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ADB:Giselher

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Artikel „Gisilher“ von Harry Breßlau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 200–202, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Giselher&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 03:54 Uhr UTC)
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Gisilher, Bischof von Merseburg, später Erzbischof von Magdeburg, † am 25. Januar 1004, ein Mann von edler Herkunft und großer Begabung, aber von schrankenlosem Ehrgeiz, war, nachdem er seine Bildung im St. Moritzkloster zu Magdeburg erhalten hatte, von Otto I., der die Mönche dieser seiner Lieblingsstiftung besonders begünstigte, in die königliche Kapelle aufgenommen worden und wurde, nachdem am 1. Nov. 970 Boso, der erste Bischof von Merseburg, gestorben war, von Otto auf die Fürbitte des Bischofs Anno von Worms, der bis 950 dem St. Moritzkloster vorgestanden hatte, auf den bischöflichen Stuhl von Merseburg befördert. Im Juni oder im Juli 971 erhielt er vom Erzbischof Adalbert von Magdeburg in dessen Hauptstadt die Weihe. Unter der Regierung Otto’s II. gewann er nicht unbedeutenden Einfluß auf die Reichsregierung, da er sich der besonderen Gunst dieses jugendlichen Fürsten zu erfreuen hatte. Er verdankte derselben reiche Gaben für sein Bisthum: die Abtei zu Pölde, Hoheitsrechte, Markt und Münze innerhalb der Ringmauer von Merseburg sammt den dortigen Juden, die königliche Stadt Zwenkau mit ihren Forsten und allem Zubehör (974), einen Forst zwischen Saale und Mulde in den Gauen Siusili und Plisni (974), die Ortschaften Eutra (979), Kohren, Pötschau, Nercha, Gautsch u. a. m. Allein G. war mit dieser Vergrößerung der Güter seines doch immer noch unbedeutenden Bisthums nicht zufrieden, sondern hatte sich ein höheres Ziel gesteckt. Im J. 981 befand er sich im Gefolge des Kaisers in Italien, als die Nachricht von dem am 20. Juni 981 erfolgten Tode des Erzbischofs Adalbert von Magdeburg dorthin gelangte. Noch am 19. November 979 hatte Otto dem Magdeburger Clerus das freie Recht der Wahl seines Erzbischofs zugestanden, und dieser verfehlte nicht bei dieser ersten Gelegenheit davon Gebrauch zu machen. Die Wahl fiel auf Otrich, den Vorsteher der Magdeburger Domschule, der als einer der ersten Gelehrten seiner Zeit galt und selbst mit dem hochberühmten Gerbert von Reims wetteifern konnte. Auch Otrich befand sich, wahrscheinlich seit 979, am kaiserlichen Hofe, da er mit dem Erzbischof Adalbert nicht in gutem Einvernehmen gestanden hatte; der letztere soll noch vor seinem Ende prophezeit haben, daß Otrich, dessen großen Einfluß bei dem wahlberechtigten Clerus er wohl kannte, nie sein Nachfolger werden würde. Als nun die Magdeburgischen Gesandten, welche die Bestätigung des Kaisers für ihre Wahl nachsuchen sollten, nach Italien kamen, wandten sie sich zunächst an G. und ersuchten ihn um seine Fürsprache bei Otto. Wie etwas später Thietmar von Merseburg erzählt, dessen Bericht über diese Angelegenheit freilich nicht ganz ohne Vorsicht aufgenommen werden darf, soll G. den Magdeburgern das Versprechen gegeben haben, ihre Bitte zu erfüllen: ist das der Fall gewesen, so hat er sie schmählich getäuscht. In einer Unterredung, die er alsbald bei Otto nachsuchte, bat er diesen fußfällig, ihm zum Lohn für seine treuen und langjährigen Dienste das erledigte Erzbisthum zu verleihen und empfing in der That die Gewährung seines Wunsches; den vor der Thüre des kaiserlichen Gemaches harrenden Magdeburgern, die ihn um den Erfolg seiner Bemühungen befragten, gab er eine ausweichende, wenn nicht gar spöttische Antwort. Da nun aber die canonischen Vorschriften den Uebergang eines Bischofs von einem Stuhl auf einen anderen nicht gestatteten, so bedurfte G. für sein Vorhaben der Zustimmung des Papstes Benedict VII., [201] und der ehrgeizige Mann trug kein Bedenken um seines schnelleren Emporkommens willen das eigene Merseburger Bisthum zu vernichten und somit eine der segensreichsten Schöpfungen Otto’s I. dem Untergang Preis zu geben. Auf einer zu Rom am 9. und 10. September 981 abgehaltenen Synode, deren Theilnehmer von G. bestochen sein sollen, brachte der Papst, der viel zu schwach war dem unrechtmäßigen Begehren des Kaisers und seines Günstlings zu widerstehen, die Angelegenheit zur Verhandlung; schon vorher wahrscheinlich hatten sich die Magdeburgischen Abgesandten unter der Pression des Kaisers zu einer neuen Scheinwahl verstehen müssen, die natürlich auf G. fiel. Unter dem unwahren Vorgeben, daß das Bisthum Merseburg ohne Zustimmung des Bischofs Hildeward von Halberstadt gegründet sei, der demselben 968 einen Theil seiner Diöcese hatte abtreten müssen, später aber über die Begrenzung seines Sprengels mit Magdeburg in Streit gerathen war, und von dem der Synode eine wol von G. erwirkte Beschwerdeschrift vorlag, wurde dasselbe vom Papste wieder aufgehoben und darauf G., weil man ihn doch nicht seines bischöflichen Rechtes und Titels berauben könne, und weil die Wahl auf ihn gefallen sei, als Erzbischof von Magdeburg bestätigt. So sehr das ganze Vorgehen sich als ein gewaltsames und durchaus ungerechtfertigtes darstellt, und so harten Tadel die späteren Geschichtsschreiber deshalb über G. und Otto II. mit Recht ausgesprochen haben, so sehr es auch gerade in Sachsen die Unzufriedenheit mit der Politik des Kaisers gesteigert haben mag, stieß dasselbe doch daselbst zunächst auf keinen Widerstand. G. konnte nun von Otto investirt werden und kehrte, geleitet von dem Bischof Dietrich von Metz, den der Kaiser dazu entsandte, nach Deutschland zurück: am 30. Nov. hielt er in Magdeburg seinen feierlichen Einzug. Die Auflösung des Merseburger Bisthums wurde nun den Beschlüssen der Synode gemäß vollzogen: Halberstadt, Magdeburg und Meißen theilten seinen Sprengel unter sich. Die Urkunden, durch welche Otto I. und Otto II. die Merseburger Kirche begründet und beschenkt hatten, ließ G. entweder verbrennen oder auf seinen Namen umschreiben: in Merseburg blieb nur eine dem heiligen Laurentius geweihte Abtei, die G. sich durch eine päpstliche Bulle von 983 übereignen ließ. Ohne Anfechtung blieb nun freilich das Verfahren Gisilher’s in dieser Sache auf die Dauer nicht. Zuerst auf der Synode, welche der deutsche Papst Gregor V. zu Pavia im J. 997 abhielt, ging man gegen ihn vor; die Aufhebung des Merseburger Bisthums wurde hier angegriffen und G., weil er gegen die canonischen Bestimmungen seinen Bischofssitz verlassen habe, bei Strafe der Suspension zur Verantwortung nach Rom geladen. Wiederholt ist dann die Angelegenheit auf späteren Synoden erörtert worden. Gegen Ende 998 wurde auf den Antrag Otto’s III. selbst die Herstellung des Bisthums Merseburg beschlossen, 999 wurde G. wirklich suspendirt und abermals nach Rom citirt; im J. 1000 verhandelte über dieselbe Sache eine Versammlung deutscher Bischöfe zu Aachen; indessen der schlaue und einflußreiche Mann wußte jedes Mal die Fassung definitiver Beschlüsse oder doch wenigstens deren Ausführung zu verhindern, und erst nach seinem Tod gelang es Heinrich II. die Restauration des Merseburger Bisthums durchzusetzen. In der Reichsgeschichte spielte G. nach seiner Erhebung auf den ersten bischöflichen Sitz Sachsens eine höchst bedeutsame Rolle. Trotz der großen Gunstbezeugungen, welche er von Otto II. erhalten hatte, verließ er nach dessen Tode seinen Sohn und Erben und schloß sich Heinrich dem Zänker an, als dieser 984 den jungen Otto III. von der Thronfolge auszuschließen strebte. Wie völlig er auf der Seite Heinrichs stand, zeigt die Thatsache, daß dieser sich Gisilher’s bediente, als er, in Thüringen hart bedrängt, sich zu Verhandlungen mit den Anhängern des Königs genöthigt sah; erst nach Heinrichs Verzicht kann der Erzbischof sich Otto III. unterworfen haben. Nichtsdestoweniger blieb sein Einfluß unter dessen [202] Regierung unvermindert; namentlich in den Kämpfen gegen die östlichen Grenznachbarn des Reiches spielte er eine – freilich nicht immer ehrenvolle – Rolle. 990 wurde er nebst dem Markgrafen Ekkehard von Meißen von der Kaiserin Theophano mit einem Heere gegen den Herzog Boleslav von Böhmen entsandt, der indeß einer Schlacht auswich und mit den Führern der Deutschen einen Vertrag abschloß, in Folge dessen diese zwischen ihm und Mesko von Polen vermittelten: mindestens eine Herstellung des früheren Verhältnisses Böhmens zum Reich war das Ergebniß dieses Zuges. Im J. 997 war G. von Otto III. mit der Bewachung des von dem König befestigten wichtigen Castells Arneburg an der Elbe beauftragt worden. Nachdem er hier durch seine Sorglosigkeit und den Verrath der Wenden einen schweren Verlust erlitten hatte und die vier Wochen, für welche er mit der Obhut des Platzes beauftragt war, verstrichen waren, verließ er denselben, der gleich nach seinem Abzuge von den Wenden genommen und in Brand gesteckt wurde, und ließ sich durch keine Bitten des ihm begegnenden Markgrafen Liuthar von der Nordmark, der zu seiner Ablösung gesandt war, zur Umkehr bewegen –; eine Pflichtvergessenheit, die den Verlust des Ortes herbeiführte. Nach Otto III. Tode nahm G. an der Versammlung zu Frosa Theil, auf welcher der Plan des Markgrafen Ekkehard von Meißen, die Zustimmung der sächsischen Fürsten zu seiner Thronbewerbung zu gewinnen, scheiterte. Mit diesem war er seit langer Zeit verfeindet, dagegen soll er die Ansprüche des Herzogs Hermann von Schwaben begünstigt haben, fand sich aber nichtsdestoweniger auf der Versammlung zu Merseburg im Juli 1002 ein, auf welcher Heinrich II. von den sächsischen Fürsten anerkannt wurde. G. stand unter diesen Umständen mit dem neuen Herrscher anfangs nicht im besten Einvernehmen, wußte jedoch bald auch dessen Vertrauen in nicht minderem Grade wie das seines Vorgängers zu gewinnen und wurde von Heinrich sogar zum Verwalter aller königlichen Besitzungen in Sachsen ernannt. Der Magdeburger Kirche erwarb die Gunst, deren sich G. bei den Königen erfreute, auch abgesehen von der Merseburger Beute, bedeutende Vortheile, so 991 den dritten Theil des aus Böhmen an die königliche Kammer zu entrichtenden Zinses; 993 die Hälfte der Städte Werben und Wuronowitz; 997 die Burgwardeien von Belitz und Nerichowa; 1000 das Castell Troibern, sodann eine Grafschaft an der Mulde u. a. Auch seine eigenen in dem festen Schloß Giebichenstein niedergelegten Reichthümer müssen bedeutend gewesen sein. Zu Anfang des J. 1004 erkrankte G.; während er darniederlag, sandte Heinrich II. den Erzbischof Willigis von Mainz zu ihm, um ihn aufzufordern, die Sünde, die er durch die Zerstörung des Bisthums begangen habe, noch vor seinem Ende wieder gut zu machen. G. gab eine ausweichende Antwort und starb, ehe er den versprochenen definitiven Bescheid ertheilen konnte, am 25. Januar 1004 auf seinem Hof zu Troibern. Begraben ist er in St. Moritz zu Magdeburg; sein Nachfolger ward der Baier Tagino, ein besonderer Günstling Heinrichs II. Unter den vielen bedeutenden Kirchenfürsten des 10. Jahrhunderts nimmt G. durch seine große Begabung, die Gewandtheit und Versatilität seines Geistes eine hervorragende Stellung ein, so zweideutig und charakterlos uns auch vielfach sein Auftreten erscheint.

Thietmar v. Merseburg, Annal. Magdeburgenses. Chronicon Magdeburgense. Gesta episc. Merseburgensium. Vgl. v. Mülverstedt, Regesten des Erzbisthums Magdeburg und Sagittarius, Hist. ducatus Magdeburg. in Boysen’s Histor. Magazin, Bd. I.