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ADB:Lersner, Jacob

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Artikel „Lersner, Jakob“ von Max Lenz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 435–436, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lersner,_Jacob&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:32 Uhr UTC)
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Lersner: Jakob L. (urspr. Lersemacher, d. i. Schuhmacher. Der Name L. zuerst 1527), Sohn des Ludwig L., eines langjährigen hessischen Beamten, der u. a. Landgraf Philipp den Großmüthigen auf den Wormser Reichstag 1521 begleitete, geb. in Marburg 1504, † am 5. März 1579, studirte in Heidelberg und Erfurt (immatric. 1517 und 1520), ward 1527 in Marburg inscribirt, war Anfangs Mönch und soll nach dem Austritt aus dem Kloster 1530 in Paris gewesen sein. Im Cölibat ist er sein ganzes Leben geblieben. Während der dreißiger Jahre diente er Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig, verließ aber, als dieser mit dem Landgrafen zerfiel, seinen Dienst und trat in den Philipps über, der den „geschickten Gesellen“, wie er ihn nannte, vielfach benutzt hat. Schon 1542 führte L. neben anderen Räthen am Niederrhein die Verhandlungen zwischen Herzog Wilhelm von Cleve und dem burgundischen Hof, durch welche Landgraf Philipp und der Erzbischof Hermann von Köln die kriegerische Lösung der geldrischen Frage zu beseitigen suchten. Im folgenden Jahr zog ihn der Fürst unter der besonderen Bestallung als Procurator in dem nassauischen Proceß an den Hof und sandte ihn Namens des schmalkaldischen Bundes im Herbst 1544 nach Italien, um die berühmten Rechtslehrer in Bologna und Ferrara, Socinus und Alciatus zu Consilien in der Frage der braunschweigischen Sequestration zu bestimmen. L. brachte die Schriftstücke, für die er schweres Geld hatte zahlen müssen, im März 1545 nach Deutschland zurück; sie wurden dann den schmalkaldischen Ständen in Worms vorgelegt. Während des Krieges gegen Karl V. vertrat L. die Interessen Philipps auf dem Bundestage in Ulm (September bis November 1546) und übernahm darauf mit dem sächsischen Kanzler Franz Burkhard und Dr. Hans Niedprucker, dem Schwiegervater Sleidans, eine Reise nach Frankreich und England, um diese Mächte zur Unterstützung der bedrängten deutschen Protestanten zu vermögen. In der That ließ sich im Frühjahr 1547 die französische Regierung zu einer namhaften Geldhülfe herbei, welche freilich die Katastrophe Philipps und des Kurfürsten nicht mehr aufzuhalten vermochte. Die Gefangenschaft des Landgrafen führte L. in der zweiten Hälfte des Jahres nach Augsburg, wo er als Bevollmächtigter der hessischen Regierung und Landschaft für die Befreiung des Fürsten zu wirken suchte, und auch im folgenden Jahre war er neben anderen Räthen hierfür wie besonders in der nassauischen Sache am kaiserlichen Hofe thätig. 1553 ward ihm zu Marburg im Beisein Philipps und der jungen Landgrafen die juristische Doctorwürde übertragen; der Fürst hing ihm dabei selbst eine goldene Kette um. 1554 mußte L. demselben Bericht über einen Streit Dr. Oldendorp’s mit der Marburger Geistlichkeit erstatten. Vier Jahre später erhielt er nach dem Tode des Ferrarius das Vicekanzleramt an der Universität, das er bis an sein Ende inne hatte. Doch auch jetzt ward er noch gern zu politischen Geschäften herangezogen, so als Gesandter zum Reichstage in Regensburg 1556. Im Ganzen mußte L. in nicht zwei Jahrzehnten es sich dreimal gefallen lassen, vom Hofgericht in Marburg nach Cassel und wieder zurück versetzt zu werden. Nach der Beilegung des nassauischen Prozesses hoffte er endlich als 56jähriger in Marburg sich zur Ruhe setzen zu dürfen, jedoch scheint der von ihm damals sehr lebhaft ausgesprochene Wunsch auf den [436] Fürsten keinen Eindruck gemacht zu haben; wenigstens treffen wir ihn 1561 wieder auf dem Religionsconvent in Erfurt, 1566 und 1567 auf den Reichstagen zu Augsburg und Regensburg. In seinem Testamente ermahnt Philipp seine Söhne, den Dr. Jakob L., das „gut, fromme Männlin“ nicht von sich zu lassen, sondern ihn am Hofgericht oder zu Cassel in der Kanzlei zu gebrauchen und wohl zu unterhalten, und wirklich mußte L. 1570 und 1571 wieder auf den Reichstag ziehen, ja noch aus dem J. 1573 liegt ein Gesuch des Landgrafen Georg an seinen Bruder Wilhelm vor, ihm den alten Diener interimistisch als Kanzler zu überlassen. In der Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft hat L. sich einen Namen gemacht durch die „Antwort etc. auf die Frage, ob es besser sei, nach gewissen beschriebenen und sonst bewährten bräuchlichen Rechten, Gesetzen, Ordnungen und Gewohnheiten, oder nach eigener Vernunft, Sinn, Witz, Gutdünken und selbst gefaßter Billigkeit und eigenem Gewissen zu urtheilen, zu regieren, Regiment, Recht, Gleichheit, Gehorsam, Friede und Einigkeit zu erhalten“ (Marburg 1542), worin er also für die Einführung des gelehrten, geschriebenen, d. h. kaiserlichen, römischen an Stelle des mündlichen, individuellen oder particularen, ungelehrten Rechtes eintrat. Die Schrift enthält auch einen Angriff gegen die Tortur.

Strieder, Hess. Gelehrt.-Gesch. VII. Stölzel, Die Entwickelung des gelehrten Richterthums in deutschen Territorien. Stintzing, Gesch. der deutsch. Rechtswissenschaft I. Ranke, Deutsche Gesch. IV, 10. Buch, 8. Cap. Marburger Archiv.