ADB:Hoßbach, Peter Wilhelm

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Artikel „Hoßbach, Peter Wilhelm“ von Otto von Ranke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 185–188, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ho%C3%9Fbach,_Peter_Wilhelm&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 05:15 Uhr UTC)
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Hoßbach: Peter Wilhelm H., geb. am 20. Febr. 1784 in Neustadt a./Dosse. Von seinem Vater, dem dortigen Lehrer und Organisten, erhielt er eine einfache und fromme Erziehung. Seine Mutter entstammte einer Predigerfamilie Neustadts. Bis zum 13. Lebensjahre blieb der Knabe unter des Vaters Leitung auf der Schule seiner Vaterstadt. Von da kam H. 1797 auf das Gymnasium in Neuruppin und bezog 1803 die Universität Halle. Hier hörte er bei Maaß, Knapp und Niemeyer. Eines Stipendiums wegen mußte er schon nach einem halben Jahr Halle mit Frankfurt a. O. vertauschen. Außer den eigentlichen theologischen Fachcollegien, welche er bei Steinbart, Mutzel und Krug hörte, trieb H. mit Vorliebe philologische und pädagogische Studien. Auch hörte er geschichtliche und physikalische Vorlesungen. 1806 trat H. als Hauslehrer in eine Kaufmannsfamilie in Hamburg und 1808 in das Haus des Grafen von Arnim in Boitzenburg in der Ukermark ein. 1810 erhielt er das Conrectorat an dem Gymnasium zu Prenzlau; doch wurde ihm noch in demselben Jahre die Pfarrstelle zu Plänitz bei Neustadt a./Dosse übertragen. Fünf Jahre blieb H. auf dieser einsamen von dem großen Verkehr abgeschlossenen Landpfarre. Seine Zeit füllte er mit allerhand Studien aus. Vor allem waren es Schleiermacher’s Schriften, welche ihn beschäftigten. Hatten doch Schleiermacher’s Reden über die Religion auch in ihm erst ein tieferes religiöses Leben geweckt. Nach Schleiermacher’s Vorgang vertiefte er sich sodann in platonische Studien. Wenn darum auch H. nicht zu den Füßen Schleiermacher’s gesessen, so dürfen wir ihn doch im weiteren Sinne als einen Schüler Schleiermacher’s bezeichnen. – 1815 erhielt H. die (durch die Versetzung Ribbek’s nach Stendal vacante) Predigerstelle an dem königl. Kadettenhause in Berlin. – Schon die ersten Amtsjahre auf dem Lande waren für H. nicht ohne schwere häusliche Leiden geblieben. Seine erste Frau, geb. Struwe, war ihm gestorben. Seine zweite Frau, geb. Dürr, brachte er leidend nach Berlin. Schon damals hatte sie den Grund zu ihrer bald überhandnehmenden Geisteskrankheit gelegt, welche das Leben Hoßbach’s aufs schmerzlichste verbittern sollte. Am Kadettenhaus übernahm H. zugleich den Unterricht in Geographie und Geschichte. Nun trat er in persönliche Beziehungen zu Schleiermacher, dessen Schüler seine besonderen Freunde wurden. Um diese Zeit schrieb H. das Leben Johann Valentin Andreae’s, welches 1819 im Verlag von G. Reimer erschien. Schon der Ausspruch Ph. J. Spener’s, welchen H. auf das Titelblatt seines Buches setzte: „Könnte ich Jemand zum Besten der Kirche von den Todten erwecken, es wäre Valentin Andreae“ – bezeichnet den Zweck der ersten schriftstellerischen Arbeit Hoßbach’s. Diesen Zweck hebt er auch in dem längeren Widmungsschreiben an Prof. Friedrich Lücke in Bonn, welches die Stelle einer Vorrede einnimmt, ausdrücklich hervor: „Immer habe ich die wunderbar bewegte Zeit vor Augen gehabt, in welcher wir leben. Einer solchen Zeit, dachte ich, thut es Noth, an einem großen geschichtlichen Bilde zu zeigen, auf welchen Punkt sie vornehmlich die neuerwachten, treibenden und drängenden Kräfte zu richten hat“. Für die eigene Stellung innerhalb der kirchlichen Parteien ist die Schilderung, welche H. von dem religiösen Leben dieser Zeit (1819) gibt, sehr bezeichnend. „Unleugbar sind die Keime eines neuen religiösen Lebens jetzt unter uns vorhanden und drängen sich mächtig hervor; [186] aber wie es zu geschehen pflegt, überall wo etwas Neues und Großes die menschlichen Gemüther bewegt, daß viele das Alte mit Hartnäckigkeit festhalten; viele im Taumel der jungen Begeisterung das Maß und die Haltung verlieren und nur Wenige die rechte Mitte finden, in welcher das Leben wohnt und die Kraft: so sehen wir auch jetzt die Meisten noch verharren in der kalten verständigen glaubensleeren Richtung, die eine flache Zeit ihnen gegeben; Andere ihnen entgegentreten mit der Glut eines religiösen Gefühls, das in sich selber kein Maß hat und einer falschen Mystik zur Beute fällt; wenige darnach trachten den scheinbaren Widerstreit zwischen Wissen und Glauben allmählig aufzulösen und noch Wenigere endlich durch die innige Verschmelzung und Durchdringung von beiden über dem Streite stehen“. – Dieser Position ist H. sein Leben hindurch treu geblieben. Er hat sich stets als einen Mann der Mitte erwiesen. Freilich mußte er im Anfang seiner Berliner Wirksamkeit mehr im Gegensatz zu dem damals noch fast alle Kanzeln der Hauptstadt beherrschenden Rationalismus seinen positiven Offenbarungsglauben betonen, wie denn eben das Widmungsschreiben an Lücke sehr heftige Ausfälle gegen den alten Rationalismus enthält. „Die protestantischen Pfarrer sind am meisten erfüllt gewesen von dem leeren Dunst einer von Christo abgewendeten Aufklärung … Auch jetzt treibt der hohle Geist einer wassersüchtigen Zeit unter ihnen sein Spiel und möchte gern das heilige Feuer dämpfen, das an vielen einzelnen Punkten in unserem Vaterland aufgeglüht ist … Es liegt eine überschwängliche Gewalt in dem göttlichen Wort, wenn einer es zu handhaben weiß mit Einsicht und mit Innigkeit … Alle Wiedergeburt der Menschheit, wie sie zuerst vom Christenthume ausgegangen ist, kann sich auch nur in demselben und durch dasselbe erneuern … Darum gibt es kein heiligeres und göttlicheres Amt als das Amt eines christlichen Predigers. Darum kann einer Gemeinde kein größeres Heil widerfahren, als wenn ein von der Gewalt des Evangeliums ergriffener, durch sein Wort und seine That dasselbige einfach und kräftig auslegender Geistlicher in ihrer Mitte steht … Möchte Valentin Andreae’s herrliches Vorbild, möchten seine innigen, tief ergreifenden Worte recht viele unserer Geistlichen erwecken, daß sie die Würde ihres Berufes fühlend, sich aufrissen aus dem geistigen Schlaf! …“ H. bedauert zuletzt, daß die Kirche noch einer kirchlichen Verfassung entbehren muß, und hofft, daß die Würdenträger der Kirche den Eifer und den Muth haben, die Rechte der Kirche gegen die Eingriffe weltlicher Gewalt zu vertreten.

Als De Wette 1819 in Folge seines bekannten Trostbriefes an Frau Sand Berlin verlassen mußte, gab H. seine Wohnung im Kadettenhaus zu einer Abschiedsfeier der Freunde her. Dies wurde ihm am Hofe verdacht. Auch war es die erste Veranlassung, daß H. sich nach einem anderen Wirkungskreise umsah. Bald hatte sich auch ein anderer für H. gefunden. Ostern 1821 wurde er als dritter Prediger an der damals noch vereinten Neuen und Jerusalemer Kirche eingeführt. Um die Kanzel der Neuen Kirche, welcher H. seit 1830 ausschließlich angehörte, sammelte er nun eine ihn gern hörende, überaus treue Gemeinde. Hatte er schon die Wahl- und Antrittspredigt auf den Wunsch der Gemeinde zum Druck befördern müssen, so gab er bereits 1822 eine erste Sammlung von Predigten heraus, welche er Schleiermacher dedicirte. Dieser ersten Sammlung folgten noch fünf Predigtsammlungen, welche 1824, 27, 31, 37 und 43 erschienen. Eine siebente Sammlung Hoßbach’scher Predigten ist 1848 aus dem Nachlaß Hoßbach’s und mit einer Biographie von Pischon versehen erschienen. Was Hoßbach’s Predigten so anziehend machte, war wol die schlichte, einfache Sprache, in welcher die biblische Wahrheit bekannt wurde, von der Hoßbach’s ganze Persönlichkeit selbst Zeugniß ablegte. Hatte H. mit Freudigkeit die Union (1817) angenommen und sich als ein Freund derselben sein Lebtag erwiesen, [187] so konnte er sich nicht so freudig für die Kirchenagende erklären, welche 1821 der König Friedrich Wilhelm III. zunächst zum Gebrauch für den Gottesdienst in der Hof- und Domkirche eingeführt hatte. Als daher das Consistorium im Auftrage des Ministeriums den Geistlichen Berlins unterm 21. Juli 1825 erklären mußte, es könne demselben keine weitere Wahl gelassen werden, als entweder zum Gebrauch der in verfassungsmäßigem Wege früher eingeführten und mit landesherrlicher Genehmigung versehenen Agenden zurückzukehren oder sich für Anwendung der erneuerten Agende zu bestimmen, verband sich Schleiermacher mit 11 Geistlichen Berlins zu einer Gegenvorstellung. H. faßte die Eingabe ab, welche am 7. October 1825 dem königl. Consistorio eingereicht wurde. Schien diese Eingabe auch anfänglich keinen Erfolg zu haben, so kam doch der König Friedrich Wilhelm III. auf diese in ihr enthaltenen Vorschläge später zurück. Am 19. April 1829 erschien die Agende in veränderter Gestalt. Die erhobenen Bedenken waren hier wesentlich beseitigt. Diese Agende fand denn auch von der gesammten deutsch-evangelischen Geistlichkeit Berlins bereitwilligst Annahme. – Inzwischen war 1828 das bedeutendste Werk Hoßbach’s erschienen: „Philipp Jacob Spener und seine Zeit. Eine kirchenhistorische Darstellung von W. H.“ In zweiter Auflage ist dieses Werk nach Hoßbach’s Tode mit einem Vorwort und einem Anhang versehen vom Prediger Gustav Schweder 1853 herausgegeben. Wenn H. in der Vorrede den Wunsch ausspricht, auch in diesem Werke einen Spiegel zu geben für die theologischen und kirchlichen Verhältnisse seiner Zeit, in welchem sie sich selbst beschauen kann, so tritt diese pädagogische Absicht doch in der Arbeit selbst zurück. Mit Recht hatte H. Spener’s Biographie zu einer kirchengeschichtlichen Darstellung jener Zeit erweitert. Die Kämpfe des Pietismus mit dem Lutherthum sind ausführlich geschildert. Besonders für dieses Werk, welches bleibenden Werth besitzt, ertheilte die Universität Göttingen H. die theologische Doctorwürde (1830). Dasselbe Jahr brachte seine Ernennung zum Superintendenten der Friedrich-Werder’schen Diöcese und seine Berufung in das königl. Consistorium der Provinz Brandenburg. Auch hatte H. mehrere Jahre hindurch das Amt eines Censors für die theologischen Schriften zu übernehmen. Als Superintendent hatte H. 1834 Schleiermacher die übliche Gedächtnißpredigt zu halten. Auch fungirte er 1835 am Grabe Wilhelm v. Humboldt’s. In dem eigenen Hause hatte H. viel zu tragen. Nachdem die Geisteskrankheit seiner Frau, welche bereits 17 Jahre währte, von den Aerzten für unheilbar erklärt war, ließ er sich von ihr scheiden und trat mit der Schwester Wilhelmine Dürr (1831) in die Ehe. Eigene Krankheit lähmte wiederholt seine Wirksamkeit. Mehrmals mußte er seiner Kanzel mehrere Monate hindurch fern bleiben. Mit um so rührenderer Freudigkeit kehrte er dann immer wieder auf seine Kanzel zurück. Eine Predigt, welche er bei solcher Gelegenheit am 5. Febr. 1843 gehalten, gehört zu dem ergreifendsten, was über das geistliche Amt, seine Wirksamkeit und Herrlichkeit je verkündet worden ist. – Für die kirchliche Parteistellung Hoßbach’s in den letzten Jahren seines Lebens ist eine Predigt, welche er November 1844 über die kirchliche Eintracht gehalten (Eph. 4, 1–3). Auch hier erweist er sich als ein Mann der Mitte; er spricht sich mit gleicher Schärfe aus gegen die Alt- und Rechtgläubigen, wie gegen die, welche noch der seichten Aufklärung des vorigen Jahrhunderts huldigen. „Gern wollen wir uns zu ihrem (der Bekenntnißschriften) wesentlichen Inhalt bekennen, ganz besonders aber festhalten an zwei Lehren, welche sie als die wesentlichen Grundlagen alles evangelischen Kirchenthums für alle Zeiten aufgestellt haben und von welchen die eine so lautet: die heil. Schrift ist die alleinige Quelle der christlichen Erkenntniß und die alleinige Richterin in Sachen des Glaubens, die andere so: der Mensch kann nicht gerecht und selig werden [188] durch seine Werke, sondern allein durch den Glauben. Das Jahr darauf brachte die bekannte Erklärung vom 15. August 1845, in welcher die liberale Schleiermacher’sche Richtung sich gegen die Partei ausspricht, „welche starr an der Fassung des Christenthums hält, wie sie solche aus den Anfängen der Reformation ererbt hat, der diese Formel ihr Papst ist“. H. hat diese Erklärung mit unterzeichnet. Doch berichtet W. Hollenberg (Herzog’s Realencyklopädie, XIX. Suppl. S. 657) mit der Bemerkung: „es sei eine Schülerarbeit und enthalte zwar einen Protest nach rechts, aber nicht den ebenso nöthigen nach der linken Seite hin“. Inzwischen hatte das Leiden, welches H. quälte, weitere Fortschritte gemacht. Schwammgewächse verbreiteten sich durch den ganzen Körper. Noch von seinem Krankenbette suchte er seiner Gemeinde zu dienen. Seine Confirmanden ließ er an sein Bett treten und nahm von ihnen Abschied. Am 7. April 1846 ist er dann sanft entschlafen. Auf dem Kirchhof der Neuen und Jerusalemer Gemeinde ist Wilhelm H. unter großer Betheiligung der Gemeinde am Charfreitag 1846 beerdigt worden.

Sein einziger Sohn, Theodor H., aus der dritten Ehe, ist soeben (Januar 1881) für die Stelle, welche der Vater an der Neuen Kirche eingenommen, gewählt und bestätigt worden. Derselbe gehört zum Vorstand des deutschen Protestantenvereins.