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ADB:Hollar von Prahenberg, Wenzel

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Artikel „Hollar, Wenzeslaus“ von Bernhard Grueber in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 750–754, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hollar_von_Prahenberg,_Wenzel&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 08:38 Uhr UTC)
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Hollar: Wenzeslaus H., Zeichner, Radirer und Kupferstecher, wurde am 13. Juli 1607 zu Prag geboren und entstammte einer wohlhabenden Adelsfamilie, welche das Prädicat „von Prachna“ führte. Er erhielt eine vorzügliche Erziehung, studirte die Rechte und stand bereits auf dem Punkte in ein öffentliches Amt einzutreten, als sein Vater, welcher als eifriger Protestant dem König Friedrich von der Pfalz gehuldigt hatte, durch die harten Maßregeln, die Ferdinand II. über Böhmen verhängte, des Landes verwiesen wurde. Da mit der Verbannung auch die Confiscation des Vermögens verbunden war, sah sich die Familie plötzlich in tiefe Armuth versetzt, der junge H. wurde zugleich in eine andere Laufbahn gedrängt. Er wanderte 1627 nach Frankfurt a. M. um bei Matthaeus Merian dem Aelteren, welchen er in Prag kennen gelernt hatte, die Kupferstecherkunst zu erlernen. Anfänglich arbeitete er in der Manier seines Lehrers meist mit der Radirnadel und führte verschiedene Ansichten von Städten wie auch einige figürliche Darstellungen aus, griff späterhin auch zum Grabstichel und erfand, indem er diesen geschickt mit der Radirung zu verbinden wußte, eine eigenthümliche Ausführungsweise, gleich sehr durch Kraft wie feine Modellirung ausgezeichnet. Nach einem zweijährigen Aufenthalte in Frankfurt lebte der Künstler abwechselnd in Straßburg und anderen Städten des Oberrheins, begab sich 1633 nach Köln, wo er unter dem Titel: Amoenissimae aliquot locorum in diversis Provinciis jacentium Effigies a Wenzeslao Hollar [751] Pragensi delineatae et aqua forti aeri scultae“ im Jahre 1635 eine Reihenfolge kleiner Landschaften veröffentlichte. Durch dieses Werk wurde er mit dem als Kunstfreund und Sammler vielverdienten Grafen Thomas von Arundel bekannt, welcher damals als englischer Gesandter nach Wien reiste und Hollar’n in seine Dienste nahm. Der Künstler begleitete sofort den Grafen auf seiner Reise, zeichnete für ihn viele Sehenswürdigkeiten, unter andern auch eine sehr schöne Ansicht von Prag, und ging dann in dessen Gefolge nach England. Hier stach er zuerst viele Platten nach Gemälden der Arundel’schen Gallerie, namentlich die geschätzten Blätter: „Adam und Eva“, „David vor Saul“ und „Die Königin von Saba“, alle drei nach Holbein – „S. Georg“ nach Dürer – „Die Enthauptung des Johannes“ nach Elzheimer – „Esther und Ahasverus“ nach Paul Veronese – den „Abendmahlskelch“ nach einer Zeichnung des Mantegna und andere, denen 1639 ein Trachtenbuch „Ornatus muliebris Anglicanus“, bestehend aus 28 sehr sorgfältig ausgeführten Blättern folgte. Durch den Grafen Arundel dem Hofe empfohlen, wurde H. 1640 zum Zeichnungslehrer des Prinzen von Wales ernannt und entfaltete gleichzeitig eine fast unbegreifliche Thätigkeit, indem er in diesem Jahre 26 sauber ausgeführte Platten vollendete. Vielfach beschäftigt und in glänzender Lage heirathete er ein Kammermädchen der Gräfin Arundel, Namens Tracy, welcher Ehe ein sehr talentvoller Sohn und eine Tochter entstammten, letztere als ausgezeichnete Schönheit gefeiert. Doch das Glück blieb ihm nicht lange treu, der Bürgerkrieg, welcher in seinem Verlaufe König Karl I. Thron und Leben kostete, brach aus, sein Gönner Arundel wurde 1642 durch das Parlament aus England verbannt und H. als treuer Anhänger des Königs griff zu den Waffen, indem er sich in ein Regiment einreihen ließ. Bei der Erstürmung von Basing-House am 14. October 1645 gerieth er in Gefangenschaft, wußte aber zu entkommen und begab sich nach Antwerpen, wo Arundel schon seit geraumer Zeit weilte und das Ende der Revolution abzuwarten gedachte. Der Graf beschäftigte und unterstützte ihn wieder, starb aber schon im folgenden Jahre, worauf H. aufs neue mit Mangel zu kämpfen hatte. Er setzte jedoch seine Arbeiten mit ununterbrochenem Eifer fort, vollendete 1644 ein große Trachtenwerk, bekannt unter dem Namen „Aula Veneris“, durchaus von ihm selbst gelegentlich seiner Reisen nach der Natur gezeichnet und gestochen. Aus dem Jahre 1646 rühren her: eine aus zwölf Blättern bestehende Insektensammlung, die berühmten Blätter mit den Pelzmuffen, der sehr seltene und sehr geschätzte Stich, genannt der große Katzenkopf und mehrere Porträts. Im folgenden Jahr fertigte er unter anderen sein eigenes Bildniß, als er gerade vierzig Jahre zählte: seine Freunde fügten folgende Worte dem Namen des Meisters bei:

„Qui mores hominum multorum vidit et urbes,
     Ithacus, est digitis Homere tuis.
At mores hominum melior qui sculpsit et Urbes,
     Salus erit digitis gloria lausque suis,
Qui tantum vidit, coecum tulit ille poetam:
     Qui sculpsit, propriis claruit es oculis.
Aeternum vives proprio tumulatus in aere.
     Hollare, nec norunt haec monumenta mori.

H. blieb bis 1652 in Antwerpen, wo er neben vielen Bildnissen, darunter die sehr gelungenen des Bindo Altoviti, des Henricus a Craenhals und der Gräfin Maria von Portland, auch, um sich und seine Familie zu unterhalten, allerlei untergeordnete Gegenstände, Titelblätter, Vignetten u. dgl. für Buchhändler anfertigte. In obigem Jahre, als unter dem Protektorate des Oliver Cromwell sich wieder geordnete Zustände in England eingestellt hatten, kehrte [752] der Meister nach London zurück, gelangte aber erst zu einer etwas gesicherten Existenz nach der Thronbesteigung König Karls II., in dessen Dienste er 1661 als Zeichner und Kupferstecher trat. Abermals war seine günstige Lage von kurzer Dauer; die Pest von 1665 entriß ihm seinen geliebten Sohn, welcher sich bereits zu einem tüchtigen Gehilfen und Kupferstecher herangebildet hatte und bei dem großen Brande von London (2. September 1666) verlor er all seine Habe. Genöthigt im sechzigsten Lebensjahre ganz von vorne anzufangen, um sich wieder eine neue Einrichtung zu erwerben, schien ihm der von Seite des Hofes gemachte Antrag, eine kriegerische Expedition nach Afrika zu begleiten um die Festungswerke von Tanger aufzunehmen, eine willkommene Gelegenheit, wieder zu einigem Wohlstande zu gelangen. Er schiffte sich 1669 mit Lord Howard ein und brachte nach Ueberstehung endloser Mühen und Gefahren seine Arbeit glücklich zu Stande. In seiner Hoffnung auf ein angemessenes Honorar sah sich jedoch H. arg getäuscht, denn er erhielt für Reise und Arbeiten, welche mehr als ein Jahr in Anspruch genommen hatten, vom Hofe nicht mehr als die Summe von 100 Pfund Sterling und wäre in großen Schaden versetzt worden, wenn ihm nicht die Herausgabe der Ansichten von Tanger und Umgebung einigen Nebenverdienst gebracht hätte. An diesen Stichen, welche 1673 veröffentlicht wurden, erkennt man das hereinbrechende Greisenalter und eine merkliche Abnahme der Kräfte, während einige kurz vor Antritt der Reise gefertigte Radirungen noch die volle Geistesfrische des Meisters offenbaren. Der bis zu seinem letzten Augenblick thätige Künstler starb zu London am 28. März 1677, angeblich in so großer Dürftigkeit, daß er an seinem Todestage ausgepfändet werden sollte. Dieser Sage widerspricht jedoch die Thatsache, daß seine Wittwe die hinterlassenen Kupferstiche und Kunstwerke so vortheilhaft verkaufte, daß sie von dem Erlös fortan leben konnte. H. liegt begraben in der S. Margarethenkirche zu London, wo ihm seine Verehrer ein Denkmal errichten ließen. Er war ein Mann von hoher Begabung und umfassenden Kenntnissen, ein Künstler ersten Ranges: dabei unbeschreiblich gutmüthig, arglos und unbeholfen in allen Lebensverhältnissen. Seine Gutmüthigkeit wurde oft mißbraucht, auch verstand er nicht mit dem Gelde umzugehen, weshalb er fortwährend aus einer Klemme in die andere gerieth. Schon fünfzig Jahre alt verheirathete er sich nach dem Tode seiner ersten Frau abermals, welche zweite Ehe mit mehreren Kindern gesegnet war. Einfach und mit wenigen Bedürfnissen zufrieden, verfuhr er mit seiner Zeit so haushälterisch, daß er Tag für Tag wenigstens acht Stunden hindurch arbeitete und die Uhr neben sich stellte, um ja nicht vor der festgesetzten Minute aufzuhören. Trotz seines Fleißes und der hohen Anerkennung, deren sich H. erfreute, wurde er oft sehr schlecht honorirt: so bezahlte ihm der Buchhändler Peter Stent für die schönen 1638 gefertigten Prospekte von London und Greenwich kaum so viel, als der Werth der Kupferplatten betrug. Die Verleger bereicherten sich, während der Meister darbte.

H. darf nicht allein als Gründer der englischen Kupferstecherschule angesehen werden, sondern er übte auf die gesammte Kunstthätigkeit einen eben so bedeutenden als erfreulichen Einfluß, und gehört, indem er den Farbeneffekt im Stiche wiederzugeben versuchte, zu den bahnbrechenden Meistern seines Faches. Er radirte seine Platten immer vor und vollendete sie mit der kalten Nadel und dem Grabstichel, wobei man selten unterscheiden kann, welche Partien mit diesem oder jenem Instrumente gefertigt sind. Seine künstlerische Vielseitigkeit ist eben so bewunderungswürdig wie seine Geschicklichkeit, mit welcher er ohne seine Manier wesentlich zu ändern, den Charakter der verschiedenartigsten Vorbilder wiederzugeben vermochte. Er stach mit gleicher Leichtigkeit und Treue nach älteren Meistern, wie Mantegna, Lionardo da Vinci, Dürer, Holbein, wie nach [753] modernen: Van Dyck, Paul Veronese, Parmegiano, Artois, Breughel, Paul Brill und anderen italienischen, deutschen und niederländischen Malern, führte auch sehr vieles nach eigenen Zeichnungen aus. Man schätzt die Anzahl der von ihm gestochenen Platten gegen dreitausend, ganz genau kann die Zahl nicht mehr ermittelt werden, da mehrere Blätter verloren gegangen sind und andere zu wiederholtenmalen gestochen wurden; doch sind 2733 sichergestellt. Daß bei solch unübersehbarer Menge von Arbeiten manches Mittelmäßige nicht ausbleiben konnte, ist selbstverständlich, darf jedoch weniger Hollar’n zur Last gelegt werden als dem Umstande, daß er oft gezwungen war, nach schlechten und manerirten Originalen englischer Zeichner zu arbeiten. Jede künstlerische Aufgabe hat er auf würdevolle durchaus befriedigende Weise gelöst. Seine Stiche bezeichnete er gewöhnlich mit der ganzen Namensunterschrift: „Wenzel Hollar Bohemus“, pflegte auch häufig die Jahreszahl beizusetzen: seltener bediente er sich der Anfangsbuchstaben W. H. oder eines verschlungenen Monogramms. Er stach historische Compositionen, Porträts, Trachten, Landschaften, Thierstücke, Städteansichten, Grund- und Aufrisse von Baudenkmalen, Marinen, Abbildungen von Schiffen, Gefäßen, Putzsachen, dann eine Sammlung von Insekten und sogar Landkarten, Randzeichnungen und Initialen mit gleicher Meisterschaft; doch behaupten seine Bildnisse vor allen den Vorzug. Zu seinen trefflichsten Arbeiten gehören die Porträts des Craenhals, des Grafen Arundel, der Maler Lucas und Cornelis Wael, der Gräfin Marie von Portland, des Königs Heinrich VIII. von England und seiner Gemahlinnen, dann der Könige Karl I. und Karl II. Das Bild des erstem hat er viermal, des zweiten zehnmal gestochen. Nach einem im Jahr 1745 gefertigten Verzeichnisse hat er 369 Porträts theils nach eigenen Zeichnungen, theils nach andern Meistern in Kupfer ausgeführt. Von seinen figürlichen Darstellungen verdienen neben den oben genannten hervorgehoben zu werden: Juno nach Elzheimer, S. Magdalena nach Pieter van Avont, Amor nach Giulio Romano, ein Crucifix nach Van Dyck und ein Ecce homo nach Tizian. Hier sind auch einzureihen die eben so geistreichen als getreuen Karikaturen nach Lionardo da Vinci, welche den Vergleich mit den Originalen nicht zu scheuen haben, die Studienköpfe nach Holbein, die Trachtenwerke und das sogenannte Reisbüchlein. Auch als Landschaftstecher glänzt H. in erster Reihe; mehrere nach eigenen Zeichnungen ausgeführte Marinen und 13 Blätter mit Baumgruppen nach Jacques d’Artois geben Kunde von seltener Meisterschaft.

Um ein gedrängtes Bild der Vielseitigkeit und Thätigkeit des Meisters zu entrollen, sei nachstehende Uebersicht seiner Stiche beigefügt, wobei jedoch zu bemerken, daß das Verzeichniß nicht ganz vollständig ist. Biblische Darstellungen, Heilige, Todtentanz: 266 Stücke – Geschichte, Allegorie, Illustrationen zu Homer, Virgil u. A.: 375 – Landkarten: 53 – Städteansichten, Landschaften, Schiffe: 593 – Bildnisse, Charakterköpfe u. dgl.: 490 – Trachten: 250 – Thierstücke: 206 – Plane, Architekturen: 325 – Gefäße, Verzierungen, Titelblätter: 175, zusammen 2733 Stiche. Hollar’s Schüler sind: sein schon erwähnter, im 17. Jahre verstorbener Sohn, ferner Fr. Carter, Daniel King, Franz Place, P. Tempest, Dudley und Gaywood, letzterer der geschickteste. Die Originalzeichnungen des Künstlers befinden sich beinahe sämmtlich in England, wo auch die meisten und besterhaltenen Stiche getroffen werden. Bei weitem die vollständigste Sammlung von Werken Hollar’s wurde von König Georg III. angelegt und befindet sich zu Windsor, gegenwärtig im Besitz der Königin Victoria. Große Beachtung verdient die zwar nur aus 138 Blättern bestehende Sammlung im Museum zu Braunschweig, die einzige, welche zu Lebzeiten Hollar’s im Jahre 1660 angeschafft wurde und durchaus wohlerhaltene Abzüge enthält. Eine kostbare Sammlung mit vorzüglichen, zum Theil noch nicht eingereihten [754] Exemplaren wurde vor 15 Jahren von den Ständen Böhmens erworben und in Prag ausgestellt. Die in den Kupferstichkabineten zu Wien, München, Berlin, Paris und anderen Städten vorhandenen Sammlungen sind allbekannt und oft beschrieben worden.

Ueber Hollar und seine Werke findet sich eine reiche Litteratur vor, beachtenswerth sind: Georg Vertue, Description of the Works of the ingenious Delineator and Engraver Wenceslaus Hollar, London 1745 und zweite Auflage 1759. – Gust. Parthey, Beschreibendes Verzeichniß der Kupferstiche des Wenzel Hollar, Berlin 1853. – Mehr oder minder umfangreiche Abhandlungen finden sich bei J. Salomon Semler, Quandt, Ernst Förster, Klunzinger, Dlabacz und Füßli.