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ADB:Firmenich-Richartz, Johann Matthias

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Artikel „Firmenich-Richartz, Johann Matthias“ von Jakob Schnorrenberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 561–562, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Firmenich-Richartz,_Johann_Matthias&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 13:52 Uhr UTC)
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Firmenich-Richartz: Johann Matthias F.-R., Germanist und Dichter, wurde am 5. Juli 1808 in Köln a. Rh. geboren und starb am 10. Mai 1889 in Potsdam. Seine Familie gehörte zu den ältesten bürgerlichen Kölns, ist seit dem 14. Jahrhundert dort ansässig gewesen, stammt aber ursprünglich aus der Eifel. Schon als Gymnasiast – er besuchte das Karmelitergymnasium in Köln – verrieth F.-R. großes Sprachtalent und eine glückliche dichterische Ader besonders auf humoristischem Gebiete. Einige äußerst gelungene Carnevalsscherze z. B. „De Kölsche en Paries“ und „Dä Bävva un et Hännesche om Göözenich“ entstanden noch zu dieser Zeit. Nach Beendigung seiner Gymnasialstudien bezog er die Universitäten Bonn, wo er sich besonders an Schlegel anschloß, und München. Er erwarb den Doctorgrad und begab sich alsdann Studien halber auf Reisen, die ihn durch Deutschland und nach Frankreich führten, worauf er sich zwei Jahre lang (1832–34) in Rom aufhielt. Hier wurde er besonders mit den Künstlern Thorwaldsen, Horace Vernet, Koch, Reinhart und Cornelius bekannt, mit welchen er regen Umgang pflog, ohne darüber aber den Zweck seines Aufenthaltes in Rom, das Studium der Dialekte der romanischen Sprachen zu vergessen. Nach dem römischen Aufenthalte wandte sich F.-R. der österreichischen Hauptstadt zu, wo eine feste Freundschaft mit dem Grafen Auersperg (Anastasius Grün) geknüpft wurde. Hier entstand auch seine Tragödie „Clotilde Montalvi“ (Berlin 1840), welche bei ihren Aufführungen in Köln, Aachen, Düsseldorf und im kgl. Schauspielhause zu Berlin warmen Beifall erntete. Die Kritik rühmte an diesem größeren Erstlingswerke besonders „den großen lyrischen Reichthum der Sprache und die große Fülle geistreicher Sentenzen und lebenswarmer, echt poetischer Bilder“. Von Wien ausgewiesen, da der Auersperg’sche Kreis der Regierung unbequem wurde, schlug F.-R. nunmehr seinen Wohnsitz in Köln und Düsseldorf auf. Während dieser Zeit seines Aufenthaltes in den Rheinlanden beschäftigte er sich vorzugsweise mit der Sammlung von deutschen Dichtungen, Sagen u. s. w. in den verschiedensten Mundarten, und es entstand eine große Reihe sehr hübscher Volkslieder, die an verschiedenen Stellen, wie in den „Bellen-Tönen“ und in Erk’s deutschen Volksliedern zum Abdruck gelangten. Bis jetzt ist noch keine seiner eigenen Dichtungen in hochdeutscher, englischer, neugriechischer und anderen Sprachen erschienen, doch haben einzelne seiner deutschen Lieder, von Kücken u. a. in Musik gesetzt, wegen ihres volksthümlichen Charakters Beifall und weite Verbreitung gefunden, wie das Bundeslied „Was klingt durch Deutschlands Gaun und Kreise so wunderbar von Mund zu Mund“, „Der Steckbrief“, „Held Friedrich zog mit seinem Heer“, das Abschiedslied an Pet. v. Cornelius „Mächtig drängt es dich zum alten, theuern, deutschen Vaterland“ und viele andere. Auch eine dramatische Arbeit entstand in jener Zeit, das Lustspiel „Nach hundert Jahren oder die emancipirten Frauen“ nebst einem Vorspiel „Die Studentinnen“. Besonders war es Freiligrath, mit welchem F.-R. in diesen Jahren am Rhein viele Stunden fröhlichen Zusammenseins verbrachte.

Im J. 1839 wandte sich F.-R. nach Berlin, um hier seinen dauernden Aufenthalt zu nehmen. Hier veröffentlichte er zunächst die Τραγοίθια Ρωμαïκὰ, eine Sammlung neugriechischer Volksgesänge, im Original und metrischer [562] Uebersetzung, in Zusammenstellung mit den uns aufbewahrten altgriechischen Volksliedern (Berlin 1840; II. Theil 1867). Auch begann F.-R. in Berlin unter Mitwirkung vieler Gelehrten das Hauptwerk seines Lebens „Germaniens Völkerstimmen. Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volksliedern, Sprüchen u. s. w.“, ein wahres Nationalwerk, das in 3 Bänden von 1846–66 erschien und 1867 durch einen Nachtragsband vermehrt wurde. Der Herausgeber wünschte, wie er in der Einleitung zu den „Völkerstimmen“ selbst angibt, einen geistigen Vereinigungspunkt für alle germanischen Volksstämme hervorzurufen und zu einer Verbrüderung derselben beizutragen. Im J. 1851 regte F.-R. eine ähnliche Sammlung der Mundarten der französischen Sprache beim Kaiser Napoleon III. an.

F.-R. wurde 1860 zum Professor ernannt. Als 1861 der Oheim seiner Gattin, der um die Stadt Köln hochverdiente Millionär Richartz, der Erbauer des Kölner Museums, kinderlos starb, zog F.-R., als Erbe des ganzen Vermögens dieses, einer Testamentbestimmung zufolge in die rheinische Metropole und suchte die Cabinetsbewilligung des Königs nach, den Namen Richartz seinem eigenen zufügen zu dürfen. Im J. 1868 entzog eine schwere Krankheit ihn seiner wissenschaftlichen Thätigkeit und dem öffentlichen Leben. Ein schweres Gemüthsleiden hielt seinen reichen und schaffensfrohen Geist, volle 21 Jahre umnachtet. Am 10. Mai 1889 erlöste ihn in Potsdam der Tod; er wurde am 15. Mai in Poppelsdorf bei Bonn beerdigt.

Außer der schon mitgetheilten Ehrung der Ernennung zum Professor wurden ihm noch andere äußere Ehrungen zu theil. Er erhielt 1865 den rothen Adlerorden III. Classe mit der Schleife; drei Jahre vorher schon, 1862, hatte ihm der König von Baiern den Verdienstorden I. Classe vom hl. Michael verliehen, und gleichfalls war er Ritter des kaiserl. österreichischen Ordens der eisernen Krone geworden. Auch hatten ihm der Kaiser von Oesterreich und der König von Belgien je eine goldene Medaille als Anerkennung verliehen. F.-R. war Mitglied vieler wissenschaftlicher Vereine und war auch in politischer Hinsicht mehrfach thätig. Durch eifrige Wirksamkeit in der Presse stand er den Tagesfragen sehr nahe. Ganz besonders wirkte er für die Gründung einer Seeschifffahrts- und Handelsgesellschaft. Auch strebte er die Gründung eines Nationalvereins zum Schutze des Deutschthums an. Seine letzte gemeinnützige Thätigkeit galt dem Vereine des Rothen Kreuzes zur Pflege verwundeter Krieger, der sich im J. 1866 bildete, und für den F.-R. einen erfolgreichen Aufruf verfaßt hatte.

Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrh. IV. Ausg. Bd. I, S. 357. – Nachruf in der Kölnischen Volkszeitung Nr. 143 vom 26. Mai 1889.