach der Ethica und Tugendlehre gesetzt“. Eine Auslese der Claus’schen Sittensprüche gab Wilh. Ludw. Weckherlin in seinen Chronologen I. 1779. S. 121 „zur Kritik über den Einfall seiner Zeit, die ehemaligen Schalksnarren an den Höfen für Philosophen auszugeben“ und Aug. Gottl. Meißner in seinen Skizzen, Leipzig 1792.

Claus’ Einfälle und Witzeleien stehen weit hinter den sinnreichen Aussprüchen seines berühmten Vorgängers Markolfs zurück und was seine spaßhaften Handlungen betrifft, so erreichen sie nur selten die Till’schen Eulenspiegeleien. Sie tragen mehr das Gepräge und Rührende des Blödsinns und die „klug ausgesprochene Weisheit“, die „feine Wort“ und der Witz des C. liegen meistens in groben zu jener Zeit allerdings unanstößigen Unfläthereien, oder sie bestehen, wie Flögel a. a. O. kurz und bündig sich ausdrückt „aus einigen hundert sinnreichen, einfältigen und groben Sprüchen, worunter sich auch manche Zötlein finden“. Die Narren des 16. Jahrhunderts haben überhaupt nicht das Verschmitzte, das man ihnen wol, durch die Shakespearischen Narren veranlaßt, zuschreibt, sondern das Blöde, Verschleierte des Verstandes, das noch heute dem Volke Scheu und Ahnung innerlicher Begabung einflößt. Indessen wie volksmäßig trotz allem dem oder gerade deshalb und wie allgemein verbreitet in Wort und Schrift die Reden und Thaten dieses Hofnarren waren, bezeugen die mannichfaltigen Citate und Anspielungen gleichzeitiger und späterer Schriftsteller bis tief in das 17. Jahrhundert. Seine Sprüche und Späße waren schon zu Anfang der zwanziger Jahre in dem Munde von Vornehm und Gering und bereits Pauli’s Schimpff und Ernst (1522. Nr. 47–49) und Murner im König vß Engelland (1522. Scheible Kloster IV. 947) führen ihn als sprüchwörtlich an und in einer Satire vom J. 1524 (bei Schade, Satiren und Pasq. III. 139. 3) geschieht seiner mit den Worten Erwähnung „aber ir keret euch nichts daran, welche leer euerm gewalt, eer und herlichkeit mer dienet und füglicher ist, got geb sie sei auß gott oder auß dem teuffel, es habs C. Narr oder Niklas Pfriem geredt“. Bei Späteren findet er sich in Fischart’s Aller Praktik Großmutter 1598. B. G. Bl. 4b, in der Vorrede des Lalenbuches 1597 wird ein Claus’scher Schwank erzählt, und Ayrer schrieb: Ein schönes Neues Singets Spil von Etlichen Närrischen Reden des Claus Narren und Anderer, zusammen colligirt (Ad. v. Keller V. 3125–3138). Außerdem läuft eine überaus große Zahl allenthalben in den Schwankbüchern und Satiren des 16. und 17. Jahrhunderts zerstreut sich findender Scherzreden unter seinem Namen oder finden sich Anspielungen auf sein Gebahren; vergl. auch Opel, Dreißigjähr. Krieg. Halle 1862. S. 414. Auch Zincgreff’s Apophthegmen, S. 375 und dessen Fortsetzer Weidner IV. 1655, 168; V. 137–143 und öfters führen Anekdoten von ihm an. Wir erwähnen schließlich noch zur Geschichte der Hofnarren, daß die Liebhaberei deutscher Fürsten an dieser Art Narren weit in das germanische Alterthum zurückreicht. Der älteste (Flögel entgangene) Beleg für das Alterthum deutscher Hofnarren ist Gregor von Tours, der (De Miraculis S. Martini, Lib. IV. c. 7) von einem unter Clotar II. lebenden suevischen Könige Micro sagt, er habe einen Mimus gehabt, „qui ei per verba jocularia laetitiam erat solitus excitare“. Über zwei ausgeliehene Narren im 16. Jahrhundert, vergl. „Narren-Leihen“ im Anzeiger f. K. d. d. Vorzeit 1872. S. 124 ff.

[284] Vergl. außer den genannten Quellen: Meßmer im deutschen Museum 1779. II. 129 ff. Ernst, Histor. Bilderhaus II. 99. Berlinisches Archiv d. Zeit, 1797. 325. Gräße III. 36 ff. Goedeke, Deutsche Dichtung I. 144. Fr. Duncker, Sonntagsblatt 1872. Nr. 43.