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ADB:Leonhardt, Adolf

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Artikel „Leonhardt, Gerhard Adolf Wilhelm“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 301–307, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leonhardt,_Adolf&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 02:01 Uhr UTC)
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Band 18 (1883), S. 301–307 (Quelle).
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Leonhardt: Gerhard Adolf Wilhelm L., königl. hannoverscher und königl. preuß. Justizminister, geb. am 6. Juni 1815 in Hannover, † daselbst am 7. Mai 1880. Sohn des Kreiseinnehmers L. in Neuhaus bei Stade, wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. Während er das Lyceum in Hannover besuchte, war er in Pension bei Rector Kirchhoff. Seit Ostern 1834 studirte er in Göttingen die Rechte, 1836 in Berlin bei Savigny und Klenze, bis Ostern 1838 nochmals in Göttingen, wo er bei Dahlmann, Hugo, Albrecht und Mühlenbruch hörte. Durch besonderen Anschluß an letzteren gewann er jene Ausschließlichkeit der Hingebung an die Rechtswissenschaft, welche ihn während seiner ganzen späteren Wirksamkeit charakterisirte, zwar die Grundlage seines Aufsteigens in der juristischen Laufbahn wurde, ihm aber später in hohen Stellungen als unberechtigte Einseitigkeit des Staatsmannes zum Fehler gerechnet [302] wurde. Nachdem er in Göttingen mit Auszeichnung promovirt, lenkte er durch sein außerordentliches Wissen die Aufmerksamkeit der juristischen Kreise seines engeren Vaterlandes auf sich, trat am 23. October 1838 als Auditeur beim Stadtgericht in Hannover in den hannoverschen Justizdienst, ging aber nach bestandener zweiter Prüfung 1842 dort zur Advocatur über. 1843 schrieb er „Die praktisch gültigen Statuten und Observanzen der Stadt Hannover“, dann „über die Rechtsverhältnisse des Grundeigenthums“, gab die „Annalen des Advokatenvereins“ heraus und gewann unter den hannoverschen Juristen aufs neue Ruf durch seinen „Commentar über das Criminalgesetzbuch des Königreichs Hannover“ (2 Bde. 1846–1850). Die Erklärung in der Vorrede dieses Werks, „daß eine ständische Mitwirkung an der Gesetzgebung, wie man sie nach den Grundsätzen der constitutionellen Monarchie verlangen zu müssen glaube“, nach seiner Ueberzeugung große Vortheile nicht gewähre, erschien lediglich als Ausfluß seiner Abneigung gegen die Mitwirkung von Laien an der Gesetzgebung. Juristisch nicht Gebildete schienen ihm nicht geeignet um die juristisch scharfen und exacten Wendungen, welche bei Gesetzen angestrebt werden müssen, genügend zu würdigen. Begreiflich wirkte aber jener Ausspruch verschieden auf die politischen Parteien. L. zog sich, wie das Mißfallen der liberalen Partei, so das Wohlgefallen der absolutistisch gesinnten Regierung des Königs Ernst August zu, welche auch unter der Herrschaft der 1840 octroyirten Landesverfassung reactionäre Tendenzen verfolgte. Der Einfluß des Hülfsarbeiters im Justizministerium und Mitglieds des Staatsraths, Bacmeister, bewirkte, daß L. im Frühjahr 1848 mit dem Titel Justizrath als Referent in das Justizministerium berufen wurde, was wegen der darin liegenden Verleugnung der bisherigen bureaukratischen Grundsätze in den betreffenden Kreisen großes Befremden erregte. Im Stüve’schen Märzministerium war L. eifrig bemüht am Zustandekommen der vom König am 20. März 1848 u. A. zugesagten Gesetze über Schwurgerichte und Trennung der Verwaltung von der Rechtspflege. Zwar hatte sich L. früher in seinen „Annalen“ gegen die Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens und gegen Einführung von Schwurgerichten erklärt; da es nun aber einmal galt, das Gegentheil zu verwirklichen, verstand er es rasch, sich in die Zeitströmung zu finden und wurde ein ebenso eifriger als tüchtiger Mitarbeiter an der hannoverschen Justizreform von 1850. Namentlich darf die bürgerliche Proceßordnung als sein Werk bezeichnet werden. Auch die weitere Entwicklung und praktische Gestaltung des Proceßverfahrens und der dortigen Gerichtseinrichtungen hat er durch seine amtliche wie litterarische Thätigkeit gefördert. Das Augenmerk vorwiegend auf sein Fach richtend, blieb L. in der Justizverwaltung während aller ferneren bis zum Ende des Königreichs Hannover ernannten Ministerien: sowol unter König Ernst August’s Ministerium v. Münchhausen-Lindemann, welches mit der Junkerpartei in Streit gerieth, als auch unter den vom König Georg V. ernannten Ministerien, dem halbreactionären Ministerium Scheele, unter welchem L. zum Oberjustizrath ernannt wurde, dem die Einmischung des Bundestags in die Verfassungsangelegenheiten hervorrufenden Ministerium Lütcken, dem die Verfassung von 1848 aufhebenden und die von 1840 wieder octroyirenden Ministerium v. Borries_Graf Kielmannsegg und dem Ministerium v. Malortie-Windthorst-v. Hammerstein. Unter dem Ministerium Scheele war L. einer der hauptsächlichsten Mitarbeiter am Hypothekengesetz und an den Gesetzen von 1852 über das bürgerliche und das Strafverfahren sowie über die Gerichtsverfassung, welche Gesetze in vielen anderen deutschen Staaten als mustergültig angesehen wurden und bei der späteren deutschen Justizeinrichtung als Muster gedient haben. Aber auch die unter dem Ministerium v. Borries mit Hülfe der Kammern des octroyirten Wahlgesetzes bewirkte Verminderung [303] der Gerichte und theilweise Wieder-Ueberweisung der Polizeigerichtsbarkeit an die Verwaltungsbehörden erfolgte unter Leonhardt’s Mitwirkung. Neben den Ministern Lütcken, Brandis und Bergmann wurde L. zum Mitglied der ersten Kammer der 12. Allgemeinen Ständeversammllmg (1854–55) ernannt. Um diese Zeit schrieb er: „Die Justizgesetzgebung des Königreichs Hannover“ (4. Aufl. 1867). Der Justizminister Windthorst machte 1862 L. zum Generalsecretär im Justizministerium, sandte ihn als Bevollmächtigten zu den Conferenzen der deutschen Staaten über die Wechselordnung, das Deutsche Handelsgesetzbuch und eine allgemeine deutsche Civilproceßordnung und überließ ihm manche wichtigen Justizverwaltungs-Geschäfte. Als sodann im Herbste 1865 die Vorliebe des Königs Georg für eine persönliche Regierung zur Entlassung des Ministeriums v. Malortie geführt hatte, wurde L. in dem am 21. October 1865 gebildeten Ministerium Bacmeister Justizminister. Der Minister des Aeußern, Graf Platen hatte, wie O. Meding (Memoiren zur Zeitgeschichte. Bd. 1 Lpzg. 1881 S. 365) berichtet, für diese Stellung und für die des Finanzministeres Personen aus dem alten hannoverschen Adel, deren Fähigkeit hierzu zweifelhaft sein mochte, als Generalsecretäre aber L. für die Justiz und Dietrichs für die Finanzen vorgeschlagen; der König entschied jedoch dahin: „ich habe keine Strohmänner nöthig; wer die Arbeitslast des Amtes trägt, soll auch dessen Ehren haben!“ Als Minister der Justiz wollte L., wie Meding (Memoiren, Bd. 2) sagt, „nichts weiter als Chef seines Ressorts sein, dessen Leitung er mit meisterhafter Sicherheit führte“. An der Berufung des Dr. Maxen in Göttingen zum Lehrer über Staatsrecht für den Kronprinzen Ernst August hatten L. und Meding gleichen Antheil. 1865 schrieb L. „Die Reform des Civilprocesses in Deutschland“, welche als Muster der Art gilt, wie gesetzgeberische Fragen gründlich und ohne gelehrten Ballast zu erledigen sind. In politischen Fragen ist L. von der Haltung der übrigen Minister nicht abgewichen, insbesondere war, wie Meding ausdrücklich bezeugt, das ganze Ministerium Bacmeister am 15. Juni 1866 der Meinung des Königs Georg, daß die preußischen Forderungen unannehmbar weil unberechtigt seien und man durch ihre Annahme unter dem Druck einer augenblicklichen Lage wichtige Hoheitsrechte für immer aufgeben würde. Noch an demselben Tage, an welchem König Georg vor den anrückenden Preußen seine Hauptstadt verließ, hielt ihm L. als Abg. der Städte Lüchow, Dannenberg und Hitzacker in der zweiten hannoverschen Kammer eine warme Lobrede zur Unterstützung der deutschen Politik desselben. Nach der Einverleibung des Königreichs Hannover in die preußische Monarchie wurde L., ungeachtet seiner bisherigen Parteinahme gegen Preußen, mit Rücksicht auf seine Gediegenheit als Jurist von der preußischen Regierung zunächst zum Vicepräsidenten des Oberappellationsgerichts in Celle ernannt. Die berliner Zeitung „Germania“ (Nr. 103 v. 8. Mai 1880) sagte, man habe es L. „nicht blos in hannoverschen Kreisen übel angerechnet, daß er sobald nach der Annexion in preußische Dienste trat, zumal er beim Könige von Hannover eine Vertrauensstelle innegehabt und durch seinen juristischen Beirath die Haltung Hannovers im Jahre 1866 wesentlich beeinflußt hat“. Am 1. Septbr. 1867 wurde L. zum Präsidenten des Oberappellationsgerichts für die neuen Provinzen in Berlin ernannt und am 16. Nov. 1867, unter Bestellung zum Kronsyndikus, auf Grund Allerhöchsten Vertrauens auf Lebenszeit in das preußische Herrenhaus berufen. Am 5. Dec. 1867 erfolgte seine Berufung zum preußischen Justizminister an Stelle des Grafen zur Lippe. In dieser Stellung hat er eine lange Reihe der wichtigsten gesetzgeberischen Arbeiten zum Abschluß gebracht, von denen vor allen zu nennen sind: Die Novelle zur Concursordnung, die Subhastationsordnung, die Grundbuchordnung, das Gesetz v. 15. Mai 1872 über die dingliche Belastung [304] der Grundstücke und die Vormundschaftsordnung v. 5. Juli 1875. Als Minister, sowie seit 1870 als Vorsitzender des Bundesraths-Ausschusses für das Justizwesen hat L. auch an der Entwicklung der Reichsjustizgesetzgebung den hervorragendsten und erfolgreichsten leitenden Antheil genommen. Die der Gesetzgebung auf diesem Gebiete gestellten Aufgaben waren außerordentlich. Nicht minder groß waren die Anforderungen, welche sich aus der Durchführung der großen Justizgesetze für die organisatorische Thätigkeit des Ministers ergaben. Beiden Aufgaben hat L. sich in seltenem Maße gewachsen gezeigt. Bei der deutschen Civilproceßordnung ging er von derselben Grundlage aus wie 1852 in Hannover; er führte die Art des Verfahrens ein, wonach alle das Urtheil des Richters bestimmenden Thatsachen in Gegenwart der Parteien aus ihren ursprünglichen Quellen dem Richter als Ganzes zur Wahrnehmung kommen. Auch hinsichtlich der Reform des Strafprocesses war es eine Form der Rechtspflege ursprünglicher Zeiten und einfacherer Cultur, die er dem modernen Leben wieder zu gewinnen und mit den Mitteln desselben wieder zu beleben trachtete. Durchdrungen von der Nothwendigkeit einer Betheiligung des Laienelements an der Strafrechtspflege, den Gedanken ablehnend, die Handhabung derselben nur Berufsrichtern zu übertragen, erblickte er die richtige Theilnahme des Laienelements in der altdeutschen Form des Schöffendienstes. Doch drang er mit diesem Gedanken bei der Reform des Strafprocesses nicht vollständig durch. Er fügte sich der entgegenstehenden Ansicht, erklärte aber im Reichstage, die Zukunft des deutschen Strafverfahrens werde die Schöffen an die Stelle der Geschworenen treten sehen. L. war mit allen Kräften darauf bedacht, die Entwürfe des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Civil- und der Strafproceßordnung sowie der drei betreffenden Einführungsgesetze im Reichstage zur Annahme bringen zu helfen. Gleich bei Beginn der Berathung dieser Gesetze legte er im Nov. 1876 dem Reichstage eine Uebersicht der Bedenken vor, welche die verbündeten Regierungen in betreff der Beschlüsse der Justizcommission des Reichstags, welche die Entwürfe begutachtet hatte, hegten. Sehr entschieden sprach er sich am 22. Nov. 1876 im Reichstage gegen die Verweisung der Preßvergehen an Geschworene aus. Nachdem der Reichskanzler am 12. Dec. 1876 dem Reichstage mitgetheilt hatte, daß der Bundesrath eine Anzahl bestimmter Punkte gegen die Beschlüsse des Reichstags aufrecht erhalte, verhandelten die Abgeordneten v. Bennigsen, Lasker und Miquel mit L., an welchen der Kanzler sie auf Befragen dieserhalb gewiesen hatte, über einen Vergleich, wonach u. A. die Verweisung der Preßvergehen an Geschworene da wo sie schon gesetzlich eingeführt worden, bestehen bleiben, nirgends aber eingeführt werden solle. Was den andern Punkt betrifft, über den die größten Meinungsverschiedenheiten obwalten, so beharrte L. bei der Beibehaltung des Zeugnißzwangs. Nachdem die Reichsjustizgesetze auf Grund dieses Vergleichs zu Stande gekommen waren, sprach Kaiser Wilhelm am 22. Dec. 1876 L. die lebhafteste Anerkennung aus und verlieh demselben das Großkreuz seines preußischen rothen Adlerordens. Was im übrigen Leonhard’s Thätigkeit bezüglich der Justizgesetzgebung des Reiches betrifft, so ist hervorzuheben, daß er sich am 3. Dec. 1875 bei Berathung der Strafgesetznovelle im Reichstage dahin aussprach, die Frage, ob das Strafgesetzbuch von 1871 sich bewährt habe, könne im Allgemeinen nicht bejaht werden, und daß er in den Verhandlungen des Reichstags v. 19.–24. März 1877 sich gegen die Verlegung des Sitzes des Reichsgerichts nach Leipzig aussprach. Die Verlegung desselben nach Berlin habe für die preußische Regierung die Voraussetzung ihres Verzichtes auf einen eigenen obersten Gerichtshof gebildet. Auch die Reichsgesetze von 1878 über die Gebühren für Gerichtsvollzieher, Zeugen und Sachverständige, sowie über die Rechtsanwälte sind mit Leonhard’s Namen verknüpft. [305] Nicht minder war die Einführung der neuen deutschen Justizgesetzgebung in Preußen sein Werk. Das Jahr 1879 brachte am 3. Mai das Ausführungsgesetz zur deutschen Civilproceßordnung, am 27. Mai die Schiedmannsordnung, am 2. Juli die Vorschriften über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, am 28. Juli die Verordnung über die Bildung der Amtsgerichtsbezirke und am 22. Sept. die Verordnung über die Beamtencautionen. Bei Eröffnung des neuen Kammergerichts in Berlin am 9. Oct. 1879 hob der Vorsitzende Meyer die Verdienste Leonhardt’s und seiner Räthe um die neue Gerichtsorganisation hervor und sprach den wärmsten Dank für deren aufreibende Thätigkeit aus. Seit längerer Zeit leidend, schien L. sich immer wieder unter dem Gebote aufgerafft zu haben, den Kreis der in seine Hand gelegten Aufgaben abzuschließen; nachdem aber die letzte Aufgabe vollendet war, nöthigte ihn die Ueberanstrengung der Kräfte (Kreuz-Zeitung v. 26. Oct. 1879) um Versetzung in den Ruhestand zu bitten. Der König erfüllte am 29. Oct. 1879 diesen Wunsch, unter Belassung der Würde eines Staatsministers und unter Uebersendung eines außerordentlich ehrenden, erst nach Leonhardt’s Tode bekannt gewordenen Schreibens, in welchem es hieß: „Lange schon fürchtete ich, daß Sie zu diesem Entschlusse kommen wollten, denn Sie haben mir, dem engeren und weiteren Vaterlande Ihre Gesundheit zum Opfer gebracht! Aber Sie haben auch nicht vergeblich gearbeitet für die hohen Erfolge, welche Sie erzielten, denn Sie haben mehr wie den Grund gelegt zu einer Einheit der deutschen Gesetzgebung, woran so Viele und so Vieles scheiterte, Ihr Name steht daher in der Weltgeschichte unauslöschlich da! Empfangen Sie für Ihre Hingebung, Aufopferung und Ausdauer ohne Gleichen hier meinen aufrichtigsten und innigsten Dank und königliche Anerkennung, die ich so oft mit Freude in Ihrer Amtsthätigkeit aussprechen konnte.“ Zugleich verlieh ihm der König den Stern der Groß-Comthure des Hausordens von Hohenzollern. Auch am 5. November 1879 beim Empfange des Präsidiums des Abgeordnetenhauses sprach der König von Leonhardt’s aufopfernder Hingebung. Die Presse äußerte sich gleichfalls mit großer Anerkennung. Die Berliner ministerielle „Provinzial-Correspondenz“ (Nr. 45) sagte: „Der aus dem öffentlichen Dienst scheidende Staatsmann gehört zu den Männern, deren Wirksamkeit erst die Nachwelt nach ihrer vollen Bedeutung klar zu erkennen vermag. Diese Wirksamkeit war eine reformatorische, indem sie mit reichem Erfolg auf die Einführung neuer Mittel der Rechtspflege und neuer Formen des Rechtsverkehrs gerichtet war. Dabei ist ihm der Vorzug zu Theil geworden, daß seinen Plänen die öffentliche Meinung bereitwillig und vertrauensvoll entgegen kam, während die an den höchsten Stellen neben ihm und unter ihm Wirkenden seinen Ideen, von deren Richtigkeit überzeugt, eine thätige, die Arbeit des Ministers überall erleichternde Unterstützung liehen. Dennoch darf als der Grundzug seiner Thätigkeit der geistige Muth bezeichnet werden, eine noch unter vielen Hüllen verborgene Wahrheit hervorzuziehen und mit Sicherheit den Weg zu zeigen, auf den viele noch Zweifelnde zu folgen bereit sind.“ Die National-Zeitung (Nr. 506 v. 30. Oct. 1879) äußerte: „L. kann das hohe Lob mit sich in das Privatleben hinübernehmen, für ein wenn auch nicht unübertreffliches, so doch überaus treffliches Werk, ein monumentum aere perennius als der erhebliche Förderer mitgewirkt zu haben. Sein Name wird auf dem Denkmal unseres Kaisers stehen wie der des Grafen Carmer auf dem des großen Friedrich. Was Leonhardt’s politische Wirksamkeit betrifft; so ist dieselbe seiner fachmännischen gegenüber in den Hintergrund getreten. Man weiß es aus seinem eigenen Munde, daß er den Namen eines liberalen Mannes stets von sich abgelehnt und sich zu conservativen Anschauungen bekannt hat. Man weiß aber ebenso aus seiner langen Amtsführung, daß er in Personenfragen stets nur das persönliche Verdienst [306] und nicht die politische Gesinnung zur Richtschnur seiner Entscheidungen wählte.“ In der „Kölnischen Zeitung“ (Nr. 301 v. 30. Oct. 1879, 2. Bl.) hieß es: „L. ist kein politischer Minister gewesen; wo er amtlich auf politischem Gebiete auftrat, hat er wiederholt ein Mißgeschick entfaltet, das zu Kopfschütteln und Verwunderung reichlichen Anlaß bot. Seiner Verwaltung ist es gelungen, daß die schlimmen Zeiten seines unglücklichen Vorgängers nahezu in Vergessenheit gerathen sind. Daß L. noch ein hervorragendes Verdienst um Reinigung unserer Muttersprache auf einem Felde erwachsen ist, auf das wir am wenigsten unsere Hoffnungen erstrecken zu dürfen glaubten, soll von uns nicht vergessen werden.“ (S. auch den „Hannov. Courier“ Nr. 10008 v. 31. Oct. 1879.) Auch an einigen Vorwürfen gegen L. hat es bei seinem Rücktritte nicht gefehlt. Die „Deutsche Volks-Zeitung“ in Hannover, Organ der „deutsch-hannoverschen“ (oder sogen. Welfen-)Partei, trug ihm nach, daß er das Gesetz über die Beschlagnahme des Vermögens seines früheren Königs Georg mit unterzeichnet habe. Ferner wurde im „Rheinischen Courier“ in Wiesbaden (Nr. 303 v. 23. Dec. 1879) gegen L. der Vorwurf erhoben, daß er sich sowohl in der Gesetzgebung des Reiches und Preußens, als auch bei seiner Amtsführung mit Vorliebe von hannoverschen Ueberlieferungen habe leiten lassen. Leonhardt’s Freunde haben aber widersprochen und hervorgehoben, daß s. lange vor Uebernahme des Ministeriums sich auf den deutschen Juristentagen und in Fachzeitschriften als deutscher und von keinem Partikularismus befangener Jurist erwiesen habe. Leonhardt’s Nachfolger wurde der Staatssecretär des Reichsjustizamts Dr. Friedberg, und es ist behauptet worden (Weser-Zeitung Nr. 12 599 v. 31. Januar 1882), L. habe bei seinem Rücktritt letzteren als wünschenswerthen Nachfolger bezeichnet mit dem Bemerken, daß während der ersten zehn Jahre nach dem Inkrafttreten der Justizgesetze ein Mann an der Spitze der preußischen Justizverwaltung stehen müsse, der mit jeder Einzelheit der Reformen bekannt und für ein Urtheil über Aenderung zuständig sei. Am 4. Nov. 1879 siedelte L. von Berlin nach Hannover über, wo er am 7. Mai 1880 an Nierenleiden starb. Der Beerdigung auf dem Friedhof am Engesohderberg wohnten am 11. Mai eine Abordnung des Justizministeriums, höhere Beamte aus anderen Ministerien und die obersten Provinzialbehörden bei. Die Nachrufe in der Presse fielen kurz aus, weil sie L’s. Wirksamkeit erst kurz zuvor bei seinem Rücktritte näher gewürdigt hatte. Der Reichsanzeiger v. 8. Mai sagte: „Welche Verdienste sich L. durch seine gesetzgeberischen Arbeiten erworben, wird unvergessen sein“. In der „Magdeb. Ztg.“ (Nr. 215 v. 11. Mai 1880) hieß es: „Wohl selten hat es einen Mann gegeben, der, wie L., für politische Charakterfestigkeit und unwandelbare Ueberzeugungstreue ein so geringes Verständniß hatte, und seine Verwunderung bei Anderen, die sich nach dieser Richtung auszeichneten, war oft von unerhörter und kaum begreiflicher Naivetät. Andererseits hielt er viel auf juristisches Wissen und verlangte streng von den Richtern und Anwälten pflichtmäßige Thätigkeit, ohne aber seinerseits für die Hebung des Standes, dem er einst angehört hatte, ein besonders warmes Herz zu dokumentiren. Im Verkehr legte er auf angenehme Formen kein erhebliches Gewicht, war oft kurz und barsch und nur selten mittheilsam“. Die „Nat.-Zeitung“ v. 8. Mai bezeugte seine hohe Unparteilichkeit, und das „Berl. Tageblatt“ v. 7. Mai nannte ihn einen „vor Allem gerechten Mann“. Aehnlich sprach sich die Berl. Börsen-Zeitung (Nr. 238) aus. Im Nekrolog in „Unsere Zeit“ (Lpzg. 1880 Bd. 2 S. 137) ist gesagt: „L. gehörte zu den Männern, die unbekümmert um andere allgemeine Interessen, nur ihren Ehrgeiz darin suchen und finden, in ihrem Fache Hervorragendes leisten zu wollen, und unbeirrt um die Angriffe von rechts und links dieses Ziel unverrückt im Auge behalten. Eine spätere Zeit wird erst darüber zu Gericht sitzen, ob die von L. wesentlich durchgeführte deutsche Gerichtsorganisation [307] den Ansprüchen des Lebens und der Wissenschaft entspricht; keinenfalls aber darf dadurch sein großes Verdienst geschmälert werden, mag das Urtheil ausfallen wie es will, die verschiedenen Formen des Rechtsverfahrens in eine einheitliche Gestalt gebracht zu haben, eine Aufgabe, deren ungeheuere Schwierigkeiten nur der annähernd zu würdigen weiß, der einen Blick in die Jahrzehnte vergeblich versuchte Arbeit der deutschen Regierungen zu diesem Zwecke gethan hat.“ Ein Nachruf im „Justiz-Ministerial-Blatt für die Preuß. Gesetzgebung und Rechtspflege“ (Nr. 22 v. 28. Mai 1880) schließt mit den Worten: „So große Reformwerke, wie diejenigen sind, mit denen Leonhardt’s Namen für alle Zeiten verknüpft bleiben wird, können nicht ins Leben treten ohne daß sie lebhafte Gegensätze erwecken. Nur die Erfahrung hat wirklichen Werth; sie wird alles Wesentliche an Leonhardt’s Schöpfung als einen dauernden Gewinn für das nationale Rechtsleben anerkennen und das Andenken des Schöpfers wird in seinen Werken unvergänglich erhalten werden.“