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ADB:Maltitz, Friedrich Apollonius Freiherr von

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Artikel „Maltitz, Friedrich Apollonius, Freiherr von“ von Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 150–152, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Maltitz,_Friedrich_Apollonius_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 23:02 Uhr UTC)
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Band 20 (1884), S. 150–152 (Quelle).
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Maltitz: Friedrich Apollonius, Freiherr von M., geb. am 11. Juni 1795 zu Gera, als jüngster Sohn eines kaiserlich russischen Gesandten, welcher durch häufige Versetzungen und außerordentliche Missionen verhindert war, irgendwo festen Fuß zu fassen. Er entbehrte dadurch das Gefühl der Heimath, und konnte ebensowenig sich des Zusammenlebens mit Altersgenossen wie des Besuches eines Gymnasiums erfreuen. Der Unterricht mußte ausschließlich durch Hauslehrer erreicht werden, und konnte nur ein höchst mangelhafter sein, da das Wanderleben einen häufigen Wechsel der Lehrer herbeiführte. Der Jüngling erkannte dies sehr bald und war eifrig bestrebt durch unablässiges Selbststudium alle Lücken seines Wissens auszufüllen, – ein Streben welches ihn sein ganzes Leben hindurch begleitete. Dadurch aber ward eine in seinem Wesen liegende Schüchternheit und Befangenheit immer mehr bei ihm ausgebildet, die zu überwinden ihm Jahre lange Mühe machte. Um so günstiger wirkte jedoch das Reiseleben auf die Phantasie des Knaben und Jünglings durch die mannigfaltigen Bilder, welche an ihm vorübergeführt wurden. Während eines Aufenthaltes in Karlsbad sah er Goethe, dessen Bedeutung der Knabe mehr ahnte als begriff; er betrachtete ihn, wie er sagte, „mit einem Schauer der Bewunderung und Ehrfurcht vor einer Größe, die ihm weit über alle andere Macht erhaben schien“. Eben daselbst sah er im Jahr 1813 Theodor Körner, der noch in demselben Jahre den Tod fürs Vaterland sterben sollte. – Nachdem der Vater zwei Jahre lang Gesandter in Stuttgart gewesen war, ward er 1812 als solcher nach Karlsruhe versetzt und hier ward M. nebst seinem älteren Bruder als Attaché der Gesandtschaft beigegeben. In dieser Eigenschaft begleitete er den Vater zum Kongreß nach Wien. Als dann später im J. 1816 Varnhagen als preußischer Geschäftsträger nach Karlsruhe kam und der General Tettenborn sich ebendaselbst niedergelassen hatte, war es dem jugendlichen M. vergönnt, in dem Kreise bedeutender Männer der sich um jene Zwei bald gesammelt hatte, Aufnahme und Verständniß zu finden. Aufs lebhafteste dadurch angeregt, gab M. sich mit vollem Eifer dem Studium der alten Classiker hin, indem er zugleich mit wachsendem Vertrauen sein poetisches Talent übte. Schon 1817 erschien in Karlsruhe ein Band poetischer Versuche, die der junge einundzwanzigjährige Sänger in die Welt hinaussandte. Diese angenehme Existenz ward plötzlich in grellster Weise zerstört. Der bescheidene junge Diplomat ward von einem militärischen Raufbolde auf die schmählichste Weise beleidigt; ein Duell war unvermeidlich, und der Beleidiger blieb todt auf dem Platze. Lange Jahre hindurch blieb das weiche Gemüth des jungen Dichters durch dieses Ereigniß aufs tiefste erschüttert. Die nächste Folge desselben war seine Versetzung zur Gesandtschaft in Stuttgart. Hier ward ihm der damalige Gesandte, Fürst Kosloffsky, bald ein väterlicher Freund; dieses Verhältniß zu einem der geistreichsten und liberalsten Diplomaten jener Periode, blieb für M. nicht ohne die günstigsten Einflüsse, – und sein Glücksstern fügte es, daß nach dem Rücktritte dieses Vorgesetzten, der Nachfolger Graf Konstantin Benckendorf, ihn gleichfalls als Glied seiner Familie aufnahm. M. war in seiner damaligen elegisch-sentimentalen Stimmung sehr entzückt von Matthison’s Dichtungen, und da dieser zu jener Zeit in Stuttgart lebte, hatte er vorzugsweise dessen Umgang gesucht, und war von dem Sechszigjährigen mit freundlicher Theilnahme aufgenommen worden. Unter diesen Eindrücken versuchte sich M. zum ersten Male in der dramatischen Poesie, und sein Trauerspiel „Virginia“, ist das beste von denen die er geschrieben. Im Jahre 1821 nach Berlin versetzt, fand er dort bald eine ansprechende Geselligkeit und ward durch Varnhagen [151] in den Kreis der bedeutendsten Repräsentanten der Litteratur eingeführt. Ein Besuch in Dresden vermittelte ein enges Freundschaftsverhältniß mit Elise von der Recke und Tiedge; die wahrhaft christliche Richtung, die in diesem Kreise herrschte, gewann einen unauslöschlichen Eindruck auf seinen Geist und sein Gemüth. – Früher als ihm lieb war, mußte er aus diesen Umgebungen scheiden; er ward gegen Ende des Jahres 1823 in die Kanzlei des Großfürsten Constantin nach Warschau berufen; hier verlebte er drei Jahre in fast vollständiger Abgeschiedenheit, doch zeitigte diese Einsamkeit manche dichterische Blüthe: neben lyrischen Ergüssen entstanden Lustspiele und Sinngedichte. Das J. 1826 führte ihn in die frühere Carriere zurück und zwar nach Wien, wo er sich rasch heimisch fühlte und ein reiches geistiges Leben genoß. Nach drei Jahren ward er nach Rio Janeiro versetzt, wo er den Gesandten auf dem Sterbebette fand, und von Anfang 1830 an die gesandtschaftlichen Geschäfte selbständig führte. Er erlebte hier die Revolution im April 1831, welche den Kaiser Pedro I. veranlaßte, seine Krone auf seinen minderjährigen Sohn zu übertragen. Sieben Jahre lang mußte er in diesem Lande verweilen, in das er sehr ungern gekommen; doch fand er sich rasch in seine Lage, denn es fehlte auch dort nicht an einem kleinen Kreise bedeutender Männer die er anzuziehen und zu fesseln verstand, und der Reiz der fremden Welt die ihn umgab, regte ihn stets von neuem zu dichterischen Arbeiten an. Seiner, unter dem tropischen Klima leidenden Gesundheit wegen bat er um seine Versetzung, die ihm im Spätsommer 1836 zu Theil ward und ihn nach München führte, wo er mit dem Gesandten Severin bald durch die innigste Freundschaft verbunden ward. Der Zusammenfluß hervorragender Männer auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst war damals in München ein auffallend großer, und in ihren Kreisen fand M. sich bald als ebenbürtig anerkannt. Mit F. von Elsholtz (Bd. VI, S. 65) und F. A. von Zu-Rhein verband er sich zur Herausgabe einer Wochenschrift „Deutsche Theeblätter“, die jedoch schon nach zwei Jahren wieder einging. In München ward ihm auch das Glück zu Theil, eine Gattin zu finden, deren heiteres, fein besaitetes Gemüth die Geistesrichtung, die Frömmigkeit und den Humor des Gatten verstand und deren liebevolles Eingehen in die Intentionen des Dichters für diesen ein Sporn zu unablässig neuer Schöpfung ward. – Das diplomatische Wanderleben ward für ihn im J. 1841 durch seine Versetzung nach Weimar als Geschäftsträger beendigt. Hier fand er im eigentlichsten Sinne seine Heimath, und verlebte dort neunundzwanzig Jahre in der angenehmsten Stellung. Die reinste Selbstlosigkeit, der ächt christliche Sinn, die werkthätige Humanität befähigten ihn zu einer Antheilnahme an dem Wohl und Wehe seiner Mitmenschen, zu einer Bethätigung dieser Empfindungen, die vor keiner Mühe und Beschwerde zurückschreckte. Und diese Wärme des Herzens war durchleuchtet von einem Humor der Auffassung und Darstellung, wie er selten in dieser Weise und in dieser Mischung zur Erscheinung kommt. Daß einem solchen Charakter der Tribut allgemeiner unbeschränkter Verehrung nicht fehlen konnte, braucht kaum erwähnt zu werden. – Im Laufe dieser Jahre entstanden neben zahlreichen Gedichten auch mehrere größere poetische Werke; so die Trauerspiele „Spartakus“ und „Anna Bolena“; ferner „Das erste Verzeihen“, biblische Scenen der Versöhnung Esau’s und Jakob’s; zwei Gesänge zum Epos des ewigen Juden; drei Bände Lyrischer Gedichte: 1844 „ein Fähnlein Sinngedichte“; 1857 „Noch ein Blatt in Lethe“; 1858 „Vor dem Verstummen“. Allgemeine Anerkennung haben diese Arbeiten nicht gefunden, doch wurden sie von dem großen Kreise seiner Freunde verstanden und gewürdigt, und am Tage der dreihundertjährigen Jubelfeier der Universität Jena, im August 1858, schmückte die philosophische Facultät sein Haupt mit dem Doctorhut. – Seine amtlichen Leistungen waren durch die Ernennung [152] zum Geheimen Rath und durch die erste Klasse des St. Annenordens anerkannt worden. Seine dienstlichen Verpflichtungen nahm er so streng, daß er sich nie ohne Urlaub über Nacht von Weimar entfernte; dafür entschädigte er sich durch die ihm vergönnte jährliche Urlaubszeit, indem er mit seiner Gattin die ihm liebgewordenen Stätten früheren Verweilens wieder aufsuchte. Im Jahre 1865 nöthigte ihn seine sehr schwankende Gesundheit seine Entlassung zu nehmen, doch behielt er seinen Wohnsitz in Weimar bei, und sah hier die Stürme des Jahres 1866 von dem Standpunkte eines theilnehmenden, für Deutschlands Wohl lebhaft interessirten Zuschauers vorüberziehen. Ununterbrochen thätig führte er seine glückliche häusliche Existenz in gewohnter Weise fort, bis ihn am 2. März 1870 ein sanfter Tod seiner tiefgebeugten Wittwe entriß. Sein älterer Bruder, Friedrich, war gleichfalls in der diplomatischen Carriere geblieben, und zuletzt russischer Gesandter im Haag. Von dort zog er sich 1854 nach Boppard zurück, wo er am 25. April 1857 starb. Er hat sich vorzüglich durch eine Aufführung des Schiller’schen Torso „Demetrius“ (1817) in Deutschland bekannt gemacht. Seine weiteren Dichtungen sind in Brümmer’s Dichterlexikon (II, 5) verzeichnet.