ADB:Jaup, Carl
Dr. Helferich Bernhard J. († am 27. Octbr. 1806), besuchte er von 1793–98 das Pädagogium zu Gießen und studirte von Ostern 1798 bis Herbst 1801 daselbst Jura. Der Umstand, daß der Vater vorzugsweise Publicist war, trug viel dazu bei, daß auch in Jaup’s Studien die publicistische Richtung vorherrschend wurde. Es war ihm daher auch erwünscht, vom September 1801 bis Mai 1802 während der dem letzten Reichsdeputations-Hauptschlusse vorangehenden Verhandlungen der außerordentlichen Reichsdeputation am Sitze derselben und des Reichstags in Regensburg, sich aufhalten zu können, wo sein Vater vom Frühjahr 1801 bis dahin 1803, zuerst als darmstädtischer Geh. Rath, dann als Comitialgesandter des Landgrafen Ludwig X. von Hessen-Darmstadt angestellt war. Nachdem er 1802–3 die Studien in Göttingen fortgesetzt und promovirt, eröffnete er im Wintersemester 1803–4 Vorlesungen an der Universität Gießen. Am 1. April wurde er zum stimmführenden Assessor der dortigen Juristenfacultät sowie zum außerordentlichen Professor der Rechte ernannt und erhielt am 15. Decb. 1806 die Stelle seines verstorbenen Vaters als ordentlicher Professor, im December 1808 die durch Koch’s Tod erledigte vierte juristische Lehrstelle. Frühere Berufungen nach Kiel und Göttingen hatte er abgelehnt. Als man sich in Darmstadt für Einführung des Code Napoléon entschieden hatte, wurde J. nebst Grolmann mit Vorschlägen über die Einführung dieses Gesetzbuchs beauftragt. 1809 nahm er Theil an den zu Gießen stattfindenden Berathungen mit nassau’schen und primatischen Commissaren wegen Einführung des Code. Von März bis November 1814 versah er zugleich auftragsweise die Stelle eines Regierungsraths in Gießen, dann brachte er mit Erlaubniß seiner Regierung einige Monate in Frankfurt a. M. zu, wo der österreichische Gesandte Freih. von Hügel sich seiner Feder in Bezug auf das Civil-General-Gouvernement [734] von Isenburg und Frankfurt bediente. 1815 wurde er zum Geh. Referendar beim Staatsministerium ernannt und, nachdem er 1820 den Titel Geh. Staatsrath erhalten, zufolge der Organisation der Staatsbehörden von 1821 dem Ministerialdepartement der auswärtigen Angelegenheiten und des Hauses, wie auch dem neugebildeten Staatsrathe zugetheilt. Im August 1824 wurde er an die Spitze der Gesetzgebungs-Commission gestellt, im Juni 1828 aber auf seinen Wunsch mit dem Vorsitze des Cassations- und Revisions-Gerichtshofs für Rheinhessen betraut. 1832 wählte ihn die Stadt Friedberg zu ihrem Vertreter in der zweiten Kammer. Da er hier im Sinne der Opposition wirkte, wurde er nach Auflösung des Landtags (November 1833) in Ruhestand versetzt. In den nächsten Jahren war er nur als Gemeinderath, als Präsident des Vereins für Verbesserung des Zustandes der Israeliten und als Mitglied des darmstädter Eisenbahncomités thätig. Aus der Zeit jener seiner Wirksamkeit als Beamter liegt ein Urtheil von Hans von Gagern vor, welcher in seinem Werke „Mein Antheil an der Politik“ (Thl. 1. S. 103) von J. sagte: „Für alles Große war er empfänglich; die Fähigkeiten der Menschen wußte er meisterhaft zu unterscheiden, zu entfalten, zu gebrauchen, zu belohnen; aber zu vieles bewog ihn später zu dem Irrthum, sie zu verachten. Dieser Irrthum hat ihm die Grube gegraben.“ 1847 gehörte J. zu den Mitarbeitern und Förderern der von Gervinus ins Leben gerufenen „Deutschen Zeitung“ (Aus den Pap. d. Min. v. Schön, Bd. 2. Berl. 1875, a. E.). Nach dem Umschwunge von 1848 begann eine zweite Periode von Jaup’s öffentlicher Wirksamkeit. Im Vorparlamente legte er am 3. April 1848, als Biedermann einen Antrag eingebracht, welcher eine Erklärung der Rechte des Volkes bezweckte, eine von noch 68 Mitgliedern unterzeichnete Zusammenstellung derselben vor. Als H. v. Gagern, Jaup’s College aus den Landtagen von 1832–34, am 5. März 1848 an die Spitze des Ministeriums berufen, wurde J. von der darmstädtischen Regierung zum Mitgliede der 17 Männer des öffentlichen Vertrauens ernannt, welche behufs Entwerfung einer deutschen Verfassung dem Bundestage beigesellt wurden. Dem Ministerium selbst gehörte er als Präsident des Staatsraths an. Nachdem Gagern am 31. Mai 1848 zurückgetreten war, um die Stelle als Vorsitzender der Deutschen Nationalversammlung dauernd zu übernehmen, wurde der nunmehrige Minister des Innern, Eigenbrodt thatsächlich Vorsitzender des Ministeriums. In dieser Eigenschaft gerieth er mit der zweiten Kammer über die Wahlgesetzfrage und mit der ersten über andere Dinge in Zwist, infolge dessen J. am 16. Juli 1848 zum Minister des Innern mit dem Vorsitze im Gesammtministerium ernannt wurde. Die Bevölkerung des Landes nahm dies sehr freudig auf, denn J. galt nicht blos als streng Constitutioneller, sondern auch als ein besonderer Anhänger der hessischen Dynastie. Er war, hieß es in E. M. Arndts „Germania“, „beredt, kenntnißreich, in Vielem erfahren und obgleich schon im 67. Lebensjahre stehend, doch noch körperlich und geistig sehr rege und gewandt. Der Bürger liebte ihn, das Land schenkte ihm Vertrauen und selbst die höhere Aristokratie, wenn sie nicht sehr unbillig sein wollte, konnte Nichts gegen ihn haben.“ Seine Verwaltung war eine Fortsetzung des Gagern’schen März- und des Eigenbrodt’schen Juni-Ministerums, diese drei Ministerien aber zusammen vertraten die Ideen der Neuzeit im Gegensatz sowohl zu dem vormärzlichen Systeme Du Thil’s als auch der Reactionsministerien der 50er Jahre. So nahm denn J. auch in dem Programme, mit welchem er am 24. Juli vor die zweite Kammer trat, ausdrücklich und unter Berufung auf den ihm vom Großherzog zu erkennen gegebenen Willen auf die landesherrlichen Zusagen vom 6. März „mit allen nothwendigen und natürlichen Folgerungen“ Bezug. Er fügte hinzu: „So lange oder so kurz ich an dieser Stelle stehen werde, wird mein Grundsatz sein, treues Festhalten [735] an dem Systeme Heinrichs v. Gagern im Sinne der Freiheit und des volksthümlichen Fortschritts auf dem Wege des Rechts, des Gesetzes und der Verfassung“. Zugleich suchte er die Kammer zu versöhnen, nachdem Eigenbrodt sie gereizt hatte. Er sagte, die Kammer sei „gewählt unter einem früher verwerflichen Systeme und habe doch den neuen Principien des März mit Freuden gehuldigt, die Staatsregierung in ihren Bemühungen, diese freisinnigen Grundsätze zu verwirklichen, kräftig unterstützt und und hierdurch den wärmsten Dank des hessischen Vaterlandes verdient.“ Auch mit der ersten Kammer stellte sich J. besser als sein Vorgänger. Hatte dieser wichtige Gesetzentwürfe in dieselbe gebracht, so sorgte J. dafür, daß sie dort auch in gedeihlichen Fluß kamen. Vom baldigen Zustandekommen zeitgemäßer Gesetze mittelst dieser Kammer nebst folgender Vertagung derselben erhoffte er eine Abnahme des Verlangens nach Aenderung des Wahlgesetzes. Gegen den Plan dieser Vertagung erhob sich jedoch die immer kräftiger auftretende Linke der Kammer wie auch ein Theil der Gemäßigten. Erstere suchte die Frage rasch zum Austrag zu bringen. Auf Glaubrechts Anfrage, ob ein bestimmter Zeitpunkt für die Vorlegung eines neuen Wahlgesetzes festgestellt werden solle, gab jedoch J. keine bestimmte Antwort und wenige Tage vor der angesetzten Berathung des Antrags von Lehne auf unverzügliche Vorlegung eines zeitgemäßen Wahlgesetzes vertagte J. am 8. August 1848 den Landtag auf unbestimmte Zeit. Dieser Act rief nicht nur den Zorn der Demokraten, sondern auch eines Theiles der constitutionellen Partei hervor. Man sagte wol, die Vertagung sei „dem Sinne des constitutionellen Systems nicht gemäß.“ Im vaterländischen Vereine zu Darmstadt hieß es, die Vertagung sei zwar „nicht ein Staatsstreich, aber ein Staatsschlich.“ Bald zeigte es sich jedoch, daß der Vertagung keine besonderen Absichten zu Grunde lagen, denn mit dem am 20. Novbr. 1848 wieder zusammentretenden Landtage kam ein Wahlgesetz für die zweite Kammer mit directen Wahlen zu Stande. Auch in manchen anderen Fragen zeigte sich, daß J. die Neigung hatte, seine Entschließungen hinauszuschieben und von vielleicht eintretenden Zwischenfällen Günstiges zu erwarten. Unter Jaup’s Gegenzeichnung erließ die Regierung eine Reihe von Verordnungen, welche, auf Art. 75 der Verfassung beruhend, die Aufgabe hatten, ohne ständische Mitwirkung in dringenden Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staates vorzukehren. Dies rief, zumal J. selbst auf früheren Landtagen sich gegen dieses Recht der Regierung ausgesprochen hatte, erbitterte Angriffe Seitens der demokratischen Partei hervor. Als Mitglied der deutschen Nationalversammllmg gehörte J. der Partei des Casino an, war Mitglied des völkerrechtlichen Ausschusses, ergriff nur selten das Wort, trug aber, wie Märzminister von Kurhessen und Nassau, die auch zugleich Abgeordnete von Frankfurt waren, wesentlich zur Erhaltung guten Verhältnisses zwischen seiner Regierung und dem Parlamente bei. Das Anrücken der allgemeinen Reactionsströmung machte sich schon früh wenn auch in geringerem Maße bemerklich. Sowohl die Ersetzung des Generalmajors Grafen Lehrbach durch General v. Schäffer-Bernstein (Juni 1849) als Kriegsminister als auch die des Ministers Kilian durch v. Lindelof sowie Zimmermann’s als Director des Finanzministeriums durch v. Schenk galt als Rückschritt von Jaup’s Standpunkte des 6. März. Einen geradezu provocirenden Schritt dieser Art glaubte man vielfach in der Wiederernennung des im März beseitigten Breidenbach als Director des Oberstudienraths erblicken zu müssen. J. aber ließ sich dies in dem Gedanken gefallen, dadurch die noch bedenklichere Ernennung des Herrn v. Bechtold verhindert zu haben. Bald jedoch gerieth mit steigender Reaction Jaup’s Stellung selbst ins Wanken. In der deutschen Frage war er für den Anschluß des Landes an das Dreikönigsbündniß aufgetreten, bei der betreffenden Vorlage an den Landtag Ende 1849 hatte er sich lebhaft für [736] die durch die Union zu schaffende deutsche Verfassung ausgesprochen, die ihm sonst großes Vertrauen schenkende zweite Kammer sogar wegen Verzögerung des Gesetzes für die Wahlen zum Volkshause in Erfurt aufgelöst; allein bald darauf gab er, nach Ablehnung eines Mandats für Erfurt, einzelnen Politikern zu verstehen, daß die Absicht, sich von der Union zu trennen und sich Oesterreich anzuschließen, bei den höchsten Personen des Landes in dem Maße vorhanden sei, daß jeden Augenblick dieser Schritt erfolgen könne. Es wurde nun J. zum Vorwurf gemacht, hiergegen nicht mit Festigkeit aufgetreten zu sein, ja sich geneigt gezeigt zu haben, den Schritt für zweckmäßig zu erklären. Die „Deutsche Zeitung“ machte ihm auf heftige Weise den Krieg und aus allen Landestheilen wurde er mit Gesuchen um Festhalten an der Union bestürmt. H. versicherte zwar wiederholt, es liege dies auch in Absicht, am 28. Juni 1850 aber erhielt er auf wiederholten Wunsch, wegen dieser Frage, vorgeblich aus Gesundheitsgründen die Entlassung unter Verleihung des Titels eines Wirkl. Geh. Raths. Jaup’s Politik des Zuwartens, um sich weder in Berlin noch in Frankfurt den Weg zu verschließen, war eben nicht mehr haltbar; die schwankende Haltung, wo das Land nur dem Namen nach noch der Union angehörte, mußte ein Ende nehmen, seine deutsche Politik konnte nach beiden Seiten hin nicht mehr genügen. Der Großherzog soll beim Abschiede Jaup’s sehr ergriffen gewesen sein und ihn auch noch schriftlich seiner freundschaftlichen Gesinnungen versichert haben. In der Augsb. Allg. Ztg. 1850, Nr. 182 hieß es bei Jaup’s Rücktritt: „Man sieht diesen kenntnißreichen, erfahrenen, thätigen Staatsmann ungern scheiden und er nimmt die aufrichtige Achtung aller besonnenen Vaterlandsfreunde mit sich. Er hat das Ruder in einer schlimmen, stürmischen Zeit mit Kraft und Umsicht geführt.“ Während seiner Amtsführung waren 52 zum Theil sehr wichtige Gesetze und Verordnungen erlassen. Der Trefflichkeit seiner Verwaltung wird es zugeschrieben, daß das Land trotz der Nachbarschaft Badens und der Pfalz von den dortigen revolutionären Bewegungen fast gänzlich unberührt blieb. Mit Jaup’s Nachfolger v. Dalwigk begann die Zeit der offenen Reaction. – Jaup’s Schriften sind folgende: 1) „Commentatio iuris publ. de religionis qualitate“; 2) „Ueber die Auflösung des rheinischen Bundes und der schweizerischen Vermittlungsacte“ (Gießen 1814); 3) „Die Abstammung des Gesammthauses Hessen von Kaiser Karl d. Gr.“ (Mainz 1840). Zahlreiche Arbeiten von ihm befinden sich in „Germanien, Zeitschr. f. Staatsr., Pol. u. Statistik v. Teutschl.“, herausgegeben v. Crome und J. (4 Bde., Gießen 1808) und in dem „Staatsboten, einer allg. staatswiss. Ztg. f. teutsche Bundesstaaten“ (Darmst. 1826 u. 27).
Jaup: Heinrich Karl J., hessen-darmstädtischer Staatsmann, geb. den 27. Septbr. 1781 in Gießen, † den 5. Septbr. 1860 in Darmstadt. Sohn des Geh. Raths, Prof. und Vicekanzlers der Universität Gießen,- Scriba, Biogr.-litt. Lex. d. Schriftst. d. Großh. Hessen im 1. Viertel d. 19. Jahrh. Abth. 1 (Darmst. 1831) u. 2 (Darmst. 1843); Biogr. Umrisse d. Mitgl. d. deutsch. Nat.-Verf. Hft. 3 (Frkf. 1848); Germania. Die Vergang., Gegenw. und Zuk. d. deutsch. Nat. Eingef. v. E. M. Arndt. Bd. 2 (Lpz. 1852); Gegenw. Bd. 5 (Lpz. 1850); Allg. Ztg. 1850 Nr. 183 und 186; Staatslex. 3. Aufl., Art. Hessen; Unsere Zeit Bd. 5 (Lpz. 1861).