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ADB:Colberg, Johannes

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Artikel „Colberg, Johannes“ von Adolf Häckermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 398–400, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Colberg,_Johannes&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 22:05 Uhr UTC)
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Colberg: Johannes C., geb. 31. März 1623 in Colberg, † im August 1687. Sohn des Colberger Kaufmanns und Sülzverwandten Johann C. Auf der Schule in Königsberg in Pr. gebildet, studirte er von 1638–44 in Greifswald und Königsberg Theologie und wurde, 1644 zum Magister promovirt, in Frankfurt a. O. als Adjunct der theologischen Facultät habilitirt, wo er die Bekanntschaft des Leipziger Theologen Joh. Hulsemann machte, welche für seine spätere Entwicklung von großer Bedeutung ward. Nach einem längeren Aufenthalt in Wittenberg, Leipzig, Helmstädt, Jena, Gotha, Erfurt und Dresden, wo er überall die bedeutendsten Gelehrten und Bibliotheken kennen gelernt hatte, wurde er 1652 in Leipzig zum Licentiaten promovirt und 1653 Pastor in Eisleben. In Folge einer großen Feuersbrunst daselbst, welche auch ihn eines großen Theils seiner Bücher beraubte und seine gelehrte Thätigkeit beschränkte, erging an ihn 1653 der Ruf zum Pastorat an der Marienkirche in Colberg, seiner Vaterstadt. Aus seiner zweiten Ehe stammen 9 Kinder, unter ihnen Ehregott Daniel (s. u.). Johannes C. war, von Hulsemann angeregt, schon zu Frankfurt, bei dem theologischen Streite von Calixt, durch Disputationen „De Antichristo“ und „De unione personali“ und Streitschriften „De seculari inter theologos Lutheranos dissensu“ bekannt geworden, um so mehr hatte er in Colberg Gelegenheit zu dieser polemischen Thätigkeit, wo er als Mitglied des Consistoriums sowol mit dem General-Superintendenten Grossius und dem Rector Jasche, als auch mit dem brandenburgischen Hofprediger Stoschius in einen vieljährigen Streit verwickelt wurde. Als eifriger Bekenner des Lutherthums verlangte er strengere Kirchenzucht, Bestrafung der angeblichen Hexen, die von Jasche getadelt war, und griff in Predigt und Streitschriften die Reformirten so heftig an, daß er auf Befehl des Großen Kurfürsten sein Amt in Colberg 1675 niederlegen mußte; andrerseits hatte sein Eifer die Folge, daß er (1666) [399] in Leipzig zum Dr. th. promovirt wurde. Darauf 1677 in Greifswald zum Professor der Theologie und Mitglied des Consistoriums, sowie zum Pastor an der Marienkirche berufen, gerieth er aufs neue in einen dogmatischen Streit mit seinem Collegen Jakob Henning und mußte nach der Eroberung der Stadt durch den Großen Kurfürsten im November 1678 auf dessen Befehl Greifswald verlassen, ward jedoch nach einem Aufenthalte in Rostock, wo er predigte, Vorlesungen hielt und viele Streitschriften abfaßte, 1686 in seine Stelle zu Greifswald wiedereingesetzt, wo er starb.

Ehregott Daniel C., Sohn des vorigen; geb. 26. Jan. 1659 zu Colberg, studirte zu Greifswald Theologie und Philosophie. Nach der Entlassung seines Vaters im J. 1679 begleitete er denselben nach Rostock, und Schweden und zeichnete sich dabei wiederholt durch philosophische und theologische Disputationen aus. Nach der Restitution seines Vaters erhielt er 1686 eine außerordentliche Professur der Ethik und Geschichte und las über Hobbe’s System, über Gebrauch und Mißbrauch der Philosophie in der Theologie, Aretologie, Geschichte der Ketzerei, sowie Bekmann’s politische Meditationen. Im J. 1691 wurde er zum ordentlichen Professor dieses Fachs ernannt, ging jedoch 3 Jahre später als Pastor nach Wismar, wo er 1698 starb. – Seine zahlreichen in lateinischer Sprache abgefaßten Schriften, welche von 1686-1694 in Greifswald erschienen (vgl. Dähnert’s Katalog der Greifswalder Universitätsbibliothek, S. 417), beziehen sich namentlich auf Ethik, Naturrecht und Geschichte; es sind unter andern: „Delineatio monarchiae Sueo-Gothicae“, 1686; „De tolerantia diversarum religionum politica“, 1689; „De tolerantia librorum noxiorum politica“, 1693; „Sciographia juris naturae“ hervorzuheben. Bedeutender ist sein umfangreiches in deutscher Sprache geschriebenes Buch: „Platonisch-hermetisches Christenthum“, Th. I, 1690, Th. II, 1691. In diesem leitet er die schwärmerischen Secten des Christenthums von der Philosophie des Platon und den dem Hermes Trismegistos zugeschriebenen mystischen Lehren her, und ergeht sich darauf (Th. I) in ausführlicher Polemik gegen die Mystiker des Alterthums, des Mittelalters und der neuern Zeit, unter denen namentlich Paracelsus, Weigel, die Rosenkreuzer, Quäker, Jakob Böhm, die Wiedertäufer, die niederländische Nonne Antonia Bourignon (1626-80) und der französische Schwärmer Joh. Labadie († 1674) eine genaue Darstellung erfahren. Im zweiten Theil wird die ganze christliche Dogmatik, wie sie von den verschiedenen Mystikern aufgefaßt und modificirt ist, kritisch beleuchtet und widerlegt.

Die Thätigkeit des jüngeren C. ist, im Gegensatz zu seinem Vater, als eine vermittelnde Uebergangsrichtung zu bezeichnen. Insofern er die Irrthümer und Ausschreitungen der Mystiker bekämpft, vertritt er freilich eine Seite der lutherischen Orthodoxie, zu deren Eiferern sein Vater gehörte, insofern aber andrerseits gerade in den Mystikern und Pietisten, wie Thomas a Kempis, Jakob Böhm, Spener und Franke das Christenthum lebensfrische Blüthen trieb, gehört er, indem er den echten Kern ihrer Lehren nicht von der phantastischen Hülle zu scheiden wußte, schon zu den Vorgängern der spätern Aufklärung.

Aus zwei Ehen erblühten ihm mehrere Söhne, unter ihnen Dr. theol. Joh. Friedrich C., geb. 1693, welcher seit 1723 Diakon an der Jacobikirche, im J. 1761 als Superintendent und Pastor an der Nicolaikirche zu Stralsund starb. Von ihm stammt Dr. theol. Ehrenfried Christian C., geb. 1729, gestorben als Superintendent und Pastor an der Jacobikirche zu Stralsund 1804, und dessen Sohn Johann Ehrenfried, geb. 1759, welcher als Pastor an der Heiligengeistkirche in Stralsund 1822 verstarb. Alle drei haben sich durch ihre amtliche Wirksamkeit, welche ein ganzes Jahrhundert umfaßt, sowie auch als Schriftsteller [400] durch neue Bearbeitungen des Katechismus und des Gesangbuches ein dauerndes Verdienst um ihre Vaterstadt Stralsund erworben.

Jakob Heinrich Balthasar, Greifswald. Wochenblatt, Sammlung von gel. Sachen, S. 157 f., 167 f. – Vanselow, Gelehrtes Pommern, S. 18 f. – Kosegarten, Geschichte der Univ. I. 265. 269. – Biederstedt, Pom. Gel. S. 41-44. – Riemann, Gesch. d. Stadt Colberg 1873, S. 429 ff.