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ADB:Gildemeister, Johannes Gustav

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Artikel „Gildemeister, Johannes Gustav“ von Hermann Jacobi in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 354–359, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gildemeister,_Johannes_Gustav&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 01:53 Uhr UTC)
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Band 49 (1904), S. 354–359 (Quelle).
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Gildemeister: Johannes Gustav G., Orientalist, geboren am 20. Juli 1812 auf dem Gute Klein Siemen in Mecklenburg. Der bekannten Bremer Patricierfamilie angehörig, galt ihm Bremen als Vaterstadt. Nachdem er das dortige Gymnasium absolvirt hatte, wurde er von Pastor F. A. Krummacher, einstigem Professor der biblischen Exegese an der aufgehobenen Universität Duisburg, im Hebräischen unterrichtet. Dann bezog er 1832 die Universität Göttingen, um Theologie und besonders orientalische Sprachen unter Ewald zu studiren, wobei er sich auch gründlich in verwandten Disciplinen umsah und so die Grundlage zu der erstaunlichen Vielseitigkeit seines philologisch-historischen Wissens legte. Diese Studien setzte er in Bonn, 1834–36, fort, wo A. W. v. Schlegel und Ch. Lassen seine Lehrer im Sanskrit und Eranischen, Freytag im Semitischen waren, und promovirte daselbst 8. September 1838 mit seiner Dissertation: de rebus Indiae, quo modo in Arabum notitiam venerint, einem Theile seiner Schrift: „Scriptorum Arabum de rebus Indicis loci et opuscula inedita, fasciculus primus“, Bonn 1838. Nach einer Studienreise, die ihn nach Leyden und Paris führte, habilitirte er sich in der philosophischen Facultät zu Bonn für orientalische Sprachen und las während der folgenden fünf Jahre über Sanskrit, orientalische Sprachen und Exegese des Alten Testamentes. Seine ersten wissenschaftlichen Arbeiten bezogen sich auf die indische Philologie, und zwar erschien zunächst „Die falsche Sanscritphilologie an dem Beispiel des Herrn Dr. Hoefer in Berlin aufgezeigt“, Bonn 1840, worin er einen leichtfertigen Angriff Hoefer’s auf Lassen mit großer Schärfe und beißendem Spott zurückwies. Es folgte eine Ausgabe des Meghadūta mit Glossar: „Kalidasae Meghaduta et Çringaratilaka“, Bonn 1841, ein wichtiges Hülfsmittel für das damals der Hülfsmittel noch so sehr ermangelnde Sanskritstudium. In diesem Zeitraum wurde begonnen, wenn auch erst später veröffentlicht: „Bibliothecae Sanskritae sive recensus librorum Sanskritorum hucusque typis vel lapide exscriptorum critici specimen“, Bonn 1847. Ueber seine Betheiligung an der bremischen Kirchenfehde wird weiter unten die Rede sein. Während also G. für eine hervorragende Stellung unter den Orientalisten bestimmt zu sein schien, weshalb er auch 1844 zum außerordentlichen Professor ernannt wurde, trat ein Ereigniß ein, das auf seine Entwicklung einen großen Einfluß hatte und ihr zunächst eine andere Wendung gab: die Ausstellung des sogenannten heiligen Rockes zu Trier im Sommer 1844. Die kritiklose Beurtheilung, welche damals dies „sonderbare Schauspiel“ fand, veranlaßte G., öffentlich den streng historischen Beweis der Unechtheit des heiligen Rockes zu führen, von der ihn schon der Augenschein überzeugt hatte. So verfaßte er zusammen mit Professor v. Sybel (dem übrigens nur ein Viertel des Ganzen angehört), die Schrift „Der Heilige Rock zu Trier und [355] die zwanzig andern Heiligen Ungenähten Röcke“, Düsseldorf 1844. Diese Schrift, deren erste Auflage von 3000 Exemplaren in einem Monate vergriffen war, rief eine Anzahl Gegenschriften von katholischer Seite hervor, so daß sich die Verfasser der ersteren genöthigt sahen, ihr einen zweiten Theil nachfolgen zu lassen, der in drei Heften unter dem bezeichnenden Titel erschien: „Die Advokaten des Trierer Rockes zur Ruhe verwiesen“, Düsseldorf 1845. Das erste Heft und ein Theil des dritten sind von G. verfaßt. Der Streit über die Echtheit des Trierer Rockes erregte weit über die Rheinlande hinaus ein ungeheures Aufsehen; er war die directe Veranlassung, daß der Kurfürst von Hessen beide Verfasser der famosen Schrift an die Universität Marburg berufen ließ und zwar G. als Professor an die theologische Facultät, 1845. Mit diesem Amte verband G. von 1848 an das des Oberbibliothekars. In diese Jahre (1852) fiel auch seine Verheirathung mit seiner Cousine Johanna Gildemeister. – Bald sollte er in neue confessionelle Streitigkeiten verwickelt werden. Eine Partei, deren Leiter der Consistorialrath Vilmar war, ging darauf aus, die hessische Kirche, deren reformirten Charakter jene bestritt, in die Bahnen des strengen Lutherthums zu führen. Es wurde daher über die historische Frage ein Gutachten von der theologischen Facultät eingefordert, das in deren Auftrag von G. abgefaßt (ohne Nennung seines Namens) im Druck erschien unter dem Titel: „Gutachten der theologischen Facultät zu Marburg über die hessische Katechismus- und Bekenntnisfrage“, Marburg 1855. Die Entscheidung fiel zu Ungunsten der lutheranisirenden Partei aus, die nun mit einer Reihe zorniger Gegenschriften antwortete und in einem anonymen Flugblatte, als dessen Verfasser später Vilmar nachgewiesen wurde, die Facultät verdächtigte, die lutherische Kirche geschmäht zu haben. Die Facultät sah sich daher veranlaßt, eine Anklage gegen Vilmar wegen Amtsehrenbeleidigung zu stellen. Ein der Anklageschrift beigelegtes Promemoria erschien unter dem Titel: „Zur vorläufigen Abweisung einiger Mißdeutungen“, Marburg 1858 und ist in dem gleich zu nennenden Bericht Gildemeister’s wieder abgedruckt. Vilmar antwortete in einer Schrift: „Das lutherische Bekenntnis in Oberhessen und das Gutachten der theologischen Facultät zu Marburg über die hessische Bekenntnis- und Katechismusfrage. Zur einstweiligen Verständigung“, Marburg 1858, worauf G. in seiner Schrift: „Das Gutachten der theologischen Facultät zu Marburg über die hessische Bekenntnisfrage und seine Bestreiter. Entgegnung“, Frankfurt a. M. 1859, alle Einwürfe entgültig widerlegte. Mittlerweile wurde auch der schwebende Proceß und zwar gegen Vilmar entschieden, worüber der „Bericht von Gildemeister“ veröffentlicht wurde: „Die Injurienklage der theologischen Facultät zu Marburg gegen den Consistorialrath Vilmar“, Frankfurt a. M. 1859. So hatte G. seine Sache siegreich durchgefochten. Er verdankte seinen Erfolg, der in allen seinen Polemiken stets der gleiche blieb, nicht so sehr einer gewandten und pikanten Dialektik, in der er ein Meister war, als vielmehr dem allseitigen und sorgfältigen Studium der strittigen Angelegenheit, in der er nicht Partei ergriff, wenn er nicht selbst von der vollständigen Richtigkeit und Gerechtigkeit seiner Sache überzeugt war. Er selbst spricht sich darüber in den gleich zu nennenden „Beiträgen“ S. 91 folgendermaßen aus: „Da ich mir jedoch die möglichste Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit zum Gesetz mache und nie die Mühe scheue, auch der geringsten Kleinigkeit wegen, falls sie mir nicht deutlich ist, längere Studien zu machen, so kommt man bei mir nicht weit, wenn man bloß in den Tag hineinredet und ohne Beweis, ja ohne Sachkenntniß durch nackte Behauptungen aus Weiß Schwarz machen will. Mit dem bösen Willen ist es nicht genug, man muß auch das Zeug dazu haben“. Durch eine Replik verschlimmerte der Gegner seine [356] Niederlage. Gildemeister’s erster Angriff vernichtete die Sache, sein zweiter die Person des Gegners. So war es schon bei seiner ersten Polemik, bei Gelegenheit der bremischen Kirchenfehde. Es handelte sich zwar dabei nicht um ein so bedeutendes Zeitereigniß, wie in den beiden eben besprochenen Kämpfen, aber doch um eine principiell wichtige theologische Frage, die Unrichtigkeit der rationalistischen Auslegung des ἀνάϑεμα, Gal. 1, 8, als Bann statt Fluch. G. bewies dieselbe in seiner Schrift: „Blendwerke des vulgaren Rationalismus zur Beseitigung des Paulinischen Anathema“, Bremen 1841, in der er im Zusammenhang mit der vorliegenden Frage das Anathem des Alten Testamentes, die rabbinische Excommunication und die Geschichte der Auslegung quellenmäßig darlegte. Als die Gegner nun über ihn herfielen, that er sie definitiv ab in den „Beiträgen zu dem Bremischen Magazin der Herren Paniel, Weber und Paulus. Nebst einem kritischen Excurs über Paniels Geschichte der christlichen Beredsamkeit“, Bremen 1842. Denselben typischen Verlauf nahm auch seine letzte Fehde; in der Brochüre: „Ueber die an der königl. preußischen Universität Bonn entdeckten neuen Fragmente des Macarius“, Bonn 1866, wies er nach, daß die von Professor Floß herausgegebenen angeblich neuen Fragmente des Macarius nicht zwei, sondern nur ein Stück, und zwar nicht des Macarius, sondern des Ephraem und zudem schon wenigstens siebenzehn Mal herausgegeben seien. Auch hier suchte der Angegriffene den Schein zu retten, zog sich aber dadurch eine beschämende Abfertigung zu, die ihm G. durch sein „Zweites Wort“ „Ueber die in Bonn entdeckten neuen Fragmente des Macarius“, Elberfeld 1867, ertheilte.

Es nimmt also, wie wir eben gesehen haben, die Polemik einen großen Raum in Gildemeister’s litterarischer Thätigkeit ein; doch trieb ihn dazu nicht Streitsucht oder Rechthaberei, sondern seine Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe, die jede Entstellung der Wahrheit empörte, weshalb er, was er mehrfach ausspricht, die Klarlegung eines aus parteilicher Absicht oder anmaßendem Unvermögen des Autors verdunkelten Thatbestandes als Pflicht empfand, wenn der betreffende Gegenstand in den Kreis der von ihm vertretenen Wissenschaften fiel. Die Rolle des Schiedsrichters fiel ihm von selbst zu bei dem Umfang und der Genauigkeit seines Wissens und bei der Gewandtheit, mit der er den litterarischen Apparat zur Feststellung des erreichbaren Thatbestandes handhabte. Daher bedurfte es auch nur einer ernstgemeinten Anfrage, um ihn zu eingehender Untersuchung des fraglichen Punktes zu veranlassen; durch seine Auskunft auf allen Gebieten der von ihm vertretenen Disciplinen hat er so Forscher und Forschung in einem Maaße gefördert, das nur die Betheiligten vollständig erkennen und würdigen konnten. Aber die hervorgehobene Veranlagung und Neigung Gildemeister’s war auch wol der Grund dafür, daß er trotz seiner großen Arbeitskraft und Arbeitsamkeit kein eigentliches Lebenswerk, an das er sein ganzes Wissen und Können gesetzt hätte, hinterlassen hat. Die Vielseitigkeit seiner wissenschaftlichen Interessen stand der für eine großartige Leistung nothwendigen Beschränkung und Concentrierung hindernd im Wege. Zu den genannten inneren Gründen kam die Mannichfaltigkeit seiner Thätigkeit: in Marburg war er Professor der Theologie und der orientalischen Sprachen und außerdem während eines Decenniums Oberbibliothekar, welches Amt zwar Gildemeister’s Neigung sehr entsprach, aber an seinen Träger große Anforderungen an Zeit und Kraft stellt. Er war schon 47 Jahre alt, als in diesen äußeren Verhältnissen eine Aenderung eintrat. Als nämlich 1859 die Professur für orientalische Sprachen und Litteratur in Bonn durch Rücktritt Freytag’s erledigt war, wurde G. als dessen Nachfolger berufen. Die letzten dreißig Jahre seines Lebens gehörte er der Bonner Universität an, der er treu [357] blieb trotz eines Rufes nach Halle und einer Anfrage nach Berlin. So lange Lassen die Sanskrit-Professur innehatte, aber wegen zunehmender körperlicher Leiden seine Lehrthätigkeit immer mehr einschränken mußte, las G. auch über Sanskrit und vergleichende Grammatik. Den Bedürfnissen des Sanskritunterrichtes entgegenkommend, arbeitete er Lassen’s Anthologia Sanscritica um, 1865; von dieser Umarbeitung erschien schon 1868 die zweite Auflage. Aber die schnellen Fortschritte der Sanskritstudien machten es ihm unmöglich, ihnen in ihrem vollen Umfange zu folgen. Als daher 1875 Th. Aufrecht zum Nachfolger Lassen’s ernannt wurde, beschränkte er sich in seinen Vorlesungen auf die eigentlich orientalische Philologie (semitische Sprachen und Persisch). Er hat gerade 100 Semester docirt; allmählich sich einstellende Gebrechen veranlaßten ihn, im Herbst 1889 seine Lehrthätigkeit einzustellen. Seine geistige Frische verblieb ihm aber bis zu seinem Tode, der am 11. März 1890 eintrat.

Betrachten wir Gildemeister’s litterarische Thätigkeit, die zu einem Theile, so weit seine Polemik und seine sanskritischen Arbeiten in Betracht kommen, schon im Vorhergehenden geschildert ist, und zum anderen Theile im Folgenden dargelegt werden soll, so spiegelt sich in ihr eine ausgeprägte wissenschaftliche Persönlichkeit ab, die bei den Fachgenossen unbedingte Anerkennung fand. Bei einem Umfange des Wissens, wie er nur Wenigen nachgerühmt werden kann, kennzeichnen ihn sein Sinn für das Thatsächliche, sichere Kritik, unbeirrte Wahrheitsliebe und strengste Gewissenhaftigkeit im Benutzen aller erreichbaren Hülfsmittel zur Lösung des gerade in Frage stehenden Problems. Seine Arbeiten, die gewöhnlich von mäßigem Umfang und sehr speciellem Inhalt sind, waren daher meist für ihre Zeit abschließend, für die Folge sichere Grundlagen der Forschung und immer Muster von Akribie und philologischer Methode. Gerne griff er Probleme an, die auf dem Grenzgebiet zweier philologischen Disciplinen liegend, die Beherrschung beider zur Voraussetzung ihrer Lösung haben, derart sind: „De evangeliis in Arabicum e simplici Syriaca l. translatis“, Bonn 1854; „Sexti sententiarum recensiones Latinam Graecam Syriacas conjunctim exhibuit J. G.“, Bonn 1873; „Bruchstücke eines rabbinischen Hiob-Commentars“ (als Ms. gedruckt 1874); „Esdrae liber quartus Arabice“, Bonn 1877; „Acta S. Pelagiae Syriace et Latine“, Bonn 1879; „Themistios περì ἀρετῆς, Pseudo Plutarchos περὶ ἀσκήσεως“ (beides im Rheinischen Museum N. F. Bd. 27), seine theilweise Behandlung der punischen Verse im Poenulus (rec. Goetz et Loewe); „Zur Etymologie altpersischer Wörter im Semitischen“, in der Zeitschr. f. d. Kunde des Morgenlandes Bd. 6; „Dreisprachische Inschrift von Sardinien“, Bonn 1864 und einige kleinere Artikel in der Zeitschrift der Deutschen Morgenl. Gesellschaft (Bd. 6, 30, 40). Hierhin dürfen wir auch noch rechnen seine Beiträge in v. d. Linde’s Geschichte des Schachspiels und seine Recension dieses Werkes in Z. D. M. G. Bd. 28, sowie die „Orientalische Litteratur über die Entdeckung Amerikas“ im Centralblatt für Bibliothekswesen, Bd. 5. Eine Reihe von anderen Arbeiten entsprangen seinem Interesse für Palästinakunde; es sind folgende: „Theodosius de situ terrae sanctae im ächten Text und der Breviarius de Hierosolyma vervollständigt“, Bonn 1882; „Antonini Placentini itinerarium im unentstellten Text mit deutscher Uebersetzung“, Berlin 1889; „Beiträge zur Palästinakunde aus arabischen Quellen“ (Zeitschr. d. Deutsch. Palästinavereins, Bd. 4 ff.); „Die arabischen Nachrichten zur Geschichte der Harambauten“, ib. Bd. 13; „Des ‘Abd al-ghanî al nâbulusî Reise von Damaskus nach Jerusalem“, Z. D. M. G., Bd. 34. Seiner bibliographischen Neigung verdanken ihren Ursprung außer dem schon genannten „Bibliothecae Sanscritae Specimen“ der „Catalogus librorum manuscriptorum Orientalium in Bibliotheca academica Bonnensi servatorum“, [358] Bonn 1864–74, seine Recension von Steinschneider’s Bibliographischem Handbuch, Z. D. M. G. Bd. 14 und seine „Antwort, hebräische sogenannte Bibliographie betreffend“ (Beilage zu Bd. 16). Endlich sei noch erwähnt, daß er eine große Reihe von Artikeln und Recensionen sowol in den schon genannten Zeitschriften, als auch in: Orient und Occident, Göttingische Gelehrte Anzeigen, Historische Zeitschrift, Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinland, Jenaer Litteraturzeitung, Literarisches Centralblatt veröffentlicht hat.

Ebenso vielseitig wie seine litterarische war auch seine Lehrthätigkeit und durch dieselbe Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit ausgezeichnet. Er kündigte außer systematischen Vorlesungen stets Interpretatoria über indische, arabische, syrische, aethiopische, persische Schriftsteller an und hielt dieselben, wenn auch nur ein Lernbegieriger sich einfand. Sein Streben war dann darauf gerichtet, seinen Schüler zum genauen Uebersetzen und vollen Verständniß des Schriftstellers anzuleiten, ihm die exacte philologische Methode beizubringen, die eine charakteristische Eigenschaft der Bonner Schule geworden ist.

G. war jedoch nicht ausschließlich Gelehrter, er bewies vielmehr auch in allen geschäftlichen Dingen einen sehr praktischen Sinn. Dadurch eignete er sich vorzüglich zum Bibliothekar. Sein ehemaliger Schüler, der nachmalige Hallenser Oberbibliothekar Hartwig schildert ihn in dieser Beziehung folgendermaßen: „Es steckte in ihm von Haus aus ein durchaus praktischer, nüchterner Sinn, der ihm jede Thätigkeit an der Bibliothek erleichterte. Er schrieb die gewandtesten kaufmännischen Geschäftsbriefe in verschiedenen modernen Sprachen, kannte die besten und billigsten Bezugsquellen für Bücher und besaß ein ungewöhnliches organisatorisches Talent in allen bibliothekswissenschaftlichen Fragen. Sein Interesse an diesen Dingen hat sich auch bis in seine letzten Tage erhalten, als er schon längst nicht mehr an einer Bibliothek angestellt war. So hat er für die Bonner Universitätsbibliothek z. B. einen systematischen Katalog von einer sehr umfangreichen und werthvollen Sammlung ihm nichts weniger als sympathischer, jüdisch-talmudistischer Schriften ausgearbeitet, weil der damalige rabbinisch gebildete Oberbibliothekar daran verzweifelte, Ordnung in diese verzwickte Litteratur zu bringen und sich mit einem alphabetischen Kataloge behelfen wollte“ (Centralblatt für Bibliothekswesen Bd. 7). Gildemeister’s praktische Begabung und Sicherheit in der Behandlung aller geschäftlichen Dinge machten ihn zum Berather und bei sachlichen oder persönlichen Differenzen zum Schiedsrichter in allen Vereinen, denen er angehörte, namentlich der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft und dem Deutschen Verein zur Erforschung Palästinas, zu deren Gründern und Ehrenmitgliedern er gehörte. Auch dem öffentlichen Leben brachte er ein lebhaftes Interesse entgegen; dabei scheinen aber die politischen Anschauungen, die er in seiner Vaterstadt, der freien Stadt Bremen, gewonnen hatte, von nachhaltiger Wirkung für sein ganzes Leben geworden zu sein, so daß er für die Verhältnisse der anderen Staaten, den er später angehörte, nur eine ablehnende Kritik übrig hatte. Er gehörte daher den Reihen der Opposition an, auch dann noch, als die glückliche Wendung der Dinge die meisten früheren Gegner ausgesöhnt hatte.

G. war von großer, hagerer Figur, etwas gebeugter Haltung. Im Verkehr war er reservirt und freundlich, im Freundeskreis heiter und ein interessanter Gesellschafter. Er hatte ein warmes Herz und eine offene Hand für Hülfsbedürftige, seinen Schülern und strebsamen Anfängern war er ein väterlicher Freund und Rathgeber.

Nekrologe erschienen außer in den Tageszeitungen in der Chronik der Universität Bonn für 1889/90, im Centralblatt für Bibliothekswesen Bd. 7 [359] (von O. Hartwig und von A. Müller), in der Zeitschrift d. Palästinavereins Bd. 13 (von H. Guthe[WS 1]).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hermann Guthe (1849–1936), ao. Professor für Altes Testament in Leipzig.