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ADB:Huber, Ludwig Ferdinand

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Artikel „Huber, Ferdinand“ von Rudolf Elvers in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 236–246, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Huber,_Ludwig_Ferdinand&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 02:22 Uhr UTC)
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Huber: Ludwig Ferdinand H., bekannt als politischer und belletristischer Schriftsteller und als Freund Schiller’s, ist ein Sohn von Michael H. (s. u.), und am 19. April 1764 in Paris geboren. Obwol er schon in seinem zweiten Lebensjahr mit seinen Eltern nach Leipzig versetzt wurde, so blieb seine Erziehung doch eine vorherrschend französische. Der Vater sah in Frankreich seine geistige Heimath und konnte sich keine andere Bildung denken, als die damalige französische; der Pariser Mutter wollte der Aufenthalt in Deutschland wenig behagen, und sie suchte den einzigen ihr verbliebenen Sohn von allem Verkehr mit deutschen Altersgenossen und von Allem, was ihn mit deutschen Zuständen befreunden könne, fern zu halten. Seine Knabenzeit scheint dadurch und, weil er kränklich war, ziemlich freudlos verflossen zu sein und seine Körperkraft blieb immer wenig entwickelt. Sein Geist hatte dagegen etwas frühreifes, und schon im Knabenalter war er in der schönen Litteratur und namentlich in der französischen zu Hause. In seinem 15. Jahre unternahm er es bereits, größere poetische Werke aus dem Französischen ins Deutsche zu übersetzen.

Frühe regte sich aber auch seinen Eltern gegenüber ein großer Unabhängigkeitssinn. Als er durch Umgang mit jungen Engländern in deren Sprache und Litteratur eingeweiht war, begeisterte er sich bald für das ältere englische Theater, namentlich für Shakespeare, zum nicht geringen Kummer seines von ausschließlicher Verehrung für die französischen Classiker erfüllten Vaters. Noch ehe er 20 Jahre alt war, erschien von ihm eine Uebersetzung von Beaumont und Fletcher, „Der König kein König“, und es gelang ihm, sie auch in Leipzig und Dresden auf die Bühne zu bringen, wo sie freilich kein Glück machte. Auch die junge deutsche Litteratur, namentlich Schiller’s Erstlingsdramen, übten eine mächtige Anziehungskraft auf ihn aus.

Während er verschiedene Studien an der Leipziger Universität betrieb, hatte er sich dem 8 Jahre älteren damaligen Privatdocenten Christian Gottfried Körner enge angeschlossen; dies Verhältniß wurde zu einer warmen Freundschaft, seitdem H. zu Dora Stock, Tochter des Kupferstechers Stock und Schwester von Körners Braut, in ein Liebesverhältniß getreten war. In fröhlicher Begeisterung schrieben Körner, H. und die beiden Schwestern Stock im Juni 1784 den Huldigungsbrief an Schiller, der diesen bestimmte, seine Verhältnisse in Mannheim zu lösen und im Frühjahr 1785 nach Leipzig überzusiedeln. Da Körner damals schon als Consistorialrath in Dresden weilte, so war Schiller während seines fünfmonatlichen Aufenthalts in Leipzig hauptsächlich auf H. angewiesen, [237] zu dem er auch in ein herzlich freundschaftliches Verhältniß gelangte, bei welchem jedoch der um fünf Jahre jüngere H. der mehr empfangende, als gewährende Theil gewesen sein dürfte. Als Schiller im Herbst nach Dresden zog und H. ihm bald dahin folgen konnte, theilten sie dort längere Zeit Wohnung und Wirthschaft.

H. sollte sich dort in Staatsgeschäfte einarbeiten, nachdem ein Gönner seines Vaters, Graf Redern, ihn in seinem Ministerium des Aeußern zu verwenden versprochen hatte. Doch sein Interesse für Litteratur und schöne Künste war mächtiger, und in dem fesselnden Verkehr mit Schiller und gleichgestimmten Freunden versäumte er es, die für seine Carrière wichtigen geselligen Beziehungen zu pflegen und der vornehmen Welt Dresdens die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Erst im Frühjahr 1788 fand er eine Anstellung, indem man ihn als Secretär des kursächsischen Gesandten nach Mainz schickte. Dort blieb er und zwar seit dem 1790 erfolgten Rücktritt des Gesandten als selbständiger Geschäftsträger, bis die heranrückende französische Revolutionsarmee im October 1792 den Mainzer Hof auseinander trieb.

Seine schon frühe hervortretende Neigung zur Poesie hatte in dem engen Verkehr mit Schiller und Körner Nahrung gefunden und er hielt sich zur dichterischen Production berufen. Ein Trauerspiel, „Das heimliche Gericht“, von welchem Schiller den ersten Act in seiner Thalia 1788 abdrucken ließ, hat ihn Jahre lang beschäftigt, und der Briefwechsel zwischen Schiller und Körner ist Zeuge davon, mit welcher Gründlichkeit zwischen ihm und seinen Freunden über alle Einzelheiten des oft geänderten Planes verhandelt wurde, bis es 1790 bei Göschen in Leipzig erschien. Aber er war mehr Aesthetiker und Theoretiker, als schaffender Dichter, und es ist ihm nicht gelungen, seinen Personen, die Träger aller möglichen Ideen und Abstractionen sein sollen, wirkliches Leben einzuhauchen. Das Stück hat zwar, weil es einen damals populären Stoff behandelte und vom Schiller’schen Geist wenigstens angehaucht war, seiner Zeit einiges Aufsehen gemacht, so daß es 1795 in zweiter Auflage erschien; es ist aber jetzt längst veraltet. Nicht glücklicher war er mit einem zweiten dramatischen Versuch, „Juliane“, der in Mainz entstand.

Dort erlahmte aber mit der Zeit sein dichterisches Bemühen, und das Heraustreten aus dem Dresdener Freundeskreise in eine ihm fremde und wenig sympathische Welt und die Trennung von denen, welche seither bestimmend und fördernd auf seine Entwickelung eingewirkt hatten, scheint nicht ohne schwere innere Krise vorgegangen zu sein. Mit der Lust an poetischer Arbeit erlosch eine Zeit lang alle Freude an geistiger Thätigkeit, und die ihm durch sein Amt auferlegten Pflichten und Rücksichten erschienen ihm als eine lästige und unwürdige Bürde. Das Verhältniß zu Schiller und Körner wurde allmählich kühler, und es trat gänzliche Entfremdung ein, seitdem er seine Verlobung mit Dora Stock gelöst hatte.

Es war das Verdienst von Georg Forster, daß er der Unthätigkeit entrissen und zu neuer Arbeit angeregt wurde. Forster gewann Interesse an ihm und erkannte die Gefahr, in welcher er schwebte. Er wußte ihn zu bestimmen, sich in geographischen und historischen Studien zu vertiefen und den Umfang seines Wissens zu erweitern, wie es denn auch zu gemeinschaftlichen litterarischen Unternehmungen kam. So entstanden Uebersetzungen von Düpaty, Reise in Italien und von Lediard, Tagebuch einer Reise im Innern von Afrika. Die Uebersetzung von Duclos, Mémoires du siècle de Louis XV. führte tiefer in die französische Geschichte ein, und ihr widmete er fortan sein hauptsächlichstes Interesse. Daraus entstanden verschiedene größere Aufsätze, wie: „Ueber Revolutionen, vorzüglich in Frankreich, im Anschluß an die Memoiren des Cardinal von Retz“ [238] (im Neuen deutschen Museum, December 1790), „Armand Jean du Plessis, Kardinal von Richelieu, ein historisches Porträt“ (in Schiller’s Historischem Kalender für 1792), „Maximilian, Herzog von Baiern“ (daselbst) u. a.

Diese Arbeiten steigerten das Interesse, welches er an den damaligen Vorgängen in Frankreich nahm, und welches durch den täglichen Verkehr mit den Mainz überfüllenden französischen Flüchtlingen immer neue Nahrung erhielt. Der Zusammenhang der Revolution mit den gesellschaftlichen und sittlichen Zuständen Frankreichs war fortan der hauptsächlichste Gegenstand seiner Studien. Er stand zwar von vorne herein mit seinem Herzen auf Seiten der Neuerer, er bewahrte sich aber dabei so viel Unbefangenheit und Billigkeit, daß er auch die Verirrungen derselben zu erkennen und die Stellung der Gegner der Revolution zu verstehen vermochte. Er ließ sich deshalb auch nicht, wie Forster, persönlich in das Getreibe der Mainzer Republikaner verflechten, sondern blieb, wie es seine diplomatische Stellung forderte, daran ganz unbetheiligt, und als im October 1792 der Mainzer Hof vor den heranrückenden Franzosen flüchtete, begab er sich, wie die übrigen dort beglaubigten Gesandten, nach Frankfurt. Daß er sich dann freilich durch seine Sorge um das Schicksal von Forster’s Familie bestimmen ließ, noch ein Mal in das schon von den Franzosen besetzte Mainz zurückzukehren, schadete seiner amtlichen Stellung, und je mehr sich die öffentliche Meinung in Deutschland über Forster’s Haltung empörte, um so mehr hatte auch H., dessen nahe Freundschaft zu Forster bekannt genug war, Mißtrauen zu fürchten. Er fand sich veranlaßt, zu seiner Rechtfertigung dem Dresdener Hofe sein Verhalten freimüthig darzulegen, und es scheint, als ob es ihm auch gelungen sei, jeden Verdacht illoyaler Haltung beseitigt zu haben, so daß er im Dienste hätte verbleiben können, wenn er nicht selbst zu dem Entschlusse gekommen wäre, seine Entlassung zu fordern.

Der Grund hierzu lag in seinem Verhältniß zu Therese Forster, der er an Stelle ihres von den Wogen der Revolution fortgerissenen Gatten Schutz und Unterhalt gewähren zu müssen glaubte. Um dem genügen zu können, wollte er an einem Orte mit ihr wohnen, und der Ertrag seiner Feder sollte die nöthigen Mittel schaffen. Nachdem er im April und Mai 1793 in Dresden und Leipzig geweilt und seine Entlassung persönlich betrieben hatte, begab er sich nach Neuenburg in der Schweiz, wo er sich nach dem im Januar 1794 erfolgten Tode Forster’s mit dessen Wittwe verheirathete (vergl. die Biographie von Therese Huber).

Die litterarische Thätigkeit, der er fortan seine ganze Kraft widmete, betraf ebensowol historische und politische Fragen, wie die Kritik der neueren Erscheinungen auf dem Gebiet der Belletristik. Die 1793 erschienenen „Vermischten Schriften von dem Verfasser des heimlichen Gerichts“, 2 Thle., Berlin, Vossische Buchhandlung, bringen eine Reihe solcher Aufsätze, die schon im neuen deutschen Museum, in der Thalia, in Schiller’s historischem Kalender und in dessen Geschichte der Verschwörungen, sowie in der Jenaischen Allgemeinen Litteraturzeitung erschienen waren. Ein Sammelwerk, „Friedens-Präliminarien, herausgegeben von dem Verfasser des heimlichen Gerichts“, welches in 10 Bänden 1794–96 in Berlin erschien und an der Hand der Geschichte eine Versöhnung zwischen den großen Gegensätzen der Zeit anbahnen sollte, enthielt in reicher Abwechselung Betrachtungen über das Wesen der französischen Revolution und über den Zusammenhang derselben mit den sittlichen und religiösen Zuständen des Landes und mit früheren Vorkommnissen, ferner Urkunden, Berichte, Briefe und Anekdoten, welche die Entwickelung der öffentlichen Verhältnisse in Frankreich veranschaulichen sollten. Beim Eingehen der Friedenspräliminarien mit Beginn des J. 1799 übernahm er die Redaction der seit 1794 in Leipzig erscheinenden [239] Klio, die fortan den Titel führte: „Neue Klio, eine Monatschrift für die französische Zeitgeschichte“, und Ludwig Ferdinand H., dessen Namen damit zum ersten Mal in die Oeffentlichkeit trat, als Herausgeber nannte. Im Jahre 1798 erschien nur noch ein Heft, um die begonnenen Artikel zu Ende zu führen; im übrigen gab er diese Zeitschrift auf, um sich den umfassenderen und größeren Plänen Joh. Friedrich Cotta’s zu widmen, der am 1. Septbr. 1798 die lange geplante „Allgemeine Zeitung“ ins Leben rief, nachdem er schon von 1795 an Posselt’s Europäische Annalen, die nach der Ankündigung auch schon eine Allgemeine Zeitung sein sollten, und seit dem 1. Januar 1798 die „Neueste Weltkunde“ vorausgesandt hatte. H. hatte das letztgenannte Blatt schon einige Zeit redigirt, und ward nun der erste Redacteur der Allgemeinen Zeitung, der er bis an sein Lebensende treu verblieb.

Die Thätigkeit für die politischen Zeitschriften hinderte ihn nicht, auch sein kritisches Richteramt auf belletristischem Gebiet beizubehalten, und in der Jenaischen Litteraturzeitung, in der Leipziger Litteraturzeitung und in dem Freimüthigen finden sich zahlreiche Recensionen von ihm. Seine Gattin hat sie nach seinem Tode theilweise gesammelt und nebst einer Biographie und verschiedenen Briefsammlungen unter dem Titel: „L. F. Huber’s sämmtliche Werke seit dem J. 1802“, in Tübingen 1806, und demnächst einen zweiten Theil, Tübingen 1810, anonym herausgegeben. Die darin enthaltenen Erzählungen sind ebenso, wie die sonstigen unter seinem Namen erschienenen Erzählungen nicht von ihm verfaßt, sondern nur von ihm gesichtet und gefeilt, da seine Gattin sich später als die eigentliche Verfasserin bekannt hat.

H. blieb als politischer Schriftsteller den liberalen Ideen seiner Jugend getreu und befleißigte sich eines vollständigen religiösen Indifferentismus; er strebte aber mit allem Ernst danach, allen Parteien gerecht zu werden und trat den Ausschreitungen und Grausamkeiten der Revolution mit großer Entschiedenheit entgegen. Er hielt mit frischem Muthe an der Ueberzeugung fest, daß sich aus allen den Schrecken und Wirrnissen der Gegenwart ein guter Kern „eine philosophische Staatsverfassung“, herausarbeiten werde, und für diese Ueberzeugung suchte er Propaganda zu machen. Als ästhetischer Kritiker urtheilte er mit gebildetem Geschmack und feinem Verständniß, und einzelne seiner Kritiken, welche classische Werke unserer Dichterheroen betreffen, behalten dadurch einen dauernden Werth, daß sie uns den Eindruck wiederspiegeln, welchen diese Werke zur Zeit ihrer Entstehung auf einen geistreichen Mann machten.

Sein Wohnort unterlag noch manchem Wechsel. Neuenburg mußte er in Folge einer allgemeinen dort gegen die Emigranten getroffenen Maßregel schon 1794 verlassen; er wohnte dann nahezu vier Jahre in dem kleinen Schweizerdorf Bôle unter oft knappen Verhältnissen und manchen Entbehrungen, die aber das Glück des Familienlebens nicht störten. Im J. 1798 zog ihn das Cotta’sche Unternehmen nach Tübingen, von wo er jedoch noch in demselben Jahre plötzlich nach Stuttgart übersiedeln mußte, als ein herzoglicher Specialbefehl anordnete, daß die neue Zeitung in der Residenzstadt erscheinen sollte. Als ein im Herbst 1803 ergehender neuer Specialbefehl die Zeitung plötzlich unterdrückte, mußte H. wieder wandern, und zwar nach Ulm, wo die Zeitung nach Monatsfrist mit kurfürstlich baierischem Privilegium wieder erschien. Hier schien ihm ein günstiger Stern leuchten zu sollen, da er bald seiner noch in Stuttgart weilenden Familie melden konnte, daß er mit der ausdrücklichen Erlaubniß, die Redaction der Allgemeinen Zeitung beibehalten zu dürfen, bei der damals erfolgenden Organisation der neuen Provinz Schwaben zum Landesdirectionsrath in der Section des Schulwesens ernannt sei. Er sollte aber die gesicherten und behaglichen Verhältnisse, in welche er dadurch eingetreten war, nicht lange genießen. Nachdem [240] er im Herbste 1804 eine Reise nach Leipzig gemacht hatte, um den Nachlaß seines Vaters zu ordnen, starb er in der Weihnachtsnacht desselben Jahres an einem schnell entwickelten Lungenleiden.

Bei dem Besuche, welchen er gelegentlich der letzten Reise bei den Verwandten seiner Frau in Göttingen machte, hatte ihn der Historiker Heeren kennen lernen. Derselbe hat in der Biographie seines Schwiegervaters Heyne folgendes Bild von Huber’s Persönlichkeit entworfen: „Der blühende kraftvolle Mann (nicht leicht sah man mehr Feinheit und Anmuth mit so viel Männlichkeit gepaart) gewann in den wenigen Tagen, die er in Göttingen war, sich die Liebe aller seiner Angehörigen, vorzüglich aber Heyne’s. Seine Liebenswürdigkeit, seine immer geistvolle Unterhaltung entzückten ihn.“ Ein Beweis dieser persönlichen Liebenswürdigkeit mögen auch die vielen dauernden und engen Freundschaften sein, die ihn mit so manchen bedeutenden Personen in Deutschland, der Schweiz und Frankreich verbanden.

Vergl. die schon erwähnte Biographie aus der Feder seiner Gattin in: Huber’s sämmtliche Werke seit dem J. 1802. Ein Aufsatz: Ferdinand und Therese Huber in den Grenzboten, 18. Jahrgang, Bd. II. 1859.

Therese Huber, bekannt durch ihre Lebensschicksale als Gattin von Georg Forster und durch ihre schriftstellerische Thätigkeit, ist am 7. Mai 1764 in Göttingen als Tochter des berühmten Alterthumsforschers und Professors Christian Gottlob Heyne geboren. Ihre Mutter verlor sie in ihrem 11. Jahre, nachdem dieselbe lange gekränkelt hatte, und als sich der Vater nach anderthalb Jahren wieder verheirathete, wurde die Tochter für zwei Jahre in eine Pension gegeben. Sie selbst hat in einem an ihren Sohn gerichteten Brief über ihren Bildungsgang geschrieben: „Ich habe wenig Unterricht gehabt und mein guter Vater hat wirklich viel zu wenig auf dessen Gedeihen gesehen, denn wir hätten doch orthographisch sollen lesen und schreiben lernen. Da hatten wir aber Lehrer, die keinen Eifer hatten, und unser Vater untersuchte nie, was wir lernten. Man hat mir nie gelehrt, einen Aufsatz machen. Wie ich dann, vierzehn Jahre alt, aus der Pension kam, schwatzte mein Vater mit mir, wenn ich ihn fragte, aber nie forderte er mich zum Schreiben auf. Schon damals hatte ich meinen Gespielinnen in der Pension viele Briefconcepte gemacht, deren Stil man bewunderte. Ich schrieb Briefe mit vieler Leichtigkeit und fing an für mich Kritiken und Betrachtungen aufzuzeichnen. Mein Vater gab mir nun oft Dinge zu lesen, über die er mich dann sprechen hörte. Ein paar Mal schrieb ich darüber, er las es, ohne mir eine Verbesserung zu lehren.“

Ihr Verhältniß zu ihrem sehr hoch von ihr geehrten Vater scheint niemals ein inniges und völlig offenes gewesen zu sein. Heyne mochte wol nicht die Gabe haben, sich das Herz seiner Kinder ganz erschließen zu können. Zu ihrer Stiefmutter, einer feingebildeten und liebenswürdigen Frau, gewann sie bald ein freundschaftliches Verhältniß; doch war diese selbst noch zu jugendlich, um die heranwachsende und frühzeitig sich selbständig und eigenartig entwickelnde Tochter erziehen und leiten zu können. Aber die ganze geistige Sphäre des Hauses, welches der Sammelpunkt für die bedeutendsten Lehrer und Jünger der in der ersten Jugendblüthe stehenden Universität und für die zahlreichen dorthin pilgernden fremden Gelehrten war, mußte auf ihre Entwicklung einwirken, und die dort gepflegten Interessen, welche in Kunst und Poesie gipfelten, während alle religiösen Fragen fern gehalten wurden, blieben auch für das Leben die ihrigen. In ihrem 18. Jahre konnte sie mit dem verwandten Blumenbach’schen Ehepaare eine längere Reise durch Süddeutschland und die Schweiz machen, welche sie auch auswärts mit bedeutenden Menschen und Dingen in Beziehung brachte [241] und ein längerer Aufenthalt bei einer Freundin in Gotha, die dem dortigen Hofe nahe stand, hatte ihr nicht nur einen Einblick in schwierige Verhältnisse gewährt, sondern dazu beigetragen, die Gewandtheit und Sicherheit ihres gesellschaftlichen Auftretens zu steigern. Auch äußerlich eine anmuthige Erscheinung war sie viel bewundert und schon wiederholt dringend umworben, als sie sich entschloß, noch ehe ihr Herz irgend gesprochen, eine Wahl zu treffen und dem seither nur wenig von ihr gekannten Georg Forster ihr Jawort zu geben, als dieser im Mai 1784 bei seiner Durchreise durch Göttingen und auf dem Wege eine Professur in Wilna anzutreten, um sie anhielt. Der zwar unausgesprochene aber doch von ihr wahrgenommene dringende Wunsch ihres Vaters, das Verlangen aus ihrer seitherigen unselbständigen Stellung herauszutreten, ein wenig Stolz auf das Ansehen, welches ihrem Bewerber in der wissenschaftlichen Welt zu Theil ward, Bewunderung seiner Vielseitigkeit und Gewandtheit und die Lust, die weite Welt zu sehen, – Alles hatte bestimmend auf sie eingewirkt. Die Correspondenz während ihres anderthalbjährigen Brautstandes brachte sie einander näher, und die gesellschaftliche Isolirung während ihres zweijährigen Aufenthaltes in dem unwirthlichen und gar fremdartigen Polen und die Geburt ihrer Kinder konnten nur beitragen, die Innigkeit ihres Verhältnisses zu mehren. Forster fühlte sich auch im Vollbesitz ehrlichen Glückes, während Therese, trotz aller Hochachtung, die sie für ihren Gatten hegte, niemals das Gefühl einer gewissen Leere im Umgang mit ihm verloren zu haben scheint. Der Aufenthalt, den die Forster’sche Familie nach Niederlegung der Wilnaer Professur ein Jahr lang in Göttingen nahm, wirkte nicht günstig auf ihr eheliches Verhältniß ein. Schon vor ihrer Verheirathung hatte sie in Meier von Bramstedt, der als Bibliothekbeamter, jedoch erst nach Theresens Verlobung nach Göttingen gekommen war, eine leidenschaftliche Zuneigung geweckt; diese Leidenschaft, die sich Freundschaft nannte, trat ihr jetzt von Neuem entgegen, und Forster drang in unpraktischer Schwärmerei für das Recht der Freundschaft darauf, daß sie während des ganzen Aufenthalts täglich mit dem geistreichen und mit ihrem inneren Wesen verwandten Manne verkehrte. Sie konnte nun den Gedanken nicht zurückdrängen, daß ihrem Glück etwas fehle, und die eheliche Bürde wurde ihr oft zur Last.

Nicht destoweniger blieb ihnen auch in Mainz, wohin sie im Herbst 1788 übersiedelten, ein friedliches und nach außen hin ein Bild voller Harmonie bietendes Zusammenleben möglich, so daß Justus Erich Vollmann, der Wochen lang als Gast mit ihnen gelebt hatte, in einem Brief an seinen Vater im December 1791 (vgl. Friedrich Kapp, Justus Erich Vollmann, ein Lebensbild aus 2 Welttheilen, Berlin 1880) folgende Schilderung machen konnte: „Seine (Forster’s) Frau ist eine Tochter von Hofrath Heyne in Göttingen, – das erste aller Weiber, die ich noch gekannt habe bis jetzt, und nicht nach meinem Urtheil allein, nach dem Urtheil jedes Mannes von Kopf und Herz, der sie kennt. Eine unbegrenzte Fülle von Witz und niemals versagender guter Laune und mit immer durchscheinender Güte des Herzens, eine Menge von Kenntnissen und unglaublicher Fertigkeit, durchaus jeden Gegenstand gleich von einer angenehmen und interessanten Seite zu fassen, – eine liebenswürdige Naivität in Allem, was sie thut und spricht, die vollkommenste Abwesenheit von Prätension und Eitelkeit, die zärtlichste Anhänglichkeit an ihren Mann und ihre Kinder, dies sind Eigenschaften, die sie ohne alle Uebertreibung charakterisiren.“ Auch Wilhelm von Humboldt, der schon in Göttingen Forster nahe getreten war und in Mainz längere Zeit bei ihnen geweilt hatte, schrieb nach dem Tode Theresens von ihr in den Briefen an die Freundin: „Sie war an Geisteskräften gewiß eine der vorzüglichsten Frauen ihrer Zeit. Sie wußte auch sehr viel, [242] hatte unendlich viel in neueren Sprachen gelesen und besaß einen sehr hohen Grad von intellectueller Bildung. Allein das Alles wurde überstrahlt, geordnet und befruchtet durch die inneren, angeborenen Geisteskräfte, die keine Erziehung und Bildung hervorbringen kann, und durch die Fülle einer reichen, ewig gestaltenden, schöpferischen Phantasie. Dabei hatte sie in ihrem Hauswesen mit ihren Kindern, wie sie noch klein waren, die liebenswürdigste weibliche Einfachheit und eine sichtbare, ihr angeborene Reinheit und Lauterkeit der Gesinnung. Bis an ihr Ende hat sie mit merkwürdiger Thätigkeit und rastloser Anstrengung gearbeitet.“ Auf Grund dieser Zeugnisse darf man annehmen, daß für das häusliche Leben des Forster’schen Ehepaares auch in Mainz noch die Möglichkeit einer günstigen Gestaltung bestand, bis Forster selbst wieder in der Person des sächsischen Legationssecretairs Ludwig Ferdinand Huber dem häuslichen Kreise ein Element beifügte, welches zersetzend darauf einwirken sollte. Therese erzählt, wie ihr Huber Anfangs durchaus nicht sympathisch gewesen, und wie sie dem Anschluß desselben an ihr Haus nur deshalb nicht entgegengetreten sei, weil sie das menschenfreundliche Streben Forster’s nicht habe hindern wollen, der Huber durch Gewöhnung an eine streng wissenschaftliche Thätigkeit aus der Gefahr, sich durch Unzufriedenheit und Zerfahrenheit selbst zu verlieren, zu retten wünschte. Die von Forster empfohlene Diät erreichte nicht nur ihren Zweck, sondern Huber wurde bald beiden Gatten ein unentbehrlicher Genosse, der nicht nur ihre Arbeiten und ihre Freuden theilte, sondern auch insbesondere der Frau gerade das bot, was sie im Verkehr mit ihrem Manne vermißte, – Stetigkeit und Tiefe des Interesses für die einmal in den Kreis ihrer Beachtung hineingezogenen Menschen und Dinge, Verständniß für die realen Verhältnisse des Lebens einschließlich der in das Bereich der Haushaltungsfragen fallenden Angelegenheiten, und Selbstlosigkeit und Dienstfertigkeit auch in den kleinen Beziehungen des täglichen Lebens.

Die politischen Vorgänge führten die Katastrophe herbei. Therese nahm zwar eben so wie Forster und Huber das lebhafteste Interesse an den Vorgängen der französischen Revolution, und sie alle drei standen mit ihrem Herzen auf Seiten der Neuerer, und das Gefühl der Zugehörigkeit zu Deutschland trat bei ihnen allen hinter der Begeisterung für französische Freiheit und Gleichheit weit zurück; aber Therese und Huber waren zu feinfühlig, um die Scheu vor der unmittelbaren Berührung mit dem großen Haufen überwinden zu können und um nicht von dem Getriebe der Klubbisten in Mainz abgestoßen zu werden, während Forster nicht Widerstandskraft genug besaß, um nicht ganz in dasselbe hineingezogen zu werden. Die räumliche Trennung beider Gatten, welche im December 1793 erfolgte, als Therese auf das Dringen ihres jungen englischen Hausgenossen, Thomas Brand, später Lord Dacer, in Befürchtung der bevorstehenden Belagerung von Mainz, mit ihren beiden Kindern die Stadt verließ und sich nach Straßburg begab, geschah freilich, ohne daß einer der beiden Gatten an eine dauernde Trennung dachte, – aber sie wurde dazu, weil Forster immer tiefer in die Wogen der Revolution verflochten wurde und immer weniger Entschlossenheit und Kraft zeigte, um seinen Hausstand zu erhalten und seine eheherrlichen Rechte zu wahren. Er sah es als selbstverständlich an, daß er in Folge seiner politischen Pflichten nicht mehr in der Lage sei, für den Unterhalt der Frau und der Kinder zu sorgen, und hatte nichts dagegen einzuwenden, als Huber diese Sorge übernahm.

Therese hatte sich inzwischen bald überzeugt, daß ihres Bleibens in Straßburg nicht sein könne, zumal sie von Geldmitteln entblößt war, und sie mußte daher die Einladung der befreundeten Familie von Rougemont in Neuenburg in der Schweiz annehmen. Die Uebersiedelung dorthin war bei dem herrschenden [243] Schreckensregiment mit nicht geringen Gefahren verbunden. In dem kleinen, sichern Neuenburg fand sich bald auch Huber ein, um sein Amt als Beschützer und Ernährer zu übernehmen, nachdem er sich inzwischen von seiner amtlichen Stellung frei gemacht hatte. Anfang November 1793 geleitete er Therese mit ihren Kindern in den kleinen Grenzort Travers, wo das letzte wehmüthige Zusammensein mit dem von Paris herbeigekommenen Forster stattfand. Wenige Wochen später starb dieser einsam in Paris, und nun wurde aus der schon lange zwischen Therese und Huber bestehenden geistigen Gemeinschaft eine rechte Ehe, die sich während ihrer ganzen Dauer als eine sehr glückliche erproben sollte.

Aeußere Nöthe waren ihnen freilich nicht erspart; sie wurden schon 1794 mit andern Emigranten aus Neuenburg ausgewiesen, lebten dann in dem kleinen abgelegenen Orte Drôle, bis sie 1798 nach Tübingen wanderten um von dort bald wieder nach Stuttgart versetzt zu werden, und im Herbst 1803 plötzlich nach Ulm überzusiedeln. An allen diesen Orten gelang es ihnen aber, bald heimisch zu werden und trotz aller äußeren Beschränkung eine behagliche Häuslichkeit zu haben, an die sich auch jedesmal ein bald gewonnener Freundeskreis anschloß. Krankheit und Tod blieben ihrem Hause nicht fern, – waren doch von den 10 Kindern, welche Therese geboren hat, bei dem Tode Huber’s nur noch vier am Leben, – zwei Forster’sche und zwei Huber’sche, und manche ihrer Kinder waren fortgerafft, nachdem sie sich schon auf das Schönste zu entwickeln begonnen hatten. Aber sie hatten den Lebensmuth nicht verloren und auch die ökonomischen Bedrängnisse, in denen sie sich in jener unruhigen Zeit befanden, tapfer überwunden, zumal seitdem Therese, um Brod schaffen zu helfen, selbst zur Feder gegriffen hatte und neben der täglichen Hausarbeit, die sie mit immer gleicher Sorgfalt und Lust that, Erzählung auf Erzählung schrieb.

Der am 24. December 1804 unerwartet erfolgte Tod Huber’s traf Therese in dem innersten Kern ihres Lebensglücks; aber sie hatte geistige Spannkraft genug, um sich auch fortan nicht nur der Sorge für ihre Kinder mit aller Treue zu unterziehen, sondern um auch an allen Zeitinteressen den lebhaftesten Antheil zu behalten und auf größere Kreise einen bestimmenden Einfluß zu üben. Huber’s kurz vor seinem Tode erfolgte Anstellung im baierischen Staatsdienste gab ihr Anspruch auf eine allerdings kleine Wittwenpension, und der alte Michael Huber hatte seinem Sohne ein, freilich nicht bedeutendes Capital hinterlassen. Sie war daher mit ihren Kindern vor eigentlicher Noth geschützt. Um aber die Mittel für eine bessere Erziehung zu beschaffen und um die Kinder genügend auszubilden, mußte ihr die Schriftstellerei wieder als Erwerbsmittel dienen. Daneben übte sie ihre Haushaltungstalente. Claire Forster hatte sich bald nach dem Tode Huber’s in noch sehr jugendlichem Alter mit dem damaligen baierischen Forstbeamten von Greyerz vermählt; die Mutter zog mit ihren beiden jüngsten Kindern zu ihr, um ihr die noch zu schwere Bürde eines großen ländlichen Haushaltes tragen zu helfen. Bald aber gab sie ihren einzigsten damals erst sechsjährigen Sohn Victor Aimé zu Fellenberg in Pension, weil sie meinte, ein Knabe müsse von Männern erzogen werden, und weil sie fühlte, daß der stete Umgang mit ihr, bei ihrer Lebhaftigkeit und Rastlosigkeit nicht günstig auf die Entwicklung des Knaben wirken werde. Im Herbst 1813 siedelte sie nach München über, als sich ihre jüngste Tochter Louise Huber mit dem dort wohnenden bairischen Forstrath Emil von Herder, dem Sohn von Gottfried Herder, vermählte. Aber dort sollte ihres Bleibens nicht lange sein, da sich in der jungen Ehe Wolken auf Wolken häuften, bis sie bald gerichtlich geschieden wurde. Therese trug um so schwerer daran, als sie sich selbst manche Schuld an diesem Ausgang beimaß.

[244] Im Herbst 1816 siedelte sie sich mit ihrer Tochter Louise von Neuem in Stuttgart an, um die Redaction des im Verlage von J. G. Cotta erscheinenden Morgenblattes zu übernehmen. Von dort zog sie in den zwanziger Jahren nach Augsburg, weil Cotta die Absicht hegte, die Redaction des Morgenblattes dorthin an den Sitz seiner Allgemeinen Zeitung zu verlegen, eine Absicht, die dann doch nicht zur Ausführung gelangte, und weil ihr Schwiegersohn Greyerz dorthin versetzt war. Die Wandelungen, welche ihr Sohn durchmachte, bis er in ein sicheres Fahrwasser gelangte, brachten ihr manche schwere Stunde; aber die Spannkraft ihres Geistes bewährte sich auch darin, daß sie sich bald wieder in den von ihm eingeschlagenen Weg fand, wenn auch das Aufgeben des seitherigen Weges die Pläne zu Grabe trug, welche sie sich seither für ihre letzten Lebenstage gemacht hatte. Sie erlebte noch die große Freude, ihre Tochter Louise von Neuem mit Herder, von dem sie einst geschieden war, verbunden zu sehen, und sie selbst konnte sich bei einem nach Jahresfrist im Hause derselben in Bayreuth gemachten längeren Besuch davon überzeugen, wie nach zehnjähriger Trennung das volle Eheglück bei ihnen eingezogen war. Aber dauernde Ruhe und stilles Behagen war ihr einmal nicht beschieden, und so waren ihre letzten Lebenstage wieder dadurch beunruhigt, daß die damals in Baiern vorgenommene Reorganisation der ganzen Staatsverwaltung ihre beiden im Forstdienst stehenden Schwiegersöhne aus ihren seitherigen Stellungen herausriß und in ungewisse Verhältnisse brachte. Therese plante deshalb eine Uebersiedelung zu ihrem endlich in Bremen zu einer sicheren Stellung gelangten Sohn, als sie am 15. Juni 1829 zur ewigen Ruhe einging. Sie starb in Augsburg in den Armen ihrer drei herbeigeeilten Töchter, von denen die älteste, Therese Forster seit langen Jahren als Erzieherin in verschiedenen Häusern und zuletzt an einem der schwarzburgischen Höfe wirkte.

Was die schriftstellerische Thätigkeit von Therese H. betrifft, so darf man bei Beurtheilung derselben nicht vergessen, daß sie nur durch die äußeren Verhältnisse zu derselben getrieben wurde und, wie sie selbst gesteht, niemals eine gewisse Scheu überwunden hat, mit ihren eigensten Gedanken vor die Oeffentlichkeit zu treten. „Mir ist das Gedrucktsein immer ein beunruhigendes, schmerzliches, demüthigendes Gefühl; es ziemt dem Weibe nicht“. – schrieb sie noch 1810 an ihren Vater. Und sie zeigt darum auch in ihren für die Oeffentlichkeit bestimmten Schriften niemals jene Freiheit und Kühnheit der Gedanken, jene naive und treffende Ausdrucksweise und jene naturtüchtige Frische, durch die uns ihre nachträglich in die Oeffentlichkeit gelangten vertraulichen Briefe entzücken, obwol sie selbst diesen oft genug den Wunsch zufügt, man möge sich an ihrer Ausdrucksweise nicht stören, die sich durch Lebhaftigkeit und Geschäftsdrang immer überstolpere, zumal sie keine Zeit zum nochmaligen Durchlesen habe. Die Briefe z. B. welche sie ihrem jungen Sohne in den verschiedenen Epochen seiner Entwickelung schrieb, um bald in dieser, bald in jener Richtung gewisse Ecken seines Wesens abzuschleifen, sind wahre stylistische und auch pädagogische Meisterwerke, während ihren Publikationen nicht ohne Grund der Vorwurf der Weitschweifigkeit gemacht wird, die durch Befangenheit und durch ihre Vielschreiberei erklärlich gemacht wird.

Wie sie zur Schriftstellerei gelangte, hat sie selbst in einem Briefe erzählt: „Wir waren arm. Ich versuchte heimlich Louvet’s Divorce nécessaire zu übersetzen. Huber las, schüttelte den Kopf, strich von einem Ende zum andern. Ich weinte, übersetzte wieder und wieder und lernte es. Das Buch war zu Ende und ich fand es interessant, Louvet fortzusetzen, – ich componirte ein Ende zu dem Divorce nécessaire. Huber freute sich, es ist am Ende der Uebersetzung gedruckt. Ich dachte viel an Forster; ich dachte ihn in vielen Lagen und schrieb „Die Reise nach Neuholland“, das heißt, ich schrieb au courant de la [245] plume, was meine damals reiche Einbildungskraft eingab; dann ordnete Huber, beschnitt, stilisirte. Nun fühlte ich die Fähigkeit, meines Mannes Opfer zu erleichtern. Ich hatte nacheinander zehn Kinder, die ich pflegte und stillte, – fünf waren kränklich, kein Schneider, keine Nähterin betrat mein Haus; von Nichts gelangten wir zu vollen Schränken an Kisten und Betten, lebten artig, gingen stets mit der besten Gesellschaft um, waren überall gewünscht. In den Nachtstunden an meiner Kinder Wiege, an Huber’s Krankenbett, – mehr wie einmal mit dem säugenden Kind an der Brust, – so ward ich Verfasserin der Erzählungen. Huber sagte in Leipzig voriges Jahr zu Carus: Sie und ich sind so vereint, daß wir nicht mehr entscheiden können, wessen Geist sich in den Arbeiten ausdrückt. Und so war es“.

So lange Huber lebte, sind darum auch alle ihre Arbeiten unter seinem Namen erschienen, und nur sehr wenige haben das Geheimniß erfahren, daß nicht er der Verfasser, sondern nur der Herausgeber war. Nach seinem Tode fühlte sie sich in Betreff ihrer schriftstellerischen Thätigkeit unendlich verlassen und hülflos, und sie würde schwerlich wieder für die Oeffentlichkeit geschrieben haben, wenn nicht das Bedürfniß, Mittel für die Erziehung und Ausstattung ihrer Kinder zu erlangen, gar zu gebieterisch gewesen wäre. Sie ließ daher ihre Arbeiten unter dem Deckmantel der Anonymität in verschiedenen Zeitschriften erscheinen, und erst das 1811 in Leipzig erschienene Buch: „Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau“ deutete den Namen der Verfasserin mit „Therese“ wenigstens an, aber auch gegen ihren eigenen Wunsch in Folge einer Eigenmächtigkeit des Verlegers. Derselbe nannte dann auch ihren vollen Namen in einer in sein Journal aufgenommenen Erzählung, und dies bestimmte sie, nunmehr auch ihrerseits die Anonymität aufzugeben. Während sie den Roman „Emilie“, den sie 1813 in neuer Auflage hatte erscheinen lassen, noch schlechtweg als „von Huber“ bezeichnet hatte, ließ sie 1819 „Huber’s gesammelte Erzählungen“, fortgesetzt von Therese Huber geb. Heyne, Bd. 3 und 4 erscheinen und sagte in der Vorrede: „Ich nenne mich jetzt aus denselben Gründen, warum ich so lange ungenannt zu bleiben wünschte. Daß die Schriftstellerin eine rüstige Hausmutter sein könne, wird dem Publicum zu glauben sehr schwer, – deswegen verschwieg ich meine litterarische Beschäftigung, so lange das zu sein, mein Beruf war. Die greisende Matrone hat nun keinen Hausstand mehr, sie kann jetzt noch Mutterpflichten erfüllen, indem sie schreibt, nicht sie vernachlässigen“.

Später erschienen noch unter ihrem Namen „Ellen Percy, oder Erziehung durch Schicksal“, 2 Bde., 1822; „Denkwürdigkeiten des Kapitän Landolph. Nach dem Französischen bearbeitet“, 1825; „Die Ehelosen“, 2 Bde., 1829. Nach ihrem Tode gab ihr Sohn in Ausführung eines noch von ihr selbst gefaßten Planes eine Sammlung ihrer bedeutendsten Arbeiten unter dem Titel „Erzählungen von Therese Huber“ in sechs Theilen 1830 bis 1833 heraus, und es erschien auch noch 1834 die „Geschichte des Cevennnen-Krieges. Ein Lesebuch für Ungelehrte“.

Abgesehen von den wenigen historischen Arbeiten und von den Schilderungen, die sie auf Grund eigener Anschauung von den öffentlichen und gesellschaftlichen Zuständen Polens und Hollands in einer noch jetzt für den Culturhistoriker beachtenswerthen Weise gegeben hat, sind ihren Erzählungen immer bestimmte moralische Sätze zu Grunde gelegt, die sie ihren Lesern veranschaulichen und ans Herz legen wollte, und sie hat hierzu den großen Schatz von Erfahrungen, die sie in ihrem wechselvollen Leben gesammelt hatte, und die ihr zu Theil gewordene reiche Phantasie zu verwerthen gesucht. In ihren früheren Arbeiten geht die Phantasie mitunter ins Maßlose und Ungeheuerliche, während sie sich in den [246] späteren Erzählungen mehr innerhalb der sie umgebenden gesellschaftlichen Zustände bewegte. Namentlich das Frauenleben in seinen verschiedensten Beziehungen hat sie zum Gegenstand ihrer Darstellungen gemacht. Es finden sich viele sinnige Beobachtungen, kluge Rathschläge und fesselnde Gedanken in ihren Erzählungen, – aber auch Manches, was uns jetzt als trivial und veraltet erscheint, und mit schwer erträglicher Breite vorgetragen wird, und da sie die religiösen Momente mit Absicht bei Seite schiebt oder nur oberflächlich behandelt, fehlt den mannigfachen Bildern des Frauenlebens, die sie entrollt, eine wichtige Seite.

Am bedeutendsten sind ihre Leistungen als Redacteurin des Morgenblattes gewesen, dieser damals angesehensten und inhaltvollsten belletristischen Zeitschrift. In einem nach ihrem Tode erschienenen Nachruf wird mit Recht von ihr gesagt: „Mit wirklich männlichem Geiste suchte sie aus allen Fächern des Wissens dasjenige in ihren Kreis zu ziehen, was für denselbigen irgend passend, was zur Belehrung, zur Erhebung des Geistes ihrer Leser, ohne intellectuelle und moralische Pedanterie dienen konnte. Sitten und Institutionen, Erfindungen, Entdeckungen am Himmel und auf der Erde, nach Allem sah der gebildete und wißbegierige Geist dieser Frau sich um, zog, was in dem Bereich ihres Blattes war, herein in dasselbe. Jenes Streben nach Universalität wurde bei ihr begünstigt und unterstützt durch eine ausgebreitete Kenntniß der auswärtigen Litteratur, die sie jedoch nie zu mageren Auszügen und trockenen Notizen benutzte, sondern immer mit ihrem eigenen Geiste zu amalgamiren und, wie in ihren Werken, selbstständig zu behandeln wußte. Sie brachte aus den unter politischen Stürmen verlebten Jahren ihrer Jugend und ihres besten Alters zu diesem Geschäfte der Matrone eine reiche Lebenserfahrung, einen bei einem weiblichen Geiste höchst seltenen Ueberblick von Welt und Zeit, und jenen allgemeinen Freiheitssinn, jenes Unabhängigkeitsgefühl, die Begeisterung für Wahrheit und Recht mit, die jeder Schriftsteller haben soll. Mit diesen Eigenschaften war eine unter den Erfahrungen einer Zeit, welche in Manchem die Intoleranz bestärkt hatte, erworbene und stets wachsende Duldsamkeit gegen anders Denkende verbunden, und diese äußerte sich auch besonders in der Würdigung der ihrem Blatte angebotenen Arbeiten, welche, sobald sie an und für sich tüchtig waren, auch mit Selbstverleugnung aufzunehmen sie sich zur Pflicht machte, so lange sie nicht fürchten durfte, daß jene Toleranz zur Charakterlosigkeit führen werde.“

Clemens Theodor Perthes, Politische Zustände und Personen in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft, Gotha 1862. R. Elvers, Victor Aimé Huber. Sein Werden und Wirken. Thl. I, Bremen 1872.