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ADB:Heinrich I. (Landgraf von Hessen)

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Artikel „Heinrich I., Landgraf von Hessen“ von Arthur Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 516–519, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_I._(Landgraf_von_Hessen)&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 03:16 Uhr UTC)
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Heinrich I., Landgraf von Hessen, geb. am 24. Juni 1244, gest. am 21. December 1308, war der zweite Sohn Herzog Heinrichs II. von Brabant, der einzige Sohn aus dessen zweiter Ehe mit Sophie, Tochter des Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen und der heiligen Elisabeth. Nach dem kinderlosen Tode des zum deutschen König gegen Friedrich II. gewählten Landgrafen Heinrich Raspe von Thüringen erhob neben dessen drei Schwestersöhnen, Heinrich dem Erlauchten, Markgrafen von Meißen, Hermann, Grafen von Henneberg, und Siegfried, Grafen von Anhalt, auch die Bruderstochter des Verstorbenen, Sophie von Brabant, für ihren Sohn auf einen Theil der hinterlassenen Lande Anspruch, und ihr Gemahl, Herzog Heinrich, begab sich alsbald (Mai 1247) nach Hessen, um die Rechte seiner Angehörigen zu wahren. Er starb jedoch bereits am 1. Februar 1248, und sein ältester Sohn Heinrich III. wurde sein Nachfolger in Brabant. Sophie erschien darauf selbst in Thüringen und Hessen und übergab am 2. März 1250 die Verwaltung des beanspruchten Gebietes und die Vormundschaft über H. auf 10 Jahre dem Markgrafen Heinrich von Meißen, der Hessen durch Statthalter regieren ließ. Am 16. Mai 1254 schloß der Markgraf mit Erzbischof Gerhard von Mainz einen Vertrag zur Beilegung der bisherigen Streitigkeiten über die von dem Erzbischof eingezogenen mainzischen Lehen des verstorbenen Landgrafen Heinrich Raspe. Gerhard versprach darin, gegen Zahlung von 1000 Mark Silbers die Geltendmachung seiner Rechte auf die vom Stifte Mainz zu Lehen gehenden Güter in Hessen bis zum 24. Juni 1256 zu verschieben, an welchem Tage der junge H. (puer de Hassia) das 12. Jahr vollende. Dieses Abkommen wurde, wie es scheint, von Sophie nicht gebilligt. Sie fand sich bewogen, aus Brabant, wo sie sich seit 1250 aufgehalten hatte, herbeizueilen. Bereits im Juni 1254 trifft man sie in Hessen, gemeinsam mit ihrem Sohne landesherrliche Befugnisse ausübend. Eine kräftige Stütze erlangten beide an Herzog Albrecht dem Großen von Braunschweig. Albrecht vermählte sich mit Sophiens Tochter Elisabeth (1254) und verlobte seine Schwester Adelheid mit H. (1258). Mit Heinrich von Meißen aber kam es zu offenem Kampfe; Hessen und Thüringen wurden weithin verwüstet und die Stadt Eisenach fiel in die Hände des Markgrafen (1261). Aus diesen kriegerischen Wirren suchte der neue Erzbischof von Mainz, Werner v. Eppstein, Vortheil zu ziehen. Er trat feindlich gegen Sophie und ihren Sohn auf und belegte beide wegen Vorenthaltung der von dem Erzstift nach Heinrich Raspe’s Tod für heimgefallen erklärten Lehen am 4. Mai 1261 mit dem Banne und ihr Land mit dem Interdict. Aber der kräftige Widerstand der Gebannten und ihrer Verbündeten, unter welchen namentlich Graf Gottfried von Ziegenhain und Gerhard, Herr von Wildenburg zu nennen sind, bewog ihn, einen Vergleich einzugehen. Am 10. September 1263 trugen ihm Sophie und H. die Städte Grünberg und Frankenberg zu Lehen auf und verpflichteten sich zur Zahlung von 2000 Mark Silbers, wogegen er ihnen die bisher verweigerte Belehnung ertheilte. Der Abschluß dieses Vertrages traf sich um so günstiger für H. und seine Mutter, als wenige Wochen später Herzog Albrecht von Braunschweig bei Vertheidigung ihrer Ansprüche auf Thüringen gegen Markgraf Heinrich von dessen Söhnen Albrecht und Dietrich bei Wettin geschlagen und gefangen wurde. Im folgenden Jahre (1264) kam der Friede mit Meißen zu Stande. Landgraf H. verzichtete [517] zu Gunsten des Markgrafen auf Thüringen und erhielt dafür zu dem bereits in seinem Besitze befindlichen Hessenlande Allendorf, Witzenhausen und andere Orte an der Werra, welche Herzog Albrecht für seine Befreiung aus der Gefangenschaft hatte abtreten müssen, sowie 600 Mark Silbers, bis zu deren Zahlung ihm die Stadt Weißensee eingeräumt wurde. Dem entsprechend nannte sich H. in seinen Urkunden nicht mehr von Thüringen, behielt jedoch den Titel Landgraf von seiner mütterlichen Abkunft her bei und verband damit den eines Herrn des Landes Hessen. So lautet auch sein Titel auf dem Reitersiegel, welches er seit seinem Regierungsantritt führte, während er auf einem früheren, noch 1266 vorkommenden Siegel „H. von Thüringen, Bruder des Herzogs von Brabant“ heißt. H. gehörte zu den Fürsten des Reiches und wird ausdrücklich als solcher bezeichnet. Man nimmt gewöhnlich an, daß er 1265 die Regierung selbständig übernommen habe; doch läßt sich ein bestimmtes Jahr hierfür nicht angeben, da seine Mutter Sophie auch noch später neben ihm als Regentin vorkommt und sich nicht auf einmal, sondern nach und nach von den Regierungsgeschäften zurückgezogen zu haben scheint. Die erste bekannte Urkunde, die H. für sich allein ausstellte, ist vom 2. Juni 1262. Heinrichs Gebiet, die neugeschaffene Landgrafschaft Hessen, bestehend aus den hessischen Besitzungen der alten Landgrafen von Thüringen, war nicht sehr umfangreich, dazu vielfach beschränkt und durchschnitten durch die Bezirke mächtiger Grafen und Dynasten. Namentlich aber übte das Erzstift Mainz in diesen Gegenden ein drückendes Uebergewicht aus. H. war daher bis an das Ende seines Lebens eifrig bemüht, seine Hausmacht zu vergrößern. So erwarb er bereits 1265 von den Pfalzgrafen von Tübingen Gießen nebst anderen früher gleibergischen Besitzungen, worauf Hartrad Herr von Merenberg ihm die Burgen Merenberg und Gleiberg öffnete. Auch in Brabant, dem Lande seines verstorbenen Vaters, suchte er sich Einfluß zu wahren. Nach dem Tode seines älteren Bruders, Herzog Heinrichs III. († 1261) verlangte er Antheil an der Vormundschaft über dessen minderjährigen Sohn, Heinrich IV., und erhob, nachdem dieser auf die Regierung verzichtet hatte (1267), gegen dessen Bruder, Johann I., weitere Ansprüche. Doch entsagte er denselben später (25. November 1279), wol nur deshalb, weil die Verhältnisse in Hessen ihm eine erfolgreiche Durchführung jener Pläne doch nicht erlaubten. Namentlich waren es neue Streitigkeiten mit Erzbischof Werner von Mainz, die ihm hier zu schaffen machten. H. hatte, vermuthlich aus Groll darüber, daß der Erzbischof ihm den beabsichtigten Ankauf der Schlösser Naumburg und Weidelberg an der waldeckischen Grenze vereitelte, diese Burgen und Heiligenberg erobert und zum Theil zerstört. Deshalb that Werner ihn in den Bann und verhängte das Interdict über Hessen (21. Mai 1273). Auch bewirkte er, daß der neugewählte König Rudolf den Landgrafen vor seinen Richterstuhl lud und ihn, als er nicht erschien, in die Reichsacht that (25. Jan. 1274). H. suchte vor allem die Gunst des Königs wieder zu gewinnen. Er begleitete denselben auf dem Zuge gegen König Ottokar von Böhmen (1276) und erlangte dafür die Zurücknahme der Achtserklärung (4. Juli 1277). Der Erzbischof aber konnte erst durch eine Niederlage, die er vor Fritzlar erlitt, dem Frieden geneigt gemacht werden, worauf König Rudolf die Beilegung des Streites durch Schiedsrichter bewirkte (September und October 1282). Auch mit Werners Nachfolger, Heinrich II., hatte der Landgraf Streitigkeiten, die eine Vermittelung König Rudolfs nöthig machten (17. Aug. 1286). Erst unter Erzbischof Gerhard II. bildeten sich zwischen Mainz und Hessen bessere Beziehungen, wahrscheinlich durch Einwirkung König Adolfs, der kurz nach seiner Wahl zum römischen König dem Landgrafen die Reichsburg Boineburg nebst der ihm aufgelassenen Stadt Eschwege als ein Fürstenthum zu Lehen gab (11. Mai [518] 1292). Schwere Kämpfe erwuchsen H. innerhalb seiner eigenen Familie in Folge seiner zweiten Vermählung. Seine erste Gemahlin, Adelheid von Braunschweig, welche zuerst im September 1263 als seine Gattin vorkommt, gebar ihm zwei Söhne, Heinrich (geb. um 1264, seit 1284 bisweilen neben seinem Vater in Urkunden genannt) und Otto (geb. um 1272), und starb im April oder Juni 1274. Darauf vermählte sich H. noch im selben Jahre oder im Anfang des folgenden mit Mechtild, Tochter des Grafen Dietrich VI. von Cleve. Diese gebar ihm gleichfalls zwei Söhne, Johann und Ludwig, den späteren Bischof von Münster. Unter dem Einfluß der Mechtild beschloß er, sein Land in zwei Theile getheilt, seinen zwei erstgeborenen Söhnen beider Ehen, Heinrich und Johann, zu hinterlassen und die beiden zweitgeborenen, Otto und Ludwig, dem geistlichen Stande zu widmen. Dazu war er mit Eifer bestrebt, das seinem Lieblingssohne Johann zugedachte Niederhessen durch bedeutende Güterkäufe zu vergrößern. Seine Absichten erregten den Unwillen der beiden Söhne erster Ehe, namentlich des zweitgeborenen Otto, der die ihm erwirkte Anwartschaft auf ein Canonicat zu Würzburg verschmähend, sich gegen den Willen seines Vaters mit Adelheid, Tochter des Grafen Otto III. von Ravensberg, vermählte. Der alte Landgraf sah voraus, daß nach seinem Tode die heftigsten Kämpfe zwischen seinen Söhnen entstehen würden und suchte deshalb noch bei Lebzeiten seine Theilungspläne zu verwirklichen und durch die Autorität König Adolfs zu sichern. Am 4. Juli 1296 beurkundete der König zu Frankfurt die vor ihm geschehene Landestheilung. Der älteste Sohn, Heinrich, erhielt Oberhessen mit dem Anfallsrechte des seinem Bruder Otto bestimmten geringen Gebietes, während dem jüngeren, Johann, Niederhessen zu Theil ward. Otto, der hierbei sehr verkürzt worden war, verweigerte dem Vertrage seine Zustimmung. Unterstützt von seinem Schwager, dem Grafen Gottfried VI. von Ziegenhain, lehnte er sich offen gegen seinen Vater auf, so daß dieser genöthigt war, die Hülfe König Adolfs anzurufen. Adolf zog mit Heeresmacht heran und belagerte gemeinsam mit dem alten Landgrafen die ziegenhainische Burg Staufenberg bei Gießen (August 1296). Otto mußte sich fügen. Am 23. August 1298 starb sein älterer Bruder Heinrich und der demselben bestimmte Landesantheil ging auf ihn über. Trotzdem dauerte das unfreundliche Verhältniß zwischen dem Vater und dem älteren Sohne fort. Noch im J. 1302 verband sich Otto, auf daß ihm nach seines Vaters Tode sein Erbtheil werde, mit dem genannten Grafen Gottfried von Ziegenhain gegen die Landgräfin Mechtild und ihren Sohn Johann. Neben diesen Zerwürfnissen im eigenen Hause, die seine späteren Lebensjahre verbitterten, hatte H. noch mit kriegerischen Nachbarn Kämpfe zu bestehen. Als westfälische Raubschaaren aus dem Gebiete des Bischofs von Paderborn in Hessen eingedrungen waren, schlug er sie bei der Karlskirche unweit Gundensberg und trieb sie siegreich über die Grenze zurück (1270). Streitigkeiten mit Herzog Albrecht II. von Braunschweig wurden 1306 durch König Albrecht geschlichtet. Auch mit dem Abt Heinrich V. von Fulda gerieth er in Fehde. Dies Alles hinderte ihn jedoch nicht, sein Gebiet, namentlich Niederhessen, beträchtlich zu erweitern. So erwarb er Schartenberg, Grebenstein, Immenhausen, Trendelburg, den Reinhardswald und Bilstein. Er baute die (nicht mehr vorhandene) Burg zu Cassel, seine gewöhnliche Residenz in seinen späteren Jahren, die Kirche zu Frankenberg, die Kapelle und den von seinem Sohn Ludwig, Bischof von Münster, vollendeten Rittersaal auf der Burg zu Marburg. Neben seinen schon genannten Söhnen hatte er von seiner ersten Gemahlin vier Töchter: Sophie, 1276 Gemahlin Graf Otto’s I. von Waldeck. Mechtild, vor 1283 an Graf Gottfried VI. von Ziegenhain und nach dessen Tode († 1304) vor 1315 an Philipp III., Herrn von Falkenstein-Münzenberg [519] verheirathet, Adelheid, 1284 mit Graf Berthold VII. von Henneberg, und Elisabeth, 1287 mit Johann I., Grafen von Sayn, vermählt. Seine zweite Gemahlin Mechtild gebar ihm gleichfalls vier Töchter: Elisabeth, mit Herzog Wilhelm II. von Braunschweig († 1292), dann 1294 mit Gerhard IV., Herrn von Eppstein, und endlich (doch wol dieselbe Elisabeth) 1299 mit Albrecht II., Grafen von Görz, verheirathet, Katharina, Gattin des Grafen Otto VII. von Orlamünde (1308), Agnes, Gemahlin des Burggrafen Johann I. von Nürnberg, und Jutta, welche 1311 unvermählt vorkommt.

Mehrfach zu berichtigende Darstellungen der Geschichte Heinrichs bei Schmidt, Geschichte des Großherzogthums Hessen, II. S. 1–80 und bei Rommel, Geschichte von Hessen, II. S. 9–98. Ueber den Theilungsstreit Heinrichs mit seinen Söhnen Landau in der Zeitschrift für hessische Geschichte und Landeskunde, I. S. 33–42.