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ADB:Johann von Speyer

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Artikel „Johann von Speyer“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 472–475, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_von_Speyer&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 14:28 Uhr UTC)
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Johann von Speyer (Johannes de Spira), einer der ältesten und verdientesten deutschen Buchdrucker im Auslande. Leider finden sich, was das äußere Leben dieses Mannes betrifft, weder über ihn, noch über seinen Bruder und Nachfolger Wendel (Wendelinus) eben so wenig in handschriftlichen[WS 1] Urkunden der Reichsstadt Speyer, als in älteren oder neueren gedruckten litterargeschichtlichen Werken irgend welche Nachrichten. Das Wenige, was in dieser Beziehung bekannt ist, findet sich in dem ihm ertheilten unten zu erwähnenden Privilegium der Stadt Venedig, wornach er bereits in seiner Geburtsstadt verheirathet war und mit Frau und Kindern (cum familia tota sua) und, wie es den Anschein hat, in vorgerückterem Alter, in Venedig einwanderte. Beiden Brüdern aber verbleibt der ungeschmälerte Ruhm, zu den ersten gehört zu haben, welche die Druckerfindung schon sieben Jahre nach der Eroberung von Mainz (27.–28. Octbr. [473] 1462) über die Alpen trugen, denn nur ein Jahr vor ihnen (1468) waren durch ihre Landsleute Konrad Sweynheim und Arnold Pannartz (vgl. beide Art.) in Rom und vier Jahre zuvor durch eben dieselben im Kloster Subiaco am Anio die ersten Buchdruckereien in Italien errichtet worden. Es unterliegt nach den bisherigen Forschungen weder einem Zweifel, daß beide Brüder Deutsche und von Speyer gebürtig waren, denn das bezeugen ihre Unterschriften, noch daß sie 1468 nach Venedig kamen und schon im folgenden Jahre die erste Druckerei in dieser Stadt errichteten. Daß aber sie und nicht Nicol. Jenson, wie früher die Franzosen es behaupteten (vgl. Johann von Köln), die ersten Venediger Drucker waren, dafür dient u. a. das Zeugniß Ulrichs Zell, des ersten kölnischen Druckers (1466–1507), welcher in seiner Cronica der hilligen Statt Köllen, 1499 (Bl. CCCXII.) ausdrücklich angibt (Wolfii Monum. I. 379. 409), „dat eyn wale uyss Vranckrych, genant Nicolaus Genson have alre eyrst dese meysterlicke Kunst vonden, dat is offerbarlich gelogen. Want Sy syn noch in leuen, die dat getzuegen, dat men boicher drukte tzo Venedige, ee dar Nicolaus Genson dar quame, dair he began schrift zu schnijden vnd bereyden“. Der Fleiß der Brüder war außerordentlich groß und ihr rastloser Eifer erregt Bewunderung und dieser, wie jener würde sich ohne Zweifel noch erhöht haben, wenn J. nicht schon ein Jahr und Wendel neun Jahre darauf gestorben wären. Das erste Buch, welches J. 1469 zu Venedig erscheinen ließ, waren Ciceronis Epistolae ad Familiares, wie die Verse am Ende beweisen: „Primus in Hadriaca formis impressit ahenis – Urbe libros Spirae genitus de stirpe Joannes …“ Da diese Briefe nur in hundert Exemplaren abgezogen wurden (Maittaire I. 286) und diese bald vergriffen waren, so veranstaltete er noch in demselben Jahre eine zweite Auflage, ja in dem nämlichen Jahre gingen aus seiner Officin auch noch die Hist. natur. des Plinius (ein Exemplar hiervon wurde [Denis, Bücherkunde, I. 140] für das brittische Museum um 43 Pfund Sterling angekauft) und des Tacitus Annalen hervor. Welches Gewicht aber die venetianische Regierung selbst auf die Einführung der neuen Kunst legte, geht aus dem Privilegium hervor, das der Senat unter dem 18. September 1469 J. sowol für seinen ersten Druck, als auch für alle anderen noch zu druckenden auf fünf Jahre ertheilte. Da dieses Privilegium das älteste in der Buchdruckergeschichte aller Länder ist, so lassen wir hier zugleich zu Ehren unseres deutschen Landsmannes den Anfang desselben in gekürzter Form folgen: „Inducta est in hanc nostram inclytam civitatem ars imprimendi libros in diesque magis celebrior et frequentior fiet, per operam, studium et ingenium Joannis de Spira, qui ceteris aliis urbibus hanc nostram praeelegit, ubi cum conjuge, libris et familia tota sua inhabitaret exerceretque dictam artem … jamque summa omnium commendatione impressit Epistolas Ciceronis … in pulcherrima litterarum forma, pergitque quotidie alia praeclara volumina imprimere. Et quoniam tale inventum aetatis nostrae peculiare et proprium, priscis illis omnino incognitum, omni favore et ope augendum atque fovendum est … Domini Consiliarii ad humilem et devotam supplicationem praedicti Magistri Joannis … decreverunt, ut per annos quinque proxime futuros nemo omnino sit, qui velit, possit, valeat audiatve exercere dictam artem … in hac inclyta civitate Venetiarum et districto suo, nisi ipse Magister Johannes …“ Leider sollte sich J. des Genusses dieses Schutzbriefes nicht lange erfreuen, denn bereits im folgenden Jahre starb der fleißige Mann eines plötzlichen Todes, während er mit dem Drucke der Schrift des Augustinus „De civitate Dei“ beschäftigt war, wie die durch seinen Bruder beigefügte Schlußschrift bezeugt „morte peremptus Non potuit coeptum Venetis finire volumen. Vindelinus adest eiusdem frater et arte Non minor“ und auf dem Rande der Privilegiumsurkunde findet [474] sich die Bemerkung: „Nullius est vigoris, quia obiit Magister et Auctor“; vgl. auch Vitae Ducum Venet. Marini Sarnuti T. XXII. Script. Rer. Ital. Muratorii col. 1468 und Cesare Cantu, Allgemeine Weltgeschichte, übersetzt von Brühl, VIII. 25. J. gebührt u. a. das Verdienst, in seinem Drucke „C. Corn. Taciti Annales“ zwei Verbesserungen im Bücherdrucke eingeführt zu haben. Die erste ist, daß er (Gräffe, Allgem. Litterärgesch., III. 1, 199) zuerst vor allen anderen Druckern die Blätter mit sogen. arabischen, anstatt mit römischen Ziffern bezeichnete. Arabische Ziffern zu anderweitigem Gebrauche waren allerdings schon lange vor seiner Zeit, jedoch stets nur in einzelnen Fällen zur Verwendung gekommen und eines der ältesten, wo nicht das allerälteste Beispiel einer Jahreszahl mit arabischen Ziffern, ist zuerst in diesem Jahre (1881) bekannt geworden, es ist (Leipziger illustrirte Zeitung 1881, S. 70) ein Siegelstempel Gottfrieds von Hohenlohe aus dem J. 1233, welcher sehr wahrscheinlich in Italien verfertigt wurde, weil die arabischen Ziffern dort viel früher in Gebrauch kamen, als in Deutschland. Das zweite noch größere Verdienst aber erwarb er sich um die junge Kunst dadurch, daß er in dem nämlichen Drucke, und hierin ahmte ihm Wendel in seinen Büchern nach, der Punkte, Doppelpunkte und Fragezeichen sich bediente; dagegen fehlt der Diphthong ae, wofür jedesmal e oder ę gesetzt wird; für die Ueberschriften der Kapitel und die Titel der Bücher ließ er einen leeren Raum übrig, um dieselben durch einen Schreiber oder Miniator ergänzen zu lassen. Die Schlußschrift zu dem ersten Erzeugniß der Presse des J. (Cicero’s Briefe, 1469) hat Falkenstein a. a. O. in einem Facsimile, das jedoch nicht ganz gelungen ist, abdrucken lassen. Einige seiner Drucke erschienen auch nach seinem und seines Bruders Tode in neuen Auflagen, wie u. a. die „Regulae quattuor primae adprobatae. Venet. per Joh. de Spira“, 1500. – Nach Johanns Tod übernahm sein Bruder Wendel (Wendelinus, Vindelinus), der ohne Zweifel zugleich mit J. in Venedig eingewandert war, die Druckerei und eiferte demselben sowol in Eleganz als Correctheit seiner Leistungen rühmlich nach. Zunächst vollendete er das angefangene Werk des Augustinus, wie aus den sieben am Ende beigedruckten Hexametern hervorgeht (Panzer, III. 64) und in denen er zugleich Alles aufzählt, was sein Bruder J. gedruckt hatte. Sein äußerer Lebensgang ist ebenso unbekannt, wie der des verstorbenen Bruders, doch scheint es, daß er gleichfalls verheirathet war, weil er am Schlusse seines Druckes „Boccatii genealogiae deorum gentilium“, 1472, sich und seine Familie dem Bischof zu Padua empfehlen läßt, wenn man nicht annehmen will, daß hierunter der Hausstand seines verlebten Bruders zu verstehen sei. Die erfreuliche und wohlthuende Erscheinung, welche wir bei so vielen im Auslande thätigen deutschen Buchdruckern wahrnehmen, ihrer Heimath auch in den Erzeugnissen ihrer Offizin zu gedenken, wiederholt sich auch bei Wendel, und wie um dieselbe Zeit Johann von Westfalen (vgl. den Art.) zu Löwen dieser seiner Liebe durch die Worte Ausdruck gab „Vivat Westphalia“, so versäumt es auch Wendel nicht, seiner Vaterstadt Speyer des öfteren pietätsvoll zu gedenken durch Aeußerungen, wie „Spira nobilis“, „Spira superba“ oder „Spyra tuum nomen toto celebrabitur orbe“ oder auch „Spira tua est virtus italas iam nota per urbes“. Die vorzügliche Einrichtung aber, die Wendel seiner Offizin gab, in welcher man schon mit gegossenen Lettern arbeitete, ermöglichte es, daß noch in demselben Jahre (1470) außer dem umfangreichen Werke des Livius noch sieben andere Bücher der gelehrten Welt zugänglich gemacht wurden. Und in den folgenden Jahren gingen noch ungefähr 27 Ausgaben theils römischer und italienischer Classiker, theils solche von Kirchenvätern und juridischen Schriftstellern aus seiner Presse hervor. Auch druckte er 1471 die erste italienische Bibel nach Nicolo Malermi’s Uebersetzung. Eine kurze [475] Zeit, 1472, trat er auch mit Johann von Köln (vgl. den Art.) in Geschäftsverbindung, doch schon 1473 finden wir ihn wieder allein, in welchem Jahre des Roberti de Licio „Quadragesimale“ und des Bartoli „Lectura“ seine Werkstatt verließen. Im folgenden Jahre begann er von einer dem Auge angenehmeren Typenform, der halbgothischen aufrecht stehenden Buchdruckerschrift, Gebrauch zu machen, welche dann, weil sie der römischen oder Antiqua eine gefälligere Form gab, vorzugsweise (vgl. auch Johann von Köln) die Venetianische genannt und von den gleichzeitigen größeren Druckereien auch in anderen Ländern verwendet wurde. Die Erfinder dieser Schriftform, Konrad Sweynheim und Arnold Pannartz, hatten dieselbe zuerst 1467 zu Rom eingeführt, wofür ihnen wahrscheinlich die besseren Manuscripte, die sie in Italien gefunden hatten, Vorbild gewesen waren. Mit solchen Typen druckte Wendel u. a. (Seemüller, Bibl. Ingolstad. Incun., p. 31) „Nicolai de Tudeschis lect. in libr. Decretal.“ Wendel’s Name erscheint bis zum J. 1477, in welchem er vermuthlich gestorben ist. Wie die Erfindung der Signaturen, dieser zur Unterscheidung und Charakterisirung älterer Drucke so überaus nothwendigen Zeichen, zwischen dem kölnischen Drucker Johann Kölhof von Lübeck 1471 und einer sonst unbekannten Offizin des Conradus de Alemannia 1470 (Serapeum 1846, 60) schwankt (mit Unrecht werden dieselben von den Engländern dem Oxforder Drucker Caxton schon 1468 zugeschrieben) und sowie der Gebrauch der Seitenzahlen zuerst von Arnold ter Hörnen (vgl. Bd. XIII. S. 150) schon 1470 in Deutschland in Anwendung gebracht wurde, so machte sich Wendel um dieselbe Zeit (1470) in Venedig, außer den bereits erwähnten typographischen Verbesserungen auch durch die erste Einführung der sogen. Custoden verdient, indem er unten am Ende jeder Blattseite das erste Wort der folgenden als custos abdrucken ließ. Als Correctoren seiner Druckerei bediente er sich der Dienste zweier gelehrten Italiener, des Coradini de Coradinis Camertis, welcher auch zuweilen in dieser Eigenschaft Bücher, die seiner Verbesserung unterlagen, mit Epigrammen verzierte (Maittaire, 114) und u. a. auch der 1473 gedruckten Ausgabe des G. Trapesuntii … Rhetor. lib. prim., am Ende die noch nicht aufgeklärten Worte hinzufügte: „Si nescis ubi sit venalis: quaere lemanum Spiram . qui precii codicis auctor erit Coradinus“; der zweite Corrector war Christoph Birardus (Serapeum, 1847, 146), dessen von ihm corrigirter „Dante col commento di Benev. da Imola … De Spira Vindelin fu il stampatore“, 1477, Fol., einen hohen Werth in der italienischen Litteratur behauptet. Ob schließlich ein in Ghillany’s Index rariss. aliq. libr. fasc. XV. typ. descript (Serapeum, 1846, 365) enthaltenes Autographon „De Spira“ einem unserer beiden Drucker angehört, vermag ich nicht zu entscheiden.

Quirini De opt. scriptor. edit., p. 149. Orlandi, Orig. della stampa, 1457–150. Maittaire, I. 19. Helmschrot, Druckdenkmale, S. 200, 220. Fabricius, Bibl. lat. III. 902. Denis, Suffragium pro J. de Sp. prim., Venet. typogr., Wien 1794. Panzer, A. T., III. (Venetiae). Wetter, Gesch. der Buchdruckerkunst, S. 473. Falkenstein, Geschichte d. Buchdr., S. 213. Hain, 7608, 12926. Brunet, II. 1543.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: handschriftichen