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ADB:Loeben, Otto Heinrich Graf von

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Artikel „Loeben, Heinrich Graf von“ von Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 40–45, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Loeben,_Otto_Heinrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:43 Uhr UTC)
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Band 19 (1884), S. 40–45 (Quelle).
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Loeben: Otto Heinrich Graf von L. stammte aus einem alten, in Sachsen, Schlesien, Brandenburg, Böhmen und in der Lausitz begüterten, protestantischen Geschlecht. 1642 war die Familie in den Freiherrnstand, 1790 des Dichters Vater, der kurfürstlich-sächsische Cabinetsminister und Staatssecretär der inneren Angelegenheiten, Geheimrath Otto Ferdinand v. L., in den Reichsgrafenstand erhoben worden. Er starb schon 1804; seine Gemahlin, aus dem edlen Geschlechte der Greifenheim, folgte ihm erst am 26. April 1825. Otto Heinrich, unter acht Geschwistern ihr drittes Kind, war am 18. August 1786 zu Dresden geboren. Seine erste Bildung genoß er im Hause der Eltern. 1804 bezog er die Universität Wittenberg. Aber das Studium der Rechte, dem er sich daselbst widmete, befriedigte ihn wenig. 1807 siedelte er nach Heidelberg über. Hier gefiel es ihm „zum Sterben wohl“; das Neckarland pries er als „eine wahre Gemüths- und Herzensgegend“. Im Umgang mit Achim v. Arnim, Brentano und Görres fand hier auch sein Sinn für Kunst und Litteratur reiche Nahrung und Anregung. Das Wort seines Guido galt auch von ihm selbst: „Eigentlich bin ich erst dort zum Dichter worden.“

[41] So gab er unter dem Pseudonym Isidorus Orientalis 1808 zu Mannheim seinen ersten Roman „Guido“ heraus, eine Art philosophisches Mährchen in drei Theilen (die Sehnsucht, das Reich der Minne, die Verklärung), von denen der Dichter schon damals die beiden ersten nur als „Skizzen, einer edleren Ausführung überlassen,“ betrachtete. Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“ war sein Vorbild im Einzelnen und im Ganzen. Dankbar ehrte er auch in seiner Erzählung (S. 270) des Herrn Friedrich v. Hardenberg „süße Stimme“ und „überirdischen Klang“. Aber L. hielt sich namentlich an den zweiten Theil von Hardenberg’s Roman. Diesen, den der Dichter bei seinem frühen Tode unvollendet zurückgelassen hatte, wollte L. durch seinen „Guido“ gewissermaßen ersetzen. Zu dem Zwecke benützte er reichlich die Motive, welche Tieck’s Angaben über den ursprünglichen Entwurf des „Ofterdingen“ ihm darboten. Allein, hatte schon Novalis im zweiten Theile seines Werkes den Boden der realen Welt mehrfach verlassen, so verlor sich L. ganz und gar in ein ideales Reich der Phantasie. Nicht blos das Gewöhnliche und Natürliche schweift bei ihm beständig in das Wundervolle und Uebersinnliche aus; sondern auch seine ganze Darstellung „verklingt und verschwebt“ romantisch in eine Welt des Unsinnlichen. An die Stelle bestimmter, klarer Anschauung tritt immerwährend ein ahnungsvolles Träumen, das nur unplastisch verschwimmende und zerfließende Gebilde hervorzubringen vermag. Es bleibt ein rein äußerlicher Umstand, daß L. die Geschichte in die Zeit Kaiser Friedrichs II. verlegt. Denn auch er sucht durch die Magie der Phantasie alle Zeitalter und Welten in seinem Reiche zu verknüpfen. Die Phantasiegestalten aus den Mährchen, die er am Anfang in den Roman einflicht, greifen zuletzt unmittelbar handelnd in den Gang der wirklichen Geschichte ein, und wie im „Ofterdingen“ fließt hier gleichfalls alles in eine Allegorie zusammen. So mischen sich auch alle Formen der Darstellung, erzählende Prosa und lyrische Verse; aber ebenso sind epische Hexameter und dramatische Scenen eingestreut. Religiöse Mystik bildet den Grundton vornehmlich für den dritten Theil des Buches.

Die Elemente der Poesie Loeben’s blieben auch in der Folge dieselben wie im „Guido“. Zwar lernte er mit der Zeit seine schrankenlose, ohne festen Grund schwärmende Einbildungskraft weislich zügeln; immer aber blieb seinem Dichten ein Hang, über das wirkliche, sinnlich darstellbare Leben hinauszustreben in ein geistiges, überirdisches, nur mit dem Gefühl oder der Phantasie zu erfassendes Sein. Gleichfalls 1808 ließ er zu Mannheim „Blätter aus dem Reisebüchlein eines andächtigen Pilgers“ erscheinen. Von demselben religiösen Enthusiasmus wie der „Guido“ erfüllt, ermangelten auch diese sinnigen und gehaltvollen Poesien der klaren und bestimmten Anschauung. Die nächsten Jahre verbrachte L. abwechselnd in Wien, in Berlin und auf dem Schlosse des ihm innig befreundeten Dichters de la Motte-Fouqué zu Nennhausen. Schon seit 1805 hatte er neben Recensionen poetischer Werke, sogenannten Lukianischen Dialogen, philosophischen Aphorismen und theosophischen Aufsätzen, denen man das Studium Jakob Böhme’s anmerkte, namentlich auch eigne dichterische Beiträge zu verschiedenen Monatsschriften und Taschenbüchern beigesteuert. Die mannigfaltigsten Töne schlug er darin an. Bald sang er munter und heiter voll frischer Lebenslust, wol auch übermüthig und keck, bald ernst in sentimentaler Schwärmerei. Einfache, leicht zum Gesang sich eignende Lieder wechselten mit philosophisch schwereren oder geheimnißvollen Sinn bergenden Gedankendichtungen symbolisch-allegorischen Charakters. Sinnliche Phantasie waltete in allen diesen Produkten; aber klare Anschaulichkeit und Besonnenheit fehlte der Darstellung nur zu oft. Die reine, durchaus gleichmäßig gewahrte, lyrische Stimmung war der hauptsächlichste Vorzug dieser Gedichte. Durch viele ging auch ein didaktisch-moralischer Zug. In [42] seinen frühesten Versuchen bildete L. vor Allem Schiller’s Muster nach. Hin und wieder folgte er auch den Spuren der späteren Anakreontiker aus dem Kreise Gleim’s und Jacobi’s. Seit 1807 aber überwog der Einfluß Tieck’s und der übrigen Romantiker auf seine Lyrik. Staunen konnte die – echt romantische – Vielseitigkeit der Formen erregen. Hans-Sachsische Verse gelangen dem Verfasser so gut wie reimlose Gedichte im Ton und Geist der spanischen Romanzen, volksthümliche deutsche Liederstrophen so gut wie die künstlichsten Spielereien der romanischen Poesie, Variationen, Madrigale, Sestinen. Mit Vorliebe pflegte er die Form des Sonettes; aber auch in der achtzeiligen Stanze, in der Canzone, in der gereimten und reimlosen Ode versuchte er sich mit Glück. 1810 gab er seine „Gedichte“ gesammelt in einem Bande heraus.

1811 und 1812 folgten die beiden Bände des Schäfer- und Ritterromans „Arkadien“. Dem Werke, das in der Form stellenweise an Achim v. Arnim’s „Gräfin Dolores“ erinnerte, hafteten großentheils dieselben Eigenthümlichkeiten und Schwächen an wie dem „Guido“. Gleich diesem zählte auch „Arkadien“ zu den extremsten Produkten der romantischen Poesie.

Als nach der Schlacht von Leipzig auch die Sachsen ein Freicorps errichteten, griff L. begeistert zu den Waffen und machte den Feldzug von 1814 als Unterlieutenant unter den Fußgängern dieses „sächsischen Banners“ mit. So kam er nach Paris, wo er sich einige Zeit aufhielt. Auch litterarisch gab er seinen patriotischen Gefühlen Ausdruck. Er schrieb „Reden über das deutsche Streben“, wie es scheint, nur für seine Freunde nieder. Der Bitte, daß er sie in den Druck gebe, entsprach er nicht. An ihrer Statt veröffentlichte er 1814 zu Heidelberg „Deutsche Worte über die Ansichten der Frau v. Staël von unserer poetischen Litteratur in ihrem Werk über Deutschland“, eine unparteiliche und gerechte, zwischen achtungsvollem Beifall und tadelnder Correctur schwankende Kritik des französischen Werkes, welches er stellenweise Satz für Satz untersuchte. Bald in erläuternden oder ergänzenden Noten, bald in selbständigen Excursen (über den Geschmack, das Drama und mehrere Dramatiker, den Roman und einzelne Werke dieser Dichtgattung, über verschiedene romantische Dichter und Dichterinnen etc.) nahm er die Gelegenheit wahr, seine eignen, überall durch die Theorie und Praxis der Romantiker bestimmten Ansichten von unserer Litteratur darzulegen.

Nachdem sich das sächsische Banner aufgelöst hatte, kehrte L. wieder ganz zu seinen poetischen Arbeiten zurück. Er lebte theils in Dresden unter Freunden, von denen ihm Freiherr Ernst Friedrich Georg Otto von der Malsburg (1786 bis 1824) für die Dauer seines Lebens am nächsten trat – auch Ludwig Tieck gehörte später zu diesem Kreise –, theils zu Joachimstein bei Görlitz, wo seine Mutter als Stiftshofmeisterin wohnte. Häuslich ließ er sich erst 1817 zu Dresden nieder, als er sich mit Johanna Victoria Gottliebe geb. Gräfin v. Breßler vermählte. Nur die Sommermonate verbrachte er jetzt noch bei seiner Mutter, auf den Gütern seiner Gemahlin oder auch auf Malsburg’s Schloß. Im Winter 1822 traf ihn ein schlagartiger Anfall, dessen Folgen, epileptische Krämpfe, immer weiter um sich griffen und seine ohnedies schwächliche Gesundheit vollständig zerrütteten. Ohne Erfolg versuchte er 1824 eine magnetische Cur bei dem befreundeten Justinus Kerner in Weinsberg. Am 4. April 1825 erlöste ihn der Tod von seinem Leiden, das er mit kindlich frommem Sinn getragen hatte. Die Tiefe und Wärme seines leicht erregbaren Gemüthes, seine Herzensreinheit, seine schwärmerische Hingabe an alles Schöne und Edle sowie sein zartes Tactgefühl erwarben ihm bei Freunden und Bekannten das Lob einer schönen Seele in des Wortes schönster Bedeutung. „Die Poesie war seine Göttin und er diente ihr recht eigentlich religiös“; auch so, daß er die Dichtkunst geradezu zur Verherrlichung religiöser (nicht selten dem Katholicismus sich nähernder) Ideen gebrauchte.

[43] Am offensten legte er sein Inneres „allen Freunden“ dar in den Fragmenten, die er 1817 unter dem Titel „Lotosblätter“ zu Bamberg und Leipzig veröffentlichte. Das Jahr zuvor hatte er, unterstützt von zahlreichen, angesehenen Mitarbeitern, von Wilhelm v. Schütz, Schenkendorf, Eichendorff, Zacharias Werner, Helmine v. Chézy, Justinus Kerner und Anderen, die Herausgabe der „Hesperiden, Blüthen und Früchte aus der Heimat der Poesie und des Gemüths“ begonnen. Von dem Werke kam jedoch nur ein Band zu Stande. Gleichfalls 1816 war von L. erschienen „Der Schwan. Poesie aus dichterischer Jugend“ (1806) und „Lebenskranz um eine theuere Todtenurne“, dem Andenken seines jüngst verstorbenen Bruders gewidmet. Jetzt in den „Lotosblättern“, die zum Theil schon einer viel früheren Zeit entstammten, wandte er sich mehr speculativer Betrachtung zu. In zwei Theilen, deren einen er am liebsten „Der Geist“ und den anderen „Das Herz“ überschrieben hätte, reihte er einige tausend Aphorismen und Gedankensplitter über Wissenschaft, Kunst, Politik, Seelen- und Lebenskunde (Physiologie, Psychologie und Ethik), Religion und Liebe an einander. Form und Inhalt verrieth den Poeten, die bilderreiche, mitunter etwas rhetorisch gefärbte Sprache wie die künstlerische Begeisterung, die philosophische oder vielmehr theosophische Schwärmerei, die romantische Grundanschauung, welche bisweilen durch Fichte’sche, hauptsächlich aber durch Schelling’sche Ideen bestimmt wurde. Allein wenn sich auch der phantasievolle, dichterisch begabte Kopf nie verleugnete, häufig bekundeten die Fragmente (namentlich in der ersten Hälfte) doch nur einen geistreichelnden, wenn gleich wohlwollenden Dilettanten, den alles interessirte, der aus allen Dingen Geheimnisse heraus- oder vielmehr in alles welche hineinlas, der gern alles, oft freilich in völlig neuem, originellem Zusammenhang, besprach. Statt bestimmter, wohlbegründeter Meinungen und Aussprüche bot er nicht selten blos allgemeine „Ansichten“, ja „Ahnungen“ dar, oder er begnügte sich, vereinzelte „Blicke“ in das höhere Leben auf Erden zu thun. Ein religiöser Grundton klang auch hier durch das ganze Buch. Aber auch hier verlor sich Gedanke und Ausdruck bisweilen ganz in spielende Mystik. Im Irdischen sah L. stets das Abbild oder Vorbild des Himmlischen; er selber bezeichnete das gesammte Irdische als „eine unaufhörlich redende symbolische Sprache“. Im Endlichen erkannte oder ahnte er das Unendliche, im Realen das Ideale, im Aeußeren das Innere; das Besondere und Einzelne betrachtete er immer in seinem Verhältniß und in seiner Entwicklung zum Allgemeinen.

Auch mehreren der dichterischen Arbeiten, die den allernächsten Jahren angehörten, war dieser Charakterzug eigen. L. wandte sich von jetzt an vorzüglich zur Novellenpoesie. Taschenbücher, Kalender, Almanache, Zeitschriften jeder Art brachten von ihm ziemlich alljährlich außer mannigfachen, nach Inhalt, Form und Werth ungleichen Gedichten (darunter „Ein fein lustig Waldstücklein von Kuckuck Waldbruder“ in Friedrich Kind’s „Harfe“ 1818, in lyrisch-dramatischer Form) eine prosaische Erzählung, 1817 „Der Liebe Selbstvernichtung“, 1818 „Leda“, 1819 „Prinz Floridio“, 1820 „Stiefmütterchen“, „Die Fürstenkinder“ und „Das Nachtabenteuer“, 1821 „Die lustigen Musikanten“ u. s. f. Auch selbständig veröffentlichte L. daneben verschiedene Erzählungen, theils einzeln für sich (so 1821 die nach seinem eignen Bekenntniß nicht genug „destillirte“ romantische Geschichte „Die Irrsale Klotar’s und der Gräfin Sigismunda“), theils mehrere solche Novellen zu einem Sammelwerke vereinigt. So erschienen 1817 „Rosengarten“ in zwei Theilen mit den Novellen „Das weiße Roß“, „Die Sonnenkinder“. „Die Perle und die Maiblume“ und „Persiens Ritter“, 1819 unter dem Titel „Ritterehr’ und Minnedienst“ vier großentheils aus Boccaccio entlehnte, im Einzelnen aber tiefer motivirte und farbenreicher ausgemalte Novellen: „Der grüne Vogel“, „Der Falke“ (nach Decamerone V, 9), „Der [44] Rosenbecher“ (nach Decamerone IV, 1) und „Markgraf Walther und Griseldis“ (nach Decamerone X, 10). 1822–1824 folgten „Erzählungen“ in zwei Bänden: „Die Todtenmahnung“, „Leßko und Faniska“, „Der Tuneser und der Pisaner“, „Der Brillantenschmuck“, „Die Sühnung“, „Der Sklavenring“ und „Lorelei, eine Sage vom Rhein“. (Einige Züge der letzteren Geschichte regten Heine zu seinem bekannten Liede an.) Das phantastische Element, das L. in seinen Romanen so ungehemmt walten ließ, beschränkte er in diesen Novellen bedeutend. Es fehlte nicht an einzelnen Motiven, welche die Geschichte über den Boden der wirklichen Welt hinaushoben; am sichtlichsten traten sie in den „Sonnenkindern“ und in dem sinnig-zarten Mährchen vom „Prinzen Floridio“ hervor, welches dem Mährchen im „Heinrich von Ofterdingen“ nachgebildet war. Aber L. hob wenigstens nicht mehr wie im „Guido“ jeden Unterschied von Zeit und Raum, von Ideal und Wirklichkeit auf; er bemühte sich jetzt doch durchgängig, sinnlich klar und anschaulich darzustellen. Die düstere, fast spukartig-unheimliche Phantastik in einigen seiner späteren Erzählungen (z. B. in der „Todtenmahnung“, im „Brillantenschmuck“ etc.) hatte mit dem ungebundenen Spiel der Einbildungskraft in den früheren Werken nichts gemein, sondern war eine Folge des tiefen Eindruckes, den E. T. A. Hoffmann auf L. machte. Die Stoffe und einzelnen Motive seiner Geschichten scheint der Dichter, auch wo sich die unmittelbare Quelle nicht leicht nachweisen läßt, in der Regel aus älteren, meist ausländischen Chroniken und Novellen geschöpft zu haben. Fast durchweg verlegt er sie in vergangene, historisch abgeschlossene Zeiten, gern in das Mittelalter. Die Familien- und Freundesliebe spielt darin beinahe eine eben so wichtige Rolle wie die geschlechtliche Zuneigung, und gewöhnlich werden die Conflicte, welche die letztere hervorruft (Liebe zweier Männer zu demselben Mädchen, zweier Mädchen zu demselben Mann), durch die erstere zwar momentan verschärft, aber auch endgültig gelöst. Im Allgemeinen strebt L. nach einem heiteren, versöhnenden Ausgang; nur einige seiner letzten Erzählungen endigen tragisch ernst. Die Probleme, die er behandelt, sind zum Theil menschlich interessant und für den Künstler sehr dankbar. L. jedoch erschöpft selten ihre ganze Tiefe, motivirt oft nicht bedeutend und nicht innerlich genug, läßt dem willkürlichen Zufall zu viel Spielraum, verfährt überhaupt bei der Zeichnung der Charaktere, bei der Anlage der entscheidenden Situationen, beim Aufbau der ganzen Erzählung leicht zu einfach und oberflächlich. Individuelle Züge und originelle Färbung vermißt man oft. Desgleichen vernimmt man weniger die kraftvolle Stimme naturwüchsiger Leidenschaft als vielmehr die weicheren Töne sentimentaler, doch inniger und zarter Empfindung. Die Darstellung leidet bisweilen an übermäßiger Breite. Ihr – gleichwol unleugbarer – Reiz beruht vornehmlich auf der ungemeinen Sorgfalt und Zierlichkeit des Ausdrucks wie auf dem poetischen Glanz und Bilderreichthum der Sprache.

Loeben’s erste Sammlung seiner Erzählungen, der „Rosengarten“, enthielt auch noch drei poetische Arbeiten in metrischer Form, das romantische Singspiel „Cephalus und Procris“ (gleichzeitig auch einzeln gedruckt) in drei umfangreichen, an Handlung, doch nicht an lyrisch anmuthigen Partien armen Acten, nach Form und Inhalt ganz mit Rücksicht auf die musikalische Composition entworfen, ferner zwei balladenartige Stücke von geringem Werthe zum Preis Ferdusis und ein romantisches Gedicht in sechs Capiteln, „Die Zaubernächte am Bosporus“. Ein wunderbar-legendenhafter Stoff war hier in nicht immer ganz klarer, vielmehr oft preciös geschraubter Sprache dargestellt; streng nach italienischem Muster war die Form des Verses (ottave rime mit beständig weiblichen Reimen) gebildet. Selbständig erschien noch von L. 1825 „Der Pilger und die Pfalzgräfin, ein Ritterlied“. –

[45] Meusel, G. T., Bd. 18 u. 23. – N. Nekrol. 1825, S. 1387 ff. (Von Wilh. Müller in Dessau). – Goedeke, Grundriß, Bd. 3, S. 54 f.