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ADB:Leonhard, Daniel Josef

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Artikel „Leonhard, Daniel Josef“ von Heinrich Herbert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 299–301, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leonhard,_Daniel_Josef&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 02:07 Uhr UTC)
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Leonhard: Daniel Josef L., † am 1. Juni 1853 als Stadtpfarrer der evangelischen Kirchengemeinde der 5600 Einwohner zählenden Stadt Broos in Siebenbürgen und Dechant des Brooser Capitels, wurde am 23. Mai 1786 in Hermannstadt geboren, wo sein Vater Andreas L. als Provincialnotar beim Stadt- und Stuhlsmagistrat diente. Er entstammte einer alten sächsischen Familie, welche Hermannstadt drei Stadtpfarrer gegeben hat. Sein Großvater Martin Friedrich Leonhard führte im zweiten schlesischen Krieg als jüngster Hermannstädter Senator die sächsischen Insurrectionstruppen in der Charge eines k. k. Majors gegen die Preußen und starb 1745 als Kriegsgefangener in Görlitz. Daniel Josef L. erlangte seine Bildung an den Schulen Mühlbachs und Hermannstadts, wo er im Jahre 1809 das Consistorialexamen, welches damals die Stelle der Maturitätsprüfung vertrat, ablegte. Ueber Aufforderung des Hermannstädter Consistoriums begab er sich 1810 nach Wien, um sich hier einen Reisepaß zum Besuch einer deutschen Universität zu verschaffen, an welcher er sich zum Berufe eines Lehrers und Geistlichen ausbilden sollte. Ein solcher war damals sehr schwer zu erlangen, so daß Leonhard längere Zeit in Wien verweilen und selbst ein Majestätsgesuch überreichen mußte. Da er zum Beginn des Wintersemesters an eine deutsche Universität nicht mehr rechtzeitig gelangen konnte, verwendete er seine Zeit zum Besuche von Vorlesungen an der Wiener Universität; er hörte praktische Oeconomie bei Trautmann, Landwirthschaft in Verbindung [300] mit Technologie bei Blaha und praktische Geometrie bei Bauer; zugleich benutzte er fleißig die reichen Schätze der kaiserlichen und der Universitätsbibliothek. Erst im August 1810 trat er die Reise nach Deutschland an, durchstreifte zu Fuß einen großen Theil desselben und blieb endlich in Göttingen, wo er bei Stäudlin Moral und Dogmatik verbunden mit Dogmengeschichte, beim Physiker Maier Experimentalphysik, bei Blumenbach Naturgeschichte, bei Thibaut angewandte Mathematik und bei Wunderlich Vorlesungen über den lateinischen Styl hörte. Den Vorsatz, im nächsten Semester Kirchen- und Universalgeschichte, Exegese und Astronomie zu hören, mußte L. aufgeben, da er nach Hermannstadt berufen wurde, um eine der fünf damals am dortigen Gymnasium erledigten Lehrerstellen zu übernehmen. Zu Fuß durchreiste er nun einen früher nicht berührten Theil Deutschlands und kehrte über Wien in die Heimath zurück, wo er am 19. August 1811 sogleich die Stelle des dritten Lectors am Gymnasium erhielt. Am 26. Februar 1812 unterzog er sich der Disputation, welche damals statt der Candidatenprüfung üblich war, und legte derselben eine Dissertation zu Grunde, welche den Titel trägt: „Systematica mammalium ac avium Transsilvanicarum enumeratio pro loco inter professores gymnasii Cibiniensis A. C. solemniter obtinendo exhibita a Josepho Leonhard“, Cibinii 1812. Blumenbachs anregenden Vorlesungen war diese erste systematische Beschreibung der Säugethiere und Vögel Siebenbürgens zu verdanken, doch erfolgte sie auf Grund genauer eigener Beobachtungen und Untersuchungen. Es folgte ihr Leonhard’s „Lehrbuch zur Beförderung der Kenntniß von Siebenbürgen“, Hermannstadt gedruckt bei Joh. Barth 1818. Dasselbe behandelt in 2 Abschnitten die Erdbeschreibung, Naturgeschichte und Geschichte Siebenbürgens. Am 22. November 1818 wurde L. Frühprediger an der großen Kirche in Hermannstadt, am 27. Februar 1819 Vesperprediger daselbst und am 17. October des zuletzt genannten Jahres erwählte ihn die evang. Gemeinde A. B. von Broos zu ihrem Stadtpfarrer. In dieser Eigenschaft entwickelte er 34 Jahre lang eine segensreiche Thätigkeit, welche ein interessantes Beispiel von der oft so vielseitigen Wirksamkeit der siebenbürgisch-sächsischen Pfarrer liefert. Die nächsten Pflichten seines Amtes erfüllte er mit voller Gewissenhaftigkeit, indem er seine Gemeinde durch genau ausgearbeitete und streng memorirte Predigten zu erheben, auf die einzelnen Glieder derselben aber auch durch häufige Besuche besonders in Fällen ehelicher Zwistigkeiten mit solchem Erfolg einzuwirken suchte, daß Eheprocesse äußerst selten vorkamen. Besondere Aufmerksamkeit wandte er der unter seiner Inspection stehenden evang. Schule zu; sehr oft erschien er während des Unterrichts in ihren Räumen, wöchentlich mußten ihm die Lehrer über den Fleiß und Fortschritt der Schüler Bericht erstatten, fehlte es an Lehrmitteln, so fertigte er dieselben nicht selten mit eigener Hand an, wie auch das Hermannstädter Gymnasium eine Sammlung von ihm angefertigter Holzmodelle besaß. Diese auf das Praktische gerichtete Seite des Wesens Leonhard’s fand weiteren Ausdruck besonders in einer bedeutenden Bauthätigkeit: nicht nur die Kirche und der Thurm der evang. Glaubensgenossen A. B. in Broos wurden nach seinen Plänen und Kostenüberschlägen, sowie unter seiner Leitung neu gebaut, sondern auch 36 Wohnhäuser der Stadt, so daß diese ihr gefälliges Aussehen hauptsächlich ihm zu verdanken hat. Da das zu den vielen Bauten erforderliche Eisen aus entfernten Orten herbeigeschafft werden mußte, begründete L. die erste Eisenhandlung in Broos, deren Buchführung und Geschäftscorrespondenz er selbst besorgte und für welche, als er mit ihr ein Material-, Specerei- und Farbwaarengeschäft verband, seine eigenen zahlreichen Kinder manchen Artikel nach seiner Anleitung anfertigten. Wie er dieselben auf diese Art zur Händearbeit geschickt machte, so ertheilte er ihnen auch Unterricht in der Pomologie [301] und im Klavierspiel; der Musik von Jugend an zugethan, erquickte er sich durch dieselbe bis zu seinem Lebensende. Auch die wissenschaftliche Arbeit ruhte nicht. Beweis davon liefern außer den „Denkwürdigkeiten von Broos“ (Hermannstadt 1852) mehrere, meist nicht gedruckte, die Geschichte der Stadt Broos betreffende Arbeiten, dann solche, welche sich auf die siebenbürgisch-sächsische Sprache und das siebenbürgische Costume beziehen und eine Sammlung von Nachbildungen der Namensunterschriften und Siegel der wichtigsten Originalurkunden des sächsischen Nationalarchivs. Auch als Dechant des Brooser Capitels, wozu er im März 1830 gewählt wurde, wirkte Leonhard segensreich; er begründete für die Wittwen und Waisen der Geistlichen desselben einen Pensionsfond, dem manche Wittwe und Waise die Erleichterung ihrer Lage zu verdanken hatte; auch bemühte er sich mit Erfolg die Einigkeit unter den Gemeinden A. und H. B. – Sachsen und Magyaren – welche zum Capitel gehörten, zu erhalten; ein Bild des in Broos zwischen den beiden evang. Gemeinden bestehenden Friedens war bis zum J. 1840 der beiden gemeinsame Kirchthurm, welcher in diesem Jahre einstürzte und durch zwei gesonderte Thürme ersetzt wurde. Mit Schmerz sah L. im Jahre 1848 die Einigkeit, welche er so gerne erhalten hätte, dahinschwinden; es sei ein Jahr des allgemeinen Aufruhrs, schreibt er klagend nieder; die Romänen und Ungarn Siebenbürgens, besonders die Szekler, wütheten als die erbittertsten Feinde gegen einander; die kannibalischsten Mordthaten, Plünderungen und Verheerungen durch Feuer bekundeten hinlänglich die gegenseitige Erbitterung. Und auch als der Friede wieder in das zerrüttete Land eingezogen war, konnte der nun schon alte, von Krankheit geplagte Mann sich nicht ungestörter Freude hingeben. Wohl erkannte er die Trefflichkeit mancher Einrichtung an, welche die Regierung veranlaßte; schmerzvoll mußte er aber beifügen: allein die so treu gebliebene sächsische Nation wird durch die am 1. Februar 1852 erfolgte Beförderung ihres Comes zum Rathe des obersten Gerichtshofes in Wien desselben nicht blos beraubt, sondern erhält zur politischen Leitung der Geschäfte bei dem Hermannstädter Militärdistrict – Siebenbürgen war gegen Ende 1849 in 6 Militärdistricte getheilt worden, deren einer, der Hermannstäder, die von Sachsen bewohnten Gebietstheile umfaßte – an die Stelle des bisherigen Nationsgrafen einen katholischen Grafen Amadei aus Tyrol, wobei zugleich die judicielle Function der Nationsuniversität aufgehoben wird.

Als Quellen zu obiger Darstellung dienten von Leonhard selbst geschriebene „Denkwürdigkeiten aus meinem Leben“, ferner Mittheilungen im II. Bd. des Schriftstellerlexicons der Siebenb. Deutschen von Josef Trausch, Kronstadt 1870, und ein Aufsatz von E. A. Bielz, welcher unter dem Titel: „Daniel Josef Leonhard. Lebensbild eines sächsischen Pfarrers und Gelehrten im Anfang dieses Jahrhunderts“ im Siebenbürgischen Volkskalender für 1883 zum Abdruck gelangte.