Zum Inhalt springen

ADB:Kleinschrod, Gallus Aloys Caspar

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kleinschrod, Gallus Aloys Kaspar“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 109–111, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kleinschrod,_Gallus_Aloys_Caspar&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 10:51 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Kleinschmidt, Georg
Band 16 (1882), S. 109–111 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gallus Aloys Kaspar Kleinschrod in der Wikipedia
Gallus Aloys Kaspar Kleinschrod in Wikidata
GND-Nummer 118777300
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|16|109|111|Kleinschrod, Gallus Aloys Kaspar|Albert Teichmann|ADB:Kleinschrod, Gallus Aloys Caspar}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118777300}}    

Kleinschrod: Gallus Aloys Kaspar K., verdienter Rechtsgelehrter, geb. zu Würzburg am 6. Jan. 1762, † daselbst am 17. Novbr. 1824. Der Vater, fürstbischöflicher Geheimrath und tüchtiger Geschäftsmann, ließ dem Sohne, der frühzeitig seltenen Hang zum Nachdenken und zur selbständigen Prüfung zeigte, eine gute Erziehung zu Theil werden. Nachdem K. die Schulen mit Auszeichnung besucht hatte, fühlte er sich lebhaft zu dem in jener Zeit durch die Schriften von Beccaria, Montesquieu, Voltaire und Filangieri angeregten Rechtsstudium hingezogen, namentlich aber zu dem wenig bearbeiteten, mit der neueren Zeitrichtung nicht mehr harmonirenden Kriminalrechte. Durch die Gönnerschaft des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal (vgl. Allg. d. Biogr., VII, 310 ff.) wurde es ihm ermöglicht, nach Erwerbung des akademischen Grades längere Zeit die Universität Göttingen zu besuchen, woran sich ein kurzer Aufenthalt am Kammergericht in Wetzlar schloß. Dreiundzwanzig Jahre alt wurde K. von dem Fürsten zum öffentlichen ordentlichen Lehrer der römischen Institutionen und des Kriminalrechts, bald darauf zum Hofrath ernannt. Mit größter Begeisterung und Ausdauer widmete sich K. diesem Berufe, der seinen Neigungen ganz besonders zusagte. Die großen Mängel des damaligen Kriminalverfahrens richtig erkennend und mit den Bedürfnissen der Praxis bekannt, wandte er seine schriftstellerische Thätigkeit vornehmlich diesem Gebiete zu. So entstanden seine Abhandlung „Ueber Suggestivfragen des Richters“, Würzb. 1787 – „Ueber die Strafe der öffentlichen Arbeiten der Verbrecher“, Würzb. 1789 – „Ueber den Wilddiebstahl, dessen Geschichte, Strafe und Gerichtsstand“, Erl. 1790. Bald beschäftigte er sich auch mit dem materiellen Recht und errang einen der ersten Plätze in der Reihe neuerer Schriftsteller mit seiner, von edelster Gesinnung und löblichstem Streben, wenn auch nicht von Feuerbach’s Schärfe und Geist zeugenden „Systematischen Entwickelung der Grundbegriffe und Grundwahrheiten des peinlichen Rechts“, 1793–96 (3 Bde.), wovon 1805 die dritte Auflage erschien. Dies Werk behandelt nur den allgemeinen Theil der Wissenschaft und stellt eine später namentlich von Grolmann weiter entwickelte Präventionstheorie auf. Mit Klein unternahm er seit 1798 die verdienstvolle Herausgabe einer der ersten speciell dem Strafrecht gewidmeten Zeitschriften, des Archivs des Kriminalrechts, das, seit 1817 als Neues Archiv unter Theilnahme von Konopak und Mittermaier fortgesetzt, in der Neuen Folge erst mit dem 58. Jahrgang, von der gleichen Verlagshandlung herausgegeben, anderen den Platz räumte. Durch solche Leistungen trefflich bewährt, hatte K. die Prüfung des vom Geh. Referendar Pflaum auf Grundlage von Vorarbeiten Quistorp’s verfaßten Entwurfs eines Strafgesetzbuchs übertragen erhalten. Es entstand hieraus das Bamberger Strafgesetzbuch von 1795. Bald folgte ein anderer ehrenvoller Auftrag. Maximilian Joseph von Baiern schritt sofort im ersten Jahre seiner Regierung zu der längst als nothwendig erkannten Reform der Kriminalgesetzgebung und betraute 1800 K. mit Abfassung eines Entwurfes. Schon im Juni 1801 konnte K. einen in 1563 Paragraphen das Kriminalrecht, in 1408 Paragraphen das Verfahren behandelnden Entwurf vorlegen. Die Prüfung desselben wurde theilweise noch im Manuscripte des Verfassers dem damaligen Rathe am obersten Gerichtshof Schieber und dem geistlichen Rathe Prof. Socher übertragen. Ihre Erinnerungen wurden K. mitgetheilt, von diesem auch mehrfach berücksichtigt. Der in dieser Weise verbesserte Entwurf wurde dann unter Kleinschrod’s Namen als „Entwurf eines peinlichen Gesetzbuches für [110] die kurpfalz-baierischen Staaten“, München 1802, veröffentlicht, den in- und ausländischen Regierungen und Collegien mitgetheilt, unter Aussetzung ansehnlicher Preise das ganze denkende Publicum eingeladen, die baierische Regierung in ihren Bestrebungen durch Einsendung von Gutachten und Bemerkungen zu unterstützen. Es erschienen viele Kritiken. Die schärfste und imponirendste, mit großem Aufwande von Witz und Bitterkeit gewürzte (wie K. selbst äußerte), war diejenige Feuerbach’s (in der Bibliothek des peinlichen Rechts, der peinlichen Gesetzgebung und Gesetzkunde. Gießen 1804, 3 Thle.). So geschickt und maßvoll auch K. in dem 1805 erschienenen dritten Bande, erste Abtheilung seiner „Abhandlungen aus dem peinlichen Recht und dem peinlichen Processe“, Erl. 1797–1806, sich vertheidigte, hatte die Regierung, auf Feuerbach aufmerksam geworden, doch schon im August 1804 diesem den Auftrag ertheilt, unter Berücksichtigung bekannt gewordener neuester Gesetzbücher, einen anderen Entwurf auszuarbeiten. Immerhin hatte K. wenigstens ein Allerhöchstes Rescript d. d. München, den 25. Octbr. 1801 erhalten, welches ihm die allergnädigste Anerkennung unter Beifügung eines Geschenks ausdrückte (vgl. Feuerbach’s Leben und Wirken, Leipz. 1852, I. 260). K. hat bei diesen, wie bei anderen Gelegenheiten, fremde Verdienste bereitwillig anerkannt und ist – was bei seinen Gegnern nicht immer der Fall war – nie anmaßend und rechthaberisch aufgetreten. Uebrigens war K. der Ueberzeugung, daß mehr als durch ein Strafgesetzbuch, auf anderem Wege Gutes gewirkt werden solle. Seiner Anschauung nach war ein Strafgesetzbuch zwar eine äußerst wichtige, nicht ganz zu umgehende Sache, die jedoch nicht den ersten Rang einnehmen dürfte. Besserer Unterricht, sorgfältigere Erziehung, Gewöhnung an Arbeitsamkeit, tiefere Kenntniß und weitere Verbreitung der Grundsätze der Sittlichkeit und Religion, emsigeres Streben, zu gewissenhafter Achtung Anderer beizutragen – dies erachtete er für viel wirksamer und nothwendiger! Eine neue Wirksamkeit eröffnete sich K., als es sich darum handelte, das französische Civilrecht in dem Großherzogthum Würzburg unter den erforderlichen Abänderungen einzuführen und das Publicum damit vertraut zu machen. Zu diesem Zwecke hielt K. auch von Staatsdienern fleißig besuchte öffentliche Vorlesungen. Auch verfaßte er „Abhandlungen über die Lehre von der peinlichen Gerichtsbarkeit und dem peinlichen Gerichtsstande, mit Rücksicht auf die rheinische Bundesacte“, Frankf. 1811. Nochmals sollte ihm der Auftrag zu Theil werden, eine Revision und zwar des im J. 1803 in Oesterreich erlassenen Strafgesetzbuchs für das Großherzogthum zu bearbeiten. Auch diese Arbeit erledigte K. schnell. Kaum aber hatte er sie beendet, so fügte es das Schicksal, daß man derselben nicht mehr bedurfte. Mit der Krone Baiern vereinigt erhielt Würzburg das Gesetzbuch – Feuerbach’s! Diese neue Enttäuschung entmuthigte ihn nicht. Von dem König, bei einem Besuch desselben in Würzburg im Spätsommer 1814, durch Verleihung des Civilverdienstordens der baierischen Krone aufs huldvollste geehrt, widmete sich K. nunmehr wieder ausschließlich seinem Lehrberufe und den vielen Arbeiten in anderen Wirkungskreisen. Er führte lange Jahre das Prorectorat, war Rechtsconsulent des Verwaltungsausschusses der Universität; deren rechtliche und ökonomische Angelegenheiten er mit besonderer Liebe besorgte. Als Mitglied des Spruchcollegii soll er über 300 behandelte Kriminalrechtsfälle hinterlassen haben. Als Mensch, als College, Freund, Gatte und Familienvater war K. aufs höchste geachtet. Noch bis in die letzten Lebensjahre sehr rüstig und thätig, litt er zuletzt an periodisch wiederkehrendem Krampfhusten, der ihn nöthigte, auf einer Reise an den Rhein Erholung zu suchen. Gestärkt und erheitert kehrte er zurück; allein das Uebel stellte sich bald mit doppelter Heftigkeit ein. Weder die sorgsame Pflege der Gattin und Familie, noch die Kunst der Aerzte konnte ihm Einhalt [111] thun und verschied K. an Brustwassersucht am 17. Nov. 1824. Die Trauerkunde erregte weit und breit innige Theilnahme. Auch der König ließ der trauernden Familie sein Beileid darüber ausdrücken, daß sie, die Universität, das Vaterland, die Wissenschaft einen so schmerzlichen Verlust erlitten hatten. – Der Ruhm Feuerbach’s und Anderer überstrahlte gar bald die bescheideneren Verdienste Kleinschrod’s. Die Wissenschaft wurde durch sie schnell und wesentlich gefördert. Der Ruhm aber, auf strafrechtlichem Gebiete mit unter denen gewesen zu sein, die in vielen Punkten die neue Zeit eingeleitet haben, wird K. bleiben!

Neuer Nekrolog der Deutschen für 1824, II, 999–1010. – Wächter, Gem. Recht, 1844, S. 164. 165. 170. 234. – Hälschner, I, 248. – Roßhirt, Geschichte u. System, I, 328. – Henke, Handbuch (1823), I, 137. – Anmerkungen zum Strafgesetzbuche für Baiern (1813), 1, 10–12. – Berner, Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, S. 79. – Hetzel, Die Todesstrafe, 1870, S. 181–183. – Hepp, Darst. u. Beurtheil. d. deutschen Strafrechtssysteme (2), II, 160. 482. 670. – Heinze in v. Holtzendorff’s Handbuch, I, 262. – Roßhirt, Gesch. u. System des deutschen Strafrechts, Stuttg. 1838, I, 323 ff. – L. v. Bar, Handb. d. Deutsch. Strafrechts, 1882, I. 174.