Zum Inhalt springen

ADB:Manuel, Niklaus (Maler)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Manuel, Niklaus“ von Jakob Baechtold in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 275–280, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Manuel,_Niklaus_(Maler)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 10:38 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Manyocky, Adam
Band 20 (1884), S. 275–280 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Niklaus Manuel in der Wikipedia
Niklaus Manuel in Wikidata
GND-Nummer 118577379
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|275|280|Manuel, Niklaus|Jakob Baechtold|ADB:Manuel, Niklaus (Maler)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118577379}}    

Manuel: Niklaus M., 1484–1530, Dichter, Maler und Staatsmann. – Die Herkunft Manuel’s ist dunkel. Alle urkundlichen Indicien deuten darauf hin, daß er außerehelich geboren wurde und führen auf einen Vater aus dem von Chieri bei Turin nach Bern eingewanderten Geschlechte Alemann. Das Geburtsjahr ist unsicher. Seine Mutter ist zuverlässig Margarethe Frickart, die illegitime Tochter des Berner Stadtschreibers und Chronisten Thüring Frickart (s. d.) und der Vater höchst wahrscheinlich der 1483 erwähnte Emanuel Alemann, Apotheker. Niklaus M. führte bis zu seiner Heirath den Namen Alemann, mit dem Zusatz: Deutsch. Niklaus hieß er nach dem Pathen, dem späteren Stadtschreiber Niklaus Schaller; den Namen Manuel (es ist der Taufname des Vaters Emanuel) legte er sich im Gefühl seiner dunkeln Herkunft beim Eintritt ins öffentliche Leben als Geschlechtsnamen bei, nachdem er den väterlichen Geschlechtsnamen Alemann eine Zeit lang, zumal auf seinen Bildern, in der germanisirten Form Deutsch geführt hatte. Das Verhältniß zwischen Enkel und Großvater scheint ein gespanntes gewesen zu sein, darauf hin weist namentlich des letzteren Testament von 1517, in welchem M. gänzlich übergangen wurde. Die Jugendzeit Manuel’s liegt ebenfalls im Dunkel. Es bleibt mehr als zweifelhaft, ob er die Schule des Heinrich Lupulus (Müslin) in Bern besucht habe; als Lebensberuf ergriff der Jüngling die Kunst und bildete sich zum Maler aus, [276] möglicherweise in Bern selbst, wo der kunstreiche Paul Löwensprung lebte, später wahrscheinlich in Basel. Die Annahme, daß er um 1511 in Venedig in Tizians Atelier sich ausgebildet habe, beruht auf einem Mißverständniß. Dagegen ist Holbein’s und namentlich Dürer’s Einfluß ein sichtlicher. 1509 vermählte er sich mit Katharina Frisching († um 1535). 1512 wurde er in den großen Rath, in welchem er bis 1528 saß, gewählt, lebte aber bis zum J. 1522 fast ausschließlich seiner Kunst; er malte al fresco, auf Holz, Leinwand, zeichnete Cartons zu Glasgemälden, schnitt in Holz, ja er war sogar als Baumeister thätig, dem z. B. der Bau des Netzgewölbes im Chor des Berner Münsters übertragen wurde. An seinem großen Todtentanz im Predigerkloster malte er etwa von 1515 an. Nach einer neuern Ansicht dagegen wäre die Entstehungszeit desselben bis 1530 und vielleicht noch über M.’s Tod hinauszusetzen, als das Kloster bereits zum sog. niedern Spital umgewandelt war. (Vgl. E. v. Rodt, Das histor. Museum in Bern. 1884.) Um 1522 griff er zur Feder und warf seine ersten Fastnachtspiele hin. Zu Anfang dieses Jahres schloß er sich als Feldschreiber seinen Landsleuten an, die unter Albrecht vom Stein über den Simplon zogen, um mit den übrigen eidgenössischen Söldnern dem König von Frankreich Mailand zurückzuerobern. M. nahm Antheil an den Schlachten von Novarra und Bicocca. Nach seiner Heimkehr wurde er Landvogt in Erlach (seit 1523), wo er nun durch Wort und That für den Fortgang der evangelischen Sache zu wirken begann. Auf dem Religionsgespräch zu Bern 1528 war er der Rufer und es ist nicht am wenigsten seinem Einfluß zuzuschreiben, daß Bern der Reformation zugeführt wurde. Mit Ostern 1528 verließ M. Erlach und trat in den kleinen Rath, d. h. in die Staatsregierung von Bern ein. In der kurzen Zeit, die ihm noch zu wirken vergönnt war, entfaltete er eine umfassende staatsmännische Thätigkeit, aber der Kunst ist er von da an entrissen. Er wurde zugleich Mitglied des sog. Chorgerichtes, das sich mit der Organisation der neuen kirchlichen Verhältnisse beschäftigte und den sittlichen Zustand der Gemeinde überwachte. Im Spätherbst desselben 1528sten Jahres rückte er in die Stelle eines Venners der Gerbernzunft ein. Als solcher hatte er das Banner seines Stadtviertels ins Feld zu tragen, daneben auch als Richter zu amten. Zwischen den Jahren 1528–30 vertrat M. auf mehr als dreißig Tagsatzungen und Conferenzen die Sache Berns und der Reformation. In seinem Auftreten legte er überall Besonnenheit und Milde an den Tag; mehr als einmal war er als Repräsentant der Berner Friedenspolitik dem apostolisch eifernden Zwingli entgegengetreten. Einen hervorragenden Antheil nahm er an dem Zustandekommen des ersten Kappeler Friedens 1529, auch half er das evangelische Burgrecht mit Basel, Straßburg und Rottweil herbeiführen. Am 20. April 1530 starb er eines plötzlichen Todes. – In seiner Vielseitigkeit als Dichter, Maler, Architekt und Staatsmann erinnert M. an die großen Gestalten der italienischen Rennaissance, wenn auch die Proportionen wesentlich kleiner sind. Seine poetischen Schöpfungen sind durchwegs Gelegenheits- und Tendenzgedichte polemisch-satyrischer Natur. An der Spitze derselben stehen die Spruchverse zu den Todtentanzbildern; dieselben beanspruchen indessen keinen selbständigen Werth. Auch das folgende Bicoccalied (1522) ist poetisch nicht bedeutend, sein Werth beruht auf dem derben Ausdruck des ritterlichen Zorns über den Hohn der deutschen Landsknechte wegen der verlornen Schlacht. Ganz großartig aber muß die Wirkung der beiden Fastnachtspiele „Vom Papst und seiner Priesterschaft“ und „Von Papsts und Christi Gegensatz“ gewesen sein, welche an der Fastnacht 1522 in der Kreuzgasse zu Bern von Bürgerssöhnen aufgeführt wurden. M. überarbeitete beide Stücke und ließ sie 1524 im Druck erscheinen. Auf dem Schauplatze sitzt der Papst in großer Pracht mit allem Hofgesind, Pfaffen und Kriegsleuten hohen und niederen Standes. Weit hinten stehen Petrus und Paulus als verwunderte Beobachter. [277] Aus einem gegenüberliegenden Hause wird ein Sarg getragen und vor der Pfaffheit niedergesetzt. Ueber dieser Leiche baut sich nun das ganze Spiel auf, das auch die „Todtenfresser“ genannt wurde, indem hier angesichts des Todten die gesammte Kirche in allen ihren Rangstufen ihrer Leichengier Ausdruck gibt und die Nützlichkeit des Todes preist, während das arme und elende Volk den Untergang der reinen Lehre Christi bejammert. Das Verderbniß der Kirche kommt unter Herbeiziehung von Zeitereignissen, so der Belagerung von Rhodus durch die Türken, des Samson’schen Ablaßhandels etc. zur Sprache. Nun tritt Petrus hervor und erfährt entsetzt die Frevelthaten desjenigen, der sich zu seinem Nachfolger aufgeworfen hat. Der Papst bricht auf zum Rath, der Prädikant aber (Bertold Haller) verkündet das Herannahen des Wahrheitstages. Das ganze Spiel steht in Verwandtschaft zu Gengenbach’s „Todtenfressern“; ob diesem, ob M. die Priorität gebührt, ist noch nicht aufgehellt. Das zweite Fastnachtspiel von Papsts und Christi Gegensatz hat seinen Ursprung offenbar in jenen vielfach verbreiteten bildlichen Darstellungen genommen, die, wie z. B. Lukas Cranach’s Passional Christi et Antichristi die schlichten Tugenden des Erlösers dem übermüthigen Treiben des Statthalters Christi entgegenstellen; auf der einen Seite erscheint der Papst in stolzer Procession, auf der anderen reitet der Heiland das Eselsfüllen, ihm folgen die armen, barfuß nebenher schreitenden Jünger. Bei M. machen zwei Bauern ihre Betrachtungen zu dem Schauspiel. Beide Stücke sind nicht sowol Dramen, als bloße Fastnachtsaufzüge ohne eine eigentliche Handlung. Aber beide sind voll Leben, mit scharfer Lauge und zügellosem Witz getränkt. 1525 schrieb M. das kleine treffliche Spiel „Der Ablaßkrämer“. Dasselbe ist mit einer Keckheit, mit einem lachenden Humor und einer lebensvollen Natürlichkeit hingeworfen, daß wir unter den besten Erzeugnissen der Reformationssatire nicht viele ebenbürtige Gegenstücke finden. Die schönen Zeiten, da ein Samson im Berner Münster seinen Kram auslegte, sind vorbei. Der Ablaßkrämer hat sich blos noch in ein Dörflein gewagt und ruft hier das Publikum an seinen Kasten heran. Aber die derben Bäuerinnen und Bauern wollen ihr Geld, mit dem sie früher in ihrer Einfalt Vergebung unerheblicher Sündchen erlangt, zurückhaben. Umsonst droht der Krämer Richard Hinterlist mit dem Banne. Die Weiber, welche ihr Geschlecht an dem Schändlichen zu rächen haben, fallen über ihn her und ziehen ihn an einem Seil in die Höhe des Galgens, bis er Bekenntnisse macht, worauf ihm das Geld abgenommen und dem Bettler überwiesen wird. Als einen Protest aus dem Volk gegen die Nonnenklöster und zugleich als eine Frucht der eben erschienenen deutschen Bibel ist das Gespräch „Barbali“ (1526) aufzufassen. Eine Mutter will ihr elfjähriges Kind wegen Armuth zum Kloster bereden. Das Mädchen aber verlangt ein Jahr Frist und liest während dieser Zeit fleißig im neuen Testament. Als nach Ablauf des Termins das Barbali nun erst recht kein Nönnchen werden will, holt die Mutter eine Schaar Pfaffen herbei; das Mädchen aber treibt sie mit einem Schwall von Bibelcitaten tapfer ab. Offenbar schwebte dem Dichter die Absicht vor, ein Gegenstück zu dem zwölfjährigen Jesusknaben im Tempel unter den Pharisäern zu schaffen. In das Jahr 1526 fällt das Spottlied von „Eck’s und Faber’s Badenfahrt“. Zwei Bauern geben eine drollige Beschreibung des Hergangs auf der Disputation zu Baden. Der 1528 in Prosa geschriebene Dialog „Krankheit und Testament der Messe“ ist das Reifste, was M. uns hinterlassen hat; es ist vielleicht die großartigste und durchschlagendste Satire der ganzen Reformationszeit. „Hier“ – sagt Grüneisen – „ist unstreitig das kräftigste enthalten, was die polemisirende Laune in jener Zeit geschrieben und mit einer originalen Einfachheit der Sprache, mit einem sprudelnden Witz der Bilder und Gegensätze, mit einer derben Eleganz, einem bei aller Ungezogenheit wohlberechneten schönen Maße des Ausdrucks dargestellt, daß nicht blos die reiche [278] dichterische Gabe des Humors, sondern auch das feine, künstlerische Talent des Geschmacks in dem komischen Ernste, in der wahrhaft rührenden Laune dieser kleinen Aufsätze sich zu erkennen gibt, die nur ein ausgezeichneter Geist in glücklichster Stunde so hervorbringen konnte.“ Der Papst erhält die Nachricht, daß die Messe in großer Gefahr schwebe; das Nachtmahl Christi und die Apostelbriefe träten als Widersacher gegen sie auf und nun liege sie auf den Tod krank. Da fahren Dr. Eck und Apotheker Faber mit ihr ins Bad (Anspielung auf die Badener Disputation), aber selbst durch das kräftigste Geschrei können sie die Sterbende nicht mehr ins Leben zurückrufen. Man will sie am Fegefeuer erwärmen, doch die Bauern haben dasselbe mit dem Weihwasser gelöscht. Der Frühmesser (Bertold Haller) soll den Herrgott holen, damit man die Röchelnde mit der letzten Wegzehrung versehe; er aber antwortet: ich mag ihn nicht erlangen, der Himmel ist sein Stuhl und die Erde sein Fußschemel! Als der Arzt ungestümer nach dem Frohnleichnam Christi verlangt, entgegnet jener: er sitzt zu der Rechten seines Vaters, er ist auferstanden und nicht mehr hier! Auch Dr. Murner weiß keinen Rath. Da machen sich die Aerzte aus dem Staube und überlassen die Hilflose ihrem Schicksal. Damit spielt der Dichter auf das Wegbleiben der Katholischen von der Berner Disputation an. Außer Eck, Faber, Murner u. A. treten Oecolampad, Vadian und M. selbst auf. In dem erst später dazu gekommenen „Testament“ setzt die Messe ihren letzten Willen auf: ihre arme Seele verordnet sie ihrem Schöpfer dem Papst, ihr Leichnam soll unter den Augen der Pfaffheit bestattet werden und von ihren Habseligkeiten erhält Hans Schmied (Faber) ein Stück der Altardecke zu einem Schurzfell; der wohlschreiende Dr. Eck das Oel aus dem ewigen Licht, seine Kehle, die er heiser disputirt hat, zu salben; Murner bekommt das weiße Altartuch, seinen Mähdern aus der „Gauchmatt“ darauf zu essen zu geben. Eine überraschende Wendung nimmt der Dichter mit der „Klagred der armen Götzen“ (1528). Das Gedicht fällt in die Zeit, da im Münster zu Bern bei Einführung der Reformation das rohe Zerstörungswerk der Bilder anhub. „M. läßt seine Götzen im Anfang ihrer gereimten Klagrede demüthig bekennen, daß sie hohl, todt und ohnmächtig seien und mit Unrecht ihre Ehrenplätze auf den Altären eingenommen hätten; dennoch sei man jetzt allzuhart gegen die Aermsten verfahren, da sie sich ja nicht selber geschaffen und sich ja niemals geregt, niemals etwas verlangt haben. Und nun läßt er sie plötzlich den Spieß umkehren und gegen Volk und Obrigkeit die bitterste Strafpredigt richten, die je ein katholischer oder protestantischer Kanzeltyrann gehalten hat. Sie sollen nun auch die Götzen in ihrer eigenen Brust zerstören, die unzähligen Laster und Nichtswürdigkeiten, denen sie fröhnen. Und da liegt der Gedanke wol nicht fern, daß es der im Innern schmerzlich verletzte Künstler war, der den emsig am Werke stehenden Mitbürgern durch den Mund der untergehenden Bilder also den Kopf wusch.“ Das letzte Werk Manuel’s ist das „Elsli Tragdenknaben“ oder das „Chorgericht“ (1530). Es behandelt den Uebergang der Matrimonialgerichtsbarkeit aus der bischöflichen Kompetenz in diejenige des Staates und der Gemeinde. Zwei hadernde Parteien erscheinen vor dem Offizial. Ein Geselle hat einer verlorenen Dirne die Ehe versprochen, aber das Wort nicht gehalten. Nachdem man vor dem Richter allseitig genugsam den Kragen geleert, versöhnt man sich zum großen Aerger der Fürsprecher. Aus einem Brief Manuel’s an Ulrich Zwingli wissen wir endlich, daß jener noch andere satirische Gedichte: „Einen Gaukler vom Ablaß sprechend“ und „Den Traum“ verfaßt hat. Diese sind verschollen. Fälschlich wurde ihm dagegen (auch in der Allg. D. Biogr. s. v. Jetzer) die Autorschaft des deutschen Tractates über den Jetzerhandel 1509, des Liedes zum Preis der unbefleckten Empfängniß sowie einiger anderer Stücke zugeschrieben. Manuel’s dritter Sohn [279] Nikolaus (1528–88) hat jene Schrift ins Französische übersetzt, daher rührt wol der Irrthum. M. ist in allen seinen Werken originell, derb urwüchsig, ein Meister der Sittenschilderung, kernhaft, tüchtig. Unerbittliche Wahrheit, hohes sittliches Pathos, „unvergleichliche demagogische Kraft“ und flotter, packender Vortrag zeichnen seine Dichtungen, die sich den besten Erzeugnissen des 16. Jahrhunderts an die Seite stellen, aus. – Ebenso vielseitig ist M. als bildender Künstler, leider kennen wir viele seiner bedeutendsten Werke blos aus ungenügenden späteren Copien. Seine künstlerische Entwicklung ist nicht aufgeklärt, an heimische Vorbilder läßt sie sich nur lose anknüpfen. In Hinsicht auf die Vielseitigkeit und Kraft seines Geistes, die unerschöpfliche Erfindungsgabe, den hochentwickelten Schönheitssinn und die Schärfe der Charakteristik, endlich auch die Manigfaltigkeit der technischen Darstellungsmittel ist M. der größte Künstler der älteren Zeit, den die Schweiz hervorgebracht hat. Leider ist er, auf der Höhe seines Schaffens stehend, der Kunst entfremdet worden, alle seine monumentalen Werke, wie der große Todtentanz im Berner Dominikanerkloster, das große Wandgemälde am Haus auf dem Münsterplatz hinter dem Mosesbrunnen, Salomons Götzendienst (1518, mit leisen persönlichen Beziehungen auf Thüring Frickart) darstellend, sind untergegangen und nur in Nachbildungen vorhanden; was geblieben, fiel durch das Auftreten eines Größeren in der Schweiz, Holbein’s, vorzeitig der Vergessenheit anheim. Eben diesen zu Grunde gegangenen Wandmalereien war wol seine Bauernhochzeit beizuzählen, die gleichfalls nur in einer späteren Oelcopie überliefert ist. Zu Manuel’s ältesten Bildern gehören die Oelgemälde auf der Vorder- und Rückseite eines Altarflügels im Berner Museum, den Evangslisten Lukas und die Geburt der Maria enthaltend. Seine besten und zahlreichsten Werke besitzt die Amerbach’sche Sammlung des Baseler Kunstmuseums: „Die Enthauptung des Johannes“, „Bathseba von David belauscht“ (auf der Rückseite des Bildes befindet sich die großartig schauerliche Umarmung der Dirne durch den Tod), „Lucretia“, „Pyramus und Thisbe“, „Das Urtheil des Paris“ und „Die Anbetung der heiligen Anna“. Auch Porträte, darunter Selbstporträte, sind erhalten. Was Kenner an all diesen Bildern aussetzen, ist der Mangel einer gründlichen Schule. Am werthvollsten sind die Baseler Handzeichnungen: prachtvolle, von den Zeitgenossen unübertroffene Entwürfe zu Glasgemälden von höchster Schönheit der Linien und Anmuth des Gesichtsausdrucks, der reizende Cyklus von den klugen und thörichten Jungfrauen, virtuose Darstellungen aus dem Leben und Treiben der Landsknechte, wahrhaft geniale erotische Scenen u. dgl. Manches, namentlich in den berühmten Silberstiftzeichnungen, erinnert direct an Holbein’s Weise. Hier hat M. die Höhe seiner Kunst erreicht.

Sein Sohn ist Hans Rudolf M., ebenfalls Zeichner und Dichter, geb. 1525 in Erlach, trat 1560 in den Rath und siedelte als bernischer Landvogt 1562 nach Morsee in der Waadt über. Er starb 1571. In seinen Dichtungen erweist er sich als den nicht unbegabten Nachahmer seines Vaters. Außer einigen Spruchversen zu Holzschnitten stammt von ihm ein Meistersingerlied: „Freundliche Warnung an eine lobliche Eidgenossenschaft“ (1557) und ein treffliches Fastnachtspiel: „Vom edeln Wein und der trunkenen Rotte“ (1548), voll fröhlich derben Lebens. Einige liederliche Zechbrüder haben den Wein geschmäht; der fromme Rebmann aber erhebt Klage gegen die Verläumder. In einer stürmischen Gerichtsscene werden die Lästermäuler verurtheilt, der Wein aber als ein Gerechter entlassen. Das Stück wurde um 1548 in Zürich aufgeführt. – Auch von Hans Rudolf sind Handzeichnungen und Holzschnitte vorhanden: Landsknechte, Herolde, Skizzen zu Wappenschildern etc., sehr ungleich, zum Theil steif und schwach, zum Theil so lebendig und schön, daß man an Vorlagen des [280] Vaters denkt. Er lieferte für die erste lateinische Ausgabe von Sebastian Münster’s Kosmographie (1550) 22 Zeichnungen, meist Städteansichten, Wappen u. A. Technische Illustrationen ohne Kunstwerth sind seine Holzschnitte zu Georg Agricola’s De re metallica (1556). Die Baseler Universitätsbibliothek bewahrt einen großen Holzschnitt, die Schlacht bei Sempach darstellend, mit Hans Rudolf Manuels Monogramm und der Jahreszahl 1551.

Vgl. C. Grüneisen, Niclaus Manuel, Leben u. Werke eines Malers u. Dichters, Kriegers, Staatsmanns u. Reformators im 16. Jahrhundert, Stuttgart u. Tübingen 1837; ferner die neue Ausgabe von Jakob Baechtold, Niklaus Manuel, Frauenfeld 1878 (als 2. Bd. der Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz, darin auch die Werke Hans Rudolf M.’s); Derselbe im Anzeiger für schweiz. Geschichte, X. Jahrg. (1879), S. 136 ff. u. in der Zeitschrift für deutsches Alterthum XXVI, S. 99 ff. Ueber den bildenden Künstler handeln außer Grüneisen Salomon Vögelin in Baechtold’s Ausgabe u. J. R. Rahn im Repertorium für Kunstwissenschaft, Bd. III (Stuttgart 1879).