ADB:Johann IV. (Bischof von Hildesheim)
Herzogs Magnus I., kam zur Regierung des Hochstifts am 13. Juli 1504, nachdem sein ältester Bruder Erich, Bischof seit 4. Juni 1503, wegen des Trotzes der Stiftsvasallen resignirt hatte. Der letztere wurde am 20. Februar 1508 Bischof von Münster († 20. October 1522). J. hat als der Mittelpunkt der greulichen Hildesheimer Stiftsfehde seinen Namen der deutschen Geschichte eingeprägt und ist wegen des Einspielens der habsburgisch-französischen Rivalitäten in diese Kämpfe selbst universalhistorisch von einiger Bedeutung gewesen. Im Stift traf er kluger Weise Fürsorge, die seit Johanns III. Zeiten verpfändeten Güter aus der Hand der Vasallen zu „recuperiren“, verfeindete sich aber dadurch die Ritterschaft, namentlich das mächtige Haus der Salder, und erbitterte diese noch durch Abschaffung trotzig verlangten unnützen Aufwandes, wofür die Junker ihm den Namen „Magerkohl“ beilegten, während er die Stadt Hildesheim sich zu gewinnen wußte. Umgekehrt versagte er den Braunschweiger Herzogen die geforderte Einlösung der von Bischof Magnus erworbenen Pfandschaft der Eversteiner und Homburger Güter und Schlösser (s. Johannes III.), ja suchte diese noch dadurch zu sichern, daß er dem mit seinen welfischen Vettern verfeindeten Heinrich dem Mittleren von Lüneburg eine neue Summe auf diese Herrschaften zahlte. Den Krieg riefen Heinrich der Jüngere von Braunschweig und dessen Bruder Bischof Franz von Minden (1508–29) durch vielerlei Gewaltthat hervor. Da der letztere trotz Einspruch von Kaiser und Papst in willkürlicher Bedrängung des Grafen von Diepholz fortfuhr, dessen Beschirmung von Maximilian Heinrich dem Mittleren übertragen war, und da er Heinrichs Tochter, die Braut Herzogs Karl von Geldern, vor Minden schimpflich behandelte, so trieb er den Lüneburger zum Bündniß mit dem Hildesheimer und der Stadt Hildesheim vom 14. Februar 1519. Vorher schon hatte eine Verbindung des Stiftsadels unter Kurt v. Steinberg sich unter Heinrich den Jüngeren gestellt, und der letztere hatte auch Heinrich den Mittleren durch die laute und öffentliche Weigerung erbittert, an des letzteren Auftreten für die Kaiserwahl Franz I. von Frankreich theilzunehmen, welche in Norddeutschland vorzugsweise durch Karl von Geldern und den französischen Agenten und Mecklenburger Ritter Joachim v. Maltzan betrieben wurde. Heinrich der Jüngere ging dagegen offen mit „Karls von Gent“ (Karls V.) Günstling, Erich von Calenberg-Göttingen. Die Grafen von Schauenburg, Lippe, Hoya und Diepholz und der Herzog von Geldern traten dem Bunde Johanns bei, der letztere sandte eine tüchtige Schaar geworbener Reiter. Zu den Gegnern hielt Herzog Georg von Sachsen und, auf Vermittelung der Landgräfin Anna, Philipp von Hessen. Bischof J. eröffnete den Kampf siegreich gegen den Mindener, unerhörte Verwüstungen [225] verheerten dann drei Monate lang den Landstrich zwischen Göttingen, Harz, Braunschweig, Lüneburg und Minden, einem Ruhegebot des Reichsverwesers Friedrich von Sachsen folgten Erich und Heinrich der Jüngere nicht. Da wurden sie auf Verdener Gebiete, dessen Bischof Christoph sie zu gewinnen hofften, von J. und Heinrich dem Mittleren bei Langeloh auf der Soltauer Heide gestellt und am 28. Juni 1519, dem Tage der Kaiserwahl Karls V., zur Vernichtung geschlagen; J. kämpfte im ersten Reiteransturm, Heinrich der Jüngere und Franz flohen vom Schlachtfeld, ihr jüngerer Bruder Wilhelm und Herzog Erich wurden gefangen, eine enorme Beute genommen. Außer der Schlacht bei Sievershausen ist in Norddeutschland im ganzen Jahrhundert keine mehr gefeiert, als diese „Schlacht bei Soltau“, aber auch kaum eine Feste so wie Johanns Burg Peine, „die Eule von Peine“ oder „das Eulennest“, die jetzt und später drei harte Belagerungen abschlug. Wie schon der Kriegsbeginn eine gegenseitige Schmählitteratur wachrief, und Namen, wie „Magerkohl“, „Hans von Peine“, „Hans mit dem Blackhorn“ (Tintefaß) für Johann, „Lecker“ für Heinrich d. J. für lange Zeit gängig machte, so ist eine recht beträchtliche Reihe historischer und Hohnlieder dem Siege von Soltau gefolgt. J. ließ 1520 ein selbstverfaßtes derbes Fastnachtsspiel, „de scheveklôt“, zum Hohn der besiegten Stiftsritter aufführen, ein interessantes Stück der mittelniederdeutschen Litteratur; ein Wandgemälde sollte die Aufführung im Kreuzgange des Domes verewigen. Auch eine Art Reimchronik der Fehde bis zur Schlacht wird ihm zugeschrieben. Ihren Vortheil aber verfolgten die Verbündeten nicht; Heinrich der M. wollte doch das welfische Gut seiner Vettern nicht in bischöfliche Hände bringen. Jetzt schlug die Sache um. Einem Gebot des Kurfürsten vom 8. Juli, auf 5 Monate Waffenstillstand zu halten und Alles einem reichsfürstlichen Austrag zu unterwerfen, fügten sich und Heinrich d. M., nicht aber Heinrich d. J., der die Sache unter Insinuirung eines Bündnisses seiner Gegner mit Frankreich an den Kaiser zu dessen Entscheidung brachte. Kaiserliche Commissarien forderten alsbald Stellung der Gefangenen und der ganzen Streitsache zur Hand des Kaisers und Wiedereinsetzung des Bischofs von Minden. Die so Angegriffenen weigerten sich und beriefen sich auf den schon eingeleiteten Austrag; es wurde eine Reichsrechtsfrage, ob dem Kaiser eine Entscheidung ohne oder wider den Willen der Kurfürsten zustehe; doch hatte sich Heinrich d. M. schon am 28. Juli mit Erich vertragen. Während Heinrich d. J. von Neuem in Johanns Gebiete sengte und raubte, ließen die Kurfürsten trotz des Kaisers die Austragsverhandlungen fortsetzen und luden dann beide Theile zum 14. Januar 1520 nach Zerbst. Den dort gefällten Spruch brachen die Braunschweiger Brüder und erlangten ein kaiserliches Mandat vom 20. August 1520 mit Androhung von Acht und Lehensverlust gegen J. und Heinrich d. M., wenn sie sich nicht fügten. Obwol diese sich an die Kurfürsten wandten, zogen sie doch der Ladung folgend zum Kaiserhofe nach Köln, wo sie unter Nichtbeachtung des kurfürstlichen Spruchs hingehalten, dann zum 5. Januar 1521 auf den Reichstag nach Worms geladen wurden. Da entsagte Heinrich d. M. seiner Regierung zu Gunsten seiner jungen Söhne und ging nach Frankreich. J. stand trotzig und ungebrochen mit dem Domkapitel und der Stadt Hildesheim allein. Den wieder eingeforderten Herzog Wilhelm setzte er in den Thurm zu Steuerwald, dann erschien er in Worms und wartete vergebens. Nach seiner Abreise fällte ein einseitig vom Kaiser ernanntes und einseitig instruirtes Schiedsgericht am 27. Mai 1521 gegen ihn den Spruch, binnen Monatsfrist bei Acht und Lehnsverlust dem Gebote der früheren kaiserlichen Commission zu gehorchen. J. folgte nicht, er rechnete auf Karls französischen Krieg; und nun erreichte Heinrich d. J. am 24. Juli 1521 zu Gent gegen ihn des Reiches Acht; die Lehen wurden ihm ohne Fürstengericht abgesprochen. [226] Die Lüneburger blieben unbehelligt, es schreckte die Drohung des über den Bruch der Austragsprüche erbitterten Kurfürsten Friedrich von Sachsen, auch wußten die jungen Herzoge sich mit Heinrich d. J. im sog. Feldvertrage von Braunschweig vom 10. October 1521 auszugleichen. J. blieb fest, kriegsmuthig blieb seine Stadt, trotz hansischer Mahnung zur Neutralität, ihm treu, noch konnte er einen Zuzug westfälischer Reiter durch seinen Bruder Erich von Münster erhalten, die Braunschweiger und Göttinger aber verheerten aufs Greulichste mit Philipps Hessen das ganze fast schon wüste Stift; die Hildesheimer zahlten den Nachbargebieten ebenso heim. Am 13. Februar 1522 gebot der Kaiser von Brüssel aus dem Reichsregimente zu Nürnberg die Acht durchzuführen, nochmals versuchte ein Hansetag zu Goslar die Stadt Hildesheim abzumahnen; gleich trotzig schlossen Bischof, Domkapitel und Stadt am 1. April einen neuen Kriegsbund. Aber am Ende des Jahres war die Kraft gebrochen, zumal die versprochenen Maltzan’schen Reiter ausblieben. Noch war im November ein Tag in Goslar fruchtlos, aber im Januar 1523 forderten und erhielten Bischof und Domkapitel freies Geleit für ihre Gesandten zum Reichstag in Nürnberg. Ihre Klagen fanden kein Gehör, Erzherzog Ferdinand ernannte eine von vornherein den Braunschweigern günstige Austragscommission: den Cardinalkurfürsten Albrecht von Mainz, Herzog Georg von Sachsen, den Schwager Erichs und die Städte Magdeburg, Goslar und Eimbeck. Am 13. Mai 1523 kam es zum Spruche in Quedlinburg, J. war nicht erschienen, sondern wartete in Halberstadt. Der Receß gab, wol zum ersten Mal in der deutschen Geschichte, Kirchengüter, das ganze sog. „Große Stift“, den weltlichen Eroberern, der Kaiser bestätigte ihn am 20. October in Pamplona, vielfach aber beanstandeten die Fürsten noch lange die Rechtmäßigkeit. Der Bischof weigerte die Annahme, in Halberstadt tranken ihm die Hildesheimer Rathsherren den Abschied zu, er blieb im Bann und ritt flüchtig in sein Heimathland. Dort in Lauenburg trafen ihn 1526 Schreiben des Domkapitels, der Papst wolle das verwaiste Stift einem neuen Herrn providiren, sie bäten um seine Abdankung. Die Schuld an allem dem Domkapitel zuschiebend, lehnte er das Ansinnen am 9. October ab; aber 1527 war er gebrochen und verzichtete zu Gunsten des kaiserlichen Vicekanzlers Balthasar Merklin als Administrators. Als dieser zu Steuerwald feierlich ins Stift zog, kam J. in Verkleidung, unerkannt, um mit ihm heimlich zu verhandeln; dann lebte er still in Lauenburg. Nach dem Tode des Propstes Johann Mues (Mus) von Ratzeburg, 1529, wurde er in dessen Stelle gewählt und erhielt vom Cardinal Campeggio am 15. Juli 1530 die päpstliche Confirmation. Er starb am 20. November 1547.
Johann IV., Bischof von Hildesheim, eines der 13 Kinder des Herzogs Johann IV. von Sachsen-Lauenburg († 1519), Bruder des kriegslustigen- Die Litteratur der Stiftsfehde bei Lüntzel, die Hildesheimer Stiftsfehde, wo auch der „Scheveklôt“. Havemann, Gesch. der Lande Braunschweig und Lüneburg. II. Wachsmuth, Gesch. vom Hochstift und Stadt Hildesheim. L. v. Ranke, Deutsche Gesch. im Zeitalter der Reform. v. Liliencron, Histor. Volkslieder 3, Nr. 325–335. – Ueber Joachim v. Maltzan: Lisch, Jahrb. 20, S. 28, 31. – Ueber Johanns Lebensende: Masch, Gesch. des Bisth. Ratzeburg, S. 466. Vgl. Allg. D. Biogr. IV. 237, VI. 203, XI. 492, 495.