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ADB:Lachmann, Ferdinand

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Artikel „Lachmann, Ferdinand“ von Erich Gustav Wilisch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 467–469, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lachmann,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 16:47 Uhr UTC)
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Lachmann: Karl Friedrich Ferdinand L., geb. am 10. März 1817 in Zittau, wo sein Vater die Stellung eines Subrectors am Gymnasium bekleidete, trat 1827 in die Quarta dieser Anstalt ein und bezog, nachdem er seine Gymnasialbildung abgeschlossen hatte, Ostern 1836 die Universität Leipzig, um dort Theologie zu studiren. Er hörte bei Winer, Niedner, Theile und Anger, bei Drobisch und Hartenstein, auch bei seinem Landsmann Moritz Haupt, wurde [468] Mitglied der Lausitzer Predigergesellschaft, der er gegen das Ende seiner Studienzeit als Senior vorstand und kehrte Michaelis 1839 nach bestandenem theologischen Examen in seine Vaterstadt zurück. Nachdem er ein halbes Jahr privatisirt hatte, wurde er als Adjunkt seines Vaters am dortigen Gymnasium angestellt, rückte fünf Jahre später in eine ordentliche Lehrerstelle ein und wurde allmählich avancirend 1854 Conrector. Er hatte sich unterdessen mehr den philologischen Disciplinen zugewendet und legte auch darin nachträglich ein Examen ab. Am 22. Juli 1865 feierte er gemeinsam mit dem Director Kämmel (Bd. XV S. 51), seinem langjährigen Nachbar im Collegium, sein 25jähriges Amtsjubiläum. Obgleich etwa von diesem Zeitpunkte an seine Gesundheit zu wanken begann, war es ihm doch vergönnt noch den Tag seines 40jährigen Lehrer- und zugleich 25jährigen Conrectorjubiläums zu erleben und festlich zu begehen. Dieser Tag (2. October 1879), der ihm Auszeichnungen und Beweise der Liebe in reichem Maße brachte, war zugleich für ihn der Abschluß seiner öffentlichen Wirksamkeit. Sein körperliches Befinden nöthigte ihn die Ruhe des Privatlebens zu suchen, die er noch anderthalb Jahr nach seiner Pensionirung genossen hat. Am 11. April 1881 starb er in Folge eines Herzleidens, hochgeschätzt wegen seiner Berufstreue, seiner Gerechtigkeit im Verkehr mit der Jugend und der Offenheit seines Charakters. Unter den Wissenschaften war es vorzugsweise die Philosophie, die Lachmann’s Interesse von Jugend an erregte. Von seinem Vater, einem alten Kantianer, zuerst in dieses Studium eingeführt, durch Drobisch und Hartenstein in Leipzig weiter gebildet, erwarb er sich eine philosophische Bildung, die nicht nur für seine Unterrichtsweise charakteristisch wurde, sondern ihn auch zur Abfassung einer Anzahl kleinerer Programmabhandlungen philosophischen Inhalts befähigte. Bald behandelte er einzelne Philosophen („De doctrina M. Aurelii Antonini philosophi“), bald Begriffsbestimmungen („De vi ac sententia ϰαϑάρσεως Aristotelicae“. Versuch über den Begriff des Kunststils), bald grammatisch-philosophische Fragen („Einige Bemerkungen über die Bedeutung der Partikeln ϰεν und ἄν“). Dabei war L. aber auch Dichter und hat sich als solcher, abgesehen von einigen kleineren poetischen Gaben (Xenien bei der Schillerfeier, 10. November 1859, Uebersetzung der Gedichte Solon’s), in einem historischen Schauspiel „Beatrix von Burgund“ versucht, das er 1865 unter dem Pseudonym Friedrich Thal herausgab. Der Stoff ist der Geschichte Friedrich Barbarossa’s entnommen. Das Stück ist, zumeist wol aus äußeren Gründen, nicht zur Aufführung gekommen; den Rath der Kritik, einmal einen modernen bürgerlichen Stoff zu dramatisiren, hat L. nicht befolgt. Die Anerkennung weiterer Kreise zu erwerben gelang L. noch gegen Ende seines Lebens auf einem Gebiete, das ihm von Jugend an vertraut war. Bereits als Schüler zeichnete und malte er mit solcher Lust, daß er sich am liebsten ganz dem Künstlerberufe gewidmet hätte. Wenn dies nun auch sein Vater nicht zuließ, so blieb L. doch sein ganzes Leben hindurch der Kunst treu, indem er als jüngerer Mann die schönen Berge seiner Heimath mit dem Zeichenstift durchstreifte, später aber darauf dachte sein künstlerisches Können für das Verständniß der Antike nutzbar zu machen. Das Interesse für die griechischen Tragiker, mit denen er sich viele Jahre hindurch von Berufswegen beschäftigte, veranlaßte ihn 16 Umrißzeichnungen zu den Tragödien des Sophokles zu entwerfen. Nachdem diese zum ersten Male bei Gelegenheit einer Antigoneaufführung durch Schüler einem kleineren Kreise vorgelegen hatten und der Wunsch der Herausgabe laut geworden war, unterbreitete L. die Blätter der archäologischen Section der Philologenversammlung in Leipzig und entschloß sich, als sie auch hier allgemeinen Beifall fanden, zur Veröffentlichung. So erschienen, eingeführt von J. Overbeck die „Umrißzeichnungen zu den Tragödien des Sophokles. Sechszehn Blätter mit erläuterndem Text. Verlag von [469] E. A. Seemann.“ Als besonders gelungen dürften zu nennen sein das Bild des Aias vor dem aufgepflanzten Schwert, die Ankunft der Ismene auf Kolonos und die Ergreifung der Antigone durch die Wächter; dieses letzte Blatt ist auch bei Besprechung des Ganzen mehrfach reproducirt worden; so in C. v. Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst (X, 93) und in der Illustrirten Zeitung (1875 S. 197). Hat somit L., indem er in Carstens’ Fußstapfen trat, jüngeren und älteren Freunden des Sophokles ein dankbar aufgenommenes Anschauungsmittel für die Lectüre des Dichters geboten, so ist es umsomehr zu bedauern, daß er an zehn ähnliche Bilder zu Aeschylus’ Tragödien, die sich anscheinend abgeschlossen in seinem künstlerischen Nachlasse fanden, nicht noch im Interesse ihrer Veröffentlichung die letzte bessernde Hand hat anlegen können.