ADB:Hattemer, Heinrich

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Artikel „Hattemer, Heinrich“ von Ludwig Tobler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 24–25, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hattemer,_Heinrich&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 01:27 Uhr UTC)
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Hattemer: Heinrich H., geb. den 3. Juli 1809 in Mainz, studirte Philologie in Gießen, wo hauptsächlich Osann und Schmitthenner seine Lehrer waren. Nachher wurde er Hauslehrer bei einem Minister, dann Professor am Gymnasium in Darmstadt, wo er aber wegen politischen und religiösen Freisinnes verdächtig geworden zu sein scheint, so daß er, wie so manche deutsche Gelehrte in jenen Jahren, sich nach der Schweiz begab. Hier fand er im J. 1836 Anstellung als Professor des Deutschen und Lateinischen an der Kantonsschule in St. Gallen, wo er mit gleichgesinnten Freunden gedeihlich wirkte; eine Wiederwahl nach Ablauf seiner ersten Amtsdauer lehnte er jedoch ab, weil mehrere seiner Collegen unverdienter Weise nicht wiedergewählt wurden. Im J. 1842 kam er als Lehrer des Lateinischen an das Progymnasium in Biel, Kanton Bern, wo er bis 1848 friedlich seinem Berufe lebte. Da ergriff ihn der Sturm der deutschen Revolution, an welcher er als guter Patriot und eifriger Freiheitsfreund zunächst litterarisch durch Mitarbeit an einem von deutschen Flüchtlingen redigirten Blatte Antheil nahm. Da er durch diese Thätigkeit die schweizerische Neutralität verletzte, mußte er für einige Zeit den Kanton Bern verlassen und begab sich zu seinen Freunden, welche in Baden die Republik ausgerufen hatten und unter dieser Fahne die Reichsverfassung zu retten suchten. Die Aufregungen, Strapazen und wol auch der Mißerfolg dieses Kampfes untergruben seine Gesundheit; krank kehrte er im Spätherbst des Jahres 1849 zu seiner Familie nach Biel zurück und starb daselbst schon am 11. November. Trotz dieses kurzen und durch mehrfache Kämpfe gestörten Lebens hat sich H. einen ehrenvollen und dauernden Namen in der wissenschaftlichen Welt erworben durch sein Hauptwerk, die Ausgabe der altdeutschen Sprachschätze der Stiftsbibliothek von St. Gallen „Denkmäler des Mittelalters“, 3 Bde., St. Gallen 1842–48. Ein bedeutender Theil der betreffenden Handschriften war bereits herausgegeben, aber in nicht genügender Form; Hattemer’s Verdienst besteht also in der Vollständigkeit und in der diplomatischen Genauigkeit seiner Ausgabe, bei Boethius auch in der Beifügung des lateinischen Textes in der Form, die der Uebersetzung zu Grunde lag, während Graff einen anderen Text gegeben hatte. Wenn Neuere die Lesungen Hattemer’s in Einzelheiten berichtigt haben, so ist dies bei Graff und Anderen wol noch mehr geschehen und es kann der Arbeit Hattemer’s rühmlicher Fleiß nicht abgesprochen werden. Auf den Rath von J. Grimm gedachte er seiner Ausgabe noch ein Glossar beizugeben, an dessen Ausarbeitung ihn der Tod verhindert hat. Auch beabsichtigte er (schon im J. 1845) in der Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart die „Traditiones monasterii S. Galli“ herauszugeben; [25] das Manuscript kam nach seinem Tode in andere Hände. In seinem Nachlaß finden sich u. A. Briefe von Ettmüller, Frommann, J. Grimm, Hoffmann v. F., H. Kurz, Leo, Maßmann, Pfeiffer, Schmeller, Schmitthenner und Wackernagel; ein Beweis, daß er mit den Meistern und Genossen seines Faches in Verbindung stand und von ihnen geachtet war. Die Gesellschaft der Alterthumsforscher in Kopenhagen hatte ihn zu ihrem Mitglied ernannt. Von H. sind noch folgende, zunächst für Schulzwecke bestimmte, aber auch von Interesse am Fortschritt der Wissenschaft zeugende Bücher erschienen: „Teutsche Sprachlehre“, 1839. Zweite verbesserte Auflage 1844. H. suchte hier, einer der ersten, die Forschungen Grimm’s für die Schule fruchtbar zu machen, vermochte aber dieselben nicht durchweg mit den philosophischen Grundsätzen zu vereinigen, die er von Schmitthenner empfangen hatte. Etwas Aehnliches gilt von seiner „Lateinischen Sprachlehre“, 1842, welche von mehreren Vertretern der vergleichenden Sprachforschung ungünstig beurtheilt wurde, weil sie fanden, der Verfasser habe die Resultate von Bopp nicht gründlich genug erfaßt, um sie in die Schulgrammatik einzuführen. Auch mit seinem Bestreben, die Schreibung, „Teutsch“ wieder aufzubringen („Ueber Ursprung, Bedeutung und Schreibung des Wortes Teutsch“, 1847) konnte H. gegen Grimm nicht mehr durchdringen. Seine letzte rein politische Schrift „Rede eines teutschen Republikaners in der Fremde an seine Landsleute in der Heimat“, 1849, erwähnen wir nur noch, um das Bedauern auszusprechen, daß der strebsame und noch mancher Leistungen fähige Mann durch so frühen Tod dem Vaterland und der Wissenschaft entrissen werden mußte.