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ADB:Hitzig, Ferdinand

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Artikel „Hitzig, Ferdinand“ von Gustav Moritz Redslob in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 507–509, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hitzig,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 04:54 Uhr UTC)
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Hitzig: Ferdinand H., bedeutender alttestamentlicher Exeget und Orientalist, geb. am 23. Juni 1807 zu Hauingen, nicht weit von Lörrach in Baden, wo sein Vater Pfarrer war, † am 22. Januar 1875. Die erste Schulbildung genoß er auf dem Pädagogium zu Lörrach unter Nachhülfe und Anleitung seines Oheims, des Kirchenraths Friedr. Wilhelm H., alsdann besuchte er vom Herbst 1822 bis ebendahin 1824 das Lyceum zu Karlsruhe, wo der Prälat Hebel an seiner Ausbildung mitwirkte. Von der Schule entlassen, wandte er sich nun zum Studium der Theologie, im Herbst 1824 nach Heidelberg, dann 1825 nach Halle und zuletzt, nachdem er schon im Herbst 1827 sein theologisches Staatsexamen glänzend bestanden hatte, Ostern 1828 nach Göttingen. In Heidelberg fühlte er sich am meisten durch Paulus angeregt, während in Halle namentlich unter Gesenius’ mächtigem Einfluß sich die Vorliebe für die alttestamentliche Wissenschaft, verbunden mit dem Studium der morgenländischen Sprachen, entwickelte, und der Plan, für dieses Fach einen akademischen Wirkungskreis zu suchen, zur Reife kam. Er promovirte 1829 in Göttingen zum Doctor der Philosophie und habilitirte sich in demselben Jahre in der theologischen Facultät zu Heidelberg. Nachdem schon seine 1831 erschienenen Erstlingswerke „Begriff der Kritik am [508] alten Testament praktisch erörtert“ und „Des Propheten Jonas Orakel über Moab“ die Aufmerksamkeit der Fachgenossen erregt und ihn als scharfen, seiner Ziele bewußten Kritiker gezeigt hatten, wurde er 1833 als ordentlicher Professor der Theologie nach Zürich an die erst im vorhergehenden Jahre eröffnete Universität berufen, welche nicht zum Mindesten durch seine eifrige Mitwirkung rasch emporblühte. Hier schloß er noch in dem Jahre seiner Berufung ein Werk ab, welches vornehmlich seinen Ruf verbreitete und, auf Ewald’s sprachlichen Forschungen begründet, für die alttestamentliche Exegese und Kritik im grammatisch-historischen Sinne bahnbrechende Bedeutung erlangte: „Der Prophet Jesaja übersetzt und ausgelegt“, 1833, und war auch in der Folge trotz angestrengter akademischer Wirksamkeit vielseitig litterarisch thätig. Freilich wurde ihm die akademische Wirksamkeit bald nicht wenig beeinträchtigt, als im J. 1835 nach dem Erscheinen von Strauß’ „Leben Jesu“ die Reaction gegen die rationalistische Zeitrichtung hereinbrach und theils die deutschen Studenten von Hitzig’s Vorlesungen fern hielt, theils ihm die Heimath verschloß, nach welcher er sich trotz seiner großen Erfolge bei den Schweizern doch zurücksehnte. Zwar blieben die Schweizer Studenten ihm treu, doch hatte auch in der Schweiz die Berufung Strauß’ auf einen theologischen Lehrstuhl zu Zürich im J. 1839 für die rationalistische Richtung ernste Folgen und wirkte eine Zeit lang störend auf Hitzig’s Wirken, ohne daß jedoch dieser Umschwung ihn entmuthigt hätte oder gar von Einfluß auf seine Methode gewesen wäre. Eine Reihe seiner vornehmsten exegetischen Arbeiten, welche in diese Zeit fallen, zeigen den stetigen Fortschritt auf der eingeschlagenen Bahn und ein entschiedenes Festhalten an dem freien, von theologischen Axiomen nicht abhängigen und ohne Vernachlässigung des religiösen Gehalts des alten Testaments doch in erster Linie auf den streng wissenschaftlichen Grundlagen der Grammatik und Geschichte basirten Standpunkt. Hitzig’s hervorragende Stellung an der Züricher Hochschule hob sich mehr und mehr und kam namentlich zum Ausdruck, als er 1857 bei dem 25jährigen Jubiläum der Universität zum Rector gewählt in ausgesuchter Weise gefeiert wurde. Allein die ehrenvolle Aufnahme, welche ihm die Schweiz bot, konnte ihn nicht hindern, die Rückkehr in die Heimath als das erstrebenswerthere Ziel anzusehen. Als daher im J. 1860 in den kirchlichen Verhältnissen Badens wieder eine Wendung eingetreten war, und die durch den Tod Umbreit’s erledigte Professur H. angetragen wurde, nahm er diese bereitwilligst an. So trat er denn Ostern 1861 in die theologische Facultät zu Heidelberg ein und fand hier bis an sein Lebensende einen schönen und weiten Wirkungskreis, durch seine bedeutende geistige Kraft und einflußreiche Persönlichkeit im akademischen Lehrberuf und in der gelehrten Litteratur gleich angesehen. Auch die Regierung seines Landes ehrte ihn durch Verleihung des Charakters eines geheimen Kirchenraths. In seinen Vorlesungen behandelte H. vornehmlich die Erklärung des alten Testaments nebst den sich an diese schließenden Stoffen, daneben auch das neue Testament und die semitischen Sprachen. Auch war er ein Freund classischer Bildung und las zuweilen Collegien aus diesem Gebiet. Durch seine Schriften zur Exegese und Kritik des alten Testaments und andere, welche vorzüglich in gründlichen und geistreichen Untersuchungen aus der Sprachwissenschaft, Geschichte und Alterthumskunde der morgenländischen Völker ihren Werth haben, hat er sich als einer der gelehrtesten und scharfsinnigsten Vertreter dieses Fachs einen bedeutsamen Namen gemacht und zur Belebung dieser Studien unter den freisinnigen Exegeten der Neuzeit vielleicht am meisten beigetragen. Er war ausgezeichnet durch gründliches und umfassendes Wissen, durch Regsamkeit und Lebendigkeit des Geistes, logische Methode und Klarheit des Gedankens. Dazu kam ein scharfsichtiger kritischer Blick, feiner historischer Sinn und eine geistreiche Combinationsgabe, der auch die entlegensten [509] Beziehungen nicht entgingen und mannichfache neue, oft überraschende Resultate entsprangen. Seine eigenartige Durchdringung des alttestamentlichen Stoffes in historisch-kritischer, sprachlicher und sachlicher Beziehung, seine selbständige Auffassung der Zeitfolge, des Zusammenhangs und der Anordnung der Textbestandtheile, die sorgfältige Prüfung und Feststellung der Lesarten an der Hand der Tradition oder der Conjectur, endlich seine feine Beobachtung des hebräischen Sprachgebrauchs und der grammatischen Verhältnisse sind von dem bedeutendsten Einfluß auf den Ausbau der alttestamentlichen Wissenschaft gewesen, wenngleich seine vielfach gewagten und willkürlichen Hypothesen und Conjecturen nicht immer allseitigen Beifall fanden, und nicht verkannt werden kann, daß oft der Scharfsinn bei ihm auf die Spitze getrieben erscheint und an den hergebrachten Resultaten der Forschung ohne genügenden Grund gerüttelt wird. Ein besonderes Talent, den behandelten Gegenständen neue, von den Vorgängern noch nicht berücksichtigte Seiten abzugewinnen und ihnen weitergehende Schlußfolgerungen zu entnehmen, führten ihn nicht selten auf Irrwege und geben seinen Deutungen leicht den Charakter des Gesuchten. Die lange Reihe seiner Commentare, welche zum Theil dem „Kurzgefaßten exegetischen Handbuch zum alten Testament“ angehören, erstreckt sich über die großen und kleinen Propheten und den größten Theil der Hagiographa (Jesaja, Jeremia, Ezechiel, die zwölf kleinen Propheten, Psalmen, Sprüche Salomonis, Hiob, Hoheslied, Prediger Salomonis, Daniel) und erfreut sich auch bei den Vertretern anderer theologischer Richtungen ihres reichen Inhalts wegen bereitwilliger Anerkennung. Daran schließen sich noch: „Die prophetischen Bücher des alten Testaments übersetzt“, 1854. Auch auf das neue Testament wandte er die ihm eigenen hermeneutischen Grundsätze an, doch mehr in Vorlesungen als in Schriften: „Ueber Johannes Marcus und seine Schriften“, 1843; „Zur Kritik Paulinischer Briefe“, 1870. Auf die Sprache und Geschichte der morgenländischen Völker beziehen sich: „Die Erfindung des Alphabetes“, 1840; „Urgeschichte und Mythologie der Philistäer“ (auch u. d. T.: „Zur ältesten Völker- und Mythengeschichte“, Bd. 1), 1845; „Geschichte des Volkes Israel“, 2 Thle. 1869–70; „Sprache und Sprachen Assyriens“, 1871, und die epigraphischen Werke: „Die Grabschrift des Darius zu Nakschi Rustam“, 1846; „Die Grabschrift des Eschmunazar“, 1855; „Die Inschrift des Mesha“, 1870. Außerdem lieferte er Beiträge für verschiedene wissenschaftliche Zeitschriften, wie für Hilgenfeld’s „Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie“, die „Theologischen Studien und Kritiken“, Zeller’s „Theologische Jahrbücher“ und die „Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft“.

Vgl. Nekrologe in der Augsburger Allgemeinen Zeitung, 1875, Nr. 30 und in der Protestantischen Kirchenzeitung 1875, Nr. 8 (von Kneucker) und Badische Biographien I. 377 ff. (von demselben).