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ADB:Groitzsch, Wiprecht Graf von

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Artikel „Groitsch, Wiprecht von, der Aeltere“ von Ernst Bernheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 711–713, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Groitzsch,_Wiprecht_Graf_von&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 01:02 Uhr UTC)
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Groitsch: Wiprecht v. G., genannt der Aeltere, stammte seitens des Großvaters, eines pommerschen Häuptlings, der bei dem allgemeinen Vordringen der Slaven am Ende des 10. Jahrhunderts Besitzungen in der heutigen Altmark erobert hatte, aus heidnisch wendischem Geschlecht; doch sein Vater Wiprecht war Christ und seine Mutter Sigena eine Deutsche, die Tochter eines sächsischen Grafen. Ungefähr um 1050 ist G. geboren. Nach dem Tode des Vaters wurde Markgraf Udo von Stade sein Vormund, und dieser bewog ihn, die ererbten Besitzungen in der Altmark gegen die Burg Groitsch nebst Zubehör, südlich von Leipzig, zu vertauschen. Hier, in dem Gebiet der sächsisch-thüringischen Marken, trat G. recht in die Kreise jener unruhigen Burgherren und Grafen, die in der allgemeinen Gährung der politischen und socialen Verhältnisse der Zeit bestrebt waren, von kleinem Stammsitz aus sich immer größere Herrschaft und selbständigere Macht zu erwerben, gleichviel ob durch kühne Gewaltthat, ob durch listiges Parteigängerthum oder durch die Hand eines begüterten Weibes, gleichviel ob mit dem König und Kaiser oder wider ihn. Und G. kann in jeder Beziehung als Charaktertypus dieser seiner Standesgenossen gelten. Zuerst vermochte er sich gegen seine mißgünstigen Schloßnachbarn nicht zu behaupten; er begab sich daher mit seinen Mannen in den Dienst des Böhmenherzogs Wratislav und kämpfte mit diesem für König Heinrich IV. sowol in den Hauptschlachten des Sachsenkrieges, wie auf dem italienischen Feldzuge in den J. 1081 ff., für den König und zugleich für sich, denn er gewann dabei seine alten Besitzungen wieder und erhielt zum Lohn reiche neue Lehen, ja der Böhmenfürst ehrte ihn durch die Hand seiner Tochter Judith und gab ihm als Mitgift Gaue in der vielumstrittenen Mark Meißen. So war es gewiß ebenso sehr im eigenen, wie im königlichen Interesse, daß G. auch ferner die Partei Heinrichs IV., namentlich gegen den treulosen Ekbert von Meißen, hielt – dann aber ergriff ihn inmitten seines kriegerischen Lebens plötzliche Reue über all’ seine Gewaltthaten, besonders wegen der Einnahme Roms und der Einäscherung der Jakobskirche in Zeitz; und auf Rath der benachbarten Bischöfe an die er sich wandte, begab er sich als Büßer nach der Stadt der Apostel, um auf Geheiß des Papstes Urban II. weiter nach Compostella, an das Grab des heiligen Jacob, zu wallfahrten. Von dort kehrte er mit dem Gebot zurück, durch Gründung eines ansehnlichen Klosters seine Sünden zu sühnen. So ward er der Stifter der Abtei Pegau im Merseburger Sprengel, welche 1096 geweiht und später dem päpstlichen Stuhle unterstellt wurde. Kein Zweifel, daß G. dem inneren Triebe erwachter Religiosität folgte: seine dauernde, opferfreudige Fürsorge für diese Stiftung und andere, wie Lausigk, Oldisleben, Reinsdorf, bezeugt es zur Genüge, und es ist zudem ja eine häufige Erscheinung in jener Zeit, daß abgehärteten Recken plötzlich das Gewissen erwacht; doch mußte unter den damaligen Verhältnissen auch die politische Haltung Groitsch’s dadurch beeinflußt werden. Er trat durch seine Stiftungen dem Erzbischof von Magdeburg, [712] den Bischöfen von Merseburg, Halberstadt, Zeitz näher, den Feinden Heinrich IV., und entfremdete sich so dem gebannten Kaiser. Als gegen diesen der Sohn, Heinrich V., sich empörte, stellte sich G. daher bald auf des letzteren Seite: er war es, der als Gesandter der Mainzer Fürstenversammlung und Heinrichs V. von dem gefangenen Kaiser zu Böckelheim am zweiten Weihnachtstage 1105 die Auslieferung der Reichsinsignien erpreßte; er nahm Theil an der Gesandtschaft, durch welche Heinrich nach seiner Thronbesteigung Papst Paschalis nach Deutschland einladen ließ; wir sehen ihn wiederholt auf den Hoftagen des Königs sich einfinden, auf dem Reichstag zu Mainz Ende 1108 sogar mit seinen beiden Söhnen. Gerade hier rief ihn die Nachricht vom Tode seiner Gemahlin Judith in die Heimath ab. Nachdem er der Geschiedenen ein glänzendes Begräbniß in Pegau gefeiert hatte, vermählte er sich binnen Kurzem mit der reichen Wittwe des Grafen Kuno von Beichlingen, Sohnes Otto’s von Nordheim, Namens Kunigunde, deren ebensogenannte Tochter gleichzeitig sein ältester Sohn Wiprecht heirathete; Groitsch’s einzige Tochter Bertha vermählte sich später mit dem Grafen Dedo von Wettin, dem Bruder des bekannten Konrad. Durch diese Verbindungen trat G. in die weiten vielverschlungenen Familienkreise der sächsisch-thüringischen Fürstengeschlechter, die in dem Sachsenherzog Lothar ihr Haupt und den Vertreter ihrer Sonderinteressen fanden; und es konnte daher nicht ausbleiben, daß G. und die Seinen mit in die Kämpfe gegen Heinrich V. verwickelt wurden, zumal da sie bei dem böhmischen Thronstreit zwischen ihren Verwandten Borivoi und Wladislav durch die energische Parteinahme für ersteren mit dem Kaiser in einen Conflikt gerathen waren, der zur vorübergehenden Gefangensetzung des jungen Wiprecht auf der Veste Hammerstein und zur Entziehung mehrerer Lehen geführt hatte. Als der Kampf in Sachsen ausbrach, nahmen die Groitscher lebhaft Theil; indeß ließen sich die Verbündeten im März 1113 bei Warnstedt von dem kaiserlichen Feldherrn Grafen Hoier überraschen, und der alte G. ward nach ungleichem Kampfe schwer verwundet gefangen. Ein vom Kaiser berufenes Fürstengericht in Würzburg verurtheilte ihn zur Haft auf Trifels und sprach über seine Söhne nebst Anderen die Acht.

Während der nun drei Jahre währenden Gefangenschaft des Alten tritt sein Sohn Wiprecht der Jüngere in kurzer Heldenlaufbahn glänzend hervor. Er war es, der in der entscheidenden Schlacht am Welfesholz am 11. Februar 1115 die entscheidende That vollführte, indem er mit gewaltigem Hieb den Grafen Hoier niederstreckte; ohne Land und Gut, wie er war, gelang es ihm dann durch sein Schwert, die Burg Düben, von da aus umliegende Orte, endlich den verlorenen Stammsitz Groitsch zu gewinnen; er nahm mit Hülfe seiner Freunde bei Arnsberg den Hauptverfechter des Kaisers, Heinrich Haupt, gefangen und erlangte dadurch die Auswechselung seines Vaters und anderer Fürsten. Bald darauf muß er aber – Genaueres wissen wir nicht – gestorben sein. Der Alte zog sich seitdem vom Kampfe zurück; er schloß Frieden mit dem Kaiser und erhielt alle seine früheren Besitzungen wieder. Seine Stellung, sein Einfluß wurden immer hervorragender: außer den erwähnten weitverzweigten Familienverbindungen hatte er auch an den beiden Erzbischöfen von Magdeburg, Adelgot und Rugger, die 1107–29 einander folgten, einen mächtigen Rückhalt, da sie seine Neffen waren; der letztere belehnte ihn mit der einträglichen Burggrafschaft von Magdeburg; und auch mit den benachbarten Bischöfen, ja auch mit Otto von Bamberg stand er durch seine Klosterbestrebungen in bestem Einvernehmen. Es zeugt für die bedeutende Stellung Wiprecht’s, daß Heinrich V. ihm 1123 die erledigte Mark Lausitz übertrug, um ihn als Stütze gegen den mächtigen Sachsenherzog zu gewinnen. So veränderte sich nochmals die politische Haltung Wiprecht’s durchaus und er trat seinen Verwandten und [713] bisherigen Bundesgenossen im Herbst 1123 mit den Waffen entgegen; doch mußte er sich vor denselben zurückziehen. Inmitten so rüstiger Thätigkeit erkrankte Wiprecht an einer Brandwunde und starb in seiner Stiftung Pegau, wo er die letzten Lebenstage als Mönch in der ganzen Strenge klösterlicher Askese verbracht hatte, am 22. Mai 1124.

Sein zweiter Sohn, Heinrich, folgte ihm in allen Besitzungen und Aemtern, und erlangte 1131 sogar den sicheren Besitz der Mark Lausitz durch König Lothar. Aber da er schon 1136 ohne Erben starb, blieb die Ausgestaltung einer concentrirten Territorialmacht dort in den Ostmarken dem glücklicheren Hause der Wettiner vorbehalten.

Vgl. Th. Flathe, Wiprecht von Groitsch, im Archiv für die sächsische Geschichte, Bd. III. 1865, und W. v. Giesebrecht, Gesch. d. deutschen Kaiserzeit, Bd. III. passim.