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ADB:Eichendorff, Joseph Freiherr von

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Artikel „Eichendorff, Joseph Freiherr v.“ von Hermann Palm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 723–728, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eichendorff,_Joseph_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 14:25 Uhr UTC)
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Band 5 (1877), S. 723–728 (Quelle).
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Eichendorff: Joseph, Freiherr v. E., stammte aus einem altadelichen, im 14. Jahrhundert schon in Magdeburg und in der Mark Brandenburg angesessenen Geschlechte der Yken- oder Eykendorpe. Während des dreißigjährigen Krieges war Jakob v. E., kaiserlicher Oberst, durch Heirath in den Besitz des Gutes Deutsch-Krawarn im Kreise Ratibor gelangt; sein Neffe und Erbe Hartwig Erdmann wurde Stammvater der katholischen oberschlesischen Linie. Der Vater des Dichters, Adolf, erhielt 1784 durch seine Gemahlin die Güter Lubowitz und Radoschau bei Ratibor und erweiterte durch Erbschaft und Kauf seinen nicht unbedeutenden Grundbesitz in Schlesien und Mähren, wo ihm Sedlnitz im Kuhländchen gehörte.

Joseph, der zweite seiner Söhne, wurde am 10. März 1788 in Lubowitz geboren und bis 1801 im elterlichen Hause erzogen. Seine von einer geistreichen und schönen Mutter ererbten Anlagen nährten der Aufenthalt und das Umherschwärmen in der schönen Gegend, sowie die leidenschaftliche Lectüre von Reisebeschreibungen, Romanen und alten Volksbüchern, später des Wandsbecker Boten und der Bibel. Frühzeitig äußerte sich sein dichterisches Talent in poetischen Versuchen. Im Herbst 1801 trat Joseph mit seinem um 2 Jahre älteren Bruder Wilhelm in das Convict des katholischen Gymnasiums zu Breslau und beide blieben auch nach Beendigung ihres Gymnasial-Cursus 1804 noch ½ Jahr daselbst, bis sie zum Studium der Jurisprudenz 1805 die Universität Halle bezogen. Dort hörten sie Wolf, Schleiermacher, Steffens, der sie besonders fesselte. Im folgenden Jahre verließen sie die Universität kurz vor ihrer Auflösung und kehrten nach Lubowitz zurück, wo sie bis zum nächsten Frühjahr in lustigem Studententreiben verweilten, wie nahe ihnen auch die Kriegsereignisse in der Belagerung des nicht entfernten Kosel traten. Im Frühjahr 1807 begaben sich beide nach Heidelberg und traten hier in Verbindung mit Brentano, v. Arnim, dem Grafen Loeben und vor allem mit Görres, der damals eine zauberhafte Gewalt ausübte über alles, was ihm nahe kam. Joseph hat später den Geist und das Leben auf jener Universität in seinem Aufsatze: „Halle und Heidelberg“ selbst geschildert, freilich unter dem Einflusse späterer Anschauungen. An den Sammlungen der Volksbücher und des Wunderhorns betheiligten sich beide Brüder; [724] auch ihre ersten Dichtungen wurden damals durch die Bemühungen des Grafen Loeben in Ast’s Zeitschrift für Kunst und Wissenschaft veröffentlicht, die Josephs unter dem Pseudonym Florens. Nach einem Ausfluge nach Paris Ostern 1808, wo Joseph für Görres altdeutsche Handschriften verglich, kehrten sie von Heidelberg schon im Juli über Regensburg und Wien nach der Heimath zurück. Hier standen sie dem Vater bei der Bewirthschaftung der Güter bei, Joseph gewann jedoch noch Zeit genug für seine dichterischen Arbeiten. Damals begann er seinen ersten Roman: „Ahnung und Gegenwart“, der freilich erst 1811 vollendet und 1815 gedruckt wurde. Im Herbst begaben sich die Brüder auf Einladung des Grafen Loeben halb zu Fuß, halb zu Wasser auf der Oder nach Berlin und hörten u. a. Fichte, wurden aber durch eine schwere Erkrankung Josephs bis zum März dort festgehalten. Nachdem sich letzterer im folgenden Jahre mit der geistvollen und auch dichterisch begabten Anna Victoria v. Larisch auf Pogrzebin verlobt hatte, wandte er sich mit Wilhelm nach Wien, um dort Staatsdienste zu suchen, wofür sich in Preußen damals keine Aussichten boten. Dort wurde das Haus Friedrichs v. Schlegel für sie die Stätte eines reichen litterarischen Verkehrs und Schlegel’s Stiefsohn, der Maler Philipp Veit, ihr innigster Freund. Als beide Brüder ihre Staatsprüfungen glänzend abgelegt hatten und Joseph eben im Begriff stand eine Anstellung zu erhalten und sich zu vermählen, erging der Aufruf des Königs von Preußen am 3. Februar 1813. Da kehrte Joseph ohne seinen Bruder nach Schlesien zurück und trat mit Ph. Veit ins Lützow’sche Freicorps; seines Lebens an der Elbe und im Spreewald gedenkt er in einem an die Lützow’schen Jäger gerichteten Liede. Gleichwol verließ er das Corps während des Waffenstillstandes im Juli, besuchte flüchtig Eltern und Braut und eilte über Dresden nach Böhmen. Von dort aus überwies man ihn im October als Officier ins 17. schlesische Landwehrregiment, dessen 3. Bataillon die Besatzung von Torgau bildete, nachdem sich dies übergeben. Der traurige Dienst in der fürchterlich verwüsteten Festung bestimmte ihn nach dem ersten Pariser Frieden den Abschied zu nehmen. Am 14. April 1814 fand endlich in Breslau die lang verschobene Vermählung statt, dann begab sich das junge Ehepaar nach Berlin. Aber Napoleon’s Rückkehr von Elba rief den Gatten von neuem unter die Waffen. Mit seinem Regiment, dem 2. der oberrheinischen Landwehr, nahm er zwar nicht mehr am Kampfe, doch noch am Einzuge in Paris Theil, blieb bis Ende des Jahres 1815 bei den Besatzungstruppen und kehrte erst im folgenden Jahre in die Heimath zurück. Im December 1816 trat er bei der königlichen Regierung in Breslau als Referendar ein und verlebte hier mit Friedrich v. Raumer und K. v. Holtei glückliche Jahre. Der Tod des Vaters 1818 zog den Verlust aller schlesischen Besitzungen der Familie nach sich, denn der Glanz des alten Hauses und die schweren Lasten des Krieges hatten die Güter mit Schulden überlastet, daß sie allmählich verkauft werden mußten, so auch Lubowitz 1823 nach dem Tode der Mutter; nur Sedlnitz in Mähren blieb als Lehngut ihm und seinen 3 Brüdern gemeinsam. Im Jahre 1819 bestand er die große Staatsprüfung in Berlin, wurde dann als Hülfsarbeiter im Cultusministerium beschäftigt, 1820 als Schulrath, 1821 als Regierungsrath in Danzig angestellt. Eine Denkschrift über die Verbesserung des katholischen Kirchenwesens in Westpreußen, die er dem Minister v. Altenstein vorlegte, fand bei diesem gerechte Würdigung. Gleiche Beachtung wurde seiner Thätigkeit zu Theil, die er für die Wiederherstellung des Ordenshauses zu Marienburg entwickelte. Auf Veranlassung des ihm befreundeten Oberpräsidenten v. Schön wurde er 1824 als Oberpräsidialrath nach Königsberg versetzt, wo er im anregenden Verkehr mit den bedeutendsten Männern der Stadt, aber viel beschäftigt lebte und darum seine poetische Thätigkeit beschränken mußte. Im J. 1831 [725] wurde er als Rath in der katholischen Abtheilung des Cultusministeriums beschäftigt und wußte sich mit seinem Chef v. Altenstein auch während der schwierigen Verhältnisse der Kölner Wirren in gutem Einvernehmen zu halten; erst unter v. Raumer 1840 wurde ihm seine Stellung so verleidet, daß er seine Entlassung forderte. Zunächst erhielt er diese zwar nicht, sondern ging im Auftrage der Regierung nach Danzig, um die Geschichte der Wiederherstellung des Ordenshauses zu schreiben. Er that dies ohne seiner eigenen regen Betheiligung mit einem Worte zu gedenken. In Danzig blieb er auch nachdem ihm sein Abschied aus dem Staatsdienste 1845 endlich geworden war, bis zum Herbst 1846; die Sommermonate pflegte er im anmuthig gelegenen Sedlnitz zuzubringen, wo er 1845 zum letzten Male mit seinem Bruder Wilhelm zusammentraf. Von Danzig ging Joseph nach Wien und wurde hier mit Ehren überschüttet; aber März 1848 trieben ihn die Vorboten der Revolution erst nach Köthen, dann nach Dresden, wo er im Lincke’schen Bade in großer Zurückgezogenheit wohnte, mit ihm der Convertit Lebrecht Drewes, dessen Gedichte er 1849 herausgab. Die Jahre von 1850–1855 brachte er seiner Studien wegen wieder in Berlin zu; sein gastfreies Haus war dort der Sammelplatz zahlreicher Freunde und Gesinnungsgenossen. Auf einer Besuchsreise bei ihrer Tochter in Neiße starb im J. 1855 seine Gattin, und dies bewog ihn, seinen Wohnsitz in Neiße zu nehmen. Dort bewohnte er das Landhaus St. Rochus, überlebte aber seine Lebensgefährtin nur 2 Jahre. Er starb 1857 am 26. November und liegt auf dem Friedhofe vor dem Jerusalemer Thore begraben. Ihn überlebten 2 Söhne, Hermann, königl. Regierungsrath in Aachen, und Rudolf, königl. Hauptmann in Liegnitz, sowie eine 1858 verstorbene Tochter, Therese Besserer von Dahlfingen.

Als Dichter und Schriftsteller gehört v. E. der romantischen Schule in ihrer späteren Entwicklung an. Außer mit den schon oben erwähnten Gliedern derselben berührte er sich besonders noch in Berlin mit Fouqué. Alle Romantiker überragt er als Lyriker; als solcher gehört er zu den Lieblingsdichtern unseres Volks; durch musikalische Composition haben die größten Meister der Neuzeit (Mendelssohn, Schubert, R. Franz u. A.) einem großen Theil seiner Lieder weiteste Verbreitung und bleibendes Gedächtniß gesichert. Ihre Eigenthümlichkeit läßt sich vielleicht am besten damit bezeichnen, wenn wir sie eine Wiedergeburt des alten Minnegesangs nennen. Wie dieser seinen beschränkten Vorrath an Gefühlsstimmungen mit Natureindrücken stets in unmittelbarste Verbindung setzt und in einfachen, aber allgemein anklingenden Lauten kund gibt, so ist auch bei E. diese Verknüpfung mehr als bei irgend einem andern Dichter der Neuzeit Grundschema der meisten Lieder. Doch was im Minnesang oft als todte Formel und hergebrachte Fassung erscheint, ist hier wahre und lebendige Empfindung und mit dem Hauptgedanken innigst verflochten. Die Natur ist dem Dichter der nie versiegende Born, aus dem er seine Kraft schöpft und beständig erneuert, und zu dem er aus den verbildeten und krankhaften Zuständen der Gesellschaft immer wieder zurückkehrt. Die Sehnsucht nach ihr, die Flucht zu ihrer Einfachheit und Reinheit aus der Lüge der Welt und der Zeit, daher auch das Wandern und müßige Schlendern im duftigen Walde oder auf Bergeshöhen sind ihm stehende Themata. Daneben sucht der seiner Kirche treu ergebene Katholik für die kalte Glaubensleere Rettung und Heilung im ungeheuchelten Glauben und der frommen Hingabe an seine Kirche. Den lieben Gott soll der Dichter nur in sich walten lassen und aus frischer Brust treulich singen, so räth er; was wahr in ihm sei, werde sich dann auch gestalten; alles andere sei ein erbärmlich Ding. Ja er verurtheilt in demselben Liede (An die Dichter) auch manche Genossen seiner Schule, wenn er ausruft: „O klingelt, gleißt und spielet [726] nicht mit Licht und Gnade so ihr erfahren; zur Sünde macht ihr das Gedicht.“ Durch Tiefe und Innigkeit des Gefühls reiht sich der Cyclus: „Auf meines Kindes Tod“ an das schönste an, was in dieser Weise gedichtet worden ist. Lieder anderer Gattung, so die Soldatenlieder und Romanzen treten hinter den Naturliedern zurück. Was die Form betrifft, so erlaubt sich E. mancherlei Freiheiten, die hie und da zu Härten werden, z. B. einen unangemessenen Gebrauch des Apostrophs (man vergleiche u. a. die späte Hochzeit), ganz entgegengesetzte Versmaße treten in demselben Liede auf und stören den rhythmischen Fluß u. a. m. Im allgemeinen jedoch ist die Sprache leicht und fließend und schmiegt sich dem Text so wohllautend an, daß außer ihrem Inhalt auch die Sangbarkeit es ist, was unsere Künstler immer von neuem zum Componiren dieser Lieder einladet. – Minder günstig ist das Urtheil über die übrigen Zweige seiner dichterischen Thätigkeit, die Romane, Novellen und Dramen. Mit Recht wird hier vermißt, was seine Lyrik gerade so entschieden fordert, die Wahrheit; denn auch der Dichter darf die Wirklichkeit nicht so vernachlässigen, daß die Unmöglichkeit seiner erfundenen oder die Unrichtigkeit seiner historischen Stoffe so augenfällig hervortreten, wie dies so oft bei E. geschieht. Aber wie alle derartigen Producte der romantischen Schule sind diese Geschichten nicht geschaffen für ernste Betrachtung; nur die Phantasie, das Gemüth und den Witz des Dichters muß der Leser unbefangen auf sich wirken lassen, um einen poetischen Genuß zu erzielen. Kritische Analysen vertragen diese Figuren, Zustände und Vorgänge durchaus nicht. Unter jener Voraussetzung mag allerdings die gerühmteste seiner Novellen „Aus dem Leben eines Taugenichts“ (1826) durch die Schilderung des vergnügten zwecklosen Umhertreibens ihres Helden in der Welt auf eine gleichgestimmte Jugend noch heute einen behaglichen Eindruck machen; den ernsten Leser werden nur die zum Theil trefflichen eingestreuten Lieder fesseln, während die an seine Phantasie gestellten Zumuthungen allenthalben den Eindruck stören. Größeren Umfangs sind der in der Gewitterschwüle der Jahre 1810 und 1811 geschriebene Roman „Ahnung und Gegenwart“ und die spätere, offenbar nach Wilhelm Meister angelegte Novelle „Dichter und ihre Gesellen“ (1834). In beiden findet dieselbe Häufung von Personen und Abenteuern, dasselbe dunkle Empfindungsleben, die gleiche Lösung statt, denn der Hauptheld tritt dort ins Kloster, hier in den geistlichen Stand. Die Frische der Erzählung, manche prächtige Einzelheiten, das lustige romantische Treiben und die Gestalten mit viel Gemüth, doch wenig Verstand können die Mängel der Anlage nicht ersetzen. Der Roman soll viele jener Zeit entnommene Personen enthalten; jetzt sind dieselben schon nicht mehr recht zu erkennen. Mit größter Naivetät verlegt der Dichter in der Novelle „Die Glücksritter“ seine im dreißigjährigen Kriege spielende Geschichte in die Studentenwelt der Universität Halle (!). Mit mehr Glück ist der Zeitgeist der französischen Revolution im „Schloß Durande“ festgehalten. Das „Marmorbild“ hat eine christliche Tendenz; die süßen Täuschungen der antiken Götterwelt zerschellen wie in der Sage vom Venusberge an der christlichen Idee. Einen ähnlichen Gedanken verfolgt der im späten Alter (1853) noch gedichtete Romanzen-Cyclus „Julian“, wie die letzte epische Dichtung „Robert und Guiscard“ (1855) gegen die Prinzipien der französischen Revolution gerichtet ist. – Auch im Drama hat sich v. E. mehrfach versucht. Seine beiden Trauerspiele „Ezelin von Romano“ (1828) und „Der letzte Held von Marienburg“ (1838) bezeugen sein gestaltendes Talent, haben jedoch keine Verwendung auf den Bühnen gefunden. Das lyrische Element und die Reflexion herrschen in ihnen vor, die Helden sind zwar kräftig angelegt, entbehren jedoch in der Ausführung der Energie. Am besten beweist das Lustspiel „Die Freier“ des Dichters Befähigung fürs dramatische Gebiet. Frei von aller Romantik, frisch und bühnengerecht angelegt ist es wol [727] nur wegen seines etwas verbrauchten Motivs (Verkleidungen) und allzu gewöhnlichen Verlaufs von der Bühne ausgeschlossen geblieben. „Meierbets Glück und Ende. Tragödie mit Gesang und Tanz“ (1828) ist eine scherzhafte Parodie auf den Cultus von Walter Scott, und das dramatische Märchen „Krieg den Philistern“ (1828) ein satirisch witziges Spiel in der Weise von Tieck’s „Prinz Zerbino“. – Seine romantische Richtung führte v. E. der älteren spanischen Litteratur zu, aus welcher er den „Grafen Lucanor“ des Don Juan Manuel und eine Anzahl geistlicher Schauspiele von Calderon (1846 und 1853) in schöner begeisterter Sprache nachdichtete.

Wenn v. E. in seinen dichterischen Leistungen die Tendenzen seiner Romantik durchaus mit Milde und Liebenswürdigkeit an den Tag gibt, so ist es ihm doch damit voller Ernst. Er hat namentlich seit seinem Zerwürfniß mit der preußischen Regierung seine katholischen Anschauungen in einer Reihe von kritischen und litterarhistorischen Studien ernst und entschieden, wenn auch ohne Bitterkeit und Parteihaß dargelegt. Es gehören dahin die Schriften: „Ueber die ethische und religiöse Bedeutung der neueren romantischen Poesie in Deutschland“, 1847; „Der deutsche Roman des 18. Jahrhunderts in seinem Verhältniß zum Christentum“, 1851; „Zur Geschichte des Dramas“, 1854, und endlich seine „Geschichte der poetischen Litteratur Deutschlands“, 1857 und 1861. E. wendet sich darin nicht allein gegen das Prinzip des Protestantismus, sondern auch gegen die ältere Romantik. Die Reformation gilt ihm durch ihr Princip „der revolutionären Emancipation der Subjectivität, welche die Forschung über die kirchliche Autorität, das Individium über das Dogma setzt“ als Quelle der Zerfahrenheit unserer Litteratur. Von diesem Standpunkt aus durchmustert er dieselbe bis auf Goethe. Der deutsche Geist fand, wie E. glaubt, in ihr auch auf den höchsten Stufen ihrer Entwicklung kein Genüge und keine Ruhe. Die Romantiker übernahmen es die unbefriedigte und hungernde Nation mit nahrhafterer Kost zu versehen; aber sie faßten ihre Aufgabe, die zur Hälfte eine ethische war, vorzüglich nur als ästhetische und nahmen für die sichtbare lebendige Kirche oft nur die poetische Symbolik derselben, eine neue christliche Mythologie. Das religiöse Element löste sich endlich ganz von der Phantasie, aus der Zerklüftung wird völlige Zerrissenheit und endlich zerplatzt diese Romantik wie eine prächtige Rakete nach kurzer Beleuchtung der nächtlichen Gegend. Der Pöbel lacht und die Gebildeten reiben sich von der Blendung die Augen und gehen gleichgiltig wieder an ihre alten Geschäfte. Dieser falschen Romantik setzt E. nun die seinige, die wahre entgegen. Sein Bekenntniß faßt er zusammen in den Worten: „es sei eine der Schule entwachsene Romantik, die das verbrauchte mittelalterliche Rüstzeug ablegt, die katholisirende Spielerei und mystische Ueberschwenglichkeit vergessen und aus den Trümmern jener Schule nur die religiöse Weltansicht, die geistige Auffassung der Liebe und das innige Verständniß der Natur sich herübergerettet hat.“ In dieser Allgemeinheit dürfte freilich auch die protestantische Dichterwelt dies neuromantische Bekenntgniß unterschreiben. – Die Gedichte Eichendorff’s erschienen gesammelt Berlin 1837 bei Simion, seitdem in wiederholten Auflagen; die gesammten Werke ebenda 1842 in 4 Bänden. Die vollständigste Ausgabe ist die bei Voigt und Günther, Leipzig 1866 in 6 Bänden, doch enthält sie nicht die wissenschaftlichen Schriften. Diese erschienen in Paderborn bei Schöningh 1866, 4 Bände, nebst einem 5. Bande „Aus dem litterarischen Nachlasse“. Ein genaues chronologisches Verzeichniß der Gedichte gibt Goedeke im Grundriß. Das Leben des Dichters ist im 1. Bande der Voigt’schen Ausgabe sehr ausführlich beschrieben. Zur Genealogie des Geschlechts vgl. Augustin Welzel, Geschichte des edlen und freiherrlichen Geschlechts v. E. Ratibor 1876.

[728] Wilhelm, Freiherr v. E., der ältere Bruder und in der Jugend stetige Begleiter des vorigen, geb. 14. Septbr. 1786 zu Lubowitz, trat nach seiner Trennung von jenem 1813 in österreichische Dienste, wurde Gubernialrath und Kreishauptmann von Trient und starb am 7. Jan. 1849, im Begriffe seine Entlassung zu nehmen, zu Innsbruck. Die aus seinen jüngeren Jahren stammenden Gedichte sind in Zeitschriften zerstreut und nicht gesammelt worden.