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ADB:Herrig, Hans

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Artikel „Herrig, Hans“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 234–243, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Herrig,_Hans&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 16:18 Uhr UTC)
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Herrig: Hans H., Dichter, vorzugsweise Dramatiker, wurde am 10. December 1845 zu Braunschweig als Sohn eines Kammermusikus und Clavierlehrers geboren, den er 1858 durch den Tod verlor, und der Luise Huben. Bis dahin im heimathlichen Progymnasium, kam H. 1859 ins Haus seines Oheims, des bekannten Philologen und Schulmanns Prof. Ludwig H. (s. S. 243) zu Berlin, wo er nun das Friedrichsgymnasium besuchte. 1864 bis Ostern 1865 studirte er die Rechte an der Berliner, danach zwei Semester an der Göttinger Universität, seit 1866 wieder an ersterer, wo er im Mai 1868 zum Dr. iur. promovirte mit einer Dissertation: „De rebus agrariis suecicis et danicis“. Einer seiner damaligen Opponenten, der nachher als Dichter, Litterarhistoriker und Bibliophile bekannt gewordene Dr. Eduard Grisebach, schon in Göttingen sein Hausnachbar gewesen, ward nunmehr auch Herrig’s College als „Auscultator“ (später Gerichtsreferendar) am Berliner Stadtgericht und blieb ihm in dauernder Freundschaft verbunden. 1872 trat H. aus der juristischen Praxis, um hinfort, wie seit 1866 am Schreibtisch ohne die Oeffentlichkeit, seit 1871 journalistisch, als freier Schriftsteller thätig zu sein, schied jedoch endgültig officiell erst aus dem Justizdienste, als er Feuilleton-Redacteur des eben gegründeten „Deutschen Tageblatts“ wurde, 1881. Die Annahme dieses letzteren Postens an der deutschconservativen, etwas christlichsocial angehauchten Berliner Zeitung großen Stils, die den herrschenden linksliberalen der Reichshauptstadt Paroli biegen sollte (was ihr freilich bis zu ihrem frühen Umschwenken bezw. Eingehen nicht gelang), war wol kein Zufall. Denn in Otto Glagau’s radical-antisemitischem und -chauvinistischem Journal „Der Culturkämpfer“ hatte er 1880 (in Heft IV, S. 1–9, und Heft IX, S. 1–11) „Die Aufgaben des deutschen Adels“ und „Die Werthlosigkeit des modernen Parlamentarismus“ anonym in obigem Sinne erörtert, und 1882 ließ er bei dem selbst energisch jener Tendenz huldigenden Verleger desselben Journals und des Deutschen Tageblatts, Friedr. Luckhardt, anonym drucken: „Heraus aus den Wirren! Die Nationalpartei der Zukunft! Ein Wort an alle Vaterlandsfreunde“ (56 Seiten). Daß H. zehn Jahre vorher dem Mitarbeiterkreise des jüdisch-fortschrittlichen „Berliner Börsenkuriers“ angehört hat, [235] erscheint damit bloß scheinbar ein unlösbarer Widerspruch; denn dieses geschickt alles Neue ins Publicum lancirenden Blattes bediente sich H. lange vor dem Einsetzen der antisemitischen Bewegung, nur zu seiner Propaganda für Richard Wagner (die der Gründer [1868] und Leiter des „B. B.“, George Davidsohn, eifrigst betrieb), sowie für Schopenhauer, jedoch nur in der feuilletonistischen Wochenbeilage jener Zeitung namens „Die Station“. Er war durchaus ein Mann von Charakter, der als Litterat jederzeit im Banne seiner festen Anschauungen verblieben ist, seit seinem 21. Lebensjahre, als – wie uns das Vorwort zu „Konradin“ erzählt – durch das denkwürdige Jahr 1866 ihm die ganze Bedeutung der Geschichte, vornehmlich der vaterländischen, aufging und ihn erfaßte, so daß sie ihn fürder nie wieder freigeben sollte. Die folgerichtige Entwicklung seiner ästhetisch-nationalen und litterarischen Ideen führte ihn 1883 auf ein, äußerlich durch den Anlaß der Jubelfeier angeregtes Luther-Festspiel, das vielerorts mit großem Beifall aufgeführt ward und seinem Dichternamen weit rascher Geltung verschaffte als die vorher veröffentlichten Dramen und sonstigen Dichtungen. Doch verharrte er vorläufig noch bei seiner ausgedehnten publicistischen Thätigkeit, indem er, was ja auch aus dem lebhaften Drange hervorging, seinen einschlägigen Ansichten weiteste Verbreitung zu geben, in verschiedenen Zeitschriften zahlreiche Aufsätze ästhetischen, litterarischen, dramaturgischen Inhalts veröffentlichte. Er machte zwischendurch Mitte der achtziger Jahre eine italienische Reise, die in Feuilletons des Deutschen Tageblatts einen interessanten Niederschlag fand. Nachdem er 1888 die Redactionsführung an dieser Zeitung niedergelegt hatte, übersiedelte H., in Berlin vielfach unbefriedigt mit den Eindrücken seiner Poesien und enttäuscht, von Berlins Vorort Friedenau nach Weimar, um sich ganz und gar der Ausbildung und Verwirklichung seiner eigenthümlichen Gedankenwelt hinzugeben: nämlich einerseits der Neubelebung des religiösen Elements in volksmäßig-nationaler Färbung, andererseits der Förderung der damals mächtig aufstrebenden Pflege Schopenhauer’schen Geistes, die er schon 1870/71 an seinem Theile – wie Alles, was der leicht Feuer fangende und deshalb Extravaganzen nicht Ausschließende einmal ernstlich erfaßt – eifrigst gefördert hatte. Daselbst war ja auch seine Gattin, die Harfenistin Marie Stöhr, als Tochter eines Weimarer Capellmeisters daheim. Leider sollte weder der scharfe Denker, noch der phantasievolle Poet in der erinnerungsreichen Ruhe der classischen Ilmresidenz mehr dazu gelangen, auszugestalten, was seit lange in ihm gährte und nach lebendiger Form rang. Die 1878 durch einen bezeichnenden Prospect angekündigten „Grundlinien einer modernen Kunstanschauung“ blieben ebenso unausgeführt wie mancherlei dramatische Pläne Herrig’s, und an ganz Neuem trat zur Ueberraschung seiner Freunde nur „Das Kaiserbuch. Acht Jahrhunderte deutscher Geschichte von Karl dem Großen bis Maximilian I.“, 1890/91 hervor. Inzwischen begann Anfang 1891 eine seinen genaueren Freunden schon seit etlichen Jahren voll erkennbare Gehirnerweichung, die seine dramatische Schaffenskraft bereits empfindlich beeinträchtigt hatte, als ernste Krankheit mit Lähmung des rechten Arms um sich zu greifen, dazu verlor er den Ortssinn; vergebens besuchte er eine Nervenheilanstalt zu Kassel und starb, erst 461/2 Jahre alt, am 4. Mai 1892 zu Weimar. Die letzte Ruhestätte hat er, seinem Wunsche gemäß, in der Vaterstadt Braunschweig gefunden.

Ob H. von der warmherzigen und verständnißvollen Darlegung und Würdigung seiner ästhetisch-litterarischen Absichten in theoretischer und praktischer Hinsicht, welche Arnold Fokke zu Ostern 1891 zunächst für engere Kreise drucken ließ, noch Kunde und freudige Genugthuung empfangen hat, ist ungewiß. Uns aber muß es höchst angenehm berühren, daß ein heutiger deutscher Dichter, [236] der es mit der Kunst und seinem Antheile daran überaus ernst nahm, noch bei Lebzeiten einen so begeisterten, tief schürfenden Erklärer gefunden hat wie Fokke, und noch dazu in dem, meistens bloß rein pädagogischen oder weltabgekehrten streng fachgelehrten Studien bestimmten Rahmen eines Gymnasialprogramms.

Dieses letztere hat nun freilich infolge der Art seines Erscheinens kaum in weiteren Kreisen Aufmerksamkeit und Einsicht für seinen Helden gewinnen können, muß aber immerhin hier, wo Raummangels halber eine ausführlichere Charakteristik des planmäßigen überzeugungsvollen Strebens unmöglich ist, als Rückhalt genauerer Aufklärung genannt werden; bloß mit der Reserve, daß Fokke vielleicht etwas zu weit geht, indem er die auch ihm selbst an die Seele gewachsene Tendenz, in der Kunst die dualistisch auseinander ziehenden gegensätzlichen Kräfte – Stoff und Geist, Wissen und Glauben, Kopf und Gemüth – im Zeichen christlicher Ethik zu einer Einheit, zu harmonisch lebensfähigem Ausgleiche zu vermählen, überall bei H. als das „allwaltende Gesetz“ aufzeigen und in dieser Erkenntniß und Anschauung „seine dichterische Bedeutung“ erblicken will. Dessen ungeachtet gebührt diesen Darlegungen Fokke’s erhebliches Verdienst, auch in allgemein ästhetischem Betracht, nicht weniger aber dem nachdrücklichen Hinweise auf die Thatsache, daß alle Dramen Herrig’s historischen, und zwar trotz seiner nationalen Richtung nicht etwa nur vaterländischen Stoff verarbeiten. H. hält es da mit des Dramatikers Schiller programmatischer Aeußerung an Goethe vom 5. Jan. 1798: „Ich werde mir gesagt sein lassen, keine andre als historische Stoffe zu wählen.“ In H. kreuzen sich eben mehrere einschneidende Probleme, deren jedes allein schon eine Dichterkraft hätte absorbiren können. Sein reicher, auf vielen Tummelplätzen modernen Denkens thätiger Geist, mit mannichfaltigem Wissen gesättigt, verfällt leicht ins Grübeln, ohne logischer Schärfe zu entbehren, auch, wo Humor und Phantasie sein Empfinden rührig leiten, in Reflexion. Ohne Chauvinismus wandte er sich gegen die kritiklose Masseneinfuhr ausländischer Litteraturwaare und das Aufpäppeln undeutschen Litteraturgeists, wie sie die Décadence-Strömung hätschelte, und ward auch bei dem undogmatischen Ringen Paul de Lagarde’s, Heinr. v. Stein’s, der „Deutsch-Socialen“ und Wagnerianer nach einem „deutschen Gott“ in den Achtzigern ein Rufer im Streit. Seine Religiosität ruht auf tiefem eigenen Grunde, und um sie ist es ihm nicht weniger heiliger Ernst, wie um seinen unabhängigen deutschen Sinn und die ästhetischen Maxime, welche seine Feder mit immer eifrigerer Ausschließlichkeit verfochten und in die That umzusetzen versucht hat.

Dafür hat er schon früh das Theater als geeigneten Boden erkannt, sobald er nach 1866 mit Bewußtsein in die litterarische Arena hinabgestiegen. „Alexius“, die bekannte mittelalterliche Heiligenlegende, und „Geminianus“, ein Thema aus der Periode der Christenverfolgungen, sind in der vorliegenden Form von 1869 wol Herrig’s controllirbare dramatische Anfänge, die er 1881 kaum unabsichtlich mit der von dem Schweden A. Hallén componirten und in Leipzig und Stockholm sehr beifällig aufgeführten freien Bearbeitung des scandinavischen „Hagbarth und Signe“-Stoffs, „Harald der Wiking“, als „Drei Operndichtungen“ zusammenfaßte, ein ganz in Richard Wagner’s Geleise gehendes Vorwort über das Verhältniß zwischen Poeten und Componisten vorausschickend. „Richard Wagner in treuester Anhänglichkeit zugeeignet 1871“, „In treuestem Gedächtniß 1888“ bei Gelegenheit der 3., umgearbeiteten Auflage (2. [Titel-]Auflage mit neuem Vorwort 1879) ist Herrig’s eigentliches Erstlingsdrama „Alexander“, welche, durch das Leitmotiv, der Mensch verschulde durch Ueberschreiten des ihm seitens der Natur gesetzten Maßes sein tragisches Geschick, verknüpfte [237] Vorführung der Hauptmomente aus dem Leben des großen Macedonierkönigs bei der Kritik einer günstigen Aufnahme begegnete, wie drei Auflagen bestätigten. Seinen übrigen dramatischen Leistungen, die sich über anderthalb Jahrzehnte vertheilen, haftet ein Mangel an, der aus Leixner’s Urtheil hervorblickt: sie seien durch den Ernst der Schicksalsauffassung ausgezeichnet, in einzelnen Auftritten groß gedacht, aber in den entscheidenden Augenblicken, wo Leidenschaft mit ursprünglicher Kraft hervorbrechen dürfe, mache sich eine Dämpfung des Gefühls bemerkbar. Sogar Herrig’s innigster Verehrer Fokke spricht den meisten seiner Schauspiele die zündende und fortreißende dramatische Kraft ab und bezeichnet z. B. in „Nero“, für welches Stück er die Handlung demgemäß besonders fein zersiebt, die klare consequente Durchführung der Idee, ohne die streitenden Gegensätze durch eine Intrigue in ein gespannteres Verhältniß zu einander zu bringen, als Hauptsache, weshalb auch hier, wenn auch nicht so sehr in den ersten vier Acten, die Dramatik („d. h. was man augenblicklich hierunter versteht“) zurückstehen müsse. Zu den Dramen höheren Stils rechnen jedenfalls Herrig’s Erzeugnisse sämmtlich: sie verrathen durchweg eine theatralische Begabung unverrückbar rhetorischer Farbe, konnten allerdings, jeder Pikanterie oder den, oberflächlichen Wünschen des Durchschnittszuschauers schmeichelnden Effecten geradezu peinlich ausweichend, das Rampenlicht entweder nicht gewinnen oder nicht behaupten. Dahin gehören: „Kaiser Friedrich der Rothbart“ (1873; 4., endgültige Ausgabe 1890); „Jerusalem“ (1874), das Judenthum in seinem letzten Unabhängigkeitskampfe gegen die Römer, mit „Nero“ (1883) die zwei ersten allein gebliebenen Glieder einer Tetralogie über die Grundgedanken des Christenthums in den Hauptmomenten seiner Entstehung; „Der Kurprinz“ (als solcher reift der sogen. „Große Kurfürst“ von Brandenburg im Haag; 1876, 2. Aufl. 1884); „Konradin“ (1881, 3. Aufl. 1885), dessen von Act zu Act gesteigerte, doch ins Melodram verfallende poetische Stimmung (vgl. Karl Bleibtreu’s Anzeige im „Magazin f. Literatur“, 42. Jahrg., 1884, S. 643–45) zuerst 1884 im Berliner Kgl. Schauspielhaus einen starken Achtungserfolg erreichte; „Columbus“ (1887), mit welchem jüngsten seiner Geschichtsdramen H. dem verdächtigenden Vorwurfe, er ziele mit seinen Festspielen auf Abschaffung des stehenden Theaters, die Spitze abbrechen wollte. Der Historiker des Columbusstoffs in der deutschen Poesie, Loevinson, weist auf Richard Wagner’s Vergleichung Beethoven’s mit dem Amerika-Entdecker als von H. (S. VIII) vermerkte Anregung hin. H. war inzwischen mit voller Wucht der Bannerträger einer Bewegung geworden, die er mit Feuereifer gefördert hat, ohne ihren Sieg erreichen, ihr schließliches Versanden verhindern zu können. Das 400jährige Lutherjubiläum von 1883 gab einer Gruppe von Festspielen das Leben, die nach Art der Volksstücke des Reformationszeitalters Bürgerdilettanten darstellten „und unter denen das Spiel von H. die weiteste Verbreitung und Geltung erlangte“ (Meyer’s Konversationslexikon5 XI, 635 s. v. Luther): „Martin Luther. Ein kirchliches Festspiel, zur Feier des 400jährigen Geburtstages Martin Luthers in Worms gedichtet“. An die Mysterienspiele des Mittelalters sich anlehnend, ersetzte H. den üblichen steigernden Aufbau des Regeldramas durch abgeschlossene scenische Bilder mit knappen, deutlichen Bericht-Einlagen: eine in ihrer Schlichtheit packende Lebensskizze der weltgeschichtlichen Gestalt ohne theologischen Einschlag, deren volksthümliche Farbe bei der Erstaufführung in der Wormser Dreifaltigkeits-Kirche durch dortige Bürger tief wirkte, wie danach vielfach anderwärts. Das Werk erlebte nicht nur bis zu Herrig’s Tode 21 Buchauflagen, sondern zog auch den Bau eines in sechs Wochen entstandenen großartigen Festspielhauses für derartige volksthümliche Dramen in Worms nach sich, woran dem dortigen [238] Widmungsträger und mittelbaren Veranlasser der Herrig’schen Luther-Dichtung, Friedrich Schön (s. u.), der Löwenantheil gebührt. Herrig’s heißes Sehnen, diesen geglückten Versuch, einst naiv und allverständlich gewesene Kunstübung unter dem Eindrucke einer mächtigen Zeiterinnerung neu zu beleben, eine volksthümliche Erneuerung oder wenigstens Ergänzung unseres Theaterwesens anzuknüpfen, blieb ein Traum dieses leidenschaftlichen Idealisten. Er ist fürder theoretisch wie praktisch energisch für diese seine Ueberzeugung eingetreten: die Flugschriften „Luxustheater und Volksbühne. Mit drei lithographischen Skizzen“ (1887) und „Ueber christliche Volksschauspiele“ (1890) schlossen sich direct an die im „Luther“ verkörperten Ideen an, während das ‚Weihnachtsspiel für die Volksbühne‘ „Christnacht“ (1887) sofort an mehreren Orten unter größter Theilnahme, doch auch nach heftigem Widerstande aufgeführt, und „Drei Jahrhunderte am Rhein. Schauspiel für die Volksbühne“ (1889) schon unter vieler Mühe mit Friedr. Schön’s Veranlassung und ständiger Correctur für die Eröffnungsaufführung (20. November) des Wormser Fest- und Spielhauses geschrieben und verwendet, diese bei veränderter Unterlage in die Praxis umsetzten.

Auf erzählendem Gebiete hat sich H. ebenfalls stets auf ernstem Boden, wenn auch scheinbar einmal mit halb heiterem Stoffe versucht. Geistreich und durchaus originell ist die Satire, bewußt in H. Heine’s Stil (gemäß Herrig’s Selbst-Auszug), die das philosophirende Gedicht „Die Schweine“ (1876) gegen den platten Materialismus richtet. Zwei dem Schlachten geweihte Schweine retten sich allein von einem Schiffsuntergang auf ein paradiesisches Eiland, wo sie anfangs glücklich leben, bis ihre unzählige Nachkommenschaft Alles verwüstet und die Schweine die brutalste Zerstörungswuth gegen einander kehren. Der letzte Mensch, vor der rein materiellen Cultur im Ekel flüchtig, landet auf der öden Insel zum Tode resignirt; doch die Stimme des von ihm in seiner Sprache gelehrten Vogels, seines Begleiters, und die aufgehende, weltbeglückende Sonne machen den Sterbenden lächeln, frei von hoffnungslosem Haß und bewußt siegreich über Leben und Natur. Der Kehrvers „O wie selig bist du Mensch!“ am Ende correspondirt mit demjenigen der ersten Capitel „O wie glücklich seid ihr Schweine!“ Ein mit eigenstem Gedankeninhalt erfülltes Phantasieerzeugniß, dabei naturalistisch im guten alten Sinne. Daneben vertritt „Der dicke König. Ein Gedicht“ (1885; 2. Aufl. 1888) das historische Epos in anziehender Weise. König Sancho von Leon, den Genußsucht überaus dick und regierungsunfähig gemacht hat, schaffen die Großen auf einem Lastwagen über die Grenze. In Cordova am Hofe des muhamedanischen Erbfeinds heilt ihn der gelehrte jüdische Arzt Cohn ben Levi von der Fettsucht, worauf auch sein Charakter dermaßen erstarkt, daß er den Thron wieder erobert und nun kräftig und weise herrscht. Obwol Stoff und Stil dieser bald liebenswürdig-humoristischen, bald – in der Charakteristik – fein satirischen Dichtung mannichfach an Cervantes’ „Don Quixote“ erinnern, so bezeugt sie eine besondere Seite in Herrig’s poetischem Talent, deren Ausbildung sein lebhafter dramatisch-dramaturgischer Hang und Drang gehemmt hat. So hat es auf dem Felde epischer Kleinkunst, für die ihm eine ungewöhnliche Begabung eignete, bei dem schmächtigen Bändchen „Mären und Geschichten. Gesammelte kleinere Dichtungen“ (1878; 2. Aufl. 1879) sein Bewenden gehabt, die, nach Inhalt und Form (reimlose und durchgereimte Strophen, solche mit Reim der geraden Verse, Reimpaare) abwechselnd, bald morgenländisch-mystische, bald mittelalterlich-germanische Sage und Legende zu Grunde legen. Die Darstellungsweise ist theils philosophisch angehaucht, wofür die sentimentale Balladenreihe „Buddha“ (sein Erdendasein) ein schönes [239] Beispiel kräftig-persönlichen Empfindens (S. 4–24), theils launig oder spöttisch und gemahnt dann auch hier öfters an Heinrich Heine, bei ernsten wie bei heiteren Stoffen: man sehe das sarkastische grausig-humorvolle Ende der Maria Stuart im Versklange, der uns durch Wilhelm Busch geläufig, und dann die neben einander stehenden Nummern „Der Eisbär“ und „Maria die Katholische“. Eigentliche Lyrik fehlt übrigens ganz.

Um nun der Prosaschriftstellerei Herrig’s ihr Recht zu gönnen, so weit sie außer der fleißigen publicistischen Wirksamkeit in Buchform vorliegt, so repräsentiren die betreffenden drei Bücher ganz verschiedene Interessen der vielseitig gebildeten Persönlichkeit. Das dünne Heft (57 Seiten) „Die Meininger, ihre Gastspiele und deren Bedeutung für das deutsche Theater“ (1879; 2., unveränd. Aufl. 1880/81), gleichsam ein theatergeschichtlich-dramaturgischer Begleiter zur officiellen Ausgabe des in demselben Verlage (R. v. Grumbkow) gleichzeitig erscheinenden „Repertoire des Herzoglich Meiningenschen Hoftheaters“ kennzeichnet Herrig’s Standpunkt über die auf letzterem einstudirten verschiedenen Zweige und Blüthen des classischen Dramas und die grundsätzliche Bedeutung eines so intensiven Mäcenatenthums wie an Herzog Georg’s II. Hofbühne (von der übrigens Herrig’s Production nie etwas profitirt hat) rückhaltlos, aus einer Fülle kundiger Glossen über die selbstgeschauten Aufführungen heraus. „Das Kaiserbuch. Acht Jahrhunderte deutscher Geschichte von Karl d. Gr. bis Maximilian I. Mit farbigen Initialen, Randleisten, Tafeln und vielen Abbildungen im Text“, letztere von Theodor Kutschmann in Charlottenburg 1843–1901), der den Text zu den nach alten Originalen höchst lehrreich ausgewählten sauberen Zeichnungen des Anhangs selbst schrieb und mit H., „vor langen Jahren geplant, den Leser durch die deutsche Geschichte zu führen, indem wir ihm in Deutschland selbst zeigten, was von dieser Geschichte noch übrig ist [. Eine Anzahl von gleicher Liebe zum Vaterlande erfüllter Männer hat uns jetzt in den Stand gesetzt, unsere Absicht durchzuführen …]“, ist ein großes Prachtwert von fünftehalbhundert Seiten und in gleicher Weise eine buchhändlerisch-litterarische, eine künstlerische, eine national-volkspädagogische That, für die außer dem auch textlich für den, geistig gemach versagenden H. vielfach einspringenden Kutschmann – H. Schmerber’s Nekrolog auf diesen im Biogr. Jhrbch. u. Dtsch. Nekrolog VI, 368 erwähnt von diesem ganzen Werke kein Wort – der Freund Herrig’s Fr. Schön und Otto March in Charlottenburg (der Erbauer der Wormser Bühne) vor und nach dem Erscheinen (ohne Jahr, 1890; Vorwort datirt: „Weimar, 1. Mai 1889“) sich materiell stark eingesetzt haben. Endlich zeigt das Bändchen Nr. 3187 von Reclam’s Universalbibliothek uns H. den idealistischen Pessimisten: „Gesammelte Aufsätze über Schopenhauer. Von Hans Herrig. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Eduard Grisebach“ (1894) mit der philologisch-bibliographischen Akribie, die diesen vieljährigen Berufsconsul und Dichter als Literarhistoriker auszeichnet, zumal hier als gewiegtesten Schopenhauer-Herausgeber und -Monograph des Verblichenen Freund, der den zu ihm 1884 von H. geäußerten Plan ausführte. Den Inhalt machen aus die vier selbständigen Aufsätze: „Wagner und Schopenhauer“, „Schopenhauer und Darwin“, „Zwei Schüler Schopenhauer's“ [Eduard v. Hartmann und Julius Bahnsen], „Schopenhauer und das Christenthum“, der letztere, zumal er auch an Richard Wagner und dessen Schopenhauer-Verehrung anknüpft, 1888 in d. „Bayreuther Blättern“ Hans v. Wolzogen’s gedruckt, die ersten drei 1871 bezw. 1872 in der in unserer obigen Lebensskizze Herrig’s dafür genannten Berliner Feuilletonbeilage. Auch in einigen Recensionen (Magaz. f. die Lit. des Auslds. 1872 Nr. 17, S. 217 bis 219; Die Gegenwart, 1881 Nr. 3 u. 7 u. ö.), die Grisebach a. a. O. S. 114 f. [240] auszieht, behandelte H. die Schopenhauer’sche Philosophie mit verehrendem, aber unabhängigem Urtheile. Nämlich seine Lebensanschauung und philosophische, auch ästhetisch zum Ausdruck gebrachte Grundansicht war keineswegs schlechtweg pessimistisch (vgl. auch R. M. Meyer, Jhrsbrchte. f. neuere dtsch. Litteraturgesch. V, IV 5, 149), insbesondere schon durch seinen stark nationalen, späterhin deutsch-evangelischen Zug modificirt. Herrig’s sonstige gedruckte Prosa, litterarhistorischen und verwandten, so cultur-, zumal reformationsgeschichtlichen Inhalts, ist nirgends gesammelt, wie er um Neujahr 1885 vorhatte, oder auffindbar verzeichnet: mehrere wichtige Aufsätze älteren Datums über das Drama, im „Magazin für die Literatur des Auslands“, wo er mancherlei veröffentlicht hat, erwähnt Grisebach, „Die dtsch. Literatur seit 1770“, S. 9, einen Brentano-Säcularartikel, „Allgem. literar. Correspondenz“ 15. April 1878, Grisebach, „Das Goethe’sche Zeitalter der deutschen Dichtung“ S. 132. Jahre lang geplant, aber wol nie ausgeführt, jedoch wiederholt 1878–80 als „demnächst erscheinend“ angekündigt waren „Grundlinien einer modernen [1880 bezeichnend geändert: einer deutschen] Kunstanschauung. Aesthetische Anregungen“, für welche Systematik seiner Ideen er folgendes Programm auf Umschlägen der „Mären und Geschichten“ drucken ließ: „Der Verfasser geht in diesem Werk nicht darauf aus, das gegebene Kunstmaterial classificatorisch und begrifflich zu behandeln; die moderne Kunstanschauung betrachtet vielmehr die Vergangenheit nur, um von ihr für die Zukunft zu lernen. Dem vielfach verbreiteten Pessimismus gegenüber, welcher meint, daß sich die Kunst, vor allem die Poesie, bereits erschöpft habe, wird hier gezeigt, daß ihr noch weite Wege offen stehen und unsere Kunstanschauung hinter der modernen Weltanschauung in ihren letzten und neuesten Consequenzen zurückgeblieben ist. Inmitten des politischen Wirrwarrs, angesichts des Niederganges des religiösen Gedankens ist die Kunst der letzte ideale Hort der Menschheit, und wenn man der modernen Weltanschauung, vornehmlich den Lehren Schopenhauer’s und Darwin’s den Idealismus abspricht, so hat sie den Beweis zu führen, daß dieser damit Unrecht geschieht. Soll die Kunst aber dies, so wird zuerst ihr schöpferisches Selbstbewußtsein wieder zu heben sein.“ Als 1886–91 in 7 Bänden seine „Gesammelten Schriften“ erschienen, welche Ausgabe aber das Epische ganz, die Dramatik etwa zur Hälfte ausschloß, gab H. auf den Umschlägen der drei letzten Bände anonym kurze Charakteristiken und Inhaltsangaben. Allerlei Pläne des das Beste wollenden, mehrmals mit unzulänglicher Kraft das Höchste erstrebenden Dichters sind in seinem letzten Jahrzehnt gescheitert, ein Drama „Heinrich IV.“, in dem sich seine dramatischen, nationalen, religiösen Gedanken endgültig verdichten sollten, mit erlahmtem Griffel äußerlich im Manuscript vollendet worden.

Was das Urtheil über Herrig’s Anlagen, Absichten und Leistungen betrifft, so dürfte die Mitte zu halten sein zwischen der ganz außerordentlichen Werthschätzung, die ihm sein Freund Ed. Grisebach – Vorwort zu den Schopenhauer-Aufsätzen, besonders aber „Das Goethe’sche Zeitalter der deutschen Dichtung“ (1891), S. 85 f. u. 159 – und in beinahe verhimmelndem Tone Arnold Fokke’s (den A. v. Weilen, Jhrsberchte. f. neuere dtsch. Litteraturgesch. II, IV 4, 136 „einen orakelnden Apostel“ Herrig’s nennt) gründliche, liebevolle Monographie „Ueber Hans Herrig“ (Gymnasialprogramm Wilhelmshaven 1891; als Buch Emden 1891) einer- und andererseits der schroff, fast höhnisch ablehnenden modern-naturalistischen Kritik, wie sie O(tto) N(eumann)-H(ofer)’s Nachruf „Magazin für Literatur“, 61. Jahrg. Nr. 20, S. 318 f. verkörpert, oder dem Votum „redlich, unzulänglich, verunglückt“, wie die heutige typische Litteraturhistorie ihre ebenso einseitige wie dictatorische Censur formuliren könnte. [241] Ihre Bedeutung wird durch die anerkennenden Stimmen von anderer Seite wesentlich abgeschwächt. Einen Nekrolog, der gerecht Talent und Erfolg mit guter Kenntniß des Herrig’schen Wirkens abzuwägen sucht, schrieb Ludwig Salomon in d. „Illustrirt. Ztg.“ Nr. 2551, S. 561 (Porträt S. 563), einen engern C. K. in d. Berliner „Täglich. Rundschau“ 1892 Nr. 120. Herrig’s Leben und Schriftstellerei sind summarisch behandelt in Brockhaus’ (14. Aufl., IX, 89, nach authentischen Notizen Herrig’s vom Unterzeichneten) und Meyer’s (5. Aufl. VIII, 707) Konversationslex., bis zum J. 1882 in Bornmüller’s Schriftstellerlex. S. 329, oberflächlich bei Ad. Bartels (dem er doch gerade sehr sympathisch sein müßte) „Gesch. d. dtsch. Liter.“ II, 642 u. 646 und „Die dtsch. Dichtung der Gegenwart“, S. 75, nach den Daten bei Brümmer, Lexik. d. dtsch. Dchtr. u. Pros. des 19. Jhrhs.5 II, 142, u. Hinrichsen, Das literar. Deutschland2 S. 559; Leben, Einzel-Besprechung der Dichtwerke und Gedicht-Proben bei Leimbach, Die dtschn. Dchtr. d. Neuzeit u. Gegenw. III, 341–48. Die literarhistorischen Handbücher der gesammten deutschen Literatur übergehen H. öfters ganz; man sehe demgegenüber die freundliche Würdigung in O. von Leixner’s G. d. d. L.2, 1893, S. 1057 f. u. 1064 f., die sympathetische bei Frz. Hirsch, G. d. d. L. III, 1883, S. 729–30, die getheilte bei Vogt u. Koch G. d. d. L.2, II, 506), während Ad. Stern’s, wo er, zufolge Erdmann (s. u.), „einer der größten Lobredner auf Herrig’s ‚Luther‘“ gewesen, Schweigen an den bezüglichen Stellen seiner Werke auffällt, zumal er 1882 „Lexik. d. dtsch. Nationalit.“ S. 6 u. 17 a u. b einzelne Dramen Herrig’s bei ihren Stoffen anführte. Die kleinen Handbüchlein des neuern deutschen Dramas von A. Klaar (1883) und selbst noch 1904 G. Witkowski vergessen ihn; C. Heine, „Das Theater in Deutschland“ (1894), S. 88 erwähnt ihn bei den Theater-Reformatoren, R. Prölß, Gesch. d. neuer. Dramas III, 2 (1886), 345 ganz flüchtig. Bio- und bibliographisch sehr wichtig ist Ed. Grisebach’s bevorworteter Nachlaßdruck der Herrig’schen Schopenhauer-Aufsätze (Handexemplar Grisebach’s mit höchst werthvollen Rand-Glossen nebst andern Angaben mir zur Verfügung gestellt) und Grisebach, „Katalog der Bibliothek eines deutschen Bibliophilen“ Nr. 1563 bis 1570 (1569 mit Autogramm) und 1388–1402, auch ebendess. „Weltlitteratur-Katalog“, 1898, Nr. 1671 u. 1745/46 (in dessen 2. Aufl. 1905, Nr. 2260–2279, zu vergleichen); bibliographisch von H. revidirt sind die Daten in „Kürschners Litteraturkaldr.“ bis mit Jhrg. 1892.

Mit Anlage und Idee des Luther-Festspiels, an denen der erwähnte erstaunlich rührige Förderer Frdr. Schön vielfach betheiligt ist, soll H., laut eigener, durch Schön verbürgter Angabe, in den Anfängen zu Weimar Otto Devrient (s. d.), seinen nachherigen Haupt-Wettbewerber, bekannt gemacht und so diesen erst zu seinem Festspiel „Luther. Historisches Charakterbild“ (1883) angeregt haben. Betreffend Herrig’s Luther-Stück erhielt ich interessante mündliche Mitthei1ungen über dessen Ursprung, Stätte, Aufführungen, Seitenstücke und Folge-Erzeugnisse durch den Vater der „Fest- und Spielhaus“-Idee, eben Frdr. Schön in Worms, seit 1892 Rentner in München, dessen ebenhier in privatem Kreise gehaltener interessanter Vortrag über diese Vorgänge leider ungedruckt geblieben. Man vergleiche über diese Bühne, ihr Problem und ihre Aufführungen, außer Herrig’s eigener Schrift „Luxustheater und Volksbühne“: Frdr. Schön, „Ein städtisches Volkstheater und Festhaus in Worms (1887); Raphael Löwenfeld, der Gründer und Director des verwandte Ziele verfolgenden „Schiller-Theater“ in Berlin, „Zur Eröffnungsfeier des Spiel- und Festhauses in Worms“, Offenbacher Zeitung Nr. 274 v. 21. Novb. 1889; ders., „Vom Wormser Festspiel“, Nationalzeitung 23. Novb. 1889, Morgenausgabe; K. und F. Muth, „Festschrift zur Einweihung des Spiel- und Festhauses [242] zu Worms“ (1889; die Festschrift des damaligen Redacteurs der „Wormser Zeitung“, Oskar Canstatt, „Kunst und Wissen in Worms“ 1890, liefert keinen unmittelbaren Beitrag); Hugo Kaatz, „Die Frage der Volksbühnen“ (1890), S. 9–20 (in den Fußnoten u. S. 46 mancherlei verfliegende Speciallitteratur angeführt); Rud. Genée, „Volksbühnen und Volksthümliches“, Beilage 72 zur Allgem. Zeitung v. 26. März 1890 (vgl. auch Genée’s einschlägige bühnentechnische Schriften von 1877 u. 1889, wogegen seine Notiz über Lutherfestspiele in „Spemann’s golden. Buch des Theaters“, 1902, Nr. 859, gar keine Autorennamen nennend, einseitig und flüchtig); Fritz Lienhard, „Deutsch-evangelische Volksschauspiele. Anregungen“ (1901), S. 10 u. 20. Ueber das Luther-Werk Herrig’s insbesondere sehe man: G. A. Erdmann, „Die Lutherfestspiele. Geschichtliche Entwicklung, Zweck und Bedeutung derselben für die Bühne“ (1888; bes. S. 94–124 u. 133–158, daneben 9, 26, 53; S. 134 auf „zustimmende Broschüren einiger Geistlichen“ und Ad. Wilbrandt’s Kritik der Herrig’schen Bühnen-Reformvorschläge verwiesen); L. Feyerabend, „Luther und das Herrig’sche Lutherfestspiel“ (1888); Rich. Bärwinkel, „Das Lutherfestspiel von H. H. in seiner Bedeutung für die evangelische Kirche und für die nationale Kultur“ (1888); A. Brandt, „Bericht über H. Herrig’s Luther-Festspiel in Graudenz“ (1893). Adolf Stern, „Wanderbuch. Bilder und Studien“ 3 (1890), S. 237–47; Notiz über die Verhinderung einer Trierer Aufführung 3. August 1892 im „Magazin f. Literatur“, 61. Jhrg., Nr. 33, S. 534b. Gelegentliches zu Herrig’s Dramen bei H. Bulthaupt, Dramaturgie des Schauspiels I5, 291, IV2, 596 u. 259. Herrig’s „Columbus“ behandelt neben seinen Stoffpendants Ermanno Loevinson, Cristoforo Colombo nella letteratura tedesca (1893), S. 101–115. Das „Kaiserbuch“ Herrig’s würdigten 1890 L. Pietsch, Vossische Ztg. Berlin, Nr. 215, Adolf Rosenberg i. „Die Post“ Berlin, Nr. 110. Unter namhaften frühern Mitarbeitern des „Berliner Börsenkuriers“ zählt H. auf G. Dahms, Das lit. Berlin (1895), S. 56, wo auch über dieser Zeitung Wagnerianismus (s. o. S. 234) zu vergleichen. Ueber Herrig’s Erziehung durch seinen Oheim Ludwig H. vgl. „Archiv f. d. Studium d. neuer. Sprche. u. Liter.“, Bd. 82 (1889), S. II f. und XVI. Vgl. auch Gottschall, D. dtsch. Nationallit. d. 19. Jhrhs.6 IV, 151–53; II, 439.

Herrig’s literarische Bedeutung hat nicht etwa nur sein verhältnißmäßig früher Hintritt verdunkelt, sondern auch sein überaus bewußt, fast trotzig selbständiges Auftreten als Dramatiker und Dramaturg, ja als Kunstreformator, das ihn jeder journalistisch gestützten Richtung absichtlich fernhielt, hemmte den rechten Zoll der Anerkennung seitens der Kritik, der Theaterpraxis und des durch beide beeinflußten Publicums. Denn H. war in erster Linie Dramatiker, der seine Ideen und Besserungsvorschläge auf dem Boden der lebenden Bühne in die That hat umsetzen wollen. Praktisch ging er, betonen Grisebach und Neumann-Hofer, als Erbe in des früh geendeten kraftgenialischen Kleist- und Grabbe-Jüngers Grafen Hans Veltheim Spuren (s. A. D. B. XXXIX, 587–93), auf den sein Aufsatz: „Ein unentdeckter Dramatiker“ in d. „Station“ des „Berliner Börsenkuriers“, abgedruckt „Braunschweiger Tageblatt“, 1873 Nr. 3–6, 4–8. Jan., aufmerksam machte. Wie L. Salomon seinen Nachruf schließt: „Seine Bestrebungen, das deutsche Drama in neue Bahnen zu lenken, sind aber nicht vergeblich gewesen; er hat nicht nur weite Kreise, die sonst dem Theater fernstehen, für das Theater begeistert, sondern auch zu weiterer Pflege des edlen Volksstücks und Festspiels angeregt. In der Geschichte des deutschen Theaters und des deutschen Dramas wird daher sein Name unvergessen bleiben“, so läßt sogar Herrig’s Verkleinerer Neumann-Hofer seine nekrologische Charakteristik [243] wie folgt auslaufen: „Das, was H. immer fehlte, war der starke Führer. Er ahnte das Neue und empfand seine Nothwendigkeit schmerzhaft; aber er, dem die Eigenschaften eines talentvollen und hingebenden Gefolgmannes verliehen waren, konnte nicht Feldherr sein. Er war ein Opfer der mit Neuem kreisenden Zeit. Ein künftiger Geschichtschreiber wird ihn vielleicht als den edelsten und verirrtesten Pfadsucher ansehen, der der jüngsten Periode der Erneuerung der litterarischen Ausdrucksmittel vorangegangen ist.“