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ADB:Fritsch, Thomas Freiherr von

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Artikel „Fritsch, Thomas Freiherr von“ von Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 110–116, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fritsch,_Thomas_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 12. Dezember 2024, 02:13 Uhr UTC)
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Fritsch: Thomas Freiherr von F. ist der Stammvater einer Familie, die das Glück hat in vier aufeinander folgenden Generationen hervorragende Staatsmänner zu den Ihrigen zu zählen, von denen der erste dem Kurfürstenthum Sachsen, die folgenden aber Weimar angehören. W. von Biedermann sagt deshalb von ihnen (Goethe’s Verkehr mit Gliedern des Hauses der Freiherrn und Grafen v. F., Leipzig, 1868): „Durch drei Geschlechtsalter hindurch waren die F. Weimars Dalberge, und wie deren Haus daher für die Staatengeschichte Bedeutung hat, so ist es ferner auch den Verehrern Goethe’s von Wichtigkeit, weil Letzterer den größten Theil seiner Angehörigen kannte, und mehreren geschäftlich und freundlich nahe stand.“ Thomas F., geb. am 26. Sept. 1700, war der einzige Sohn des zu seiner Zeit rühmlich bekannten Buchhändlers Thomas F. in Leipzig, und von diesem mit größter Sorgfalt erzogen. Durch tüchtigen Schulunterricht vorbereitet, hatte er den Universitätsstudien in seiner Vaterstadt obgelegen, wo damals besonders die juristische Facultät glänzend vertreten war. Schon in seinem 21. Jahre erregte er Aufmerksamkeit durch eine lateinische Dissertation über eine Frage des öffentlichen Rechts: „De jure Imperii in magnum Ducatum Etruriae“, die 1730 in zweiter, 1741 in dritter Auflage erschien. Mit Vorliebe widmete er sich nebenbei dem Studium der neueren Sprachen, trieb Gartenbaukunst und Landwirthschaft, und vervollkommnete seine Kenntnisse auf dreijährigen Reisen, die ihn bis 1724 durch den größten Theil von Deutschland, durch Frankreich, Holland und England führten. Nach seiner Rückkehr erhielt er in Dresden eine Anstellung im Geheimen Cabinet, begleitete im J. 1725 den nach Wien gesandten Marquis de Fleury als Legationssecretär, und übernahm nach dem Tode seines Vaters am 22. November 1726 auch noch die ererbte Verlagsbuchhandlung, ohne jedoch seine Stellung aufzugeben; diese Handlung verkaufte er später, 1741, an Gleditsch. Im J. 1727 zum Hof- und Justitienrath bei der Landesregierung ernannt, vermählte er sich am 28. Mai 1728 mit Sophie Winkler, aus einem angesehenen Leipziger Patriziergeschlechte, mit welcher er 47 Jahre in glücklicher, mit 7 Kindern gesegneter Ehe lebte. Durch ein Diplom Kaisers Karl VI. vom 30. März 1730 wurde er in den Adelstand erhoben und im J. 1732 zum Geheimen Referendar sowie zum Director des königlichen Münzcabinets ernannt. Zur Stärkung seiner angegriffenen Gesundheit und zur Heilung eines sehr bedenklichen Augenübels besuchte er in den J. 1735 und 1736 die Bäder von Aachen und Spaa und reiste auch nach Paris, um den berühmtesten Augenarzt damaliger Zeit, Dr. Gendron, zu consultiren. Obgleich nach seiner Rückkehr im Wesentlichen befreit von seinen Leiden, ward er dennoch durch zeitweilige Schwäche seiner Augen gezwungen, sich für längere Zeit von den Arbeiten im Geheimen Consilium und bei der Landesregierung dispensiren zu lassen; er behielt jedoch die Theilnahme an den Sitzungen dieser letzteren Behörde und benutzte seine Muße, um das Münzcabinet zu ordnen. Aber schon im J. 1737 ward er wieder nach Paris geschickt, um sich hier, unter dem Vorwande der Fortsetzung seiner Augenkur, im Geheimen über die politischen Verhältnisse und Projecte der nordischen Höfe zu unterrichten. Nachdem er durch den sächsischen Gesandten dem Cardinal Fleury vorgestellt worden war und dann seinen Auftrag bestens ausgeführt hatte, kehrte er im October nach Dresden zurück. Gegen Ende des Jahres 1740 ward der Palatin von Masovien, Graf Poniatowski, in außerordentlicher Mission wegen der österreichischen Successionsfrage nach Paris gesandt, doch wollte dieser sich dem schwierigen Geschäfte nicht unterziehen, wenn ihm nicht der inzwischen zum Geheimen Kriegsrath beförderte F. als Beistand mitgegeben würde. So begleitete er denn diesen Gesandten und hatte auf der Reise am 1. Januar 1741 eine Audienz bei dem Könige Stanislas Lescinzki in Lüneville, bei welcher Gelegenheit [111] dieser ihm seine geheimsten Gedanken über seine persönliche Stellung und Absichten eröffnete, und damit die freundlichsten Versicherungen für den König August II.[WS 1] verband, dem er eine lange und ruhige Regierung wünsche; „aber er kenne hinlänglich den Geist seiner Landsleute, um zu wissen, daß fort und fort Unzufriedene sich seines Namens bedienen würden, – doch möge man ihm vertrauen, er denke nicht an eine Rückkehr nach Polen und sei mit seiner gegenwärtigen Lage durchaus zufrieden.“ Die Aufgabe in Paris, bei der es sich hauptsächlich um die Kaiserwahl handelte, scheiterte an der Unentschlossenheit des Grafen Brühl und gestaltete sich daher in jeder Beziehung als unersprießlich und peinlich, weshalb F. sich eifrig bemühte seine Zurückberufung zu erwirken. Im Juni 1741 nach Dresden zurückgekehrt, übernahm er zwar Anfangs seine frühere Stellung wieder, trat jedoch bald darauf ganz aus dem Dienste in Folge eines Mißverhältnisses zu den damaligen Machthabern und zu der Brühl’schen Verwaltungsweise. Er ward dann sofort im Februar 1742 vom Kaiser Karl VII. als wirklicher Reichshofrath nach Frankfurt berufen; dieser Ernennung folgte sehr rasch, im Juni, die Erhebung in den Freiherrnstand. Nach dem Tode des Kaisers kehrte er nach Dresden zurück und ward im J. 1745 vom Kaiser Franz I. zum Reichspfennigmeister im ober- und niedersächsischen Kreise ernannt; auch erhielt er zu gleicher Zeit von seinem Landesherrn den Titel eines Geheimen Raths. Nachdem er früher im J. 1729 das Rittergut Seerhausen bei Riesa gekauft hatte, erwarb er später noch das Rittergut Zschochau und das Gut Mautitz, welchen Besitz er durch verständige Bewirtschaftung im Werthe sehr zu heben wußte. Er lebte nun abwechselnd in Dresden und in Seerhausen, mit der Verwaltung seiner Güter beschäftigt und in lebhaftem Verkehr mit allen bedeutenden Männern jener Zeit. In ununterbrochenen Beziehungen stand er zu Gellert, Hagedorn und Rabener, und ein feiner satyrischer Zug, der sich besonders in seiner intimen Correspondenz kundgibt, machte ihm namentlich den Letzteren sympathisch. Seiner immer regen Neigung für Wissenschaften und Künste entsprach er durch Anlegung einer ausgesuchten Bibliothek und einer zu ihrer Zeit berühmten Kupferstichsammlung. Er selbst auch widmete manche Stunde der Muße der Beschäftigung mit schriftstellerischen Arbeiten und veröffentlicht, jedoch anonym, ein Bändchen: „Zufällige Betrachtungen in der Einsamkeit“, welche in zweiter Auflage 1762 erschienen. Es sind Abhandlungen religiösen, philosophischen, staatsrechtlichen und national-ökonomischen Inhalts, welche durch die Gegenstände, die sie berühren, und durch den Geist, in dem sie abgefaßt sind, lebhaft an Mösers patriotische Phantasien erinnern. In dieser ruhig stillen Thätigkeit verlebte er zehn Jahre und wurde dann im September 1756 durch den Einmarsch des preußischen Heeres auf die empfindlichste Weise gestört, worauf dann Jahre der qualvollsten Kriegsleiden und der aufreibendsten Anstrengungen für ihn folgten; seine Güter wurden durch Contributionen ausgesogen und sein schönes Haus auf der Moritzstraße in Dresden beim Bombardement dieser Stadt gänzlich zerstört. Während des letzten Jahres dieses siebenjährigen Krieges hatte F. seine Beziehungen zur sächsischen Regierung wieder angeknüpft, indem er in einer Reihe von Briefen an den in Warschau sich aufhaltenden Grafen Brühl auf den verzweiflungsvollen Zustand der sächsischen Lande aufmerksam machte, und die Mittel und Maßregeln andeutete, die sofort nach dem möglichst bald abzuschließenden Frieden ergriffen werden müßten, um dem vollständigen Ruin desselben vorzubeugen. In Folge davon ward er im April 1762 zum Präsidenten einer Commission ernannt, welche nach seinen Vorschlägen alles vorzubereiten hatte, was nach dem dereinstigen Eintritt des Friedens nothwendig geschehen mußte. Sein bei dieser Gelegenheit bewiesener Eifer, seine große Umsicht und genaue Kenntniß aller Verhältnisse, sowie die [112] Erinnerung an vielfältige früher geleistete Dienste lenkte die Augen des Königs August II. und des Grafen Brühl auf ihn, als es sich im November desselben Jahres darum handelte, im Einverständniß mit Oesterreich die Unterhandlungen mit Friedrich II. zu eröffnen, die dann in unmittelbarer Folge zu den Friedensverhandlungen in Hubertusburg führten. Als sächsischer Bevollmächtigter wohnte er denselben bei und wußte die außerordentlich schwierige und ungünstige Stellung Sachsens, welches vom Wiener Hofe ohne alle Unterstützung gelassen wurde, durch seine Gewandtheit, Unermüdlichkeit und Charakterfestigkeit so vortheilhaft zu wenden, daß die Friedensbedingungen weit weniger nachtheilig sich gestalteten, als man von vornherein befürchtet hatte. Er ward hierauf noch in demselben Jahre, 1763, zum Wirklichen Geheimen Rath und Conferenzminister ernannt, und ihm das Departement der Kammer-, Commerz-, Münz- und Grenzsachen überwiesen. In dieser Stellung blieb er mit seiner gewohnten Lebhaftigkeit und geistigen Frische nach den verschiedensten Richtungen hin unter der kurzen Regierung des Kurfürsten Friedrich Christian und unter dem Kurfürsten Friedrich August III. bis an seinen Tod ununterbrochen thätig. Nachdem er noch im J. 1772 in Anerkennung seiner Verdienste den königlich polnischen Stanislaus- und den weißen Adler-Orden erhalten hatte, starb er am 1. December 1775 in Folge einer Verletzung des Schienbeins, die er sich durch einen zu raschen Sprung aus dem Wagen zugezogen hatte. (Vergl. Archiv für sächsische Geschichte, Band 9: Ein sächsischer Staatsmann des 18. Jahrhunderts, Thomas Freiherr von Fritsch. Dann: Der Hubertusburger Friede. Von Carl Freiherrn von Beaulieu-Marconnay. Leipzig 1871.) –

Jacob Friedrich F., ältester Sohn des Vorgenannten, geb. am 22. März 1731, erhielt mit seinen jüngeren Brüdern den ersten Unterricht im väterlichen Hause und empfing hier die Eindrücke, welche seine Richtung für das ganze Leben bestimmten; der Vater überwachte mit großer Strenge die Erziehung der Söhne und ließ sich von ihnen jeden Sonntag über die in der Woche gemachten Fortschritte genaue Rechnung ablegen. Von 1748 bis 1751 besuchte er die Universitäten Leipzig und Göttingen, und folgte dann einer Aufforderung des Grafen Heinrich von Bünau, der während der Vormundschaft über den minderjährigen Herzog Ernst August Constantin von Sachsen-Weimar Statthalter in Eisenach war, um sich unter dessen unmittelbarer Leitung zum Geschäftsleben vorzubereiten. Drei Jahre später, 1754, trat er als Legationsrath und Assessor bei der Landesregierung zu Eisenach in weimarische Dienste. Im J. 1756 ward er wirklicher Hofrath und Geheimer Referendar, in welcher Eigenschaft er den jungen Herzog zu seiner Vermählung nach Braunschweig begleitete. Dort lernte ihn die Herzogin Anna Amalie kennen und schätzen; ihr Vertrauen und ihre Freundschaft hat er sich seitdem in immer größerem Maße zu erwerben gewußt. Unter ihrer vormundschaftlichen Regierung, nach dem frühzeitigen Tode ihres Gemahls im J. 1758, ward er im October 1762 als Geheimer Legationsrath cum voto in das Geheime Consilium berufen; im Februar 1766 erhielt er den Titel Geheimer Rath und trat 1772 als Wirklicher Geheimer Rath an die Spitze des Ministeriums. Neben den Arbeiten, die ihm als Mitglied dieser höchsten Behörde zufielen, hatte er fortwährend noch andere Obliegenheiten zu erfüllen: er führte die Oberaufsicht über das Brand-Assecurations-Institut, das von ihm ins Leben gerufen worden war, war Director der Generalpolizei und Präsident der Kriegscommission. So war seine Stellung bei dem Regierungsantritt des Herzogs Carl August im September 1775. Dieser geniale und kräftige junge Fürst vermochte im Anfange nicht den bedächtigen Rathschlägen des erprobten und ernsten Dieners seiner Mutter das gewohnte Gehör zu schenken. Mit Vorliebe an dem Althergebrachten und zum Theil von ihm selbst Geschaffenen hängend, bekämpfte der Letztere freimüthig und offen manche [113] neue Anordnungen, die sein junger Herr rasch ins Werk zu setzen wünschte, und widerrieth namentlich mit großem Eifer die Anstellung Goethe’s im Geheimen Consilium. Als der Herzog trotzdem bei diesem seinem Lieblingswunsch beharrte, fühlte er sich zu der Bitte gedrängt, ihm unter Entlassung seiner Geschäfte als Minister lediglich das Präsidium der Landesregierung zu Weimar zu übertragen. Nach einem Briefwechsel, der beiden Theilen zur höchsten Ehre gereicht, wurde durch die Vermittelung der Herzogin Anna Amalia das alte Verhältniß bald wieder hergestellt und dem treuen Diener die verdiente Anerkennung zu Theil. Da nun auch der Erfolg manche von ihm damals ertheilte Rathschläge bewährte, befestigte er sich immer mehr in der nie verlorenen Achtung des Herzogs und wirkte unter demselben trotz der öfter hervortretenden Verschiedenheit der Ansichten und Charaktere eifrig und thätig noch 25 Jahre hindurch für das Land. Die höchsten Anforderungen an sich selbst stellend, sein ganzes Denken und Wirken den Interessen seines Fürstenhauses und des Landes widmend, verlangte er von Jedem, der im Dienste des Staates stand, dieselbe unermüdliche Leistungsfähigkeit, und war unverdrossen bemüht die in den Verhältnissen des kleinen Staates eingeführte Ordnung aufrecht zu erhalten und weiter auszubilden, alle Zustände zu regeln, die ständischen Gerechtsame zu erneuern, die Verwaltung zu vervollkommnen und alles Gemeinnützige eifrigst zu fördern. Die anstrengenden Arbeiten zogen ihm eine Schwäche der Augen zu, die sich gegen das Ende des Jahrhunderts so steigerte, daß er sich veranlaßt sah im Alter von 69 Jahren um seine Entlassung zu bitten, die er auch durch ein Dekret vom 31. März 1800 in den gnädigsten Ausdrücken und unter den ehrenvollsten Bedingungen erhielt. Bald darauf gänzlich erblindet, hatte er das Glück im Juni 1804 durch eine Operation des geschickten Augenarzts Dr. Pönitz zu Dresden sein Gesicht wieder zu erlangen. So war er wieder in den Stand gesetzt seinen ansehnlichen, mit großer Liebe gesammelten Bücherschatz, der aus mehr als 40,000 Bänden meist zur Geschichte gehöriger Werke bestand, in gewohnter Weise zu genießen. Seit dem Jahre 1767 verheirathet mit Johanna Sophie von Häseler, verlebte er an der Seite dieser treuen Gefährtin den Abend seines Lebens theils in Weimar, theils auf seinem Gute Seerhausen, den gewaltigen Ereignissen der Zeitgeschichte mit größtem Interesse folgend. Mit frohem Bewußtsein auf sein langjähriges Wirken zurücksehend und in frommer christlicher Gesinnung gefaßt und hoffnungsvoll dem letzten seiner Tage entgegensehend, starb er am 13. Jan. 1814 zu Weimar den sanften Tod des Alters und ward daselbst auf dem Kirchhofe zu St. Jakob beigesetzt. (Vergl. Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch. Von Carl Freiherrn von Beaulieu-Marconnay. Weimar 1874.)

Carl Wilhelm v. F., zweiter Sohn des Vorgenannten, ward geboren zu Weimar am 16. Juni 1769, machte seine Studien auf den Universitäten Jena und Leipzig und ward im October 1789 als Assessor bei der Landesregierung zu Weimar angestellt, wo er sich bald so bewährte, daß er bereits im März 1791 der Generaldirection des Polizeiwesens zugetheilt wurde und eine Stelle in der Almosendeputation zugewiesen erhielt. Die persönliche Aufmerksamkeit des Herzogs Carl August zog er bald hernach auf sich durch die Bearbeitung von Innungs-Verordnungen, die bisher unter dem strengsten Zunftzwang gestanden hatten, nun aber nach den Grundsätzen einer wohlverstandenen Gewerbefreiheit neu ins Leben traten. Seine Ernennung zum Regierungsrath folgte darauf im J. 1793. Angeregt durch den Umgang mit den großen Männern, welche zu jener Zeit in Weimar lebten, konnten besonders zwei Elemente der damaligen Gesellschaft nicht ohne Einwirkung auf ihn bleiben: die französischen Emigranten, deren Mehrzahl eine feine gesellige Bildung in das Exil mitbrachte, – und das Erziehungsinstitut für Engländer, Franzosen und Schweizer, welches [114] von 1797–1806 von dem frühern Präsidenten der Nationalversammlung in Paris, Mounier, in dem Schlosse Belvedere bei Weimar errichtet worden war. Mit dem Sohne dieses geistreichen und charaktervollen Mannes, der später ein vertrauter Cabinetssecretär Napoleons I., zuletzt ein bedeutendes Mitglied der französischen Pairskammer wurde, gestaltete sich ein freundschaftliches Verhältniß, das durch brieflichen Verkehr bis zum Tode des Letzteren fortgeführt ward. Dies mag dazu beigetragen haben, daß er im J. 1802 zum Commissar für die Untersuchung und Schlichtung der bei diesem Institut etwa vorkommenden kleinen Vergehen und Streitigkeiten ernannt ward. Eine treffliche Bildungsschule ward besonders für den jungen Mann der Wittwensitz der Herzogin Anna Amalia in Tieffurt und der geistreiche Cirkel, der die Fürstin dort umgab. Es trug diese Anregung besonderes dazu bei, sein poetisches Talent immer mehr auszubilden, dessen damalige Leistungen freilich nur in mehreren literarischen Blättern zerstreut vorhanden sind und dessen reifere Erzeugnisse sich als Manuscripte mehrerer Trauerspiele im Familien-Archiv vorfinden. Auch begründete die Aufnahme in den Tieffurter Kreis sein späteres Familienglück, da er sich im J. 1803 mit der Hofdame der Herzogin Anna Amalia, Fräulein Henriette Wolffskeel von Reichenberg, vermählte. Die ununterbrochen fortdauernden Kriegsjahre nahmen seine ganze Thätigkeit in Anspruch, da ihm vorzugsweise die Militär-Angelegenheiten übertragen waren; sehr verdient machte er sich während der Schreckenszeit, die nach der Schlacht von Jena im J. 1806 über Weimar hereinbrach. Auch später gelang es ihm durch kluge Verhandlungen mit den requirirenden französischen Behörden deren Anforderungen möglichst zu beschränken. In Anerkennung seiner Leistungen ward er im J. 1807 zum Präsidenten des neu organisirten Landespolizei-Collegiums ernannt, und trotz seiner vielfachen Geschäfte veröffentlichte er damals eine Schrift: „Erinnerungen des Enkels an Betrachtungen des Großvaters“ (Weimar 1810), welche manche treffliche Gedanken über Staatsorganisation enthalten. Vom 1. Januar 1811 an wurde er zu den Sitzungen des Geheimen Conseils gezogen und im April 1815 zum Wirklichen Geheimen Rath ernannt, als welcher er die Uebernahme und Uebergabe derjenigen Landestheile und Ortschaften, welche in Folge des Pariser Friedens und der Staatsverträge mit der Krone Preußen gegenseitig abgetreten wurden, auszuführen hatte. Nach der Errichtung des Staatsministeriums ward er zum Staatsminister am 12. December 1815 ernannt. Als solchem waren ihm anfangs die Justiz-, Lehns- und Hoheitssachen, die Landesverwaltungs-, Polizei-, landschaftlichen und Steuer-Geschäfte nebst den Militär-Angelegenheiten anvertraut, doch vertauschte er die letzteren später mit den Kirchen- und Schulsachen, und erhielt nach dem Ableben des Staatsministers von Voigt auch noch das Departement des großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten. Gleichzeitig ward ihm die Würde eines Kanzlers des Hausordens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken zu Theil, nachdem er bereits unter dem 30. Januar 1816 das Großkreuz erhalten hatte. Im unmittelbaren Auftrag des Großherzogs Carl August nahm er 1819 Theil an den Minister-Conferenzen in Karlsbad, sowie an den hierauf folgenden Conferenzen in Wien im J. 1820, wo er neben den speciellen Verhandlungen mit großem Eifer sich angelegen sein ließ einen Handelsvertrag mit Baden und Nassau zu Stande zu bringen, der freilich ebensowenig unmittelbaren Nutzen gewährte wie der im J. 1828 eifrig geförderte mitteldeutsche Handelsverein. Nach dem Tode des Großherzogs Carl August ward ihm von dessen Nachfolger dasselbe Vertrauen zu Theil und als im Winter 1833/34 wiederum eine Minister-Conferenz zu Wien stattfand, hatte er dort das ganze Sachsen-Ernestinische Haus zu vertreten. Im Genusse allgemeiner Achtung und Anerkennung führte er die Geschäfte bis zum Herbst 1843 [115] fort, war dann aber durch zunehmende Schwäche seiner Augen gezwungen sich zurückzuziehen. In der so gewonnenen Muße sich mit neuer Wärme dem ihm verliehenen poetischen Talente hingebend, verlebte er die letzten Jahre abwechselnd in Weimar und auf den Gütern Goddula und Seerhausen und starb am 16. October 1850 zu Weimar, wo er in der Familiengruft auf dem neuen Friedhofe beigesetzt wurde.

Ludwig, dritter Sohn des Ministers Jakob Friedrich F., ward am 2. April 1772 in Weimar geboren und verließ frühzeitig das elterliche Haus, um als Standartenjunker in das preußische Kürassierregiment von Rohr zu Aschersleben einzutreten; als solcher machte er im J. 1787 den Feldzug nach Holland mit. Das Regiment erhielt dann den Herzog Carl August von Sachsen-Weimar zum Chef; Ludwig ward 1789 zum Kornet und 1792 zum Lieutenant ernannt. Beim Beginne des in diesem Jahre stattfindenden Feldzugs in die Champagne traf ihn als jüngsten Officier das Loos, nach Trier commandirt zu werden, um für Nachschaffung von Lebensmitteln zu sorgen und Polizei unter den zahlreich daselbst versammelten Emigranten zu halten. Was ihm das größte Unglück erschien, sollte zu seinem Glücke werden. Die französische Besatzung von Saarlouis benutzte nämlich die Entfernung der preußischen Armee zu häufigen Streifungen in die Umgegend, diese plündernd und brandschatzend. Um dem zu steuern wurde Ludwig zur Unterstützung eines Kurtrierischen Commando’s von 200 Mann Infanterie mit einem kleinen Cavallerie-Commando von Trier nach Merzig detachirt. Von diesem Orte aus machte er am 15. Sept. eine Patrouille mit einem Unterofficier und 10 Mann und stieß unvermuthet bei einer Wendung des Wegs auf einen feindlichen Vortrab von 60 Pferden. Sie sehen und mit Geschrei auf sie einsprengen war eins – und er hatte das Glück den Feind bis auf seine Infanterie zurückzuwerfen, vor deren Gewehrfeuer er sich dann zurückziehen mußte; doch war das Resultat, daß die Franzosen, durch den kühnen Angriff stutzig gemacht, sich über die Saar zurückzogen. Diese That verschaffte ihm den Orden pour le mérite, und die Auszeichnung, daß Goethe derselben in seiner Geschichte des Feldzugs ehrenvoll gedenkt (Goethe’s Werke, Bd. 30, S. 7 u. 153). Er nahm dann weiter Theil an der Belagerung von Mainz, ward nach der Schlacht von Pirmasenz Adjutant des Herzogs Carl August und wohnte als solcher der Eroberung der Weißenburger Linien und der Schlacht von Moorlanden bei. Als der Herzog im J. 1794 den Dienst verließ, empfing er von demselben seinen Degen und ein Pferd zum Geschenk und ward der Suite des Erbprinzen von Hohenlohe zugetheilt. Nach dem Baseler Frieden folgte er diesem nach Anspach und ward zum Rittmeister ernannt. Im J. 1796 zum Dragonerregiment von Wyß nach Sagan versetzt, benutzte er seine freie Zeit zu umfassenden Terrainstudien, ward 1798 wieder seinem früheren Regimente zugetheilt und lebte bis zum Jahre 1806 in Aschersleben. Beim Beginn des Krieges erhielt er wieder den Befehl, in Halle zurückzubleiben, um die dort befindlichen Depots von vier Cavallerieregimentern zu commandiren – und auch dieses Mal gereichte die anscheinende Zurücksetzung zu seinem Vortheil: sein Regiment, welches sich bei Auerstädt sehr brav gehalten, ward in die allgemeine Flucht der Armee verwickelt und verlor viele Officiere; Ludwig vereinigte sich nebst seinen Leuten mit dem Reste desselben bei Magdeburg, – und als bei Prenzlau das Hohenlohe’sche Corps kapitulirte, vermochte er es nicht über sich, solche Schmach zu theilen; mit einer Schaar von 80 Reitern und der Standarte schlug er sich glücklich durch die feindlichen Linien und gelangte bis zum König, der ihn sofort zum Major ernannte. Er blieb nun bei der Armee in Preußen und erhielt das lästige Geschäft der Küstenbewachung. Die mannigfachen Beschwerden desselben, der tiefe Schmerz über das Loos der Armee zerrütteten seine [116] schon geschwächte Gesundheit und mit überraschender Schnelligkeit bildete sich sein Uebel zur förmlichen Wassersucht aus, der er am 28. October 1808 erlag. In Gumbinnen, wo er von Freundeshand gepflegt worden war, ruht er auf dem Kirchhofe.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist offenbar König August III. bzw. Kurfürst Friedrich August II.