Zum Inhalt springen

ADB:Karl I. Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz“ von Karl Menzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 326–331, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karl_I._Ludwig&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 22:55 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 15 (1882), S. 326–331 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl I. Ludwig (Pfalz) in der Wikipedia
Karl I. Ludwig in Wikidata
GND-Nummer 118560182
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|15|326|331|Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz|Karl Menzel|ADB:Karl I. Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118560182}}    

Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz, war der Sohn des Kurfürsten Friedrich V. und der Elisabeth Stuart von England und wurde am 22. Decbr. 1617 geboren. Er erhielt eine vortreffliche Erziehung. Auf der Universität zu Leyden beschäftigte er sich mit theologischen, juristischen, geschichtlichen und staatswissenschaftlichen Studien, sogar mit Mathematik und Geometrie. Dabei versäumte er die Uebungen des Leibes nicht und erschien frühzeitig mit seinem Großoheim, dem Prinzen Heinrich Friedrich von Oranien, im Heerlager. Nach dem Tode seines unglücklichen Vaters, der in Folge der Prager Schlacht nicht allein das Königreich Böhmen, sondern auch seine Erblande und die Kurwürde verloren hatte, kam er mit seinen übrigen Geschwistern unter die Vormundschaft seines Oheims, des Pfalzgrafen Ludwig Philipp. Es schien jetzt eine glücklichere Zeit zu nahen. In den Jahren 1632 und 1633 wurde der größte Theil der Pfalz von den Schweden wieder erobert. Am 5. Mai 1633 rückten die Sieger in Heidelberg ein, am 24. wurde auch das Schloß nach heftiger Beschießung durch Capitulation übergeben. Aber eine volle Wiedereinsetzung der vertriebenen Familie erfolgte mit nichten. Der Vormund schloß mit dem schwedischen Kanzler Oxenstjerna am 14. April 1633 zu Heilbronn einen Vertrag, nach dem die Kurpfalz zwar den Erben Friedrichs V. übergeben wurde, aber in den wichtigsten Plätzen schwedische Garnisonen blieben. Außerdem mußten den Schweden das Recht der Werbungen, Kriegsbeiträge, Einquartierungen, die ganze Leitung des Krieges und jede mögliche Förderung ihrer Interessen, auch nach Beendigung des Krieges zugestanden werden. Trotz dieser drückenden Abhängigkeit begann das Land unter Ludwig Philipps Verwaltung sich zu erholen; reiche auswärtige Beisteuern und die gute Ernte des Jahres 1634 erweckten Muth und Hoffnungen; schon begannen Handel und Wandel, Arbeit und Credit sich wieder zu heben. Aber die Schrecken des Krieges sollten noch einmal zurückkehren und entsetzlicher, verheerender als früher. Die Schweden, am 6. September 1634 bei Nördlingen geschlagen, flohen an den Rhein und überzogen die pfälzischen Lande mit ihren zuchtlosen Schaaren; dann folgten die Feinde, die Kaiserlichen und Baiern, welche das Heidelberger Schloß belagerten, aber vor den Franzosen wieder zurückweichen mußten (Ende December 1634). Da aber die Franzosen bald wieder auf das linke Rheinufer zurückgingen und Herzog Bernhard von Weimar ihnen folgte, war die rechtsrheinische Pfalz wieder ohne jeglichen Schutz. Der kaiserliche General Graf Gallas besetzte die Stadt Heidelberg von neuem; ja bald war die ganze Pfalz, auch die linksrheinische, wieder in der Gewalt ihrer Feinde. Ludwig [327] Philipp floh mit dem Kurprinzen Karl Ludwig und der Leiche des Kurfürsten Friedrich nach Saarbrücken, dann nach Metz. Alle Hoffnungen, die sich an den Heilbronner Vertrag geknüpft hatten, waren vernichtet. Der Prager Frieden, den Sachsen im Mai 1635 mit dem Kaiser schloß, gab die kurpfälzische Familie der Rache der Katholiken völlig preis. So von seinem väterlichen Erbe vertrieben, begab sich K. L. auf den Rath seiner Mutter Elisabeth, die in Holland weilte, mit seinem jüngeren Bruder Ruprecht nach London, um die Hülfe seines Oheims, des Königs Karl I., anzurufen. Aber der König war nicht zu bewegen, mit den Waffen für die Sache seiner unglücklichen Neffen einzutreten, nur durch Vermittlung und Unterhandlungen, die in dieser harten und herben Zeit wenig werth waren, wollte er ihnen helfen. Schlimm war es, daß K. L. trotz der Mahnungen seiner Rathgeber in London ein üppiges und lockeres Leben führte und dadurch den Ernst der Lage verschleierte. Nach dem Tode des Kaisers Ferdinand II., der den englischen König durch ein falsches und zweideutiges Spiel hingehalten hatte, forderte der muthige Landgraf Wilhelm von Hessen den Kurprinzen auf, endlich das Schwert zu ergreifen und sein Erbe mit Gewalt zurück zu erobern. Nach langen Verhandlungen begab sich K. L. auf das Festland und wollte von Meppen aus, das er mit englischem Gelde gekauft hatte, den Krieg beginnen. Dieser erste Versuch sollte kläglich scheitern. Der kaiserliche General Hatzfeld überfiel die Stadt und bemächtigte sich der Mannschaft, der Munition und des Geldes. Jetzt schloß sich K. L. dem Heere des schwedischen Generals King an, erlitt aber nach der vergeblichen Belagerung von Lemgo am 17. October 1638 von Hatzfeld bei Gohfeld an der Weser[1] eine zweite Niederlage. Er rettete sich mit Mühe aus dem Getümmel und ging als Flüchtling nach Hamburg, später nach Holland. Sein Bruder Ruprecht aber wurde gefangen und nach Wien geführt. Bald sollte auch der Kurprinz seine Freiheit verlieren. Als er nach dem Tode des Herzogs Bernhard von Weimar (1639) dessen Armee übernehmen wollte und mit englischem Gelde ausgerüstet und in seiner angebornen Leichtfertigkeit durch Frankreich zog, wurde er auf Befehl Richelieu’s, der das Heer und die Erbschaft des Herzogs Bernhard für Frankreich zu erwerben beabsichtigte, verhaftet und als Gefangener nach Vincennes geführt (October 1639). Erst als Richelieu seine Absicht erreicht hatte, erlangte der Prinz, für den sich befreundete Mächte lange vergeblich verwandten, seine Freiheit wieder (August 1640). Nach diesem Unfalle schien sich die Sache des Kurprinzen zum Bessern zu wenden. Der König von Dänemark verwandte sich beim Reichstage zu Regensburg sehr nachdrücklich für ihn, England zeigte mit einem Male eine entschlossene und drohende Haltung. Der Kaiser, durch das siegreiche Vordringen des schwedischen Generals Baner bis Regensburg von Neuem erschreckt, ertheilte schon den Gliedern der kurfürstlichen Familie einen Geleitsbrief zu Verhandlungen, die zuerst in Regensburg, dann in Wien stattfanden. Aber es gab einsichtsvolle Leute, welche auf diesem Wege nicht viel erwarteten und diese behielten Recht. Die Erbietungen, welche schließlich der Kaiser und der Kurfürst von Baiern machten, waren so gering und schmachvoll, daß sie von pfälzischer Seite ohne Besinnen zurückgewiesen wurden. Karl von England mußte sich bei diesem Ausgange beruhigen, denn die Stürme, die sich im eigenen Lande gegen ihn erhoben, drängten alle anderen Interessen zurück. So blieb das arme pfälzische Land den Greueln des Krieges und dem religiösen Drucke der Katholiken preisgegeben. K. L., der durch das Unglück zum ernsten Manne gereift war, hielt sich in dieser trostlosen Zeit in England auf und beschäftigte sich an einer besseren Zukunft fast verzweifelnd mehr mit den Wissenschaften als der Politik. Als die Friedensverhandlungen endlich im J. 1644 zu Münster und Osnabrück begannen, machte die pfälzische Partei neue diplomatische Anstrengungen, aber sie stieß anfangs [328] auf große Schwierigkeiten und feindselige Stimmungen. Maximilian von Baiern spannte alle Kräfte an, um die Wiederherstellung seiner Stammesvettern zu hintertreiben; er ließ sich sogar mit Frankreich ein, um den Pfälzern im eigenen Parteilager Neider und Gegner zu erwecken. Aber es stand doch nicht mehr in der Macht des Kaisers und des Kurfürsten von Baiern, den Gang der Verhandlungen ganz nach ihrem Willen zu leiten; die Gegenpartei, insbesondere Schweden und Brandenburg, nahmen sich entschieden der pfälzischen Sache an und so kam nach äußerst schwierigen und umständlichen Verhandlungen, deren Ausgang bis zuletzt zweifelhaft blieb, folgende Uebereinkunft zu Stande: K. L. erhielt die rheinische Pfalz in ihrem Bestande von 1618 – nur mit Ausnahme der Bergstraße, die an den Erzbischof von Mainz, den früheren Besitzer (vor 1461) zurückging – und die neu zu errichtende achte Kurwürde. Die alte rheinische Kurwürde und die obere Pfalz blieb im Besitze Maximilians von Baiern. Mit K. L. wurde auch sein Oheim Ludwig Philipp in den Besitz von Simmern wieder eingesetzt. Seine vier Brüder (Ruprecht, Moriz, Eduard und Philipp) sollten binnen vier Jahren eine Abfindungssumme von 400,000 Thalern erhalten, seine Mutter Elisabeth 20,000 Thaler als Witthum, jede Schwester 10,000 Thaler zur Aussteuer. K. L. hatte große Bedenken gegen die Annahme dieser Bedingungen. Da er aber bald erkannte, daß er auch von den besten Freunden nicht mehr erlangen könne und die Hilfe Englands durch die Revolution ihm völlig verloren war, so trat er bei und ermächtigte am 29. December 1648 aus London seinen Oheim Ludwig Philipp, die rheinischen Lande für ihn in Empfang zu nehmen. Nachdem er noch das schauderhafte Ende des Königs Karl I. gesehen, eilte er auf das Festland, zuerst zu seiner Mutter nach Holland, dann nach Kassel, wo er sich mit Charlotte, der Tochter des Landgrafen Wilhelm V. und der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen, verlobte. Am 7. October 1649 zog er in Heidelberg ein und begann sogleich mit vollem Ernst und gutem Geschick die schwierige Arbeit der Wiederherstellung des durch die lange Kriegszeit unsäglich zerrütteten und verarmten Landes. Er verstand es die Bewohner wieder mit dem Gefühle der Sicherheit zu erfüllen und zu segensreicher Arbeit in Stadt und Land anzuspornen; er setzte Belohnungen auf den Anbau der Felder und Weinberge, auf die Wiederbestellung der zerfallenen Häuser und Hütten; er zog durch Bewilligungen besonderer Vorrechte Colonisten herbei, um die auf den fünfzigsten Theil herabgesunkene Bevölkerungszahl wieder in die Höhe zu bringen. Seine Bemühungen wurden durch seinen aufgeklärten und toleranten Sinn ganz wesentlich gefördert, denn er gewährte den Bekennern verschiedener Confessionen, auch solcher, welche bis dahin unterdrückt waren, z. B. den Wiedertäufern und den sogenannten Sabbatariern, Schutz und Duldung und gewöhnte seine reformirten Pfälzer daran, sich mit Andersgläubigen zu vertragen und zu friedlicher Arbeit zu vereinigen. Er umgab sich mit treuen und tüchtigen Beamten (der Kanzler Johann Ludwig Mieg ist vor Allen zu nennen) und überwachte mit scharfem Blicke alle Zweige der Verwaltung; dem Finanz- und Steuerwesen, dem Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben, der Eröffnung neuer Hilfsquellen wandte er besondere Sorgfalt zu, selbst in die kleinsten Zweige des Staats- und Hoflebens suchte er Sparsamkeit und Ordnung einzuführen. Mit nicht geringerem Eifer wirkte er für die Wiederherstellung des Kirchen- und Schulwesens. Er besetzte die verwaisten Pfarreien wieder mit reformirten Predigern, bestellte den Kirchenrath und ließ die Kirchenordnung Friedrichs III. vom J. 1563 neu publiciren. Die unteren und mittleren Schulen begannen ihre Thätigkeit wieder und am 1. November 1651 wurde auch die Universität zu Heidelberg mit großer Feierlichkeit wieder eröffnet. Unter den Lehrkräften, welche K. L. für letztere allmählich gewann, zeichneten sich vor Allen Hottinger, Spanheim, Fabricius, [329] J. F. Mieg als Theologen, Heinrich Cocceji, Bökelmann, Samuel Pufendorf als Juristen aus. Der letztere widmete bekanntlich dem Kurfürsten seine „Elementa jurisprudentiae universalis“ und schrieb hier unter dem Namen Severinus de Monzambano das berühmte Buch über den Zustand des deutschen Reiches. K. L. zeigte auch auf diesem Gebiete seine Toleranz und hohe geistige Bildung, indem er den Universitätslehrern freie Entfaltung ihrer geistigen Kräfte gestattete und nur im Allgemeinen die Bedingung stellte, daß die bestehende Religion nicht erschüttert werden dürfe. Daran scheiterte freilich die Berufung Spinoza’s, welche der Kurfürst im J. 1673 wünschte. – Sonst wurde K. L. in den ersten Jahren viel durch die Verhandlungen in Anspruch genommen, welche die vollständige Durchführung des westfälischen Friedens erforderte. Es waren mannichfache Rechtsfragen mit den Fürsten und dem Adel der Nachbarschaft zu ordnen, es war vor Allem das Land von fremden Besatzungen zu befreien. Das kostete Zeit und Mühe; die Spanier zogen erst im Mai 1652 aus der Feste Frankenthal ab. Jetzt gestaltete sich auch das Verhältniß zum Kaiser freundlicher. K. L. machte demselben im October 1652 in Prag einen Besuch und begleitete ihn darnach nach Regensburg zum Reichstage, wo des Kaisers Sohn Ferdinand[WS 1] zum römischen König gewählt und gekrönt wurde. Hier entsagte K. L. dem alten Titel des Erztruchsessen des heiligen römischen Reiches, der mit der Kur an Baiern übergegangen war, und wurde dafür mit der Würde eines Erzschatzmeisters belehnt. Ferdinand III. war über das Auftreten des Kurfürsten, der allen Groll vergessen zu haben schien, so erfreut, daß er ihm 62 Römermonate nachließ und 36,000 Gulden in baarem Gelde schenkte. Während des langen Aufenthaltes in Regensburg erfuhr K. L. auch bitteren Schmerz. Seine Gemahlin Charlotte von Hessen gebar hier einen Sohn Friedrich, der nicht ohne Verschulden der vergnügungssüchtigen Mutter gleich wieder starb (12. Mai 1653). Die Ehe mit der kalten, hoffärtigen und unbiegsamen Landgräfin war überhaupt keine glückliche. In der Folge steigerte sich die gegenseitige Abneigung so sehr, daß K. L. den Entschluß faßte, sich von Charlotte zu trennen und ihre Hofdame Luise v. Degenfeld, zu der er schon lange heimliche Neigung gefaßt hatte, zur Gemahlin zu nehmen. Er setzte trotz aller Schwierigkeiten und Bedenken seinen Willen durch und ließ sich am 6. Januar 1658 mit Luise v. Degenfeld, die den Titel Raugräfin erhielt, zur linken Hand trauen. Charlotte blieb noch einige Zeit in Heidelberg und kehrte erst 1662, nachdem alle Vermittlungsversuche gescheitert waren, nach Kassel zurück. Außer diesen Ehezwistigkeiten hatte K. L. auch politische Verwickelungen, zuerst mit dem Pfalzgrafen Christian August von Sulzbach, der zum Katholicismus übergetreten war und in der gemeinschaftlichen Stadt Weiden (Oberpfalz) den katholischen Cultus begünstigte, dann mit dem Kurfürsten von Baiern wegen des Reichsvicariats, welches nach dem Tode des Kaisers Ferdinand III. (König Ferdinand IV. war schon ein Jahr nach seiner Wahl gestorben) beide beanspruchten. Durch diesen Streit war K. L. so erbittert, daß er auf dem Wahltage zu Frankfurt (1658) dem kurbaierischen Gesandten, der in einem Vortrage die Rechte seines Herrn mit starken Ausfällen gegen die Pfalz vertheidigte, das Tintenfaß an den Kopf warf. Darüber wäre es beinahe zum Kriege zwischen den wittelsbachischen Linien gekommen. Doch die übrigen Kurfürsten traten vermittelnd dazwischen. Der Streit um das Vicariat selbst wurde erst im folgenden Jahrhundert beigelegt. Bei der Königswahl stimmte K. L. schließlich für den Erzherzog Leopold, (18. Juli 1658), nachdem er zuvor mit den übrigen rheinischen Kurfürsten und Baiern sich in einen unrühmlichen Bund zur Wahl Louis XIV. eingelassen hatte. Bei der Entschiedenheit, mit der K. L. auf der Ausübung seiner alten und neuen Rechte bestand, konnten Streitigkeiten mit den eifersüchtigen Nachbarn nicht ausbleiben. [330] Mainz, Worms, Speier, Straßburg, Trier, Hessen, Lothringen fühlten sich insbesondere durch das pfälzische Wildfangsrecht beschwert. Nach langem Federstreit brachen darüber im J. 1665 offene Feindseligkeiten aus, die erst nach zwei Jahren durch die Intervention Frankreichs und Schwedens, der Bürgen des westfälischen Friedens, zu Gunsten Karl Ludwigs beendet wurden. Eine Fehde mit Lothringen, in der K. L. bei Bingen eine Niederlage erlitt (26. September 1668), wurde durch Vermittlung des Kaisers und des Königs von Frankreich beigelegt. Der Tod des Pfalzgrafen Moriz Ludwig Heinrich (December 1673) bereicherte den Besitz des Kurfürsten durch den Rückfall von Simmern, war aber die Veranlassung eines neuen Krieges mit Mainz, welches von der Erbschaft das Amt Böckelnheim (am linken Naheufer) beanspruchte. Im Mai 1676 verstanden sich beide Theile dazu das streitige Amt in kaiserliche Sequestration zu geben. Ein gütlicher Ausgleich, nach welchem das Amt zum größten Theil an Kurpfalz kam, ist erst im J. 1714 erfolgt. – Schwere Drangsale kamen wieder über das pfälzische Land durch den Krieg, der im J. 1672 zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich ausbrach. Der Kurfürst, der im J. 1671 seine Tochter Elisabeth Charlotte mit dem Herzog Philipp von Orleans, dem Bruder Louis XIV., vermählt hatte, wollte sich anfangs mit Frankreich verbinden, faßte aber nachher den nicht weniger unpatriotischen Entschluß neutral zu bleiben. Erst die Erpressungen und Mordbrennereien, welche die Franzosen in seinem Lande verübten, erinnerten ihn an seine deutsche Pflicht. Er unterhandelte mit dem Kaiser wegen eines Bündnisses. Die Franzosen, rechtzeitig davon benachrichtigt, eilten Rache zu nehmen und verheerten auf das Schonungsloseste das pfälzische Gebiet, besonders die Gegend um Germersheim, das zu einem kaiserlichen Waffenplatz bestimmt war. Die kaiserlichen Truppen, welche die Pfalz beschützen sollten, wurden bei Sinsheim von Türenne geschlagen (Juni 1674). Als sich der kaiserliche Feldherr bald darnach zurückzog, lag die Pfalz den Feinden vollständig offen. Die Stadt Weinheim und ihre Umgebung und die blühenden Ortschaften am Hartgebirge wurden aufs gräßlichste ausgeplündert und verwüstet. Als später die Franzosen am Oberrhein von den Kaiserlichen zurückgedrängt wurden, blieben sie doch noch im Besitz der Feste Philippsburg und sie machten so rücksichtslos davon Gebrauch, daß K. L. es für gut fand, sich vertragsmäßig mit ihnen abzufinden und eine Entschädigungssumme zu zahlen. Als auch dies nichts half, wandte K. L. alle Mühe auf, um seine Verbündeten zu ernstlichen Maßregeln anzuspornen. Philippsburg wurde belagert und mußte sich am 7. September 1676 ergeben. In demselben Jahre fochten die kurpfälzischen Truppen in der südlichen und westlichen Pfalz, konnten aber die Stadt Zweibrücken vor der Zerstörungswuth der Franzosen nicht retten. Als endlich im J. 1679 der Friede von Nimwegen geschlossen wurde, erhielt die Pfalz noch keine Ruhe. Zunächst verlangte Louis XIV. noch Contributionen und angebliche Guthaben seiner Garnisonen, dann richtete er die berüchtigten Reunionskammern ein, von denen die zu Metz z. B. die von dem Bisthum zu Lehen rührenden deutschen Gebiete, darunter die Grafschaft Zweibrücken, für Frankreich beanspruchte. Schon rückten die Franzosen wieder in die Grenzgebiete ein, um sich gewaltsam in Besitz zu setzen und von kurpfälzischen Unterthanen den Treueid zu fordern. Vergeblich suchte K. L. durch staatsrechtliche Ausführungen und eine besondere Gesandtschaft dem König sein Unrecht darzuthun, und so wenig wie er richteten Kaiser und Reich zusammen aus. Es war Deutschlands elendeste Zeit, in der der übermüthige Nachbar das zersplitterte ohnmächtige deutsche Reich ungestraft verhöhnen konnte. Den Ausgang hat K. L. nicht mehr erlebt; er starb am 28. August 1680 im 63. Jahre seines Lebens. Mit welchem Recht er der Wiederhersteller der Pfalz genannt zu werden verdient, zeigt die Thatsache, daß [331] er trotz des 30jährigen Krieges, trotz der Schäden, welche der französische Krieg angerichtet hatte, seinem Sohn und Nachfolger ein schuldenfreies Land und noch baares Geld hinterlassen konnte. Von seiner rechtmäßigen Gemahlin Charlotte von Hessen hatte er zwei Kinder, den kränklichen Kurprinzen Karl, mit dem schon nach fünf Jahren die simmersche Linie endete, und die Prinzessin Elisabeth Charlotte, die bekannte vortreffliche Gemahlin des Herzogs von Orleans. Die Raugräfin Luise v. Degenfeld, welche schon im März 1677 gestorben war, hatte dem Kurfürsten 14 Kinder geboren, von denen bei seinem Tode noch fünf Söhne und drei Töchter am Leben waren. Sie erhielten den Titel ihrer Mutter, waren aber sonst nicht erbfähig. da die Raugräfin am 31. December 1667 für sich und ihre Nachkommen auf alle Erbansprüche an die Pfalz verzichtet hatte.

(D. L. Wundt), Versuch einer Geschichte des Lebens und der Regierung Karl Ludwigs, Kurfürsten von der Pfalz. Genf 1786. F. J. Lipowsky, Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz und Marie Susanne Luise, Raugräfin von Degenfeld. Sulzbach 1824. L. Häusser, Geschichte der Rheinischen Pfalz. 2. Bd. Heidelberg 1856.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 327. Z. 23 v. o. l.: Werra (st. Weser). [Bd. 16, S. 798]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ferdinand IV. 1633–1654