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ADB:Bacmeister, Georg Heinrich Justus

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Artikel „Bacmeister, Georg Heinrich Justus“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 175–180, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bacmeister,_Georg_Heinrich_Justus&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 13:58 Uhr UTC)
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Bacmeister: Georg Heinrich Justus B., hannoverscher Staatsmann, geboren am 15. Februar 1807 zu Tullamore, Kings County, in Irland, stammte aus einer niedersächsischen, anfangs in Helmstedt, nachher in Lüneburg wohnhaften Familie, aus der eine Reihe gelehrter Männer des 17. und 18. Jahrhunderts, namentlich Theologen und Juristen, hervorgegangen sind. Der Vater, Lucas Wilhelm B., war Officier in der königlich deutschen Legion; seine Frau, die Tochter des ersten Beamten v. Schwartzkopf in Ratzeburg, war ihm in das irische Cantonnement gefolgt, wo der Sohn geboren wurde. Der Capitän B. wurde am 18. October 1812 bei dem letzten Versuch, das Castell von Burgos in Spanien zu stürmen, tödtlich verwundet und starb am 2. November in dem benachbarten Penaranda. Der junge B. erhielt auf dem Domgymnasium zu Ratzeburg, wohin die Mutter zurückgekehrt war, nachher auf dem Lyceum zu Hannover seine Schulbildung. Am 25. October 1824 wurde er in Göttingen immatriculirt, um Jura zu studiren, und schon der junge Student hatte sich des näheren Umgangs mit G. Hugo zu erfreuen. Seine stets festgehaltene Vorliebe für das römische Recht datirt von dieser Zeit, wenn er sich auch dankbar noch späthin seines großen Lehrers, K. F. Eichhorn, erinnert hat. Ein fleißiger Student, schloß er sich noch in höherm Semester einem Corps, dem der (rothen) Hannoveraner, an, dem zehn Jahre später auch O. v. Bismarck angehörte. „Wir waren recht fröhliche Corpsburschen vor 60 Jahren“, schrieb B. 1887, „aber die wichtigeren Collegien als Institutionen, Pandecten u. s. w. hat wol selten Einer versäumt.“ Mit zwanzig Jahren trat B. in den hannoverschen Justizdienst, als Auditor erst bei dem Amte Blumenthal, dann bei der Justizkanzlei in Celle. 1837 wurde er Assessor der Justizkanzlei in Göttingen; in dem damaligen politischen Kampfe zählte man den Assessor B. zu den Anhängern des Staatsgrundgesetzes. 1841 kam B. als Rath an die Justizkanzlei in Hannover. Als Referent in das Justizministerium berufen, konnte er die ihm zugedachten Arbeiten erst übernehmen, nachdem der 1842 für einen vorübergehenden Zweck gebildete Retardatensenat des Celler Oberappellationsgerichts, dessen Mitglied B. wurde, seine Aufgabe erfüllt hatte. 1845 in das Justizministerium zurückgekehrt, wurde B. zum Mitgliede des Staatsraths, Abtheilung für Competenzconflicte, und der juristischen Prüfungscommission ernannt. Durch wissenschaftliches und praktisches Interesse für den Civilproceß gewonnen, betheiligte er sich an den Vorberathungen, die damals zu dessen Reform im Ministerium gepflogen wurden. Der von dem Oberappellationsrathe Planck, dem Vater des Generalreferenten der Commission für das Bürgerliche Gesetzbuch, herrührende erste Entwurf wurde von B. einer durchgreifenden Revision unterzogen. Die Arbeit schloß sich dem bestehenden Rechte an, hielt an der Schriftlichkeit, der Verhandlungs- und der Eventualmaxime fest und suchte nur im einzelnen zu bessern. Die Vertretung der Vorlage in der zweiten Kammer des Landtages, deren Mitglied B. 1846 durch die Wahl des Osnabrücker Consistoriums wurde, lag ihm ob. Hatten die Stände auch eine principiellere Reform gewünscht, so erschien doch der Zustand des Verfahrens so gesunken, daß man die Abhülfe, die das neue Gesetz gewährte, nicht abweisen mochte. Die Civilproceßordnung, am 4. December 1847 mit der Bestimmung publicirt, am 1. Mai 1848 in Kraft zu treten, wurde vorher durch Gesetz vom 28. April aufgehoben, da nach dem Programme des Märzministeriums Bennigsen-Stüve, das öffentliches und mündliches Verfahren in bürgerlichen und peinlichen Sachen forderte, die Proceßordnung auf neue Grundlagen gestellt werden mußte. Aehnlich erging es einem zweiten von dem Oberjustizrath Jacobi ausgearbeiteten, nach dessen Tode von B. im Landtage vertretenen Gesetze. Während die Zeitströmung auf Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes drang, begnügte sich die [176] Regierungsvorlage mit der Beseitigung der schlimmsten Auswüchse. Das mit dem 7. October 1847 in Kraft getretene Gesetz wurde schon im nächsten Jahre durch das gründlicher aufräumende vom 18. August ersetzt. Der Wendung, welche die Dinge im J. 1848 nahmen, abgeneigt, ersuchte B. das neue Gesammtministerium am 24. März, ihn seiner Beschäftigung im Justizministerium zu entheben und begründete seine Bitte unter anderm mit den im Programm des neuen Ministeriums vom 22. März versprochenen Schwurgerichten, deren Einführung er nicht als wünschenswerth betrachten könne. Der neue Chef des Justizministeriums, O. A. v. Düring (s. A. D. B. V, 486), ging auf Bacmeister’s Wunsch nicht ein und beauftragte ihn mit der Ausarbeitung einer Strafproceßordnung, da er für dies Gebiet die Principien des öffentlichen und mündlichen Verfahrens schon länger als richtig erkannt hatte. Die Aufnahme des Geschwornengerichts in das neue Gesetz wurde als eine durch die politischen Verhältnisse unumgänglich gewordene Nothwendigkeit aufgefaßt, und die Einrichtung mit solchen Garantien umgeben, daß sie nach Bacmeister’s eigenem Ausdruck der Gerechtigkeit, nicht aber diese dem neuen Institute dienstbar wurde. Für die Umarbeitung der Civilproceßordnung schlug B. vor, den durch praktische und schriftstellerische Thätigkeit ausgezeichneten Advocaten Leonhardt in Hannover ins Justizministerium zu berufen. Die bürgerliche Proceßordnung Hannovers von 1850, die so einflußreich für die Entwicklung des deutschen Proceßrechts geworden ist, hat nach dem Zeugniß ihres Urhebers im Gebiete des materiellen Proceßrechts sich vielfach an die von B. bearbeitete Proceßordnung von 1847 anschließen können. Bei Einführung der neuen Gerichtsorganisation wurde B. zum Oberstaatsanwalte ernannt. Ein Beweis des Vertrauens, dessen sich B. bei dem Könige Ernst August erfreute, war die ihm übertragene Abfassung des königlichen Testaments. Erst unter dem Nachfolger trat B. auf einen größeren Schauplatz und wurde zu einem auf die hannoversche Politik einflußreichen Manne. König Georg V. übertrug ihm in dem wenige Tage nach seinem Regierungsantritte (18. November 1851) gebildeten Ministerium das Cultusdepartement. Das neue Cabinet, bestimmt die Gegensätze zu versöhnen, hatte auch zwei Mitglieder der ritterschaftlichen Opposition, die sich wegen angeblicher Verletzung der Rechte der Provinziallandschaften durch die hannoversche Gesetzgebung beschwerend an den Deutschen Bund gewendet hatte, in sich aufgenommen. Den Ministern v. Borries und v. d. Decken gegenüber vertrat B. mit dem Minister Windthorst den Standpunkt der bürgerlichen Staatsdiener und unterstützte den Ministerpräsidenten, den jüngern Schele (siehe A. D. B. XXX, 748), in seinem Bestreben, eine Verständigung zwischen den Ritterschaften auf der einen und der allgemeinen Ständeversammlung auf der andern Seite herbeizuführen und die Einmischung des Bundes in die inneren Verhältnisse Hannovers fernzuhalten. Die heterogene Zusammensetzung des Ministeriums machte gemeinsames Wirken unmöglich. Nachdem B. im März 1852 um seine Entlassung nachgesucht hatte, endete die Krisis mit dem Ausscheiden der beiden „Bremischen Minister“ und der Aufnahme des Freiherrn v. Hammerstein als Ministers des Innern. B. ging in das durch v. d. Decken’s Rücktritt freigewordene Finanzministerium über und gab sein bisheriges Ressort an den Oberappellationsrath v. Reiche ab. B. arbeitete sich bewunderungswürdig schnell in die Finanzen ein und überließ dem Generalsecretär seines Ministeriums v. Bar sehr wenig. Das consolidirte Ministerium ließ es seine nächste Aufgabe sein, die Kammern zu einer Revision der Verfassung von 1848 zu bewegen: zuerst durch die Vorlage vom 14. Mai 1852, die sog. zehn Verfassungsgebote, als deren Urheber man B. ansieht; dann durch das jene modificirende Schreiben vom 25. April 1853. Beide Mal ohne Erfolg. Abgesehen [177] von der Abneigung der Linken gegen jedwede Aenderung der Errungenschaften, waren doch auch conservative Männer bedenklich, vor allem weil sie dem Ministerium weder Einigkeit noch Festigkeit zutrauten. Der König, immer geneigt anderen Rathgebern als den amtlich bestellten Gehör zu geben oder einzelne aus ihrer Mitte anstatt das Gesammtministerium zu befragen, stand im Sommer 1853 einer zwiefachen politischen Schwierigkeit gegenüber. Der ungelöste Verfassungsconflict kreuzte sich mit den zoll- und handelspolitischen Verwicklungen, die sich an den Vertrag vom 7. September 1851 über den Anschluß Hannovers an den Zollverein knüpften. Während die technischen Vorbereitungen zur Ausführung des Vertrags dem Finanzminister eine Fülle von Geschäften brachten, kämpften um die politische Seite des „schmählichen Vertrags“, wie ihn König Georg nannte, der österreichische und der preußische Einfluß. Das gab dem preußischen Bundestagsgesandten v. Bismarck, in dem die Ritter – und der König nur den Kreuzzeitungsmann sahen und verehrten, Anlaß sich mit den hannoverschen Verhältnissen zu befassen. Der König ließ ihn durch B. sondiren, ob er nicht sein Minister werden wolle, und Bismarck, durch B. eingeführt, entwarf dem Könige einen Plan, die Stände gar nicht wieder zu berufen, sondern die Verfassungsfrage einfach zur Entscheidung des Bundestags zu stellen. Fürst Bismarck gedenkt dieser Verhandlungen in seinen Gedanken und Erinnerungen I, 88, bezeichnet nur unrichtig B. als eben aus dem Ministerium Schele ausgetreten. Das gerade gereichte B. zum Vorwurf, daß diese Verhandlungen zwischen ihm und Bismarck sich in Abwesenheit des Ministerpräsidenten v. Schele abspielten und ihm wie den übrigen Ministern verheimlicht wurden. Der König, mit dessen Vorwissen B. gehandelt hatte, suchte den Conflict dadurch zu lösen, daß er B., anstatt ihm die erbetene Entlassung zu ertheilen, von der Theilnahme an den Sitzungen des Gesammtministeriums dispensirte. Zugleich war die gefährliche Finanzfrage wieder angeregt. B. hatte sich der Idee einer erneuten Cassentrennung, die dem Könige schon länger als erstrebenswerthes Ziel vorschwebte und ihm eine Besserung seiner Cassenverhältnisse in Aussicht stellte, günstig ausgesprochen ungeachtet der Ausführungen seines Generalsecretärs v. Bar über die ihr rechtlich und praktisch entgegenstehenden Gründe. Die Krisis des Ministeriums nahm in der zweiten Hälfte Novembers 1853 den unerwarteten Ausgang, daß das ganze Ministerium Schele zurücktrat und dem von Herrn v. Lütcken gebildeten Platz machte. B. hat noch in den letzten Tagen der Selbständigkeit Hannovers auf den Vorwurf R. v. Bennigsen’s erwidert, er habe das Ministerium Schele nicht gestürzt, sondern zu dessen Beibehaltung gerathen. Das kann sehr wol richtig sein, aber nachdem er selbst seine eigenen Wege gegangen war, war in das Cabinet der Keim der Zwietracht und damit der Ohnmacht gelegt, während doch gegenüber einem Fürsten wie Georg V. und seiner Vorliebe für das persönliche Regiment ein Zusammenhalten aller Minister unbedingt geboten war. So groß die Anerkennung war, die B. allezeit von Freund und Feind gezollt wurde – einen der befähigtesten Beamten seit Menschengedenken hat ihn einmal R. v. Bennigsen genannt –, seit dem Sommer 1853 blieb ihm bei seinen Landsleuten der Vorwurf des Mangels an politischer Festigkeit und der Neigung sich in Intriguen einzulassen anhaften. Während des Ruhestandes, in den B. für einige Zeit trat, wurde ihm der Ministerposten in Bückeburg und, was ehrenvoller war, nach Wächter’s Rücktritt, die Präsidentenstelle am Oberappellationsgerichte der freien Städte in Lübeck angeboten. Er lehnte beides ab und ging zunächst auf dreiviertel Jahr zu seiner Erholung und Erlangung größerer Uebung in der französischen Sprache in die französische Schweiz, dann nach Göttingen, um bei G. Hanssen nationalökonomische Vorlesungen zu hören. [178] 1856 trat er wieder in den activen Dienst und übernahm die Stelle des ersten Verwaltungsbeamten in Lehe. In diese Zeit fallen die Bauten des Geestemünder Hafens, denen B. seine volle Aufmerksamkeit zuwandte. 1857 zum Landdrosten von Ostfriesland ernannt, bekleidete er dies Amt acht Jahre. So wenig der neue Landdrost seiner politischen Gesinnung nach den Ostfriesen genehm sein mochte, so erwarb er sich doch durch seine Verwaltung, seine Fürsorge für das Armen- und Schulwesen und den Landstraßenbau ihre Anerkennung. Er schied aus dieser Stellung, als ihn König Georg im November 1865 wieder zur Uebernahme eines Ministerpostens berief. Das neue Ministerium, das fünfte in der fünfzehnjährigen Regierung Georg’s V., war des Königs eigenste Schöpfung. Cabinetsbildungen durch andere als den Herrscher selbst erschienen ihm unvereinbar mit einem monarchischen Regiment. Das Gesammtministerium der Verfassung war ihm immer eine unsympathische Institution, die er soviel als möglich bei Seite schob. B. hatte den Ministerposten nur unter der Bedingung übernommen, daß ihm, wenn seine leidende Gesundheit der Führung der Geschäfte nicht gewachsen sei, die Entlassung nicht versagt werden solle. Er übernahm das Ministerium des Innern. Die erste That des neuen Ministeriums, die Zurückziehung der bescheidenen Wahlgesetzreform, über welche Regierung und Kammern einig geworden waren, war nicht geeignet, einen guten Eindruck hervorzurufen. B. machte sich vor allem an die Reform des Gewerbewesens. Es zeugt für seinen Muth wie für seinen Einfluß über den König, wenn er die Zünfte, die die getreuesten Anhänger des Welfenthums in sich schlossen, zum Gegenstand seiner Reform ersah. Seine unbefangene und praktische Auffassung gab sich auch darin kund, daß er in die Commission zur Vorberathung seines Gesetzentwurfs zwei Häupter der oppositionellen Partei und entschiedene Anhänger des Nationalvereins, den Stadtsyndikus Albrecht von Hannover und den Bürgermeister Miquel von Osnabrück, berief. Der Entwurf beseitigte den Zunftzwang, ließ aber die Zünfte bestehen und wahrte ihnen eine so ehrenvolle und einflußreiche Stellung, daß man auf einen freiwilligen Eintritt der Gewerbtreibenden rechnen durfte. Die Vorlage, die nicht Ansichten huldigen, sondern Bedürfnissen entsprechen wollte, wurde von Rechts und Links bekämpft, in der ersten Berathung der zweiten Kammer aber von einem Kenner der Verhältnisse wie Miquel in ihren Grundzügen vertheidigt, wie auch Bening später noch ihrem Principe seine Anerkennung ausgesprochen hat. Der gesetzgeberischen Erledigung des Gegenstandes traten die großen Zeitereignisse in den Weg. In der Krisis des Jahres 1866 kam B. das Verdienst zu, energisch für die Abschließung eines Neutralitätsvertrags mit Preußen eingetreten zu sein. Als in dem Conseil vom 13. Mai über den Entwurf einer an den hannoverschen Gesandten in Berlin zu richtenden Depesche berathen wurde, setzte er der umständlichen, in juristischen Deductionen aus dem Bundesrecht sich ergehenden Arbeit des Staatsraths Zimmermann improvisirt eine kurze und kräftige Erklärung entgegen: „da die Grundsätze des deutschen Bundesrechts ihre thatsächliche Geltung nicht mehr finden würden, will die hannoversche Regierung neutral bleiben, da die Neutralität in einem solchen Falle den Verhältnissen und Interessen des Landes entspricht, während sie andrerseits hofft, daß ihre Neutralität streng geachtet werde“. Der Entwurf fand allgemeine Zustimmung, aber die Aufforderung Bacmeister’s, nun auch die Vertragsverhandlung zu beschleunigen, damit es nicht wie mit den sibyllinischen Büchern gehe, blieb unbefolgt. Der König und die Hofpartei horchte auf die Einflüsterungen und Anerbieten Oesterreichs und behandelte die immer deutlicher werdenden Warnungen Bismarck’s geringschätzig. Man glaubte neutral zu bleiben, wenn man sich in den Mantel der Bundestreue hüllte. Während diese Stimmungen den Hof beherrschten, [179] wurden die letzten parlamentarischen Schlachten im hannoverschen Ständesaal zwischen B. und R. v. Bennigsen geschlagen. In dem was der Minister auf die scharfen Angriffe des Oppositionsführers erwiderte, sah Miquel mehr die Betrachtungen eines Historikers oder eines Philosophen als die Rede des verantwortlichen Ministers eines hochgefährdeten Mittelstaats. Nach der neuen Wendung, die die hannoversche Politik seit Ende Mai genommen hatte, ließ sich offenbar in der Oeffentlichkeit nicht mehr sagen. Man kann es sich kaum vorstellen, daß ein Mann von so großem Scharfsinn in den Gebieten des öffentlichen Lebens sich an der Ueberschätzung Oesterreichs und der Unterschätzung Preußens, die seine Umgebung beherrschte, betheiligt haben soll. Bei der Berathung am 15. Juni über die preußische Sommation trat B. mit sämmtlichen Ministern der verwerfenden Auffassung des Königs bei; aber er machte von seinem früheren Vorbehalte Gebrauch und bat alsbald um seine Entlassung. Sie wurde ihm von Göttingen aus, wohin König Georg sich in der Frühe des 16. Juni begeben hatte, unter dem 19. Juni 1866 ertheilt.

B. lebte seitdem in Göttingen, erwarb ein eigenes Haus und besuchte wieder wie früher die Vorlesungen der Professoren. Vor allem zog ihn der Nationalökonom Helferich an; er hörte aber auch Lotze, Ernst Curtius und zuletzt noch die Vorlesungen Planck’s über den ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs; und das alles nicht wie ein Dilettant, der sich anregen lassen will, sondern mit der Gewissenhaftigkeit eines fleißigen Studenten, der sein Heft führt und eifrig nachstudirt. Der welfischen Partei angehörig, betheiligte er sich an deren Presse und Versammlungen; ohne nach außen hervorzutreten, hat er sicherlich in der Partei einen großen Einfluß ausgeübt. Ein Mann von viel zu freiem Gesichtskreis, um sich in die Enge der Parteischranken bannen zu lassen, unterhielt er freundschaftlichen Verkehr mit geistvollen und kenntnißreichen Männern der verschiedensten Richtungen. Aufmerksam folgte er den neuen Erscheinungen des wirthschaftlichen und des Rechtslebens. „Ich bin kein laudator temporis peracti“ bekannte er in dem letzten Schriftchen, das aus seiner Feder geflossen ist, einem im September 1887 an den Director im Reichsamt des Innern, den nachherigen Preußischen Cultusminister Bosse, gerichteten Sendschreiben über den Nachwuchs in der höheren Verwaltung. Angeregt durch die ihm mitgetheilten amtlichen Verhandlungen über den Gegenstand, bespricht er die Verwendung der Studienzeit und die ihr nachfolgende praktische Ausbildung. Freimüthig, geistvoll, in klarer und scharfer Form und mit reformatorischen Gedanken, so daß man bedauern muß, daß die kleine Schrift, als Manuscript gedruckt, der öffentlichen Discussion entzogen geblieben ist. Namentlich ihr Vorschlag nach Art der Militärakademie eine Civilakademie für die jungen Verwaltungsbeamten zu errichten, denen jetzt erst volkswirthschaftliche Studien den Nutzen bringen würden, den sie auf der Universität nicht stiften können. Was B. sonst noch geschrieben hat, ist aus den Bedürfnissen des Justizdienstes erwachsen: ein Bericht über das schwurgerichtliche Verfahren, von B. als Oberstaatsanwalt erstattet (Hannover 1851); zur Orientirung in der Justizreformfrage, von einem Unbetheiligten (Hannover 1858) und ein Votum über die Schwurgerichte (Aurich 1862), das durch den Angriff des Obergerichtsdirectors Wiarda in Nienburg auf das Institut und seine Vertheidigung durch den Obergerichtsrath Schwarz in Celle hervorgerufen war. Sein Urtheil über das Schwurgericht war nicht glimpflicher geworden, zumal er das Mißgeschick gehabt hatte, als Obmann der hannoverschen Geschwornen bei der viel besprochenen irrigen Verurtheilung der Angeklagten Ziegenmeyer und Busse wegen Mordes mitzuwirken. Trotz langjähriger nervöser Leiden hatte sich B. bis in sein hohes Alter Frische des Geistes und Theilnahme an allen öffentlichen und wissenschaftlichen [180] Angelegenheiten erhalten. Zum Danke für seine Verdienste um den Civilproceß und seine von Jugend auf der Universität Göttingen bewahrte Liebe verlieh ihm die juristische Facultät am 15. Februar 1885 die Doctorwürde. B. starb in Göttingen am 3. August 1890 im 84. Lebensjahre.

Staats- u. Gesellschaftslexikon, hsg. v. H. Wagener III (Berlin 1860), S. 167. – Deutsche Volkszeitung 1890, Nr. 5268 (10. Aug.). – Hannov. Courier 1890, Nr. 16 559 u. 16 562 (viel Irrthümer). – Beamish, Gesch. der kgl. engl.-deutschen Legion II, 116, 454. – Briefw. zw. Grimm u. Dahlmann, hsg. v. Ippel I, 157. – Leonhardt, Justizgesetzgebung d. Kgr. Hannovers II (1851) S. 16. – E. v. Meier, Hannov. Verf.- u. Verwaltungsgesch. II (1899), S. 151 ff. – Oppermann, Zur Gesch. d. Kgr. Hannover passim. – Stüve, Biographie Lehzens (Hs.). – Poschinger, Preußen im Bundestag I, 302; IV, 61. – Meding, Memoiren z. Zeitgesch. I (1881), 68; II. 1 ff. – v. Hassell, Gesch. d. Kgr. Hannover II (1899), 197 ff. – v. d. Wengen, Gesch d. Kriegsereign. zw. Preußen u. Hannover (1886), S. 122 ff.