ADB:Kölle, Christoph Friedrich Karl von
[474] 1848, war der Sohn des Tübinger Bürgermeisters und Hofgerichtsbeisitzers Joh. Adam Chr. K. Seine Mutter war eine Tochter des Landschaftsconsulenten Fr. Wolfg. Hauff, des Großvaters der beiden Dichter Hermann und Wilhelm Hauff. K. erhielt seinen Jugendunterricht in Tübingen zuerst durch den Candidaten, späteren Münchener Akademiker Breyer (vgl. Bd. III S. 324), dann in der dortigen anatolischen Schule (jetzt Gymnasium). Vom Jahre 1795–97 besuchte er das Gymnasium zu Stuttgart, studirte von 1797–1802 in Tübingen Rechtswissenschaft und trieb nach bestandenem Facultätsexamen von 1802–1803 Geschichte und Staatswissenschaften in Göttingen, von wo er über Berlin, Dresden und München in die Heimath zurückkehrte. Als Privatdocent und Hofgerichtsadvocat in Tübingen ansässig geworden, verkehrte er viel in dem Uhland–Kerner’schen Kreise und machte selbst auch poetische Versuche. Von besonderem Einfluß auf ihn war aber damals Phil. Jos. Rehfues, welcher eben von Italien zurückgekommen war und namentlich ein durch Ferd. Hartmann (vgl. Bd. X S. 682) schon früher bei K. gewecktes Interesse für die bildenden Künste weiter zu entwickeln wußte. Eine für beide Theile höchst fruchtbare Freundschaft entspann sich auch um jene Zeit mit Joh. Friedr. Cotta (vgl. Bd. IV S. 526 ff.), dessen damalige Unternehmungen, wie die Gründung der Allgemeinen Zeitung, K. mit warmer Theilnahme planen half. Er blieb zeitlebens ein fleißiger Mitarbeiter der verschiedenen Cotta’schen Zeitschriften und von seinen Büchern sind alle bis auf zwei im Cotta’schen Verlage erschienen. Die „Europäischen Annalen“ brachten im J. 1806 die erste unter seinem Namen gedruckte Abhandlung, eine „Geschichte der Erwerbungen Oesterreichs in Schwaben“; dem im J. 1807 gegründeten „Morgenblatt für gebildete Stände“ widmete er eine, später besonders durch auswärtige Correspondenzen höchst ersprießliche Zuneigung. Zu Anfang des Jahres 1806 wurde er Procurator beim Obertribunal in Tübingen, machte sich durch eine gelungene Vertheidigung eines berüchtigten Räubers, Jakob Krämer, vulgo Tiroler Jockel, den höheren Behörden vortheilhaft bekannt und wurde noch in demselben Jahre zuerst in die Organisationscommission für die neuerworbenen Länder gezogen und dann als Legationssecretär zur württembergischen Gesandtschaft in Paris versetzt. Im J. 1807 kam er in gleicher Eigenschaft ins Haag, im J. 1808 nach München und im J. 1809 nach Karlsruhe, wo er bis zum Jahre 1812 blieb. Der mehrjährige Aufenthalt in der badischen Hauptstadt gab den litterarischen Neigungen des jungen Diplomaten reiche Anregung. Da er selbst eine starke humoristische Ader besaß, war er eine willkommene Erwerbung für den Hebel’schen Kreis. Als freigebiger Besitzer eines unerschöpflichen Schatzes von „Geschichten“ steuerte er reichlich Stoff zum Rheinländischen Hausfreund bei und stieg zur Würde des im „Schatzkästlein“ oft genannten „Adjuncten des Hausfreundes“ auf. Die ihm dort im Scherz aufgehalste Schwiegermutter – K. blieb unverheirathet – ist die berühmte dramatische Künstlerin Händel-Schütz (vgl. Bd. XI S. 193). K. hat seiner Anhänglichkeit an Hebel, von dem er bis in sein Alter gerne zu erzählen pflegte, zweimal auch einen schriftlichen Ausdruck gegeben, zuerst im Morgenblatt Jahrg. 1827, Nr. 63 „Erinnerungen an Hebel“ und dann in dem Anhang zu Hebel’s Leben (vom Hofgerichtsrath Preuschen) in Bd. I der Karlsruher Ausgabe von dessen Werken vom J. 1843, S. CV–CXXVI, „Zu Hebel’s Ehrengedächtniß vom Adjuncten des rheinländischen Hausfreundes“. Wenn übrigens der neueste Biograph Hebel’s, G. Längin, wiederholt (vgl. S. 36, 149 u. a. a. O.) Zweifel in die volle Genauigkeit der Kölle’schen Mittheilungen setzen zu müssen glaubt, so können wir ihm nach allem, was wir von dessen Persönlichkeit und Geistesart wissen, nur beipflichten. K. war ein Virtuos der Erzählung und ließ sich, obwol sicher nie absichtlich unwahr, doch nicht selten von seiner Phantasie und dem [475] Bedürfnisse einer guten Wirkung seiner Geschichten verführen, über die für solche Naturen oft gar zu langweilig gerade Schnur der reinen Thatsächlichkeit zu hauen. – Im J. 1812 der württembergischen Gesandtschaft in Dresden zugetheilt, bekam K. Gelegenheit die großen Weltereignisse jener Zeit recht in der Nähe anzusehen. Er folgte, im J. 1813 zum Legationsrath ernannt, dem sächsischen Hof mit dem übrigen diplomatischen Corps nach Baiern und Böhmen und befand sich während der Völkerschlacht in Leipzig. In den „Süddeutschen Miscellen“, welche sein Freund Rehfues vom Jahre 1811–12 in Karlsruhe und 1813 in Pforzheim herausgab, hat er in Nr. 94 unter der Ueberschrift: „Der 14.–20. October 1813 in Leipzig, ein Bruchstück aus dem Tagebuch eines Reisenden“ einen interessanten Beitrag zur Geschichte jener Tage gegeben. Im J. 1814 wurde er, „da er nicht für unbedingt genug ergeben angesehen wurde, als die Wiederherstellung der württembergischen Verfassung zur Sprache kam“, mit Beibehaltung seines Ranges und Gehaltes als zweiter Secretär an das Obertribunal in Tübingen versetzt; hatte daselbst aber Gelegenheit unter des Freiherrn v. Wangenheim’s Leitung vielfach für diese Wiederherstellung thätig zu sein. Um seinem längst gehegten Wunsch, Italien zu sehen, zu genügen, nahm er, was ihm seine unabhängige ökonomische Lage erlaubte, im J. 1816 seine Entlassung und ging nach Rom. Aber schon im folgenden Jahre wurde er als württembergischen Geschäftsträger beim römischen Stuhle wieder in den Staatsdienst gezogen. Es bezeugte dies ein großes Vertrauen von Seiten des im J. 1816 zur Regierung gekommenen Königs Wilhelm, denn es spielten damals die Verhandlungen über die Einrichtung der oberrheinischen Kirchenprovinz, wodurch die Gesandtschaften der süddeutschen Regierungen in Rom eine besondere Wichtigkeit erhielten. Kölle’s Thätigkeit in dieser Angelegenheit hat von streng katholischer Seite eine sehr abfällige Beurtheilung erfahren in dem (im J. 1863 erschienenen) Buche des Rottenburger Domcapitulares, Ignaz v. Longner, „Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz“, wo (S. 532 ff.) gesagt ist, er sei seinem Posten und namentlich Verwickelungen nicht gewachsen gewesen, habe, von protestantischen Vorurtheilen angefüllt, in Rom nur Gespenster gesehen und wenig diplomatische Feinheit und Gewandtheit gezeigt. Wäre dem wirklich so gewesen, so hätte ihn seine Regierung, für welche er freilich einen ausgesprochen josefinischen Standpunkt mit Nachdruck und Zähigkeit zu vertreten hatte, sicher nicht über die ganze Dauer dieser Verhandlungen in Rom belassen. Nachdem die oberrheinische Kirchenprovinz im J. 1827 zu Stande gekommen war, blieb er, zum Geheimen Legationsrath befördert und mit dem Orden der württembergischen Krone geehrt, noch bis 1833 in Rom, in welchem Jahre er sich aus nicht näher bekannten Ursachen zurückberufen ließ. Er nahm seine Entlassung aus dem Staatsdienste, lebte von 1834–36 in Paris, wo er dem Prinzen Paul von Württemberg eine Gemäldesammlung bilden half und kehrte von dort zu bleibendem Aufenthalte nach Stuttgart zurück. K. lebte hier mit schriftstellerischen Arbeiten beschäftigt, ein thätiges Mitglied einer Freimaurer–Loge, ein emsiger Sammler von Kunstwerken (seine Gemäldesammlung vermachte er der Universität Tübingen) und Alterthümern, ein anregendes Element in vielen geselligen Kreisen, ein eifriger Förderer gemeinnütziger und wohlthätiger Unternehmungen. In enger Verbindung mit seinem Vetter und Freund Dr. Hermann Hauff, dem Redacteur des Morgenblattes, widmete er auch jetzt wieder den Cotta’schen Zeitschriften, besonders der Deutschen Vierteljahrsschrift, welche er im J. 1838 mitbegründen half, seine angelegentlichste Theilnahme. K. zeigt sich in seinen schriftstellerischen Arbeiten als einen geistvollen Mann von ungewöhnlich reicher Bildung und als einen Politiker von freiem und weitem Blick, wie man ihn bei einem kleinstaatlichen Diplomaten der vormärzlichen Zeit kaum suchen würde. Er hielt namentlich, [476] wie nur wenige seiner Zeitgenossen, den Blick auf England und Nordamerika gerichtet. Den nothwendigen Zusammenhang der modernen Verkehrsmittel mit freien Institutionen klar erkennend, hat er die Entwickelung der neueren Verhältnisse mit einem oft überraschenden Scharfblicke vorhergesehen und mit Freimuth vorausgesagt. Seine „Betrachtungen über Diplomatie“ (1838) und seine „Aufzeichnungen eines nachgeborenen Prinzen, aus der nachgelassenen französischen Handschrift übersetzt von G. G. v. R.“ (1841), verdienen, zumal da sie wahre Muster eines eleganten Publicistenstils sind, für alle Zeiten einen Platz auf dem Bücherbrette junger Diplomaten und Staatsmänner. Von seinen anderen Schriften mögen noch genannt werden: „Rom im Jahre 1833“ (1834); „Paris im Jahre 1836“ (1836): Balth. Gracian’s Oraculo manual unter dem Titel „Männerschule aus dem Spanischen übersetzt“ (1838); „Einige Anliegen Deutschlands“ (eine Zusammenstellung von Aufsätzen aus der Deutschen Vierteljahrsschrift), in 2 Theilen (1844); „Italiens Zukunft“ (1848).
Kölle: Christoph Friedrich Karl (v.) K., Diplomat und Schriftsteller, geb. zu Stuttgart den 11. Februar 1781, † ebendaselbst den 12. September- Vgl. den Nekrolog (von Herm. Hauff?) in der Allgem. Zeitung, Jahrg. 1848, Beil. zu Nr. 299 (wiederabgedruckt im Neuen Nekrolog d. Deutschen, Jahrg. 26, 1848, Thl. II S. 602 ff.); den Nekrolog (von K. Grüneisen?) in der Schwäbischen Chronik, Jahrg. 1848, S. 1587; den autobiogr. Artikel Kölle im Conversationslexikon der Gegenwart, Bd. III S. 85 ff.