Zum Inhalt springen

ADB:Rehfues, Philipp Joseph von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Rehfues, Philipp Joseph von“ von Alexander Kaufmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 590–595, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rehfues,_Philipp_Joseph_von&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:50 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Rehdiger, Thomas
Band 27 (1888), S. 590–595 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Philipp Joseph Rehfues in der Wikipedia
Philipp Joseph Rehfues in Wikidata
GND-Nummer 116392576
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|27|590|595|Rehfues, Philipp Joseph von|Alexander Kaufmann|ADB:Rehfues, Philipp Joseph von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116392576}}    

Rehfues: Philipp Joseph v. R., geschätzter Schriftsteller und langjähriger Curator der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. – Philipp Joseph R. wurde geboren zu Tübingen am 2. October 1779 und war der Sohn des dortigen wohlverdienten Bürgermeisters Johann Jakob R. Der junge R. besuchte die Schulen seiner Vaterstadt, fand dann Aufnahme im Stift und studirte Theologie; mit besonderer Vorliebe wandte er sich jedoch dem classischen Alterthum zu; eine litterarische Erstlingsarbeit „über den jüngeren Philostratus und seine Gemäldebeschreibung“ ging aus diesen Studien hervor und gewann den Palmschen Preis (gedruckt 1800 bei Heerbrandt in Tübingen). In diese Studienzeit fällt die gemeinschaftliche litterarische Thätigkeit Schiller’s und Goethe’s „Welch ein Ereigniß für uns“, schrieb lange Jahre nachher R. in einer Autobiographie, welche sich in seinem Nachlaß vorgefunden hat, „welch ein Ereigniß für uns war damals ein Musenalmanach von Schiller, ein neues Heft seiner Horen! … Gott, welch ein Genuß, welche Bewunderung, welche Freude über diese neuen Schönheiten, die der Welt hier geboten wurden!“ Aber auch Wieland stand den jungen Stiftlern sehr hoch; Winckelmann, Lessing und Herder wurden von R. eifriger studirt als seine theologischen Handbücher und Compendien, doch bestand er vor dem Landesconsistorium eine leichte theologische Prüfung und hielt auch „in Gegenwart einiger alten schlafbedürftigen Consistorialräthe“ seine Probepredigt. „Sein ganzes Dichten und Trachten“ war jedoch auf Italien gerichtet, auf das Land seiner Sehnsucht, in welchem er, wie er in der Autobiographie sagt, „recht eigentlich nichts sah, als die Gruppe des Laokoon, den vaticanischen Apollo und die mediceische Venus, als eine große Galerie von Statuen, Gemälden und schönen Frauen“. Und das Glück war ihm über Erwarten günstig: es kam ihm der Antrag, im Hause des Consuls Stichling zu Livorno eine Hauslehrerstelle zu übernehmen, und R. ging sofort auf diesen Antrag ein. Am 16. Juli 1801 reiste er von Tübingen ab, verweilte einige Zeit in Florenz, wo ihn besonders der Palast der Uffizien anzog, und traf am 16. August in Livorno ein. Hier machte R. gleich nach seiner Ankunft die Bekanntschaft des reformirten Predigers J. P. Schulthesius, eines Mannes von lebhaftem Interesse für Litteratur, von reichen Lebenserfahrungen und ausgebreiteter Landeskunde. Durch ihn wurde R. in die italienische Litteratur eingeführt, lernte er Alfieri schätzen, vielleicht auch überschätzen, und Boccaccio nebst anderen älteren Novellisten kennen, unter welchen ihn die volksthümlichen am meisten anzogen. Im [591] Schulthesius’schen Hause schloß R. auch eine Freundschaft fürs Leben. Gleichzeitig mit ihm weilte in Livorno Johann Friedrich v. Tscharner aus Chur, Sohn des bedeutenden Staatsmannes Joh. Bapt. v. Tscharner, um sich im Hause Lambruschini auf eine spätere kaufmännische Thätigkeit vorzubereiten. Tscharner hatte in Erlangen Staatswissenschaften, Jurisprudenz und Philosophie studirt und besaß ein nicht gewöhnliches Talent zu metrischen Uebertragungen. Dies bestimmte die beiden Freunde, sich gemeinsam an den Tragödien Alfieri’s zu versuchen; Tscharner übersetzte „Saul“, „Virginia“ u. a. Stücke, R. den „Orest“ und „Polynikes“. Einige dieser Uebertragungen, darunter die letztgenannte, erschienen 1804 bei Unger in Berlin, machten jedoch in Deutschland keine Wirkung; man fand diese Dichtungen „merkwürdiger als genießbar“. Besser erging es den beiden jungen Litteraten mit einem journalistischen Versuch. „Ein Almanach über Italien“ schien R. ein Bedürfniß für Deutschland, und Unger erklärte sich bereit, eine Handel, Kunst und Litteratur vorzugsweise berücksichtigende, in Monatsheften erscheinende Zeitschrift zu übernehmen. So entstand die noch heute ihres reichen Inhalts wegen geschätzte und jedem Forscher über damalige italienische Zustände unentbehrliche Zeitschrift „Italien“, welcher, nachdem sie eingegangen, die „Italienischen Miscellen“ (Stuttgart, Cotta) folgten. Im Sommer 1802 mochte R. mit dem ungarischen Maler Dorfmeister einen höchst lohnenden Ausflug nach Genua und siedelte dann nebst Tscharner, nachdem beide ihre Stellungen in Livorno gelöst, Ende Mai oder Anfang Juni 1803 nach Rom über; sie fanden aber hier nicht, was sie unter ihren jetzigen Umständen suchten, und beschlossen deshalb bereits im August einen längeren Aufenthalt in Florenz zu nehmen. Hier eröffnete sich ihnen ein weiteres Feld der Beobachtung, als in dem „zu vielfach durchforschten und beschriebenen“ Rom. So wohnten sie z. B. im Palazzo vecchio der Huldigung bei, als der vierjährige neue König von Etrurien, der Sohn Ludwigs von Bourbon, Karl Ludwig, der nachherige Herzog von Lucca und Graf von Villafranca, den von Napoleon’s Gnaden errichteten schwanken Thron jenes Königreichs bestieg; sie beobachteten das Leben und Treiben der Königin-Mutter, der spanischen Marie Luise etc. Sie besuchten aber auch Bibliotheken und Kunstsammlungen und lernten manche Celebritäten des damaligen Florenz kennen, so die Improvisatrice Corilla Olimpica (Corinna), die Gräfin Albany, Philipp Hackert u. A. Die litterarischen Einkünfte flossen jedoch nicht so reichlich, als sich die jungen Leute etwas sanguinisch gedacht hatten, und so kehrte Tscharner in die Heimath zurück, wogegen R. im November wieder nach Rom ging, um dort den Winter von 1803 auf 1804 höchst genußreich und in den anregendsten Kreisen zu verleben. Er fand Thorwaldsen mit dem Basrelief, Entführung der Briseis, Koch mit den Dante-Compositionen beschäftigt; ein junger Landsmann von R., Schick, erregte die größten Hoffnungen für die Zukunft der deutschen Kunst; der Maler und Dichter Müller förderte R. in künstlerischer Beziehung durch seine Kennerschaft und ergötzte ihn durch seine merkwürdige Erzählergabe. Anregungen wissenschaftlicher und litterarischer Art fand R. im Humboldt’schen Hause und begann auf Humboldt’s Rath eine Uebersetzung von Cuoco’s Platone in Italia, überließ jedoch die Vollendung dem Bildhauer Keller. Das Werk erschien erst 1811 bei Cotta, durch R. mit einer Vorrede versehen. Von Archäologen lernte er Fernow, Zoega und den gelehrten Cardinal Borgia kennen, der sich ihm besonders wohlwollend bezeigte. Während des Carnevals wurde R. bei der italienischen Gattin eines in Rom lebenden Engländers eingeführt, die – Goethe’s Faustina in den römischen Elegien gewesen sein soll. Während dieser Zeit schloß Unger mit dem elften Hefte die Monatsschrift „Italien“, R. wandte sich jedoch sofort an Cotta, und dieser schloß seinen „englischen und französischen [592] Miscellen“ die „italienischen“ an, für deren Redaction R. ein Monatshonorar von 150 Thlr. erhielt. Jetzt war seine litterarische Existenz wieder gesichert, und er beschloß, nun auch den südlichen Theil Italiens, Neapel und die Insel Sicilien, zu bereisen. In den ersten Tagen des April 1804 kam R. nach Neapel, und bereits im Mai wurde die Fahrt nach Sicilien unternommen; es betheiligten sich daran außer R. dessen Freund, der livländische Maler Karl Graß und der nachher so berühmt gewordene Architekt Schinkel. Im Juli befanden sich die Reisenden wieder in Neapel. Wir verdanken diesem Ausfluge zwei litterarische Erzeugnisse: Von R. das höchst frisch und lebendig geschriebene Buch: „Neuester Zustand der Insel Sicilien“ Bd. I. Tübingen, Cotta, 1807, und Schinkel’s Tagebuch seiner sicilianischen Reise (bei A. v. Wolzogen, „Aus Schinkels Nachlaß“, Berlin 1862. Bd. I, S. 105 ff.) Vgl. auch Alex. Kaufmann, „Philipp Joseph von Rehfues als Vermittler zwischen dem geistigen Leben Deutschlands und Italiens“ im III. Bande von Karl Hillebrand’s „Italia“, wo der bezügliche Reisebericht aus der oben schon erwähnten Autobiographie mitgetheilt worden ist. Unter den Bekanntschaften, welche R. auf Sicilien machte, ist die des Maltesergroßmeisters Giov. Batt. Tomasi geschichtlich wohl die bemerkenswertheste, doch gibt er auch gelungene Charakteristiken des Astronomen Piazzi und des Idyllendichters Giov. Meli. Der Aufenthalt in Neapel, der bis zum Mai 1805 dauerte, wurde für R. nach doppelter Seite hin von Wichtigkeit. Er lernte dort seinen künftigen Landesherrn, den damaligen Kurprinzen und späteren König Wilhelm I. von Württemberg näher kennen, indem er demselben als kundiger Führer durch die Stadt diente, und, was für uns von größerer Bedeutung ist, er trat mit der Königin Marie Karoline von Neapel in persönliche Beziehungen. Eine diplomatische Mission, mit welcher er von derselben betraut wurde, ist lange in mysteriöses Dunkel gehüllt gewesen; der wahre Sachverhalt wurde erst bekannt, als A. Kaufmann in dem schon angeführten Bande von Hillebrand’s „Italia“ den bezüglichen Abschnitt aus Rehfues’ Autobiographie mittheilte. Es verhielt sich damit folgendermaßen. Unter den hohen Personen, welche um jene Zeit Neapel besuchten, befand sich auch der Kurprinz von Baiern, der nachmalige König Ludwig I., und die mit Töchtern gesegnete Königin wünschte sehnlichst eine Verbindung des jungen Thronerben mit einer dieser Töchter. Eine besondere Mission nach München sollte die Sache in Gang bringen und namentlich Montgelas dafür gewonnen werden. R. war durch August v. Kotzebue – gleichfalls ein Gast im damaligen Neapel – mit der vertrautesten Freundin der Königin, der Gräfin Therese Zichy geb. Gräfin Palffy, bekannt geworden, und diese lenkte, da sich unter den Neapolitanern keine geeignete Persönlichkeit vorfand, die man mit jener Mission betrauen konnte, die Aufmerksamkeit der Königin auf den gewandten und mit den Verhältnissen in München ziemlich vertrauten jungen deutschen Schriftsteller. Nachdem R. von der Königin empfangen worden und sich zur Uebernahme der Sendung bereit erklärt hatte, reiste er am 7. Februar 1805 in einer königlichen Kalesche von Neapel ab und war am 20. d. Mts. in München. Der Antrag scheiterte jedoch in Folge politischer Verhältnisse, wozu namentlich eine geheime Verabredung mit Rußland gehörte, nach welcher eine Vermählung des Kurprinzen mit einer Großfürstin stattfinden sollte. Am 10. April war R. wieder in Neapel und erhielt noch eine Audienz in Portici. Damit endete seine persönliche Beziehung zur Königin Marie Karoline, doch scheint es außer Zweifel, daß man ihm Anträge gemacht hat, in neapolitanische Dienste zu treten, worauf er nicht einging, da sich ihm inzwischen Aussichten in seiner schwäbischen Heimath eröffnet hatten. Durch den Verkehr mit der Gräfin Zichy hatte R. vielfach Gelegenheit erhalten, in das sittliche und häusliche Leben der namentlich durch Gorani so maßlos [593] verleumdeten Königin tiefere Einblicke zu thun, und er hat früher schon in einigen Stellen seiner Schriften, eingehender aber noch in der Autobiographie, die Vertheidigung der unglücklichen Frau ritterlich übernommen. (Vgl. v. Helfert, „Königin Karoline von Neapel und Sizilien im Kampfe gegen die französische Weltherrschaft 1790–1814“, und desselben „Maria Karolina von Oesterreich, Königin von Neapel und Sicilien, Anklagen und Vertheidigung“ S. 231, 232.) In der Autobiographie gibt R. eine äußerst lebendige Schilderung seiner Audienz in Neapel, die Nachts 11 Uhr stattfand, und wir erlauben uns, einen Theil dieser Schilderung hier einzuflechten: „Man führte mich in einen sehr großen und hohen Vorsaal, welcher schlecht beleuchtet war, und bemerkte mir, daß ich hier die Befehle Ihrer Majestät abwarten sollte. Ich harrte geraume Zeit, als man mir sagen ließ, ich müßte mich gedulden; der König sei soeben von der Jagd zurückgekehrt und hätte der Königin seinen Besuch ankündigen lassen, der übrigens von kurzer Dauer sein würde. Es währte auch nicht lange, so hob sich der Vorhang der entferntesten Thüre. Einige Pagen und Läufer traten mit langen Wachskerzen, wie sie bei Processionen getragen werden, ein; der Monarch folgte ihnen, und ein ähnlicher Schweif von Kerzenträgern folgte dem Zug. Ferdinand IV. war ein großer stattlicher Mann mit einer gewaltigen Nase; er trug sich schon etwas gebückt und ging auf ein langes spanisches Rohr gestützt einher, als ob er sehr ermüdet gewesen wäre. Langsam ging der Zug in ziemlicher Entfernung an mir vorüber. Er hatte für mich in der halben Dämmerung des großen Saales etwas Schauerliches; denn der Charakter dieses Fürsten schien seit seiner Rückkehr aus Sicilien ganz anders geworden, als man ihn früher gekannt haben wollte. Vieles von den grausamen und ungerechten Handlungen, welche man gegen die Anhänger der Franzosen ausgeübt hatte, wurde ihm persönlich zur Last gelegt; wenigstens soll er dabei eine Härte und Unversöhnlichkeit gezeigt haben, die seinem Herzen ebenso wenig Ehre machten wie seinem Verstand. Es war mir, als ob die Geister der Cirillos, der Caracciolos und anderer ausgezeichneter Männer, die er mehr als Undankbare gegen seine Person denn als Verräther am Vaterland hinrichten ließ, über ihm schwebten. Ueberhaupt soll er von da an weit selbstständiger geworden, und besonders der Einfluß der Königin sehr gesunken sein. Diese war erst viel später nach Neapel zurückgekommen, und Acton, obwol ihre Creatur, hatte die Gunst der Umstände benutzt, um sich selbst gegen seine Gönnerin in Freiheit zu setzen. – Der Besuch Sr. Majestät dauerte allerdings sehr kurz, und der geisterhafte Zug kam wieder zurück. Ich wurde nun in die Gemächer der Königin gerufen und fand sie, an einen Marmortisch gelehnt, meiner wartend. In meiner Erinnerung steht sie als eine kleine Gestalt mit blassem Gesicht und großen Augen, in einem weißen matronenmäßigen Anzug. Von dem Gespräch ist mir nur noch so viel im Gedächtniß geblieben, daß es sich nach den ersten und gewöhnlichen Fragen der Fürsten auf den Standpunkt der Regierungen gegenüber den Völkern bezog und namentlich der Grundsatz, daß die Fürsten in ihren Handlungen die Urtheile der Unterthanen nicht beachten, sondern mit ihrem eigenen Gewissen im Reinen sein müßten, ausgesprochen wurde. Sie führte dafür eine ziemlich weitläufige Stelle aus den Werken von Friedrich dem Großen an, welchen sie sehr zu bewundern und in seinen Schriften zu studiren schien. Daß die Fürstin bemüht war, mir einen hohen Begriff von ihrem Verstand und ihrer Bildung beizubringen, war der Haupteindruck, den sie auf mich machte, und der mir auch geblieben ist.“ – Eine Frucht von Rehfues’ Aufenthalt in Neapel war das 1808 in Zürich erschienene, durch Fülle des Inhalts, vorzüglich des culturgeschichtlichen, noch immer schätzbare „Gemählde von Neapel“. Im Mai 1805 siedelte R. wieder nach Rom über, wo er eine kleine, [594] 1806 in Berlin veröffentlichte Sammlung von „Novellen, den ältesten Novellisten in Italien nacherzählt“ veranstaltete, weilte dort noch den Sommer und traf am 8. September wieder in Tübingen ein. In seiner Heimath fand R. eine Stellung als Vorleser und Bibliothekar des Kronprinzen Wilhelm – eine Art Sinecure, welche ihm Muße genug ließ, seine litterarische Thätigkeit fortzusetzen und seinem Wandertriebe zu folgen. So veröffentlichte er 1809 bei Geßner in Zürich noch ein Hauptwerk über Italien, die vier Bände der „Briefe aus Italien“ – ein Werk, dem man Gleiches nachrühmen darf wie dem „Gemählde von Neapel“. Als Wanderer treffen wir ihn 1807 und 1809 in Frankreich, 1808 in Spanien; die Reisewerke hierüber erschienen jedoch erst später: „Spanien nach eigener Anschauung“ 1813 (schon vorher 1811 von Guizot in’s Französische übersetzt: L’Espagne en mil huit cent huit) und die „Reisen durch die südlichen, westlichen und nördlichen Provinzen von Frankreich“ 1816. In diese Zeit fällt auch die Redaction der belletristischen „Süddeutschen Miscellen“ (Stuttgart) und des historisch-politischen „Europäischen Magazins“ (Nürnberg). Die Ereignisse der Jahre 1813 ff. weckten in R., der vorher eine mehr kosmopolitische Richtung verfolgt hatte, den deutschen Patrioten. Seine zuerst in dem „Europäischen Magazin“ veröffentlichten „Reden an das deutsche Volk“ machten große Wirkung (vgl. A. Wohlwill, „Weltbürgerthum und Vaterlandsliebe der Schwaben“ S. 61) und lenkten die Aufmerksamkeit des Ministers v. Stein auf deren Verfasser. Sie gaben Veranlassung, daß R. für die interimistische Verwaltung der befreiten deutschen Lande am linken Rheinufer gewonnen und zur Leitung des Kreisdirectoriums in Bonn beordert wurde, eine dienstliche Thätigkeit, welche 1815 ein Commissorium in Paris, um von hier aus für die Bedürfnisse des dritten Armeecorps zu sorgen, jedoch nur zeitweilig unterbrach. Von jetzt an tritt, längere Zeit wenigstens, bei R. die litterarische Thätigkeit in den Hintergrund, und wirkte er als Verwaltungsbeamter, als welchen ihn rasches Einleben in neue Verhältnisse, ein außergewöhnlich organisatorisches Talent[WS 1] und seltene Humanität auszeichneten; sein späterer Chef, der Minister v. Altenstein, bezeichnete ihn deshalb als einen „Geschäftsmann höherer Art“. Als um diese Zeit die preußische Staatsregierung den Plan faßte, am Rhein eine Hochschule zu errichten, trat R. in einer besonderen Schrift für die „Ansprüche und Hoffnungen“ der ihm lieb gewordenen Stadt Bonn als beredter Anwalt auf, und die von ihm dargelegten Gründe schlugen durch. Dem Curator Grafen Solms-Laubach beigegeben, betheiligte sich R. an der Einrichtung der neuen Anstalt und übernahm 1819, als der Graf aus jenem Posten geschieden, das Curatorium, sowie die nicht beneidenswerthe Stellung eines außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten mit Rang und Titel als geheimer Regierungsrath. Später wurde er zum geheimen Oberregierungsrath befördert und in den preußischen Erbadelstand erhoben. Auf einem der Reliefs am Denkmale Friedrich Wilhelm’s III. in Köln sieht man R. zwischen Altenstein und Schleiermacher. Das Jahr 1826/7 verlebte R., diesmal begleitet von seiner Gattin und zwei Söhnen, wieder im Lande seiner Sehnsucht und seiner schönsten Erinnerungen. In Rom verkehrte er wieder mit den alten Freunden Thorwaldsen, Koch und Joh. Martin v. Wagner; die erquicklichsten Tage verlebte er jedoch in Sorrent, wo er seine durch ein bösartiges Nerven- und Magenleiden, sowie durch Verdrießlichkeiten im Dienste sehr angegriffene Gesundheit wieder kräftigte. Aber auch sein Geist fand dort Frische und Gesundheit wieder, und von diesem zweiten Aufenthalte in Italien datirt eine vollständig neue Aera in Rehfues’ literarischer Productionskraft; er schrieb jedoch nicht mehr als Tourist, sondern als – Dichter. Alles, was er als junger Mann beobachtet und betrachtet, was er dann als nahezu Fünfziger wieder gesehen hatte, Land, Leute, Kunst etc. verklärte sich ihm jetzt [595] im Zauber poetischer Anschauung, und so erschienen rasch nach einander seine drei historischen Romane: „Scipio Cicala“ (Leipz. 1832. 1840), der berühmteste unter ihnen, „Die Belagerung des Castells von Gozzo“ (ebend. 1834), merkwürdig durch die Kraft der Phantasie, mit welcher auf einem kleinen Raum und in die Zeit von wenigen Tagen eine Fülle spannender Ereignisse zusammengedrängt wird, und „Die neue Medea“ (Stuttg. 1836), in welcher einige Episoden oder Zwischennovellen, wie die von dem hoffenden Elternpaar am Tempel della Speranza, ungetheilten Beifall gefunden haben. Die bedeutendsten Kritiker jener Tage, Gutzkow, Joh. Scherr, G. Schwab, J. Hillebrand, später R. Gottschall u. A. wetteiferten in ihrem Lobe, und manche stellten sie höher als die Romane von W. Scott. Ehe man R. als den Dichter der anonym erschienenen Werke kannte, sprach man von ihm als dem „großen Unbekannten“, und diese drei Romane sind es denn auch, welche ihm eine dauernde Stelle auf dem deutschen Parnasse sichern. Diese poetischen Productionen von R., mögen sie auch bisweilen zu sehr in die Breite gehen und in einzelnen grassen, ja entsetzlichen Scenen die Grenze überschreiten, welche das Schönheitsgefühl gezogen hat, besitzen doch einen solchen Reichthum in Bezug auf Erfindung, eine solche Kraft der Gestaltung, sie gewähren oft so tiefe Einblicke in das innerste Wesen der menschlichen Natur und in die Entwicklung geschichtlicher Zustände, daß man sie auch heute noch zu den hervorragendsten Erzeugnissen ihrer Art rechnen darf; in der warmen, duftigen und farbenprächtigen Schilderung italienischer Landschaften, in der Durchführung südlicher Volkscharaktere und grotesker Individualitäten stehen sie wohl unübertroffen da. Neben einer Reihe kleinerer, zum Theil politischer Schriften, unter denen wir ein 1840 veröffentlichtes, gegen die Rheingelüste der Franzosen gerichtetes Memoire: „La frontière du Rhin“ hervorheben, erschien von R. nach jenen Romanen noch ein größeres, hochschätzbares Werk in 4 Bänden: „Die Denkwürdigkeiten des spanischen Hauptmannes Bernal Diaz del Castillo“ (Bonn 1838), eine der wichtigsten, zugleich aber auch durch Unmittelbarkeit und Naivetät anziehendsten Quellen für die Geschichte der Eroberung Mexiko’s. Im Sommer 1842 legte R. sein beinahe 23 Jahre lang bekleidetes Amt nieder und beabsichtigte, zurückgezogen auf seinen Landgütern im Siebengebirge, nur noch den Seinigen und der Litteratur zu leben, aber schon am 21. October 1843 ereilte ihn auf seiner Villa zu Römlinghofen der Tod. Beigesetzt ist er auf dem Friedhofe zu Bonn.

Vgl. K. Gutzkow, Aus der Zeit und dem Leben, Leipzig 1844, S. 397 bis 416 (Charakteristik von R. als Mensch und Schriftsteller). – A. Kaufmann, Bilder aus dem Tübinger Leben zu Ende des vorigen Jahrhunderts, in J. H. Müller’s Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, Neue Folge, Jahrg. III (1874) S. 99–120 (zum Theil nach Rehfues’ Autobiographie). – Derselbe, Zur Erinnerung an Ph. J. von Rehfues als Vermittler zwischen dem geistigen Leben Deutschlands und Italiens, im 3. Bde. von K. Hillebrand’s Italia, Leipzig 1877, 56 S. (zum größten Theil nach der Autobiographie). – Philipp Joseph von Rehfues. Ein Lebensbild, in der Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde, März-April-Heft 1881, S. 89–224 (S. 89–168 von Kaufmann, Schluß von einem ungenannten Fortsetzer). – „Ueber einige politische und sozialwissenschaftliche Schriften von Rehfues“ in derselben Zeitschrift Sept.-Oct.-Heft 1882, S. 487–507. – Vincenz v. Planta, Joh. Friedrich von Tscharners Leben und Wirken. Chur 1848. – Das vollständigste Verzeichniß der verschiedenen, zum größten Theil anonym erschienen Tagesschriften Rehfues’, Uebersetzungen etc., welche wir hier nicht alle aufführen konnten, findet sich in dem genannten Lebensbilde.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Tatent