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ADB:Hegewisch, Franz

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Artikel „Hegewisch, Franz Hermann“ von Carsten Erich Carstens in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 279–281, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hegewisch,_Franz&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 07:34 Uhr UTC)
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Hegewisch: Franz Hermann H., Sohn des Vorigen, geb. in Kiel den 13. Nov. 1783. Vorbereitet seit 1799 auf der lateinischen Schule in Eutin unter Joh. Heinr. Voß, studirte er Medicin in Kiel, Göttingen und Würzburg, wo er unter andern Schelling hörte. 1805 ward er in Göttingen zum Dr. med. promovirt und besuchte dann noch die Hospitäler in Wien, Paris und London. Der Aufenthalt in England ist durch das rege Interesse für die Politik, welches [280] ihn hier erfaßte, von Einfluß gewesen für sein ganzes Leben, und die englische Verfassung ist sein Ideal geblieben. Nachdem er sich noch in Kopenhagen und in Hamburg, und eine Zeit lang als Arzt in Plön aufgehalten hatte, wurde er Hausarzt des Grafen Fr. Reventlow auf Emkendorf. Hier sammelte sich namentlich um die Gräfin Julia, geb. Schimmelmann, wie an einem kleinen Hofe Alles, was die Herzogthümer damals an hervorragenden Persönlichkeiten im Adel und der Diplomatie, an Männern der Wissenschaft und der Künste besaßen oder als Gäste beherbergten. 1809 ward er als prof. extraord. nach Kiel berufen und hat hier in einer Reihe von Jahren Vorlesungen gehalten, mehr jedoch wirkte er als gesuchter und vielbeliebter praktischer Arzt in Stadt und Umgegend. 1824 ward er königl. Justizrath, 1840 Etatsrath. 1836 erhielt er das Bürgerrecht in der Stadt Kiel und ward darauf zum Stadtverordneten erwählt. Am 12. Febr. 1855 feierte er sein 50jähriges Doctorjubiläum, bei welcher Gelegenheit er von Göttingen auch zum Dr. philos in honorem creirt wurde. Zugleich wurde er nun von der Pflicht Vorlesungen zu halten, entbunden (thatsächlich hatte er schon seit lange nicht mehr gelesen) und legte auch seine ärztliche Praxis nieder. In Veranlassung dieses Jubiläums wurde ein Stipendium Hegewischianum gegründet, dem er selbst auch Einiges zulegte. Er starb am 27. Mai 1865, 82 Jahre alt mit der heitern Ruhe eines alten Stoikers. H. ist, wie schon bemerkt, vielfach bedeutend gewesen als praktischer Arzt, ein eben so großmüthiger Helfer der Armen als Mann des Vertrauens in den Häusern der Vornehmen. Selbst sein für die 20er und 30er Jahre des Jahrhunderts sehr hohes Maß von politischem Liberalismus schloß ihn von der persönlichen Freundschaft des Hofes und der Aristokratie nicht aus. Als medicinischer Schriftsteller trat er zuerst mit einer Uebersetzung von James Currie’s Buch „Ueber die Wirkung des kalten und warmen Wassers“, Theil II, 1807 (Theil I v. Michaelis 1801) mit Vorwort und Anmerkungen auf. In verschiedenen medicinischen Zeitschriften sind Abhandlungen von ihm erschienen. Zur Versammlung der Naturforscher veröffentlichte er „Ueber die Behandlung des Croup“, 1830; „Ueber die Cholera“, 1831 etc. Neben der Medicin aber beschäftigte ihn von jeher das Studium der Volkswirthschaft. Zunächst übersetzte er aus dem Englischen Malthus: „Ueber die Bedingungen und Folgen der Volksvermehrung“, 1807. An den Grundsätzen dieses Verfassers hat er festgehalten bis an sein Ende, „daß billig nicht mehr Menschen sein sollen, als mittäglich ein Stück Rindfleisch und ein Glas Wein haben könnten.“ „Es ist niemals ein gründlich menschenfreundlicheres Werk geschrieben als von Malthus.“ „Die gepriesenen Armenanstalten welche auf gezwungenen Armenabgaben beruhen, haben Unmögliches unternommen und werden allesammt über kurz oder lang zu Grunde gehen“. Er polemisirt gegen das Verbot der Bettelei, es erscheint ihm empörender als Tortur, Leibeigenschaft und Inquisition. Unter dem Pseudonym Franz Baltisch schrieb er: „Von der politischen Freiheit“, 1832 und „Eigenthum und Vielkinderei. Hauptquelle des Glücks und Unglücks der Welt“, 1846. In beiden Werken wiederholt er seine Ansichten nach Malthus und wirkt auf ein richtiges Verständniß hin. „In jedem Lande, wo Tausende und Hunderttausende die erste der Pflichten, die elterliche Pflicht nicht erfüllen oder unvollkommen erfüllen, da muß viel Elend sein.“ Noch 1856 in den anonym erschienenen „Politischen Anmerkungen eines Siebzigjährigen“, schreibt er: „Wer nicht im Stande ist, seine Kinder zu ernähren, hat auch kein Recht Kinder zu erzeugen, das ist die göttliche Ordnung.“ In der Schrift: „Armuth und Reichthum“. 1859, bekämpft er den Kommunismus und andere Zeitrichtungen, als Malthus Ansichten widerstreitend. Er hält die Idee der Arbeit als Princip der Staatsregierung und Staatswirthschaft fest. – Eifrigen Antheil [281] nahm H. mit seinem Schwager Dahlmann, mit Falk u. A. an dem Kampf Schleswig-Holsteins gegen die dänischen Uebergriffe. So betheiligte er sich an den von Kieler Professoren 1815–21 berausgegebenen „Kieler Blättern“ und „Kieler Beiträgen“. Anonym erschien von ihm: „Einige entferntere Gründe für ständische Verfassung“. Mit dem Motto: „Eigenthum und Freiheit, nicht Freiheit und Eigenthum“, 1816. Er strebte für eine Repräsentativverfassung der Herzogthümer Schleswig-Holstein, für das Steuerbewilligungsrecht des schleswig-holsteinischen Landtages. Er nahm 1830 innigen und thätigen Antheil an Uwe Jens Lornsen’s Bestrebungen (s. d. Art.), der ihm sein Hauptwerk widmete und mit dem er in enger Freundschaft verblieb bis an dessen Ende 1838. Als H. 1834 zum Abgeordneten für die erste holsteinische Provinzial-Ständeversammlung gewählt ward, lehnte er jedoch ab, weil diese Versammlung schon durch ihren Namen, der die Herzogthümer als Provinzen Dänemarks bezeichne, im Widerspruch mit den Landesrechten stehe. In seinem gedruckten Absagebrief heißt es: „Es scheint mir, daß zu diesem Landtage, um bei verschlossenen Thüren Gutes zu bewirken, eine Gewandtheit und Beugsamkeit des Verstandes erfordert werde, welche nebst andern Eigenschaften mir fehlen … Schon in der ersten Versammlung würde ich mich nicht bändigen können zur stillschweigenden Eiwilligung in das, was ich nicht für grundgesetzlich erachte und deshalb für einst der Krone Gefahr bringend.“ An den Erscheinungen von 1848 hatte er, wie Falk keine rechte Freude. – 1856 schrieb er, beinahe weissagend: „Meine Hoffnung für Deutschland beruht fast einzig und allein auf der preußischen Armee. Wer das preußische Heer mißachtet, ist der ärgste Feind Deutschlands.“ Doch war zugleich seine Losung: Oesterreich und Preußen. – Auch das materielle Wohl des Landes zu fördern war sein Bestreben. Er wirkte sehr wesentlich dazu mit, daß die Kiel-Altonaer Eisenbahn ins Leben gerufen ward, wie er für die Kieler Commune vielfach thätig gewesen ist. In dem Thesenstreit des Pastor Harms (s. d.) schrieb er, als dieser ihm ungerechter Weise angegriffen schien: „An die Widersacher eines christlichen Predigers“, 1817. 1819 erschien seine „Lobrede auf den Feldmarschall Blücher“. Auch für die Griechen warb er durch eine Schrift (1822). Zu Professor Pfaff’s Jubiläum schrieb er: „An Pf., den Imponderabilen“, 1842. So ist er nach vielen Seiten hin thätig und wirksam gewesen bis an sein Lebensende und von großem Einfluß namentlich in seinem engerem Vaterland, ohne selbst particularistisch heißen zu können. Im persönlichen Umgang ward der Einfluß des geistreichen Mannes noch gesteigert durch die ausgeprägte Originalität seines Wesens. Es ging ein tief poetischer Zug durch seine Seele; in Sein und Erscheinung konnte er wol an Jean Paul erinnern. Man sah ihn selten ohne frische Rose im Knopfloch und bei jedem Anlaß stand ihm bald eine geistreich epigrammatische Wendung, bald ein zierliches Gelegenheitsgedicht zu Gebot. Ihm zur Seite stand seit 1814 in Karoline v. Linstow, einer Nichte der Gräfin Agnes Stolberg, eine ebenbürtige Gattin, nicht minder bedeutend und eigenthümlich wie er selbst. – Sie ging ihm 1856 im Tode voran.

G. H. Ratjen, Zum Andenken an F. H. H. im Jahrb. f. d. Landeskunde, Kiel 1866, Bd. VIII, S. 271 und Bd. IX, S. 142. Dr. Mahr; Denkschrift zum 50. Doctorat, Kiel 1855. Lübker-Schröder Nr. 468. Alberti Nr. 769.