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ADB:Holtermann, Arnold Moritz

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Artikel „Holtermann, Arnold Moriz“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 6–8, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Holtermann,_Arnold_Moritz&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 01:54 Uhr UTC)
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Holtermann: Arnold Moriz H., verdienter Rechtsgelehrter, wurde im J. 1627 (Tag und Monat sind unbekannt) zu Tecklenburg in Westfalen geboren; sein Vater war daselbst auf dem Gute Rheda, dem Wittwensitze der Gräfin Margaretha von Bentheim, Hofmeister. Er besuchte zuerst das Gymnasium zu Steinfurt und studirte dann zu Deventer neben der Rechtswissenschaft Philosophie und classische Alterthümer, indem er (Praef. in scholam Florianam, 1673) wenig auf denjenigen Juristen zu halten erklärte, der die letzteren vernachlässige oder verachte. Von Deventer siedelte er an die Hochschulen zu Leyden, Utrecht und Gröningen über. Hierauf besuchte er Heidelberg, sodann Basel, wo er am 28. Octbr. 1651 durch seine Disputation „Ad l. ult. Cod. de edicto D. Hadriani tollendo“, sich den Doctorgrad erwarb. Nachdem er sich von jetzt an zwei Jahre in Schaffhausen aufgehalten hatte, unternahm er 1653 zur Bereicherung seiner Kenntnisse eine Reise nach Italien, war aber kaum bis Mailand gekommen, als er einen Ruf aus dem Vaterlande als Lehrer der Rechte an das Gymnasium illustre zu Steinfurt erhielt. Einen gleichen 1656 nach Franeker schlug er aus Dankbarkeit gegen die ihn begünstigende Herrschaft aus. Im J. 1658 machte er mit einigen schweizerischen Edelleuten eine Reise nach England und nahm nach deren Vollendung 1661 die Vocation als ordentlicher Professor [7] der Geschichte und Beredtsamkeit, auch außerordentlicher Lehrer der Rechte zu Marburg an, wurde bald darauf ordentlicher Professor der Institutionen, sowie der Pandekten und erhielt 1666 den Titel eines hessischen Rathes. Einen Ruf nach Gröningen in demselben Jahre als Professor jur. primarius, sowie einen wiederholten nach Franeker und 1677 nach Heidelberg lehnte er ab. Im J. 1679 bekleidete er die Würde eines Rectors der Universität. Anhaltender übermäßiger Fleiß für seinen Beruf, verbunden mit theologischen und medicinischen Nebenstudien, bereiteten ihm einen frühen Tod, der am 28. April 1681, in einem Alter von 54 Jahren, zu Marburg erfolgte. Holtermann’s schriftstellerische Thätigkeit beschränkte sich fast ausschließlich auf die Abfassung von juridischen Dissertationen, Disputationen und Programmen, deren er bis zum Jahre 1680 in mehr oder minder ausführlicher Weise annähernd 112, alle in Quartform, veröffentlichte. Diese Arbeiten sind zum Theil in den Sammlungen enthalten: „Dissertationes jurid. ad IV. Institutionum libros …“, Marp. 1664 (24 Diss.); Πρωθεωρία universi jur. feudalis“, ibid. 1668 (19 Diss.); „Lex regia s. vera et fundam. Imper. R. G. hod. ratio status …“, ibid. 1677 (14 Disput.); „Jus noviss. s. Novell. Justin, concinna et method. expositio“, ibid. 1678 (14 Diss.) etc. Einzeln gedruckt blieben u. a.: „Diss. de quaest. s. torturis reorum“, Marb. 1666; „Von der Fürladung vor Gottes Gericht in bürgerl. und peinl. Sachen“, das. 1668; „Disput. de sponsionibus licitis et temerariis vulgo Prael sacht oder ich fresse dich“, das. 1676, und „Disput. de nequitia Advocatorum – von Tücken und Bubenstücken der Advokaten“, das. 1679, sowie als Pendant hierzu „Verkehrter Jurist s. sine lege monstrosus Jureconsultus“, das. 1680. Von diesen beiden letzteren Schriften wurde die erstere, in satirischem Tone gehalten und mit lateinischen und deutschen Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten und anzüglichen Reimen versehen, wiederholt aufgelegt (ed. II. ibid. 1681, 1684, Francof. et Lips. 1735) und rief vielfache Controversen hervor (u. a. „Francisci Clientis judicium defensivum …“, Freienhagae 1680, dagegen wiederum o. O. aber am Ende: Ex Musaeo die 27. Maji 1681“, vermuthlich aus der Feder Holtermann’s: „Vindictae adversus virgas Ludimagistri cujusdam …“). Uebrigens war dieser gegen Advokaten, wie böse Juristen überhaupt gerichtete Ausfall Holtermann’s ein im 17. und 18. Jahrhundert sehr beliebtes Thema und wurde, für und gegen, auf ernst- und scherzhafte Weise, in lateinischen und deutschen Dissertationen und Tractaten vielfach abgehandelt. So erschienen (wir führen aus einer größeren Anzahl derartiger Schriften nur die bedeutendsten in chronologischer Folge an): „Von der juristischen Windmacherei, Jena 1686; J. Nik. Hertius, De perversis Advocat. artibus. Diss. Giess. 1703; Fr. Gerdisius. Von jurist. Fündgen. Diss. Lips. 1717; Joh. Ad. Stein, Juristen böse Christen. Diss. Giess. 1719; Die Religion eines Juristen. Frankf. 1720; Fr. Armand Trautmann, Von Advokatenstreichen. Diss. Jen. 1720; Joh. G. Fichtner, De cereo juris naso. Diss., Norib. 1724; J. Fr. Puchelberger, Das Recht habe eine wächserne Nase, Diss., Altd. 1724; H. Brokes, De advocato injuriante. Diss., Vitemb. 1713; Alb. Spinetto, Polit. Schnupstabaksdose vor die wächserne Nase der Juristen, Frankf. 1739, Jena 1766; C. W. Kreuter, De odio vet. Germ. erga Advocatos, Corb. 1786; Von den Chikanen der Rechtsgelehrten, o. O. 1806; B. Strykius, De conscientia Advocati …; Ahasv. Fritschius, De peccatis Advocatorum und dessen „Beschämter Geschenk-Fresser“ … und schließlich schrieb der rostockische Rechtslehrer E. J. F. Mantzel zwei unedirte Reden (Chr. Weidlich, Nachrichten von Rechtsgel., II. 165): De suspecto Advocati titulo: Practicus felicissimus 1740 und „Ob die Advocaten mit zur beßten Welt gehören“, 1752. Dieser feindlichen Cohorte in ihren bis 1730 erschienenen Schriften gegenüber fand sich [8] meines Wissens, wenn wir von der vorhin erwähnten Schrift des Franc. Cliens, die jedoch mehr eine Schmähschrift auf H. ist, absehen, nur ein einziger, der den Muth besaß, unbedingt die Juristen in Schutz zu nehmen, und einer der einen vermittelnden Weg einschlug. Der erstere, J. P. Schmidt, in seiner deutsch geschriebenen Dissertation „Juristen gute Christen“, Rost. 1730, 4, hebt zur Entlastung derselben hervor, daß bei den alten Deutschen ein jeder sich selbst vertheidigte oder dessen Freunde für ihn sprachen. In den späteren Zeiten des Anwuchses der päpstlichen Herrschaft aber wären die Advokaten für verdächtig gehalten worden, weil sie die weltliche Herrschaft des Papstes nicht für göttlichen Ursprungs halten wollten. Der zweite pseudonyme Verfasser „Veriphantor“ betitelte seine o. O. erschienene Schrift: „Wie auffrichtige Advokaten gute, hingegen Rabulisten böse Christen sein“. Uebrigens nennt schon L. Apulejus (im zweiten Jahrhundert nach Christi) im 10. Buche seines Romans vom goldenen Esel die Advokaten „vilissima capita, forensia pecora ac togatos vultures“. Auffallend und seltsam ist es, daß noch in unserer Zeit die stark bureaukratische Auffassung dahin geht, daß der Advokat bedeutend tiefer stehe als der Richter. Selbst in Frankreich, dem Eldorado der Advokaten, wo der Advokat Gambetta Dictator war und thatsächlich jetzt noch (1880) die Stimmung des Landes leitet, ward noch zu Anfang dieses Jahrhunderts der Advokatenstand als unwürdig betrachtet und der erste Napoleon gerieth außer sich, als er erfuhr, daß der von ihm mit dem Kreuze der Ehrenlegion decorirte M. Férey dem Advokatenstande angehöre. Ueber andere deutsche proverbiale Anzüglichkeiten gegen Advokaten, Juristen und Richter vgl. u. a. H. v. Trimberg im Renner (Bamb. 1833–34) v. 8467; G. v. Kaysersberg, „Narrenschiff“, 1498, Bl. XXXIX. 2a, dessen „Irrig Schaf“ (Straßb. 1505), Bl. Aijb und „Marien Salbung“ (das. 1520), Bl. II. 1b; Seb. Brant, Narrenschiff. Strobel, S. 203; Luther (Werke, Jena 1555) T. I. 269b; Seb. Franck, „Bawm des Wissens“ (Vlm 1528), Bl. 158b; Reineke d. Vos (Frankf. 1575). Bl. 37a; J. G. Döhler, Processualische Mausfalle (Cob. 1723, 1724, 1745, 4. Aufl. 1750 u. Frankf. a/M. 1750); J. G. Estor, Bürgerl. Rechtsgelehrs. d. Teutschen (Marb. 1757–67), I. 21; Wander, Sprichwörter-Lexikon (Leipz. 1870), II. 1082. Von Holtermann’s übrigen Schriften verdienen Erwähnung: „Belli et pacis schola Floriana s. Comm. in L. A. Flori rer. rom.“, Marp. 1673; „Princeps Machiavelli, osor religionis … refutatus“ und damit verbunden: „Idea boni principis, Guilelmi VI. Hass. Landgr.“, Marp. 1674, sowie seine orationes: „De furibus non suspendendis vel morte puniendis“, Bas. 1651, und „De honore Ictorum et Jurisprudentiae“, Marp. 1677.

Strieder, Hessische Gelehrten-Gesch., VI. 98–109. Zedler, Universal-Lexikon, XIII. 678. Witte, Diar. biograph. ad ann. 1681. Jöcher. (Vergl. auch Stintzing, Das Sprichwort „Juristen böse Christen“ in seinen geschichtlichen Bedeutungen. Rectoratsrede. Bonn 1875).