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ADB:Hitzig, Julius Eduard

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Artikel „Hitzig, Julius Eduard“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 509–511, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hitzig,_Julius_Eduard&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 04:42 Uhr UTC)
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Hitzig: Julius Eduard H., hervorragend als Schriftsteller und Criminalist, geb. am 26. März 1780 zu Berlin als ältester Sohn des später in Potsdam ansässigen, vielfach verdienten Stadtrathes H., gest. zu Berlin am 26. November 1849. Er studirte in Halle und Erlangen, während welcher Zeit er Beziehungen mit Bartholdy (nachmaligem General-Consul), Clemens Brentano, dem jüngeren Wieland[WS 1] u. A. anknüpfte; bestand 1799 die erste juristische Prüfung und ging als Auscultator nach Warschau. Hier fand er zwei Dichter von hoher geistiger Begabung, Jakob Mnioch und Zacharias Werner, mit denen ihn bald die innigsten freundschaftlichen Bande verknüpften. Werner zeichnete das Bild seines jüngeren Freundes in dem Tempelritter Robert d’Heredon seiner „Söhne des Thales“. 1801 nach Berlin zu weiteren Arbeiten zurückgekehrt, lernte er Altersgenossen in Chamisso, Wilh. Neumann, Varnhagen, Theremin, Koreff u. A. kennen und war sehr bald der Mittelpunkt des jugendlichen Dichterbundes. Man stellte aus den [510] dichterischen Erzeugnissen den „Musenalmanach“ zusammen, wozu H. namentlich Uebersetzungen aus romanischen Sprachen lieferte. Kritiken des Geleisteten gab Werner aus Warschau. Nach Absolvirung der dritten Prüfung im J. 1804 schloß H. seine eheliche Verbindung, der große Hindernisse entgegengestanden hatten, und ging wieder nach Warschau, wo er einer jüngeren Tochter seines 1804 gestorbenen Freundes Mnioch im eigentlichen Sinne des Wortes Vater wurde, diese Liebe auch auf deren Kinder übertragend. Er fand dort als Rath an der Regierung E. T. A. Hoffmann, der damals ganz der Musik lebte. Dichterische Interessen führten sie zusammen und eine kurze Zeit heitersten Zusammenwirkens und Genießens ging an den Freunden vorüber. Genöthigt 1807 nach der Heimath zurückzukehren, suchte er sich, um dem Staate nicht zur Last zu fallen, eine neue Existenz zu schaffen, übersetzte z. B. ein großes chemisches Werk von Chaptal, was unter Hermbstädt’s Namen, Berlin 1808 deutsch erschien. Seine vielen litterarischen Kenntnisse und sein litterarisches Interesse bewogen ihn Buchhändler zu werden. Er lernte bei Reimer und eröffnete 1808 eine bei seiner großen Geschicklichkeit, trotz der schlechten Zeiten, bald blühende Buchhandlung, verlegte eine namhafte Zahl ausgezeichneter Werke (u. A. auch Fouqué’s Sigurd in Prachtausgabe, mit Holzschnitt auf dem Titel, was damals für Werke der Poesie unerhört war!). – Im J. 1813 arbeitete er bei Organisirung des Landsturmes in der General-Adjutantur, verlor 1814 leider seine ihm über Alles theure Gattin und verkaufte die Handlung an Dümmler, wurde 1815 Kriminal- und Pupillenrath, 1827 Director des Inquisitoriats beim Kammergerichte. Er führte in dieser Zeit die Schlußuntersuchung wider die in Köpenick Verhafteten, unbeirrt durch die bedenklichen Drohbriefe, die ihm die Tyrannenmörder „Harmodius und Aristogiton“ schrieben. Viele der Angeklagten fühlten das edle Herz des Richters und es entsprang daraus manches freundschaftliche Verhältniß. Als im J. 1825 das Kammergericht mit der Revision des Strafrechts beauftragt und ihm der Bericht übertragen wurde, nahm er wahr, daß man im übrigen Deutschland wenig von der Strafrechtspflege in Preußen und umgekehrt wisse, was ihn dazu brachte die „Zeitschrift für die preußische Kriminalrechtspflege“, 24 Bde. 1825–36, mit 4 Repertorien, später die „Annalen für deutsche und ausländische Kriminalrechtspflege“, 17 Bde., 1828–37 fortgesetzt von Demme, Klunge und Schletter bis 1855) herauszugeben. Es galt ihm hierbei hauptsächlich den Kampf gegen die laxen Grundsätze der Neuzeit, gegen die falsche Humanität, die das Verhältniß von Wille und That verrückt hatte. Von dem Ertrage der Zeitschrift bestimmte H., dankbar anerkennend, wie seine Stellung bei dem ersten Kriminalcollegium der Monarchie und das thätige Entgegenkommen desselben die Fortführung dieser Arbeiten allein möglich machte, 50 Thaler von jedem Bande zur Remuneration bedürftiger, beim Kammergerichts-Inquisitoriat arbeitender Referendarien. Der gemüthliche Verkehr mit Hoffmann, von dem uns in den „Serapionsbrüdern“ ein anziehendes Bild erhalten ist, zerriß schon vor Hoffmann’s Tode (25. Juni 1822). Im Januar 1823 starb Werner und setzte H. beiden Freunden in Biographien, die er 1823 herausgab, – es sind Meisterwerke ihrer Art – ein bleibendes Denkmal. Mit väterlicher Freundessorge hatte er sich an Chamisso angeschlossen. Im J. 1824 erließ er eine öffentliche Aufforderung zur gesellschaftlichen Vereinigung der Litteraturfreunde Berlins, die zur Gründung der Mittwochsgesellschaft führte. Damit begann eine Zeit frischer Bewegung, als Männer wie Chamisso, Neumann, Fouqué, Streckfuß, Raupach, Eichendorff, Holtei, Uechtritz, Häring, Simrock, Gaudy u. A. Theil nahmen, wo H. das feste, zusammenhaltende Band bildete. Bei Gelegenheit einer Karlsbader Kur lernte er Jean Paul kennen, bei weiteren Reisen machte er sich mit dem französischen Geschworenenverfahren vertraut. Den litterarischen Interessen diente [511] Hitzig’s Publikation: „Gelehrtes Berlin im Jahre 1825“, Berlin 1826, das für die Culturgeschichte und Litteraturgeschichte einen schätzbaren Beitrag liefert. Das Honorar wurde von ihm zum Ankauf einer Actie zu dem Türk’schen Civil-Waisenhause bestimmt, um den Nachkommen eines bedürftigen Berliner Schriftstellers die Aufnahme in jenes treffliche Institut zu sichern. Geehrt durch die Ernennung zum Doctor der Rechte seitens der juridischen Facultät in Tübingen am 1. Januar 1832, fühlte er doch mehr und mehr seine Kräfte schwinden. Auf dem linken Auge erblindet, mußte er auch den Verlust des rechten befürchten und beantragte daher 1832, nach ehrenvoller Ablehnung von Neuem 1835 seinen Abschied, der ihm unter Verleihung des Rothen Adlerordens dritter Klasse und Pensionsgewährung bewilligt wurde. 1837 empfing er vom Herzoge von Sachsen-Altenburg das Ritterkreuz des sächsisch-ernestinischen Hausordens. Als das Gesetz vom 11. Juni 1837 „zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung“ erschien, commentirte er dasselbe (1838) und wurde Vorsitzender des Litter. Sachverständigenvereins, gab auch seit 1840 in Leipzig die „Preßzeitung“ heraus. Größeres Aufsehen erregten seine Aufsätze „Ueber belletristische Schriftstellerei als Lebensberuf“, 1838, und „Vier Variationen über ein Zeitthema“ (1842), in denen er, ein Vorläufer freierer Bewegung auf dem Gebiete der Presse, die schiefe Stellung der Regierung zur Publicität behandelte. Seinen tief religiösen Lebensanschauungen folgend, bevorwortete er: „Zuruf eines Christen an die Schriftsteller des französischen Volkes von G. de Felice. Ein Spiegel auch für die deutsche Schriftstellerwelt. Aus dem Französischen von Dr. K. Dielitz“, 1843. Eine letzte biographische Arbeit hatte er Chamisso gewidmet (Chamisso’s Werke, 5. u. 6. Bd., Berlin 1839–40; Peter Schlemihl, Berl. 1839) und betheiligte sich noch an der großen „Sammlung der interessantesten Kriminalgeschichten aller Länder aus älterer und neuerer Zeit“, welche als „neuer Pitaval“ von ihm und Häring herausgegeben wurde. Ein schönes Zeugniß seines edlen, im Wohlthun die höchste Befriedigung findenden Charakters gab er, als einige Jahre nach seiner Pensionirung sein Gesundheitszustand sich erheblich besserte und ihm nun Zweifel aufstiegen, ob er nicht Unrecht begangen, dem Staate seinen Dienst als Richter zu entziehen und Jahre lang Lohn genommen zu haben, ohne etwas dafür zu leisten. Nach Spener’s Anleitung (in dessen theologischen Bedenken II. 453) erbat er beim Könige die Erlaubniß, ein dem etwa zehnjährigen Betrage seiner Pension gleichkommendes Kapital dem Staate als Vermächtniß darbringen zu dürfen, nachdem die Wittwe eines seiner Freunde auf Lebenszeit oder ihre Kinder bis zur Majorennität des jüngsten die Zinsen desselben genossen haben würden. Dieses Geschenk von 6000 Thalern fand in der Cabinetsordre vom 25. April 1839 die würdigste Berücksichtigung. Von einem schlagähnlichen Zufall 1839 betroffen, der sich in schlimmerer Form 1845 erneuerte, entschlief er nach langem Leiden am 26. November 1849. Zu erwähnen sind noch von Schriften: „Geschichte der Zerstörung einer Fabrik falschen preußischen Papiergeldes in England im Jahre 1821“, 1827; „Camoens, Os Lusiadas“, 1810; „Gozzi, Fiabe teatrali“, 1809, 1810: „Staël, Aspasia“, 1811; „La Numancia de M. Cervantes de Saavedra“, 1811; „Berliner Universitätskalender für 1811, 1812“, Berlin 1812; „Deutschland nach Frau v. Staël“ (mit Buchholz u. Catel), 1814.

Nach den schönen Nekrologen von Kugler (Preuß. Staatsanzeiger vom 11. Decbr. 1849, auch separat 1849), und Gröger (Neuer Nekrolog d. Deutschen, Jahrg. 1849, Weimar 1851, II. 945–949). – Abegg, Die Preuß. Strafgesetzgebung, Berl. 1854, S. 12, 17, 19, 25, 91, 101. – Wächter, Beil. z. Vorles. über d. deutsche Strafrecht, Stuttg. 1877, S. 175, 196. – Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland, Leipzig 1867, S. 44.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ludwig Wieland (1777–1819), Sohn von Christoph Martin Wieland.