Zum Inhalt springen

ADB:Hofacker, Carl Christoph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hofacker, Karl Christoph“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 551–553, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hofacker,_Carl_Christoph&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 08:28 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Hofacker, Ludwig
Band 12 (1880), S. 551–553 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Christoph Hofacker in der Wikipedia
Karl Christoph Hofacker in Wikidata
GND-Nummer 100358098
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|12|551|553|Hofacker, Karl Christoph|Johann August Ritter von Eisenhart|ADB:Hofacker, Carl Christoph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100358098}}    

Hofacker: Karl Christoph H., Civilist; geb. am 26. Febr. 1749 zu Böringsweiler in Württemberg als Sohn eines Kanzleibeamten, † am 20. April 1793 in Tübingen; verlebte seine Kinderjahre zu Böringsweiler, einem alten Jagdschlosse der Herzöge von Württemberg-Neuenstadt. Die romantische Lage dieses Schlosses, die Waldesstille, der Gottesfriede, welcher sich über das Thal breitete, waren sicher nicht ohne Einwirkung auf jene mystische Richtung, welcher der Gelehrte im späteren Mannesalter zuneigte. Als Knabe überraschte er durch auffallend frühe Geistesreife; kaum 4 Jahre alt schrieb er schon kleine Briefe, im 11. las er Terenz, aus dem er ganze Stellen auswendig wußte, und im 13. kam er an das Gymnasium illustre zu Stuttgart, wo sein Onkel Bilfinger als Rector wirkte. Von dort bezog er nach glänzend bestandener Absolutorialprüfung 1766 die Tübinger Hochschule, hörte philosophische und rechtswissenschaftliche Vorträge, fand jedoch an letzteren wenig Geschmack, da er systematische Anordnung und Durchbildung des Stoffes vermißte. Ein hartnäckiges kaltes Fieber unterbrach die Studien, welche er 1768 zu Göttingen bei Gatterer, [552] Böhmer, Selchow und Pütter wieder aufnahm, von denen letzterer ihn zur Betretung der akademischen Laufbahn ermunterte. 1771 erlangte er durch seine Dissertation: „De originibus et fatis successionis ex jure primogeniturae in familiis illustribus Germaniae“ die Doctorwürde nebst der venia legendi, und hielt Vorlesungen über Pandecten, Natur-, Völker- und allgemeines Staatsrecht; zugleich ertheilte er dem jungen Grafen Reuß XLII. juristische Repetitorien, und wurde durch Pütter’s Verwendung Mitarbeiter der götting’schen gelehrten Zeitung. In dem nämlichen Jahre veröffentlichte er mittels eines Programms den „Entwurf einer systematischen Methode im Vortrage des ungemischten römischen Rechts“, bald darauf die „Tabulae synopticae juris romani“, welchen 1773 die „Institutiones juris romani methodo systematica adornatae“ und theils als Nachtrag, theils als Rechtfertigung die „Nähere Entwickelung und Vertheidigung seiner systematischen Methode im Vortrage des römischen Rechts“ folgten. Diese Schriften haben heute noch litterärgeschichtliche Bedeutung, weil sie seit Hermann Vultejus die ersten Versuche enthalten, das Pandectenrecht streng systematisch zu behandeln, während man damals nach der Legalordnung, d. i. der Reihenfolge der Pandectentitel im corpus juris lehrte, und in die Grundsätze des römischen Rechts auch jene des sogen. usus modernus einflocht. Als Professor Dr. E. Chr. Canz 1773 in Tübingen starb, wurde H. – noch nicht 25 Jahre alt – dorthin mit dem Titel eines wirklichen Rathes berufen, und verheirathete sich 1776 mit der Tochter des geh. Legationsrathes Beyer, welche er bei ihrem Bruder, dem ihm nah befreundeten Amtsgenossen Christ. Friedr. B. kennen gelernt hatte. Für H. waren mit seiner Vermählung glückliche Jahre angebrochen, leider war ihre Zahl eine beschränkte. Eigenes Unwohlsein und häufig wiederkehrende Erkrankungen seiner Kinder – er hatte deren acht – warfen bald düstern Schatten auf den bis dahin sonnigen Lebenspfad. H. fand die nachhaltigste Zerstreuung und Anregung in ernster Arbeit, er arbeitete daher auch mit unablässigem Fleiße. 1785 erschienen die Institutionen in zweiter veränderter Auflage unter dem neuen Titel: „Elementa juris civilis Romani“, sie bekunden durch die Klarheit der Darstellung die Fortschritte, welche H. in seiner rechtswissenschaftlichen Entwickelung gemacht hatte. Drei Jahre später (1788) begann er mit Veröffentlichung seines Hauptwerkes: „Principia juris civilis Romano-Germanici“. Der Stoff ist nach des Verfassers eigenem Systeme in acht Bücher getheilt: „Pars generalis“; „Jus personarum“; „Generalia de jure rerum“; „Jus in re singulari“; „Jus in re universali“; „Jus in rem“; „Modus procedendi“; „Jus publicum“. H. war nur die Ausgabe der ersten drei Bücher vergönnt; die der spätern besorgte (1794 und 98) nach seinem Tode sein Schüler, Prof. Gmelin in Tübingen, und der Stuttgarter Bibliothekar Faulhaber fertigte hierzu 1801 einen „Index rerum et verborum“. Die „Principia“ sind wol das wissenschaftlichste Pandectenlehrbuch aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und das letzte, welches in lateinischer Sprache geschrieben wurde; denn allgemach begann auch auf dem Gebiete der theoretischen Rechtswissenschaft die Muttersprache immer siegreicher vorzudringen.

H. war für laute Vergnügen ohnedies schwer empfänglich; die erwähnten häuslichen Mißgeschicke, besonders das lange, qualvolle Leiden einer seiner Töchter steigerten seinen Hang zu einem in sich gekehrten Leben, und so gewann bei dem scharfsinnigen Denker, dem früheren Anhänger des Helvetius, nach und nach eine mystische Richtung die Oberhand, welche in seiner schwungvollen Phantasie und seiner nervösen Reizbarkeit nur zu ergiebige Nahrung fand. Thatsache ist, daß er übersinnliche Erscheinungen und Erleuchtungen zu haben vermeinte, daß er Swedenborg’s Werke emsig las, und zu dessen Anhängern zählte. Gleichwol mied er es grundsätzlich – selbst in Freundeskreisen – von seinen theosophischen Anschauungen [553] oder Visionen zu sprechen. Am 10. April 1793 erkrankte er an dem in Tübingen damals herrschenden Flecktyphus, dem er auch in der Nacht des 20. April erlag. Allgemein war die Theilnahme an seinem Tode, welcher die Studirenden der Rechte durch Anlegung dreiwöchentlicher Trauer Ausdruck gaben. Welches Ansehen H. genoß, bezeugen die Berufungen, welche aus Helmstädt, Göttingen und Mainz, aus Rostock und Halle an ihn ergangen waren. H. hatte es jedoch vorgezogen, in der alten Musenstadt zu bleiben, wo er seit 1781 auch am collegium illustre lehrte. Die Frage nach Hofacker’s Bedeutung für die Rechtswissenschaft hängt mit jener nach dem Stande dieser Wissenschaft vor H. eng zusammen. Die positive Jurisprudenz hatte im verflossenen Jahrhunderte in Deutschland unleugbar eine rückgängige Bewegung gemacht; sie war mehr als die übrigen Wissenschaften hinter ihrer Aufgabe zurückgeblieben. Traditionell und unkritisch übernahm eine Generation den Rechtsstoff von der anderen, und fügte höchstens ein Paar neue Irrsätze hinzu; denn die Fähigkeit zum exakten Verständniß des positiven Rechts war erloschen. H. ist es, der mit jener schablonenhaften Rechtsbehandlung brach, der durch systematische Bearbeitung des Rechtes die Lehrweise besserte, der für geistige Belebung des Quellenstudiums sowie für rechtsgeschichtliche Forschung wirkte, und so in die Bahnen einlenkte, welche nach ihm Hugo, Savigny, Eichhorn u. A. so fruchtbringend für die Jurisprudenz betreten haben. Allerdings haften Hofacker’s Werken auch ihre Mängel an; seine Neigung zum Systematisiren führte ihn zu bedenklichen Folgerungen. Andererseits schlug er durch Vereinigung des deutschen mit dem römischen Privatrechte, sowie durch Verbindung veralteter römischer Rechtsinstitute mit dem heutigen Pandektenrechte einen Weg ein, der, als irrig erkannt, längst wieder verlassen ist. – Auch als Lehrer nahm H. eine nicht gewöhnliche Stellung ein. Mit reichen geistigen Mitteln verband er jene äußeren Vorzüge, welche für den Katheder von unschätzbarem Werthe sind, und so gewann er, obwol das Aufblühen der vielbegünstigten Karlsschule Tübingen empfindlich schädigte, zahlreiche Schüler, den späteren Obertribunal-Präsidenten Bolley, Gmelin, Griesinger, v. Pfizer, Weishaar u. A., die in ihm zugleich den Freund und Rathgeber verehrten. Sie blieben ihm auch nach seinem Tode treu zugethan und setzten ihm in der Stiftskirche zu Tübingen einen Obelisk von weißem Marmor mit der Inschrift: „Ach sie haben einen edlen Mann begraben, und uns war er mehr. Friede sei um diese Stätte her“. Ein Verzeichniß von Hofacker’s Werken findet sich bei Meusel, Bd. VI. S. 18 u. 19.

(Abel) Ueber Hofacker’s Leben und Charakter, ein Denkmal für seine Freunde, Tüb. 1793. – Ausz. davon bei Schlichtegroll, Nekrol. auf 1793, Bd. II. S. 66–115 und bei Bauer, Gall. hist. Gemälde, Thl. III. S. 113 bis 123. – Klüpfel, Geschichte d. Universität Tübingen, 247. – Hugo, Beiträge zur civilistischen Bücherkenntniß, Bd. I. S. 55 u. 138.