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ADB:Meyer, Bernhard Ritter von

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Artikel „Meyer, Bernhard“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 555–561, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meyer,_Bernhard_Ritter_von&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 19:13 Uhr UTC)
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Meyer: Bernhard M., schweizerischer und hernach österreichischer Politiker, geb. am 12. December 1810 in Sursee (Kanton Luzern), † am 29. August 1874 zu Piesting (in Niederösterreich). Der aus der ansehnlichsten Landstadt des Kantons stammende begabte junge Mann machte seine Studien an den höheren Lehranstalten der Hauptstadt und zog die Aufmerksamkeit eines trefflichen, auf dem pädagogischen Felde wohlverdienten Priesters, des Franciscaners Girard (vgl. Bd. IX, S. 185 u. 186), auf sich. Da M. schon vor Besuch fremder Hochschulen für den ihm wohlgesinnten Lehrer als Stellvertreter im Fach der Philosophie [556] eintrat, so wünschte überhaupt Girard, der wegen angegriffener Gesundheit zurückzutreten gedachte, den Lieblingsschüler als seinen Nachfolger eintreten zu sehen. Doch hörte M. auf den fremden Universitäten – Heidelberg, Berlin, München, Paris – auch rechtswissenschaftliche neben den philosophischen Collegien. Die Regierung von Luzern, welche die Studien Meyer’s durch ein Stipendium gefördert hatte, gab nun aber 1834 nach Girard’s Rücktritt einem Ausländer, der wegen seiner Parteifarbe besser zu passen schien, den Vorzug, und M. gedachte sich als Advocat in Sursee niederzulassen. Doch 1836 bewarb er sich um die erledigte Stelle des zweiten Staatsschreibers, wurde als solcher erwählt und siedelte nach Luzern über, wo er nun in dieser seiner neuen Stellung neben dem ersten Staatsschreiber Siegwart (s. d. Art.) wirkte. Als der verfassungsmäßige Termin für die Revision der Kantonalverfassung, das Jahr 1841, heranrückte und gegen die den Regenerationsgedanken des Jahres 1830 entsprechende Regierung aus dem Kreise der von dem Bauern Joseph Leu geführten katholischen Volkspartei die Agitation anhob (vgl. Bd. XVIII, S. 470), ging zwar M. nicht so weit, wie Siegwart, welcher wegen seiner von dem im Amte stehenden Schultheißen als „Verrath“ gekennzeichneten Haltung 1840 seiner Stellung enthoben wurde – M. hatte sich bisher mehr zu einer um seinen Freund, den Theologen und Professor Burkard Leu (vgl. Bd. XVIII, S. 466), sich gruppirenden Mittelpartei gestellt –; aber immerhin galt er in den Augen seiner Vorgesetzten nicht als so zuverlässig, daß er an Siegwart’s Stelle hätte vorrücken können. Als dann 1841 die Revisionsfrage in Fluß kam, wurde auch M., als eines der wenigen höherer Bildung theilhaft gewordenen Mitglieder, in den Verfassungsrath gewählt. Als Mitglied des Ausschusses des Verfassungsrathes arbeitete nun M., dem die Redaction des neuen Entwurfes wesentlich zufiel, an der Seite Joseph Leu’s und stimmte in den Hauptpunkten gänzlich mit ihm überein. Nach Annahme des Verfassungswerkes, 1. Mai 1841, wurde M. in den neuen Großen Rath, wieder als eine der wenigen Capacitäten in der überwiegend einen bäuerlichen Charakter aufweisenden Versammlung, gewählt, und dieser setzte ihn jetzt in das Amt des ersten Staatsschreibers ein; zugleich erhielt er, anfangs als zweiter, später als erster Gesandter Luzerns, bis zum Sturze des 1841 geschaffenen Systemes, stets von Neuem den Auftrag der Vertretung Luzerns auf der Tagsatzung. Die seit dem Januar des Jahres schwebende Frage wegen Aufhebung der aargauischen Klöster, welche voran die Versammlung der Ständeabgeordneten beschäftigte, gab M. alsbald Gelegenheit, auch in diesen eidgenössischen Angelegenheiten Stellung zu nehmen. Die Instruction der Luzerner Gesandten lautete dahin, daß Aargau alle Klöster wieder einzusetzen habe und im Falle des Widerstrebens durch geeignete Maßregeln dazu anzuhalten sei. Während sich über diese durch die Schwerfälligkeit der Tagsatzungsverhandlungen endlos sich fortspinnende Sache die Leidenschaften zusehens stets mehr erhitzten, wurden nun aber auch im Kanton Luzern die siegreichen Träger der streng kirchlichen Auffassung der öffentlichen Dinge immer kühner, und das bot M. abermals die Gelegenheit, in einer seiner Einsicht und der Aufrichtigkeit seines Sinnes zur Ehre gereichenden Weise sich über einen wesentlichen Punkt auszusprechen. Nachdem schon im Herbst 1841 nahe dem Wohnorte Joseph Leu’s auf Luzerner Gebiete Missionspredigten von Jesuiten ins Werk gesetzt worden waren, wollte Leu mit der Durchführung seines Herzenswunsches, der Berufung von Vätern der Gesellschaft Jesu nach Luzern, nicht mehr länger zögern (vgl. Bd. XVIII, S. 470). Gegenüber dem Antrage der Berufung waren 1842 drei verschiedene Gutachten des Erziehungsrathes, wovon nur eines für Uebergabe der Lehranstalt an die Jesuiten sich aussprach, eingegangen, und die Botschaft des Regierungsrathes an den Großen Rath lautete gleichfalls auf Verwerfung des Vorschlages, da die Lehranstalt [557] ein nationales Institut sein müsse, und die Berufung von Gliedern einer Corporation, welche nach ihren eigenen Gesetzen von den staatlichen Organen in ihrer Thätigkeit für das Erziehungswesen nicht überwacht werden dürfte, gegen die Verfassung verstoße. Als Vertreter der „sogenannten intelligenten Demokratie“ (nach Siegwart’s Ausdruck) hielt am Tage der entscheidenden Berathung im Großen Rathe, 9. September, M. die bedeutendste Rede gegen die Berufung, mit der dringenden Warnung, nicht eine nie erlöschende Flamme, die das Volk in beständiger Gährung erhalten werde, unter dasselbe zu werfen, nicht den Gegnern ein Schlachtfeld zu eröffnen, zu dem sie ohne das nie gelangen würden, nicht protestantische Kantone auf diesem Wege von ihrer bisherigen Gesinnungsgenossenschaft gegenüber Luzern abzuscheiden: „Wer weiß, wer am Ende des langen, nie ruhenden Kampfes als Sieger auftreten wird?“ Solcher staatsmännischen Auffassung gegenüber mußten für dieses Mal die Jesuitenfreunde sich zurückziehen und damit trösten, daß nur die Einziehung vorgängiger Erkundigungen über die Bedingungen, unter denen die Jesuiten eine Besorgung der Lehranstalt übernähmen, beschlossen wurde. Aber M. that noch mehr in dieser Angelegenheit und suchte durch den österreichischen Geschäftsträger in der Schweiz in dem Sinne auf Metternich einzuwirken, daß durch das österreichische Cabinet ein Druck ausgeübt werde, um die Jesuiten zur Verzichtleistung auf eine Position in Luzern zu bewegen. Allein das gelang nicht, und 1844 geschah die Berufung, obschon M. in der ausschlaggebenden Sitzung des Großen Rathes wieder gegen die Maßregel als „eine große politische Unklugheit“, die nur den Gegnern Stoff zur Gährung liefere, sprach, seine Stimme gegen die Berufung einlegte. Er versicherte, er habe nach diesem Verlaufe sich, als Advocat, ins Privatleben zurückziehen wollen, sei aber durch Joseph Leu, dann „durch den Ernst der rasch sich drängenden Ereignisse“ bewogen worden, an seinem Platze zu bleiben.

Als nämlich die Entscheidung in der Jesuitenfrage fiel, da war M. schon durch seine Haltung in den gemeineidgenössischen Dingen, besonders in Folge seiner Betheiligung an inneren Zwistigkeiten im Kanton Wallis in der Eigenschaft eines eidgenössischen Commissärs, mit der Politik des in Luzern herrschenden Systems so bestimmt verflochten, daß eine Lösung von den öffentlichen Angelegenheiten für ihn nicht mehr möglich war. – 1843, in welchem Jahre Luzern für eine zweijährige Dauer eidgenössischer Vorort geworden war, hatte das Aargauer Klostergeschäft dadurch einen noch bedenklicheren Charakter angenommen, daß Luzern und mit ihm fünf weitere katholische Stände einen einschlägigen Beschluß der absoluten Mehrheit der Tagsatzung als Bundesbruch erklärten und sofort im September zu engeren Conferenzen zusammentraten, aus denen im Verlaufe die „Schutzvereinigung“, der Kern des späteren sogenannten Sonderbundes, hervorging. Schon gleich bei der ersten nach Luzern einberufenen Conferenz der sechs Stände, am 13. September, forderte M., als eines der Luzerner Mitglieder, dazu auf, sich direct auszusprechen, in wie weit das Volk der einzelnen Kantone geneigt sei, allfällige energische Schritte seiner Regierungen mit aller Aufopferung und Entschiedenheit zu unterstützen; dagegen wollte er noch nicht, daß in das festzustellende Manifest auch schon die Drohung einer Aufhebung der Gemeinschaft gegenüber anderen Kantonen aufgenommen werde. Wallis war gleichfalls hierzu eingeladen gewesen, hatte aber die Conferenz noch nicht beschickt. – Das hing damit zusammen, daß hier die nach den Kantonstheilen, dem oberen deutschredenden, dem unteren französischen Thalabschnitte, sich trennenden Conservativen und Radicalen in innerem Zwiste lagen. Eine 1839 aufgestellte Verfassung hatte nämlich Rechtsgleichheit der unteren gegenüber dem bisher im Uebergewichte stehenden oberen Landestheile ausgesprochen, überhaupt eine Regeneration auch dieses Kantons in Aussicht gestellt. Dagegen [558] suchten die Oberwalliser, zum Behufe der Zurückgewinnung ihrer Rechte, anzukämpfen; den klerikal gefärbten Auffassungen der deutschen Bevölkerung stellten sich zum Theil weit gehend radicale Forderungen aus dem Unterwallis entgegen, und zugleich spaltete sich auch hier die Bevölkerung in zwei Lager. Die Behörden büßten in diesen Gegensätzen ihre ganze Autorität ein. Wilde Ausschreitungen der Träger des Terrorismus unter den Radicalen, der sogenannten „Jungen Schweiz“, seit April 1843, führten zu Gegenmaßregeln; die Anarchie stieg und damit die Ohnmacht der Obrigkeit, welche die „Jung-Schweizer“ zu einem Erpressungszuge gegen die Hauptstadt Sitten ausnutzten, worauf die Regierung die Schwäche hatte, „für beabsichtigte Vertheidigung der Hauptstadt“, unter Bezahlung derselben, sich zu bedanken. Luzern, trotz seiner Stellung als Vorort durch die Walliser Regierung gänzlich unbenachrichtigt gelassen, schickte Anfangs September M. nach dem Wallis, um durch denselben Erkundigungen einzuziehen. Allein bis zum nächsten Frühjahre, 1844, wuchs nun die Zerrüttung in dem unglücklichen Lande auf einen so hohen Grad, daß der Staatsrath im Mai militärische Maßregeln traf, andererseits den Vorort um eidgenössische Intervention ersuchte. Am 13. Mai beschloß die vorörtliche Behörde, M., da derselbe die Verhältnisse im Wallis schon kenne, nach diesem Lande von neuem zu entsenden, zunächst wieder zur Berichterstattung, ferner aber eventuell in der Stellung eines zweiten eidgenössischen Commissärs, in dem Sinne nämlich, daß M., falls die Umstände es dringend gebieten, diesen amtlichen Charakter annehme, unter Benachrichtigung des in Freiburg weilenden ersten Commissärs, doch nur wenn die Anwesenheit eidgenössischer Commissarien wirklich nothwendig und der Walliser Regierung erwünscht scheinen sollte. In schleuniger Reise, nicht ohne Gefahr bei Ueberschreitung des noch tief beschneiten Passes über die Gemmi, kam M. am 15. in Sitten an, wo der Große Rath schon versammelt war. Gegenüber conservativen Mitgliedern der Behörde verhehlte nun M. keineswegs seine Ansicht, daß bei der Schwäche der Regierung der Große Rath zum Entschlusse zu bringen sei, die Jung-Schweizer, welche nach seiner Auffassung als Rebellen zu gelten hätten, durch militärische Mittel aufzulösen, und am 16. gelang es einem geistlichen Abgeordneten, die Mehrheit der Rathsmitglieder auf einer Privatzusammenkunft für diesen Gedanken zu gewinnen. So kam es am 17. spät Abends, nachdem die jungschweizerische Opposition nach heftigen Auftritten den Sitzungssaal verlassen hatte, zum Beschlusse, die aufrührerischen Gemeinden militärisch zu besetzen, dem Staatsrath außerordentliche Vollmachten zu ertheilen, einen Commandanten der Landwehr in der Person Wilh. von Kalbermatten’s aufzustellen. Als aber am 18. bei der Kunde des Anrückens der Jungschweizer von Unterwallis her den maßgebenden Persönlichkeiten abermals der Muth entfallen wollte, war es wieder M., welcher – abermals „als Privatmann“, wie er betonte – auf das schleunige Einrücken der aufgebotenen oberwalliser Bewaffneten drang. Dagegen warnte er, als er einen Kriegsrath sich constituiren sah, den Staatsrath-Präsidenten, Erlasse von dieser nicht verfassungsmäßigen Behörde, welche man allerdings in ihrer organisatorischen Thätigkeit nicht zu hemmen brauche, statt vom Staatsrathe ausgehen zu lassen. Noch im Laufe dieses Tages traf der neu ernannte Commandant von Kalbermatten in Sitten ein; als „Zuschauer“ in dessen Hauptquartier wohnte M. am 20. den Angriffe auf die in Ardon befestigten Jung-Schweizer bei; am 21. kam die Nachricht davon, daß die Jung-Schweizer durch ihre eigenen conservativ gesinnten Landesgenossen von Unterwallis im Engpasse des Trientflusses in furchtbar blutiger Niederlage geschlagen worden seien. Erst jetzt aber, als die Entscheidung vorlag, erhielt M. auch Kunde von dem am 19. von der vorörtlichen Regierung abgefaßten Befehl, daß er als eidgenössischer Commissär sofort [559] aufzutreten habe, und in diesem Sinne richtete jetzt der bisherige Berichterstatter seine Maßnahmen ein, nachdem das, was zu verhüten er nun angewiesen wurde, der Zusammenstoß, schon geschehen war. – Da von diesem Tage an M. die bestgehaßte Persönlichkeit in seiner ganzen Partei war, mußte hier um so mehr, als durch einseitige Darstellung auch über seinen Tod hinaus auf seiner Person ein dieselbe ganz verdunkelnder Schatten ruht, auf seine Haltung in den Maitagen von 1844 näher eingetreten werden. Wie M. selbst ganz offen einräumt, hat er durch sein privates Auftreten in Sitten ganz wesentlich das Ereigniß des 21. Mai durch die Ermuthigung der altschweizerischen Partei herbeigeführt. Er konnte sich formal durchaus darauf stützen, daß ja die Regierung des Wallis seinen Uebertritt vom Charakter des Berichterstatters zu dem des Commissärs nicht gefordert habe; aber andrerseits mußte er sich sagen, daß das, je mehr er den Staatsrath in seiner Position verstärken helfe, um so weniger geschehen werde, und er selbst hatte auch nicht versäumt, am 15. Mai und noch zwei Male, den Staatsrath auf den Punkt, ob sein Auftreten als Commissär wirklich verlangt werde, aufmerksam zu machen. Jedenfalls also hatte M. nicht als Friedensbringer, sondern als Parteimann gewirkt. Dagegen war dann die nachträgliche Beauftragung vom 19. ein feiges Manöver seiner Oberbehörde, um die Last von sich auf den Abgeordneten abzuwälzen. – Wie überall, so kam insbesondere auf der Tagsatzung zu Luzern, am 13. Juli, in offener Sitzung, der gegen M. von der Gegenpartei genährte Haß zu Tage, indem der Solothurner Abgeordnete Munzinger (s. d. Art.) vom „Ausstrecken blutgefärbter Hände“ gegenüber der Versammlung sprach. Uebrigens hatte M. gerade bei diesem Anlaß eine ganz correcte und auch recht offenherzige Darstellung seiner Handlungsweise gegeben. – Für die von Luzern repräsentirte Politik ergab sich aber als Resultat der Ereignisse im Wallis, daß dieser Kanton jetzt nach seiner Neugestaltung als siebentes Glied der „Schutzvereinigung“ reif geworden war.

Gerade die durch das Bekanntwerden der Schutzvereinigung bedingte Verschärfung des Gegensatzes zwischen den beiden Parteigruppen der Eidgenossenschaft (vgl. d. Art. Siegwart) brachte nun aber auch für M. die Uebernahme wichtiger Aufgaben, für welche er in erster Linie geeignet zu sein schien. Um für die in Aussicht genommenen Wehrmaßregeln des schon 1845 angeordneten sonderbündischen Kriegsrathes Waffen und Geld zu erlangen, galt es nach den von Siegwart vorgezeichneten Plänen bei den mit den sieben Kantonen sympathisirenden Regierungen anzuklopfen. So reiste M. im November 1846 nach Turin und erlangte vom König Karl Albert 2000 Infanteriegewehre, mit der geschickt angebrachten Bemerkung, daß Bezahlung allerdings nicht stattfinden könne: „Gewinnen wir, so werden wir, oder vielmehr unsere Gegner, E. M. Regierung befriedigen; verlieren wir aber, so bleibt dieser nur übrig, den Schuldposten als uneinbringlich durchzustreichen“. 1847 dann folgte, unter der Form der Wahl zu einem Abgeordneten Luzerns für den Abschluß eines neuen Postvertrages mit Oesterreich, eine Sendung nach Wien, zum Zwecke persönlicher Anknüpfung mit Metternich, um – nach Meyer’s eigenen Worten – „auf die allgemeine europäische Gefahr eines Sieges der Revolutionspartei in der Schweiz aufmerksam zu machen und darauf einzuwirken, daß durch ein zeitiges Dazwischentreten der Mächte dem Ausbruche eines Bürgerkrieges vorgebeugt werde“; ebenso handelte es sich auch hier um Geld und Waffen. Aber nachdem schon vorher eine vom Erzherzog Johann empfohlene Combination, daß Fürst Friedrich Schwarzenberg das Commando der Sonderbunds-Armee übernehme, nicht gelungen war, fand M. in seinen eigenen Verhandlungen, daß auf eine wirksame Unterstützung von Wien her vor der Hand nicht zu rechnen sei, und so reiste er, weil der Zusammentritt der ordentlichen Tagsatzung zu Bern bevorstand, noch vor den anderen [560] Abgeordneten zur Postconferenz, nach der Schweiz zurück. – Hatte M. schon 1846 auf der zu Zürich gehaltenen Tagsatzung als erster Gesandter Luzerns in der Sache des Bündnisses der sieben katholischen Kantone zu reden Gelegenheit gehabt und damals das Mittel gewählt, „von der Vertheidigung in directen Angriff überzugehen“, so war nun 1847, durch eine Veränderung der Majorität im Kanton St. Gallen, die zur Execution gegen den Sonderbund entschlossene Abtheilung der Tagsatzung zur Verfügung über eine Stimmenmehrheit gelangt und dadurch die Entscheidung vor die Thüre gerückt. Zuerst am 19. Juli hatte M. sein Votum abzugeben: er sprach gegen „die Revolution von oben herab, welche man durch Beschlüsse der Tagsatzung der Eidgenossenschaft aufzuzwingen im Begriffe sei“. Als dann nach ihrer Vertagung die Tagsatzung am 18. October wieder zusammentrat und die Lage der Dinge zum Schlusse drängte, war wieder M. in der wirkungsreichen Sitzung vom 29. des Monats der Sprecher für die mit ihm ausscheidenden Gesandten der sieben Stände. Nach Niederlegung einer Erklärung an das gesammte schweizerische Volk und unter feierlicher Berufung einer höheren Entscheidung verließ er mit den anderen Gesandtschaften die Versammlung. – Auch unter den Ereignissen der rasch folgenden kriegerischen Entwickelung erscheint abermals Meyer’s Thätigkeit. Am 30. October in Luzern angelangt, forderte er von Siegwart, daß sofort losgeschlagen werde, und verlor bei der zögernden Haltung des Obercommandanten von Salis-Soglio sogleich jegliche Hoffnung. Am Tage vor der Schlußkatastrophe, am 22. November, hatte er noch den erfolglosen Versuch zu machen, Zug bei der Sache des Sonderbundes festzuhalten, wobei er bei Uebernahme des Auftrages bemerkte: „Ich gehe, um den Herren von Zug noch am Schlusse des Dramas die Wahrheit zu sagen“. Bei der kläglichen Flucht der Behörden aus Luzern, am darauf folgenden Tage von Gislikon. beinahe bei der allgemeinen Kopflosigkeit zurückgelassen, erst im letzten Augenblicke von der unmittelbar bevorstehenden Abfahrt des bereit gehaltenen Dampfbootes unterrichtet, hatte dann M. nach der Ankunft auf urnerischem Boden noch die letzte Kundgebung der gestürzten Regierung, eine Proclamation an das Luzerner Volk, abzufassen. Damit war die Sache zu Ende, der er mit unleugbarer Thatkraft und Gewandtheit, besonders auch durch seine anerkannte Beredtsamkeit, durch mehr als sechs Jahre gedient hatte.

M. floh, gleich Siegwart, mit dem Obersten von Elgger, dem gewesenen Generalstabs-Chef, zunächst nach Wallis und Italien, kam nach Wien, wo er von Metternich Zusicherungen über eine Anstellung im österreichischen Staatsdienst erhielt. Aber die Märzrevolution von 1848 zerstörte diese Aussichten und trieb den Flüchtling abermals fort, nach München, wo er im Görres’schen Kreise freundliche Aufnahme fand. Von da aus antwortete er auch in einer erbitterten Schrift: „Beitrag zur Kenntniß der radicalen Gerechtigkeitspflege in der Schweiz“ auf die Eröffnung des Strafprocesses gegen seine frühere Thätigkeit in Luzern, besonders als Secretär des Kriegsrathes. Schon längere Zeit hatte M. seine Kinder aus Luzern zu sich nach München kommen lassen, als endlich im Herbst 1851 Aussichten aus Wien sich eröffneten und eine Befreiung aus der ökonomisch peinlichen Lage verhießen. Unter Fürst Felix Schwarzenberg wurde er unter Bach’s Verwaltung im Ministerium des Innern angestellt und Ende 1853 zum Ministerialrath ernannt. Als solcher hatte er z. B. Antheil an den Verhandlungen über das Concordat mit Rom, ebenso an den Angelegenheiten der Preßleitung und Preßüberwachung, wobei er die Wiener Zeitung in seinem Sinne durch Neugestaltung zu heben suchte. Besonders aber floß aus seiner Feder das kaiserliche Kriegsmanifest von 1859. Aber nach Bach’s Rücktritte und nach dem Sturze des durch diesen Minister repräsentirten, von M. gläubig hoch gehaltenen Systems vermochte derselbe, wenn er auch in amtlicher Stellung verbleiben [561] konnte, sich nicht mehr so wohl, wie bisher, zu fühlen. Unter dem Grafen Goluchowski wurde er seiner bisherigen Stellung als Vorstand des Präsidialbüreaus enthoben. Wie früher unter Bach, so hatte M. dann unter Schmerling, dieses Mal auf Grund des October-Diplomes, an der Ausarbeitung einer Verfassung mitzuhelfen; aber er stand dem auf liberalem Boden fußenden Staatsmanne und dessen Schöpfungen von Anfang an kritisch gegenüber. Der Eintritt des Ministeriums Belcredi 1865 hob wieder Meyer’s Aussichten: er wurde Chef der Präsidialcanzlei und erster Protokollführer der Minister-Conferenz und in das persönliche Vertrauen Belcredi’s gezogen. Die Neueinrichtung der Administrativ-Organisation lag ihm ob; als der Krieg von 1866 gegen das von M. gleicher Weise gefürchtete und gehaßte Preußen bevorstand, schrieb er abermals das dieses Mal überaus gedehnt ausgefallene Manifest Franz Joseph’s, dem im Laufe der kriegerischen Begebenheiten mehrere Proclamationen über wichtige Ereignisse folgten. Hatte M. – infolge genaueren Einblickes mit richtigen Vorahnungen – schon mit großen Besorgnissen auf die Kriegspolitik des Jahres 1866 geblickt, so konnte er sich noch weniger über die „Einschwärzung Beust’s nach Oesterreich“ beruhigen und betrachtete insbesondere mit peinlichstem Mißtrauen dessen Arbeiten für den Ausgleich mit Ungarn. Als Belcredi ausgeschieden war, glaubte M. die Zeit nahe gekommen, wo er von der Gnade des Kaisers, beliebig mit dem vollen Genusse der Pension sich in das Privatleben zurückzuziehen, Gebrauch machen solle. Nach der Gewährung der Versetzung in den Ruhestand, 15. Januar 1868, lebte „Bernhard Ritter von Meyer“ noch über sechs Jahre, und die Frucht dieser Mußezeit waren seine beim Tode hinterlassenen Memoiren, welche, als vom Vater selbst „verfaßt und abgeschlossen“, der gleichnamige Sohn, nur unangenehmer Weise mit ganz unglaublichen Lese- und Druckfehlern in schweizerischen Eigennamen, nebst einem „Anhang“ – „Die europäische Diplomatie und der Sonderbund“ – herausgab.

Vgl. neben Siegwart’s großem Werke (vgl. den Artikel Siegwart) eben besonders diese „Erlebnisse des Bernhard Ritter von M.“ (Bd. I, II, Wien und Pest 1875).